Kapitel 4
Die nächsten zwei Tage liefen genauso wie der Tag zuvor.
Einige Arbeitgeber kamen. Betrachteten uns. Boten. Und nahmen ihre Ware nach Hause.
Wie am Vortag interessierte sich kein Käufer für mich. Jedoch ist auch an diesen Tagen das Königshaus nicht vertreten. Allerdings betrachten mich die grünen Augen wie am Vortag. Mir fällt auch auf, dass er weitere Mädchen ins Visier nimmt und sie haargenau beobachtete. Wie ein Adler scheint er jede von uns zu mustern und unser Verhalten zu registrieren. Doch ich dränge das komische Verhalten des Jungen beiseite und konzentriere mich möglichst repräsentativ hinzustellen.
***
Heute ist der fünfte Tag der Auslese. Wie die Tage davor beginne ich den Tag mit einer Dusche. Lege mein Haar in einen geflochtenen Zopf über meine Schulter und mache mich auf den Weg zum großen Platz.
Als ich gerade aus der Tür gehen will, packt mich jemand an der Schulter. Und zwingt mich zum Umdrehen.
Vor mir steht Alani, das blonde Mädchen aus dem Waschraum.
"Hast du schon gehört, Zoey und Aamna wurden Gesten von einem Arbeitgeber übernommen." Berichtet sie mir voller Fassungslosigkeit. Natürlich wusste ich bereits davon. Es war alles, worüber die Mädchen am Abend geredet hatten.
"Ja, das habe ich schon gehört." Antwortete ich ihr kurz bevor ich durch die Türe gehe.
Alani macht es mir gleich und läuft nun neben mir her.
"Denkst du wir haben noch eine Chance?", fragt sie eher besorgt als mit Spott.
"Ich weiß es nicht", gebe ich ihr neutral zurück. Auch, wenn mir ihre Anwesenheit etwas lästig scheint und ihre Fragerei mich etwas irritiert, bin ich doch glücklich heute diesen Weg nicht alleine beschreiten zu müssen. Eine Weile blickt sie gedankenverloren in der Gegend umher, bevor sie erneut das Schweigen durchbricht.
"Fragst du dich je, was es eigentlich mit der Auslese auf sich hat? Wieso leben wir in diesem System? Findest du es nicht merkwürdig, dass es nur die Aris sind, die sich jährlich wie Vieh präsentieren müssen? Wieso die Arbeitgeber ein Leben im Luxus leben dürfen?"
Für einen Moment halte ich inne. "Nein", gebe ich nur zurück.
"Interessieren dich die Hintergründe denn gar nicht?"
"Nicht wirklich. Das ist nun mal so. Es war schon immer so und wird auch immer so bleiben. Das warum ändert doch an der Sache nichts."
Nun ist es Alani, die verstummt.
Schweigend verbringen wir die letzten Meter, bevor wir unsere vorgesehenen Plätze einnehmen.
Doch diesmal, passierte etwas Außergewöhnliches. Anstatt der rauen Stimme des Auktionators ertönte eine Melodie. Unsere Nationalhymne. Diese erkenne ich nur da wir sie in der Schule lernten jedoch nie wirklich irgendwo singen.
Daraufhin treten einige dutzend Wachen in ihrer dunkelblauen Uniform, mit einer Reihe golden Knöpfen von der rechten Schulter zur linken Hüfte, durch die Menge auf die Empore zu. Sie stellen sich vor der Empore in einer Reihe auf und betrachten die Menschenmenge. Kurz darauf bahnen sich zwei weitere Wachen den Weg durch die Massen und fordern die Leute auf, einen Durchgang zu bilden. Sie gehorchen und im nächsten Moment tritt der König, die Königin, die Prinzessin und der Prinz aus einer Kutsche und laufen der Empore entgegen. Dicht gefolgt von vier weiteren Wachen. Die große Präsenz an Schutzpersonal wirkt etwas banal auf mich.
Die Menge bricht in tobenden Applaus aus, als sie die Ankömmlinge erkennen.
Aus dieser Entfernung kann ich die Gesichter der Königsfamilie nicht erkennen, jedoch kann man anhand ihrer pompösen Kleidung auch ohne diese sofort erkennen, um wen es sich handelt.
Ich selbst habe die Königsfamilie noch nie in Wirklichkeit gesehen. Ich kenne sie nur von Fotografien oder Gemälde.
Auch auf der Empore ist es unruhig geworden. Die Mädchen kreischen leise und tuscheln untereinander. Als die Königsfamilie die Empore erreicht, erlischt die Musik und jemand reicht dem König ein Mikrofon. Augenblicklich herrscht absolute Stille auf dem Platz.
Die sanfte, tiefe Stimme des Mitte vierzig jährigen Mannes füllt die Stille
"Liebe Ramir und Aris. Es freut mich, sie so zahlreich heute hier vorzufinden. Wie ihnen bereits mitgeteilt wurde, suchen auch wir dieses Jahr ein paar helfende Hände. Die letzten paar Tage waren bereits sehr erfolgreich und so hoffen auch wir, heute nicht mit leeren Händen nach Hause zu gehen. Meine Herren Arbeitgeber, ich wünsche euch eine fröhliche Suche."
Auf sein Stichwort hin verteilen sich wieder die Männer in den schwarzen Anzügen auf der Empore und beginnen ihre Suche. Immer noch schockiert von dem Auftreten des Königspaares mustere ich sie einen nach dem anderen.
Der König wirkt etwas stärker, auch wenn nicht ganz so korpulent wie der Auktionator. Seinen Kopf ziert etwas längeres, graues Haar. Welches ordentlich nach hinten gekämmt ist. Ein fröhliches Lächeln ziert sein Gesicht und seine Wangen sind leicht rosig.
Mein Blick schweift weiter zur Königin. Hüftlanges, brünettes Haar fließt in leichten Wellen an ihr hinunter. Ein funkelndes Diadem ziert ihr Haar. Ihr Blick jedoch wirkt etwas strenger, beinah traurig zwing sie sich zu einem Lächeln während sie die Hand der Prinzessin fest in ihrer hält.
Auch die Prinzessin ziert hüftlanges brünettes Haar, welche jedoch in eine komplexe Flechtfrisur gearbeitet ist. Das zierliche Mädchen wirkt nicht älter als 12 Jahre. Schüchtern schaut sie sich auf der Empore um. Sichtlich eingeschüchtert hält sie jedoch nicht lange ihren Blick auf die verschieden Mädchen.
Nun ist mein Blick auf der Suche des letzten Familienmitglieds. Plötzlich starre ich erneut in die grünen Augen, die mich einige Tage zuvor schon zu durchbohren schienen. Der junge Mann scheint so anders als damals. Sein schwarzes Haar ist in einem ordentlichen Zopf gebunden. Er wirkt frisch rasiert und auch sehr viel ordentlicher. Fragend lege ich meinen Kopf schief. Kann es sich wirklich um denselben jungen Mann handeln? Frage ich mich selbst. Jedoch sind es die stechend grünen Augen, die mir meine Zweifel nehmen. Als ich immer noch gedankenversunken in die grünen Augen zurückstarre, trifft mich wie aus dem Nichts eine Hand mitten ins Gesicht.
Ein stechender Schmerz breitet sich plötzlich auf meiner Wange aus und reißt mich aus meinen Gedanken. Noch bevor ich ergreifen kann, was gerade passiert ist, ertönt die tiefe Stimme eines älteren Mannes neben mir.
"Augen nach unten, Ari. Das ist doch nicht so schwer" schimpft er bevor er sich stampfend in die andere Richtung begibt.
Danach halte ich meinen Blick starr auf meine Füße gerichtet. Auch dieses Mal gab es kein Interesse für Aris 316J. Mich.
Jedoch hatte auch heute das Königshaus wieder keine Gebote abgegeben, sondern schien lediglich zu beobachten und das Spektakel zu genießen.
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