Kapitel 5
Tag sechs. Heute ist der letzte Tag der Auslese. Wer heute keinen Arbeitgeber findet, würde ein weiteres Jahr auf eine weitere Chance warten müssen.
Lange betrachte ich mein Spiegelbild. Meine linke Wange hat sich leicht lila gefärbt. Der Schlag des Mannes war stärker als ich erst vermutet hatte. Beinah meine kompletten linken Wange erstrahlt in einem Farbenspiel aus rot, lila und blau. Glücklicherweise nur sehr bleich und nicht auf Anhieb sichtbar, doch sollte sich jemand meine Gesicht genauer betrachten würde es sofort auffallen.
Das erhöht meine Chancen nicht gerade. Geht es mir durch den Kopf.
Wie es die letzten Tage zu Routine geworden ist, flechte ich mir die Haare und streife mir mein Kleid über. Im Gegensatz zum Vortag begleitet mich Alani heute nicht und ich mache mich langsam wieder auf den Weg zum zentralen Platz.
Zu meinem Erstaunen, haben sich heute um einiges mehr Leute eingefunden, um das Treiben zu beobachten.
„Die Nachricht, dass der König gestern hier war, hat sich herumgesprochen und da wollten alle einen Blick auf ihn ergattern", ertönt Alans Stimme plötzlich neben mir. Es ist tatsächlich eine Rarität, die Königsfamilie zu Gesicht zu bekommen. Das letzte Mal, als sie in Brinton waren, muss über acht Jahre her sein, berichtet mir Alani.
Ohne mich zu fragen, woher sie meine Gedanken kannte, antworte ich ihr „also sind die alle nur des Königs willen hier?"
„Natürlich. Unseretwegen sind die sicher nicht hier. Wir sind nur noch die Überbleibsel der Auslese. Heute werden weit weniger als an den anderen Tagen einen Platz bekommen. Aber das weißt du ja selber auch."
Für einen Augenblick dachte ich nach. Doch ihre Aussage war meiner Erfahrung nach richtig. Allerdings gab es eine Anomalie in diesem Jahr...
„Was ist mit dem Königshaus? Sie haben bis jetzt noch niemanden erworben."
Auch Alani scheint jetzt nachzudenken, schenkt mir jedoch nur ein Schulterzucken als Antwort.
Schnell machen wir uns auf die uns zugewiesenen Plätzen bereit und schon im nächsten Moment ertönt erneut die Nationalhymne und wie am Vortag marschiert die Königsfamilie ein und der König erklärt den Beginn des letzten Tages.
Zunächst verläuft der Tag wie die anderen. Ein paar der Mädchen in meiner Nähe werden näher betrachtet, während ich unbeachtet den Boden anstarrt.
Plötzlich bleiben ein paar Füße vor mir stehen. Ohne ein Wort an mich zu richten, hält die Person mein Kinn. Zieht meinen Kopf behutsam nach oben, um mir ins Gesicht zu sehen. Auf einmal starre ich in die grünen Augen des Prinzen. Vorsichtig dreht er meinen Kopf zur rechten Seite um meine linke Wange zu betrachten. Scham erfüllt mich sofort wegen meines geschundenen Gesichts. Einen Moment verharre ich in der Position, bevor er mein Kinn wieder nach unten führt und ich erneut den Boden betrachte. Ohne ein Wort läuft er weiter.
Der Rest des Tags verläuft Event los und nach einigen Stunden ertönt die raue Stimme des Auktionators.
„Meine Herren, bitte geben Sie ihre Gebote ab und bedenken sie, dass heute der letzte Tag ist."
Ein unruhiges Murmel geht durch die Runde und dann sammeln sich die Arbeitgeber in der Mitte des Platzes.
„Es scheint, als würden auch am letzten Tag einige der Aris einen Arbeitgeber finden. Zunächst die Mädchen, die nur ein Gebot erhielten." Er zählt in etwa 8 Mädchen auf, die sich darauf von der Empore begeben und zu ihrem Arbeitgeber gesellen. Danach beginnt die Auktion um die begehrten Mädchen. Die jedoch heute sparsam ausgeht, mit nur um die 3 Mädchen. Als auch die Auktion zu Ende ist, will ich mich bereits von der Bühne machen, da meiner Meinung nach, die diesjährige Auslese damit beendet ist. Doch plötzlich ertönt die Stimme des Auktionators erneut.
„Und nun meine Aris gebt bitte noch nicht die Hoffnung auf, denn nun werden die Damen für das Königshaus aufgelistet. Diese wurden bereits seit dem ersten Tag erwählt und bis heute aufgehoben." Erst jetzt wurde mir erneut bewusst, dass das Königshaus tatsächlich noch keine Aris erworben haben.
Eine spürbare Erleichterung macht sich in den Mädchen breit und ich kann auf einigen Gesichtern ein erwartendes Lächeln sehen. Alle lauschen dem Auktionator gebannt. Ich erwische auch mich wie ich gebannt den Auktionator betrachte, obwohl meiner kleinen Chance tatsächlich im Palast zu landen.
„45A, 89S, 267D, 321R,316J..."
Mein Herz bleibt für einen Moment stehen.
Hat er 316J gesagt? Verwirrt schau ich mich um. Und zum ersten Mal geht mein Blick zu der Anzeigetafel, die die geleisteten Nummern zeigt. 316J. Dort stand es. Dort stand meine Nummer.
Ich wurde tatsächlich erworben. Das Königshaus wollte tatsächlich mich. Immer noch verwirrt, hatte ich die Nummern der anderen Mädchen nicht mehr mitbekommen. Ich bin mir nicht sicher, wie viel noch nach mir noch aufgelistet worden.
Wie in Trance folge ich den anderen Mädchen von der Bühne und stellt mich in den für uns vorgewiesen Bereich. Nach dem ersten Schock setzte nun das Adrenalin ein. Mein Herz raste. Meine Lungen füllten sich schnell und meine Hände beginnen zu schwitzen.
Ich habe mich damit abgefunden, heute nachhause zu gehen und ein weiteres Jahr hier zu arbeiten. Ich war zufrieden mit meinem Leben. Ich nahm an diesem Prozedere nur teil, weil es Pflicht war und von einem erwartet wird. Nie im Leben habe ich mir ausgemalt, tatsächlich erworben zu werden. Doch jetzt sollte sich alles ändern.
Die anderen Mädchen um mich herum unterhalten sich fröhlich und nehmen sich überglücklich in den Arm. Für sie ist ein Traum in Erfüllung gegangen und das konnte man ihnen auch ansehen. Doch mein Blick bleibt an einem dünnen, brünetten Mädchen hängen. Es ist das Mädchen, das ich vor ein paar Tagen in der Menge mit dem Jungen gesehen habe. Nun laufen ihr Tränen über die Wangen und ihr Blick suchte die Menschenmenge nach jemand ab. Doch ihre Suche wurde abrupt von der Stimme des Königs unterbrochen.
„Mädchen. Ihr wurden auserwählt, im Palast zu arbeiten. Verabschiedet euch von euren Familien. Packt eure Sachen und um Mitternacht erwarte ich euch hier. Ihr werdet von einer Kutsche abgeholt und dann zu uns gebracht. Dort erhalten ihr dann weitere Anweisungen. Geht nun und kommt nicht zu spät."
Mit einer Handbewegung macht er uns klar, dass wir entlassen sind. Drehte sich dann um und stapft davon.
Für einen Augenblick bleibt meine Aufmerksamkeit noch auf dem König gerichtet, bevor ein markerschütterndes Schluchzen sie auf sich zieht. Das brünette Mädchen liegt inzwischen in den Armen des jungen Mannes dessen Hand sie vor einigen Tagen hielt. Eine Träne nach der anderen bahnt sich einen Weg über ihr Gesicht. Auch ohne, dass ich sie kenne, kann ich ihre tiefe Trauer fühlen.
Der Blick des Jungen trifft plötzlich meinen. Schnell drehe ich mich um meine eigene Achse und laufe in die gegen gesetzte Richtung. Zu unangenehm ist mir die ganze Situation. Eilig eile ich nach Hause. Dort angekommen packe ich die wenigen Habseligkeiten die ich habe in eine Tasche und setze mich dann auf mein Bett.
Mein Blick schweifte durch den Schlafsaal.
Es ist ein großer, wenn auch ein ziemlich dunkler, Raum. Nur drei kleine Fenster erhellen ihn. Die etwa zwanzig Betten stehen dicht nebeneinander. Für Privatsphäre ist hier kein Platz. Zu meiner Erleichterung ist außer mir noch niemand nach Hause gekommen. Ich teile mir diesen Raum mit etlichen anderen Mädchen, die wie ich weder Mutter noch Vater haben und unter 21 Jahre sind.
Ab dem 21. Lebensjahr durfte man nicht mehr an der Auslese teilnehmen und dann hat man in diesem Haus keinen Wert mehr. Es ist eine Art Waisenhaus. Jedoch ausschließlich für Aris und man wird trainiert, um ein attraktiver Kauf zu sein. Es ist eine Art Produktionsstätte für die perfekte Auslese-Kandidatin.
Ich selbst bin hier erst vor etwa einem Jahr angekommen, doch einige der Mädchen sind schon ihr ganzes Leben hier. Eine Lerneinheit nach der anderen. Gefolgt von schweren Hausarbeiten und dann ab einem bestimmten Alter auch noch Arbeiten in der Stadt. Es ist ein hartes Leben, aber auch ein gerechtes. Wir bekommen zu essen und haben ein Dach über dem Kopf.
Plötzlich vernehme ich schnelle Schritte, die die Treppe hinauf stürmen. Und für einen kurzen Augenblick verfluche ich mich selbst immer noch hier zu sitzen und nicht schon längst das Haus verlassen zu haben.
„Du hast es geschafft", höre ich die schrille Stimme einer der jüngeren Mädchen zu mir herüberschreien. Dicht gefolgt von einer ganzen Gruppe von jungen Aris, die alle auf mich zu stürmen. Alle schreien sie vor Aufregung.
„Du wirst für den König arbeiten."
„Freust du dich?"
„Bist du aufgeregt?"
„Was denkst du, musst du dort machen?"
„Wirst du ein eigenes Zimmer haben?"
„Du wirst sicher im Palast leben."
Die Fragen der Mädchen überschlagen sich und folgen so schnell aufeinander, dass ich keine der Fragen beantworten kann. Hilfe suchend, schaue ich mich im Raum um. Als mein Blick auf Alani trifft, atme ich tief durch. Meinen flehenden Blick richtig interpretierend, schickt sie die Mädchen nach unten.
„Danke", entgegne ich meiner Retterin.
„Kein Problem... du hast es also geschafft. Und dann auch noch das Königshaus. Glückwunsch ...Mädchen."
Ein leichtes Grinsen macht sich auf meinem Gesicht breit. Nicht aufgrund des Gesagten, sondern weil sie ganz offensichtlich meinen Namen nicht kennt. Sie klopft mir noch beglückwünschen auf die Schulter, bevor auch sie die Treppen nach unten geht.
Eine beruhigende Stille erfüllt erneut den Raum. Bevor noch mehr aufgeregte Mädchen mich überfallen, entschließe ich mich bereits jetzt auf den Weg zurück zum Platz zu machen. Still verabschiede ich mich von dem Ort, den ich etwas über ein Jahr mein, zu Hause nannte und hole meine Papiere bei der Hausdame ab. Ein letztes Mal steige ich durch die Tür.
***Schmückt gerne den Nachthimmel und lasst ein paar Sternchen daran funkeln.***
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