Kapitel 47
Heute ist wieder Frei-tag. Da ich gestern alles mit Jayden wieder hingebogen habe, ist die Fahrt nach Amrox nicht unangenehm. Kaleas Frei-tag ist wieder verschoben worden und ist daher erst morgen. So kann sie uns heute leider nicht begleiten. Rosalee ist kurz nachdem die Kutsche losrollt, wieder eingeschlafen und ihr Kopf liege auf meiner Schulter. Die Räder rattern laut über die Straße und die kühle Luft, umfließt mich.
„Ich denke, der Prinz ist immer noch ein arroganter Junge, der irgendeinen Hintergedanken mit dir hat", sagt Jayden plötzlich wie aus dem nichts. Panisch geht mein Blick zu Rosalee, doch sie scheint immer noch zu schlafen.
„Jayden, nicht hier." Ich schaue ihn mahnend an und mache eine kleine Kopfbewegung zu Rosalee.
„Ach, die schläft tief und fest. Glaub mir, die hört nichts. Letztes Mal, als du auf der Krankenstation warst, hatten Kalea und ich schon befürchtet Rosalee nach Amrox tragen zu müssen", lacht er amüsiert. Rosalee scheint auch bei dem lauten Lachen nicht einmal zusammenzuzucken. Trotzdem ist es mir unangenehm vor ihr zu sprechen und allgemein mit Jayden über Kian zu reden. Denn ganz offensichtlich können die Beiden sich nicht ausstehen. „Also versteh mich nicht falsch. Ich bin dem Kerl dankbar für das er getan hat, aber ich denke es ist keine gute Idee, dass ihr euch weiterhin trefft", sagt er etwas streng.
Ich sehe ihm an, dass er es wahrlich gut meint und besorgt ist, aber ich erkenne auch eine gewisse Eifersucht in seinen Worten. Es macht mich etwas wütend, dass er denkt, ich brauche seine Erlaubnis, um mich mit Kian oder sonst jemanden zu treffen.
„Du hast Kian gerade mal ein paar Minuten kennengelernt und schon machst du die wildesten Spekulationen. Du kennst ihn nicht so wie ich. Glaube mir, er hat nichts Böses vor", versuche ich meinen neuen Freund in den Schutz zu nehmen. Doch die Worte prallen an Jayden ab.
„Ein paar Minuten. Dir ist schon klar, dass ich über vier Jahre am Palast diene und da bekommt man so einiges mit. Und dein lieber Prinz ist weit davon entfernt ein anständiger junger Mann zu sein", sagt er streng und mit Verachtung.
„Wenn du ihm eine Chance geben würdest, bin ich sicher, dass du erkennen würdest, wie ähnlich ihr euch eigentlich seid." Ich muss daran denken, wie Kian seine Schwester abgöttisch liebt und wie auch Jayden eine tiefe Beziehung zu seinen Geschwistern hegt. Der Gedanke lässt mich Grinsen, doch Jaydens Blick wird bohrend. Ich sehe wie meine Worte ihn verärgern.
„Ich bin keineswegs wie der Kerl", prustet er laut und jetzt zuckt Rosalee doch zusammen. Die Situation hemmt meine Vorfreude auf den Besuch in Amrox und die Freude die ich verspüre.
„Jayden lass uns nicht streiten, okay? Lass uns einfach einigen, dass wir uns uneinig sind. Bitte", schlage ich ihm flehend vor. Er muss sehen wie traurig mich die Situation stimmt, denn plötzlich scheint er erschrocken und seine Züge werden weicher. Seine himmelblauen Augen bekommen die übliche Wärme und ich lächle ihm entgegen.
„Es tut mir leid, Emmelin. Ich will dich nur beschützen", sagt er fürsorglich.
„Mache dir keine Sorgen um mich. Ich pass schon auf mich auf. Versprochen", gebe ich ihm zurück und es erleichtert ihn. Die restliche Zeit erzählt er mir vom Besuch letzte Woche und wie Micah nicht aufgehört hat zu weinen, nachdem ich schon wieder nicht mitgekommen konnte. Ich lehne meinen Kopf an seine Schulter und lausche seiner Erzählung, während ich den Sonnenaufgang am Horizont beobachte. Das lila-rosa Farbenspiel, erinnert an meine Würgemal, das inzwischen abgeklungen ist. Und somit die Erinnerung an den Tag verblassen lässt.
*
Wir sind noch nicht einmal in dem kleinen Vorgarten, da kommt mir der kleine Micah freudestrahlend entgegengerannt. Und springt mir in den Arm. Freudig wirbele ich den Kleinen herum und wir lachen beide laut auf. Nachdem meine Muskeln von dem ganzen Kichern schmerzen, setze ich den Kleinen wieder ab, der sofort meine Hand ergreift und ins Haus zieht.
In der Küche sitzen alle bereits am Tisch und genießen das frische Brot, das Jaydens Mutter gebacken hat. Da heute die großen Kinder keine Schule haben, müssen sie nicht gehen und ich bekomme die Chance mit den Mädchen zu sprechen. Micah gefällt es nicht so gut, dass er meine Aufmerksamkeit teilen muss, bleibt aber brav auf meinem Schoss sitzen und unterbricht unsere Gespräche nicht.
„Siehst du den Prinzen oft?", will plötzlich Myla oder Ivy, ich kann den beiden immer noch nicht die Namen zuordnen, aufgeregt von Jayden wissen. Nachdem er ihnen erzählt, dass er seit dieser Woche in den königlichen Stockwerken arbeitet. Bei der Erwähnung des Prinzen verdreht er seine Augen, unterdrückt aber ein Kommentar.
„Ab und zu läuft er mir über den Weg", sagt er genervt, doch das stört die Beiden nicht und sie quietschen freudig. Schon bei meinem ersten Besuch ist mir das Interesse am Prinzen von dem Beiden, aufgefallen. Ihre Augen geraten ins Schwärmen, wenn sie über ihn redeten.
„Und wie ist er so?", wollen sie noch aufgeregter und freudiger wissen. Genervt schnauft Jayden und verschränkt seine Arme vor der Brust.
„Fragt doch Emmelin, die kennt ihn besser", schnaubt er abfällig und genervt. Die Mädchen drehen ihren Kopf abrupt zu mir, doch ich wende ihn zu Jayden.
„Jayden!", mahne ich ihn schockiert und entgeistert. Micah schreckt auf und auch Jayden schaut mich schockiert an. Ihm ist wohl nicht bewusst was er gerade gesagt hat. Der Junge kann echt kein Geheimnis für sich behalten. Immer noch wütend, starrte ich ihn an und ich sehe wie er panisch nach einer Erklärung sucht.
„Also ich meine... emm.... Ich habe gehört du musst in seinem Zimmer putzen. Da dachte ich, vielleicht bist du da auch auf den Prinzen getroffen", gluckst er. Ich bin froh, wenn auch nicht die beste Erklärung, seine Aussage den beiden Mädchen nicht merkwürdig vorkommt.
„Oh ja das Stimmt. Aber der Prinz ist in der Zeit nicht in seinem Zimmer gewesen", erkläre ich den beiden was sie etwas enttäuscht. Immer noch streng starre ich auf Jayden. Als die Beiden vom Tisch aufstehen, hebt er unschuldig seine Hände.
„Was denn? Ich hab es doch noch gerettet", sagt er unschuldig. Aber ich sehe ihm an, dass er es nicht ernst meint. Ich verdrehe meine Augen und atme tief durch. Micah sitzt immer noch ruhig auf meinem Schoss, aber ich bezweifle, dass er versteht, wovon wir sprechen.
„Du weißt, dass ich dir das anvertraut habe und dich gebeten habe es für dich zu behalten. Also wäre ich dir sehr zu Dank verpflichtet, wenn du nicht herumposaunen würdest, dass ich mit... Du weißt schon wem... Befreundet bin", sage ich immer noch wütend. Auch Jayden wird die Situation wieder bewusst. Wann immer es um Kian geht, scheint sein Gehirn auszusetzen und er sagt das erstbeste, was ihm einfällt. Ich sehe ihm an, dass er es nicht böse meint. Aber seine Worte könnten wirklichen Schaden anrichten.
„Tut mir leid Emmelin. Es war ein Versehen", sagt er ehrlich bedauernd und ich akzeptiere seine Entschuldigung. Er verspricht mir von nun an, vorsichtiger zu sein und bittet mich aufgrund des einen Fehler nicht wieder Geheimnisse vor ihm zu haben. Ihn hat es wirklich schwer getroffen, dass ich ihm die Erlebnisse nicht schon früher anvertraut habe. Ich kann ihm nicht böse sein, da ich weiß, dass er es nur gut meint und willige ein.
Den restlichen Tag reißt er sich tatsächlich zusammen und vermeidet das Thema komplett. Gemeinsam mit Jayden, Cameron und Esai gehe ich in den kleinen Wald, um Feuerholz zu sammeln. Natürlich kommt der kleine Micah auch mit. Mit einem kleinen Karren und Körben gehen wie tief in den Wald und laden einige der großen heruntergefallenen Äste auf und etwas kleiner in die Holzkörbe. Das Wetter ist schon sehr viel kälter, als das letzte Mal und doch des Pullovers fröstele ich etwas.
Als wir gerade auf dem Rückweg sind mit einem vollen Karren und Micah mit einem großen Ast, den er hinter sich herzieht, fällt mein Blick auf eine einzelne rote Blume. Einsam steht sie auf einem kleinen sonnen beleuchteten Fleck. Langsam gehe ich auf die schöne rote Blume zu und betrachte sie. Sie gleicht den Blumen, die auf meinem Arm, am Abend des Balles, wuchsen. Auf einmal erinnere ich mich an etwas, dass ich nicht genau zuordnen kann.
„Hippeastrum", hauch ich Gedanken verloren. Ich habe nicht bemerkt, dass sich Jayden neben mich gekniet hat und zucke zusammen, als ich seine Stimme vernehme.
„Ja genau. Oder besser bekannt als Ritterstern. Aber woher weißt du das denn? Pflanzen sind eigentlich nicht dein Ding", sagt er amüsiert, aber auch verwirrt. Ich schüttele den Kopf und zucke mit den Schultern.
„Ich weiß nicht. Ich habe sie schon einmal irgendwo gesehen. Aber ich weiß nicht genau wo. Wahrscheinlich irgendwo im Palastgarten", erkläre ich. Doch das Gefühl, dass da mehr ist, lässt mich einfach nicht locker. Die Vögel zwitschern im Hintergrund und ich spüre wie eine Erinnerung versucht in mir aufzusteigen. Aber sie ist zu schwach, um sich an die Oberfläche zu kämpfen.
„Das glaube ich nicht. Im Palast gibt es nicht eine einzige von ihnen. Vor vielen Jahren. Lange vor meiner Zeit, ließ der König sie alle entfernen. Ihm haben sie wohl nicht mehr gefallen und er wollte etwas Neues", sagte er amüsiert und geht zurück zu seinen Brüdern. Ich verharre noch einen Moment. Konzentriert starre die Blume an, in der Hoffnung sie würde mir die Antwort verraten oder die Erinnerung entlocken. Hippeastrum. Ritterstern. Hippeastrum. Ritterstern. Wiederhole ich immer wieder in meinem Kopf, in der Hoffnung die Erinnerung so zu ködern, doch es gelingt mir nicht.
„Emmelin, kommst du?", ruft mir Jayden zu und ich hole zu ihnen auf. Gemeinsam schreiten wir zurück zum Haus und stapeln das Holz an seinen Platz.
Danach helfe ich Myla und Ivy, denen ich endlich die Namen zuordnen kann, beim Wäscheaufhängen. Es freut mich, dass ich heute der Familie unter die Arme greifen kann. Ich habe jedes Mal ein schlechtes Gewissen, wenn ich am Essenstisch sitze und mir das Essen schmecken lasse, ohne ihnen etwas dafür zu geben.
„Also du und mein Bruder?", fragt Ivy, die ein Jahr älter als Myla und zwei Jahre jünger als ich ist. Nächstes Jahr muss sie auf ihre erste Auslese. Sie ist fast einen Kopf größer, als ich und sehr hübsch. Ihr Haar ist wieder zu einem bezaubernden Zopf geflochten und ihre Haut ist makellos. Die beiden Mädchen strahlen mich verschwörerisch an und ich brauche einen Moment, um zu verstehen, was sie andeuten. Schockiert reise ich die Augen auf.
„Oh, was? Nein! Wir sind nur Freunde", sage ich schockiert, was die Beiden amüsiert. Schnell schaue ich mich um. Ich möchte sicher gehen, dass niemand anderes hier ist. Micah hat sich zum ersten Mal von mir gelöst, weil er seiner Mutter in der Küche helfen muss. Ich atme erleichtert auf, als ich niemanden sonst im Garten sehe.
„Weiß er das auch?", will Myla wissen.
„Natürlich", presse ich immer noch schockiert hervor. Mein Körper beginnt zu zittern. Von der Kälte, aber auch dem unangenehmen Gesprächsthema. Natürlich mag ich Jayden sehr. Das steht außer Frage. Mehr als eine Freundschaft darf ich mir nicht erlauben. Zu lieben bedeutet zu leiden. Ich breche die Regel, die mir jahrelang den benötigten Halt gegeben hat, schon indem ich ihn, so wie Rosalee und Kalea, zu einem so großen Teil meines Lebens werden lassen. Mehr kann ich unter keinen Umständen erlauben. Nicht jetzt wo die Erinnerung an den Abend des Balles und der zweite Auslese ebenfalls meine Nächte gefangen halten. Ich kann nicht noch einmal entgleisen.
„So wie er dich ansieht, bezweifle ich das aber", holt mich Mylas belustigt Stimme aus den Gedanken. Ich schüttele den Kopf, um die Gedanken zu verjagen und blicke in ihre haselnussbraunen Augen, die mich an Schokolade erinnern und sofort ein Lächeln auf meine Lippen zaubert. Sie versteht es jedoch falsch, denn ein verschwörerisches Grinsen setzt sich in ihr Gesicht, dass ich nur zu gut von Rosalee kenne.
„Emmelin. Den Rest schaffen die Beiden alleine. Du kannst mir noch bei etwas helfen", rettet mich Jayden Stimme von dem unangenehmen Gespräch. Die Beiden beginnen erneut zu Kirchen. Ich drehe mich zum Haus und sehe Jayden in der Türschwelle. Weit genug entfernt, um nichts gehört zu haben. Ich sehe wie mir Micah entgegenkommen und ich ergreife seine Hand. Gemeinsam schlendern wir zurück zum Haus und das Kichern der beiden wird immer leiser, verstummt aber nicht ganz.
„Worüber amüsieren sich die beiden denn so?", will Jayden neugierig und etwas irritiert wissen. Sofort spüre ich, wie die Röte in mir aufsteigt. Ich schiebe mich an ihm vorbei ins Haus, sodass er es nicht sieht.
„Ach nichts", sage ich ihm im Vorbeigehen. „Wobei brauchst du meine Hilfe?", will ich erfahren, um das Thema zu wechseln.
„Eigentlich brauch ich sie nicht, aber du sahst so miserable aus. Da dachte ich, dass ich dich vor meinen Schwestern rette", sagt er amüsiert. Seine Augen funkeln mir liebevoll entgegen und ich spüre wie sich eine Wärme um mein Herz legt. „Aber ich muss Feuer machen, also wenn du möchtest, kannst du mitkommen." Bevor ich antworten kann, zieht mich Micah schon in die Richtung des Ofens.
„Also ich denke Micah will, dass ich mitkomme", sage ich amüsiert. Aufmerksam beobachte wie Jayden gekonnt das Feuer entzündet. Er lässt Micah helfen, obwohl es schneller gegangen wäre, wenn er es alleine gemacht hätte. Jayden ist wirklich ein guter großer Bruder. Ich kann ein Grinsen nicht unterdrücken, denn dieselbe Fürsorge zeigt er auch immer wieder mir. Endgültig fällt die Verärgerung aufgrund seiner Besorgnis über Kian ab, denn ich erkenne, dass er es nur aus Liebe zu mir tut. Liebe unter Freunden, kommentiert mein Verstand schnell.
„Was?", will Jayden verwirrt wissen, als er meinen Blick bemerkt. Auch auf seinen Lippen liegt ein warmes Lächeln.
„Nicht", sage ich belustigt. Und ernte ein Auge runzeln von ihm, doch die Wärme seines Lächelns bleibt. Es ist inzwischen wirklich kalt geworden. Ohne den Pullover würde ich sicher noch mehr frieren. Um mich etwas zu wärmen, setze ich mich vor das Feuer und strecke meine Hände den Flammen entgegen. Für einen Augenblick blitzt das Bild von meinem brennenden Zuhause auf, doch ich verdränge es schnell wieder. Das Zittern von dem Gedanken bleibt.
„Alles okay? Ist dir kalt?", interpretiert Jayden mein Zucken falsch.
„Nein, es geht schon." Micah kuschelt sich an mich und schon im nächsten Moment weicht auch das letzte bisschen Kälte von mir.
„Ist der Pullover das Einzige warme, das du besitzt? Du trägst immer nur ihn. Hast du keine anderen Jacken?", will er etwas besorgt wissen. Besorgnis lässt das Funkeln in seine Augen, immer etwas abschwächen, doch nimmt ihnen nicht die Wärme.
In Brinton habe ich nie wirklich Winterkleider gebraucht. Das Ari-Haus, wie meine Arbeitsstellen, war beheizt. Für die kurzen Wege, die ich von einem zum anderen Gebäude gehen musste, reichte meine lange Tunika und schnelle Schritte, um mich einigermaßen warmzuhalten. In Rim hatte ich bis zum Feuer einige wärmere Kleider, aber wie alles andere im Haus waren sie nur noch Asche. Die Familien, bei denen ich unterkam, hatten nicht viel Geld, um mir Kleider zu kaufen. Das bisschen Kleidung, dass sie entbehren konnten, wurde schnell zu klein. In Nima sparte ich mir, dass Geld für die teure Winterkleidung, die ich sowieso nur für knapp drei Monate getragen hätte, da es danach wieder wärmer wird.
„Nicht wirklich. Und der Pullover ist auch eigentlich nicht einmal meiner", erinnere ich mich selbst und bemerke den Fehler, den ich gerade begangen habe. Jayden ist nicht der einzige, der manchmal seine Gedanken ausspricht, bevor er über sie nachdenkt.
„Ich hab mich schon etwas gewundert. Er ist etwas merkwürdig. Er ist offensichtlich nicht für Ari, aber auch für Ramir wirkt er etwas unpraktisch. Ich dachte in Brinton trägt man so etwas vielleicht", sagt er amüsiert, doch dann klickt es in seinem Kopf und seine Augen verengen sich. „Wessen Pullover ist es denn?" Ich muss schwer schlucken. Jedes Mal, wenn der Prinz zur Sprache kommt, wird Jayden angespannter und ich will die Idylle nicht zerstören.
„Ist doch egal", sage ich möglichst gleichgültig. In der Hoffnung er wird es fallen lassen, versuche ich das Thema zu wechseln. „Wie kommt es, dass ich deinen Vater noch nie getroffen habe?" Auch seinen großen Bruder habe ich bis jetzt noch nicht zu Gesicht bekommen und ich habe das Gefühl deshalb etwas zu verpassen.
„Oh, mein Vater arbeitet im Handel. Die meiste Zeit ist er in den Hafenstädten und kommt nur alle paar Wochen nach Hause. Letzte Woche war er hier, aber ihr musstet ja leider arbeiten, sonst hättest du ihn treffen können", erklärt er mir mit einem Lächeln.
Jaydens Mutter ruft uns zum Mittagessen und ich will gerade aufstehen, als Jayden mich am Arm hält. Ich drehe mich noch einmal zu ihm zurück und erkenne sofort in seinen Augen, was in seinem Kopf vor sich geht.
„Es ist der vom Prinzen, oder?", fragt er wieder mit einem Hauch von Eifersucht. Mein Verstand braucht eine Minute, um zu verstehen, wovon er spricht. Der Pullover. Ich nicke ihm zu und er lässt von mir ab. Dankbar, dass er sich ein Kommentar unterdrückt, atme ich durch. In seinem Gesicht erkenne ich sein Missfallen.
*
Der Abschied vom kleinen Micah fällt mir dieses Mal beinah so schwer wie ihm. Sein kleines verweintes Gesicht droht auch in mir Tränen heraufzubeschwören. Er reicht mir einen schwarzen Stein, der wie ein Herz geformt ist, damit ich ihn bis nächste Woche nicht vergesse. Ich versichere ihm, dass ich das nicht werde. Aber er besteht trotzdem darauf, dass ich den Stein mitnehme. Mit einer Tasche in der Hand verabschiedet sich auch Jayden von seiner Familie und Rosalee kommt auf uns zu gerannt.
„Tut mir leid, Leute. Ich musste schnell einen Brief für Lincoln abgeben", sagt sie völlig außer Atem. Es dauert nicht lange, bis wir wieder eine Kutsche finden, die uns mit zum Palast nimmt. Gemütlich legen wir uns auf die etlichen Heuballen und starren an den Himmel.
„Das ist, glaube ich meine Lieblingsfahrt. Echt gemütlich. Ich könnte beinah schlafen, wäre ich nicht noch mit Adrenalin vollgepumpt", sagt Rosalee glücklich mit einem Unterton von Verliebtheit. Seit sie mit Lincoln Briefe austauschen kann, ist ihr kompletter Gemütszustand noch fröhlicher geworden und gleicht an manchen Tagen dem von Kalea.
„Du kannst doch überall schlafen", sagt Jayden unter lachen und wir stimmen mit ein. Eine Weile deuten wir die verschiedenen Wolken, die am Himmel vorbeiziehen. Flauschige weiße Tupfer auf sonst klarem blauem Himmel. Die Zeit fliegt an uns vorbei. Im Palast angekommen, begleitet uns Jayden wieder bis zum Eingang.
„Oh Emmelin, das ist noch für dich. Ein paar Sachen die Ivy nicht mehr passen. Aber du bist etwas kleiner und ich denke, sie sollten dir passen. Damit du noch ein paar andere warme Sachen hast. Wenn der Winter erst einmal kommt, wird es hier echt kalt und du willst sicher weiterhin in den Garten." Seine Geste freut mich. Aber sein Hintergedanke bleibt mir natürlich nicht verborgen. Er will nicht, dass ich immer den Pullover von Kian tragen muss. Obwohl, ich das nur aus Zweck tue. Nachdem er mehrmals darauf besteht, nehme ich die Tasche dankend an und wir verabschieden uns für heute.
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