Kapitel 38 - Teil 1
Die Hände von Beynon umschließen feste meinen Hals. Drücken meine Kehle zu. Ohne Erfolg meine Lungen mit dem lebensnotwendigen Sauerstoff zu füllen, sacke ich langsam ein und versinke in die Tiefe.
Schwer röchelnd schrecke ich aus dem Albtraum. Hyperventilierend und mit einem rasenden Herz, setze ich mich in meinem Bett auf. Mein Bett. Kein Beynon hier. Warte. Das ist nicht mein Bett! Das ist nicht mein Zimmer. Wo verflixt bin ich? Nur in einer Art Nachtkleid gekleidet, das nicht meines ist, liege ich in einem überdimensionalen Bett. Das ohne Probleme vier ausgewachsenen Menschen Platz bietet. Die vier Pfosten halten einen Stoff über dem Bett, der an der Seite hinunter fließt und somit eine kleine Oase bildet. Der Raum der sich vor mir erstreckt ist groß. Beinahe halb so groß wie der Tanzsaal in dem uns Herr Falk unterrichtet hat.
Zu meiner rechten erstrecken sich dutzende Fenster, hinter denen ich den Sonnenaufgang betrachten kann. Ein langer Tisch erstreckt sich vor ihnen, auf dem unendlich viele Papiere wild aufeinander liegen, Bücher stapeln und andere Objekte wild umherfliegen. Gegenüber von mir erkenne ich eine kleine Couch Garnitur, die um einen kleinen Tisch steht. Dahinter ein großes Regal gefüllt mit Büchern, jedoch stehen sie nicht ordentlich sondern querfeldein darin. Ich erkenne eine Art Trainingspuppe, die wohl für Nahkampf Training gedacht ist. So wie ein paar Waffen, darunter auch ein Schwert und Bogen. In der Nähe des Bücherregals steht eine Türe offen und ich kann ein Badezimmer erkennen. An der linken Wand steht ein Kleiderschrank der die Größe meines kleinen Zimmer hier im Palast hat. Als mein Blick weiter gleitet, erspähe ich eine schlafende Person auf einem Sessel direkt neben dem Bett. Nicht irgendeine Person. Der Prinz. Der Prinz? Der Prinz!!
Meine Gedanken überschlagen sich auf einmal. Was ist gestern passiert? Wie bin ich hier gelandet? Warte mal, was trage ich eigentlich? Ich versuche mich etwas zu beruhigen und den gestrigen Tag Revue passieren zu lassen. Doch erst jetzt bemerke ich die schrecklichen Kopfschmerzen. Okay du hattest etwas zu viel Wein. Bist mit Beynon in den Garten. Beynon ... hat dich gewürgt und dann kam Jayden. Jayden. Auf einmal scheint sich ein Schleier vor meinem inneren Auge zu öffnen.
Es war nicht Jayden der zu meiner Rettung kam.
Es war nicht Jayden der Beynon verprügelte.
Es war nicht Jayden der mich in den Armen trug.
Es war nicht Jayden an dem ich mich schmiegte.
Es war der Prinz!! Die Erkenntnis trifft mich so unerwartet, dass mein Atem stockt und ich ihn einige Sekunden halte, bevor ich ihn kraftvoll herauspresse. Und dann schlägt die Erkenntnis erneut ein: ICH bin im Zimmer des PRINZEN.
Panisch blicke ich zurück zu dem immer noch schlafenden Prinzen. Erleichtert atme ich auf. Ich muss hier raus!
Leise streife ich die Decke von mir und rutsche zur Bettkante. Unter meiner Bewegung quietscht das Bett leise und mein Blick schießt zum Prinzen. Der zu meiner Erleichterung immer noch seelenruhig schläft. Seine Atmung geht gleichmäßig und sachte. Vorsichtig setze ich erst einen und dann den anderen Fuß auf den Boden. Glücklich erkenne ich, dass das fremde Nachtkleid bis beinah zu meinen Knöcheln reicht und ich nicht halbnackt durch den Palast schreiten muss.
Um das leichte Kleid noch ein wenig zu tarnen, greife ich leise nach einer Jacke. Die auf dem Boden liegt und ziehe sie über. Die gleiche Jacke, die ich damals trug als ich nur ein Handtuch am Leib hatte, erkenne ich kurz schockiert. Mit leichten Schritten eile ich auf die Türe zu, die ich als den Ausgang vermute. Ich lege gerade meine Hand auf die kalte Klinke als die Stimme des Prinzen mich so sehr erschreckt, dass ich zu Boden stürze.
„Du willst doch nicht schon wieder mit meiner Jacke verschwinden... Oh tut mir leid ich wollte dich nicht erschrecken" schnell springt er auf und kommt mir entgegen. Doch ich robbe von ihm weg, denn auf einmal kommt mir die Erinnerung von Beynon wieder in die Gedanken.
Er bleibt abrupt stehen und blickt nun mitleidig zu mir herunter. Seine Haare liegen wild auf seinem Kopf. Zum ersten Mal erkenne ich, dass sie nicht schwarz wie zuvor gedacht sondern dunkelbraun wie meine sind. Mit einer Handbewegung streicht er sie aus dem Gesicht und gibt den Blick frei auf seine grünen Augen, die Mitgefühl ausstrahlen.
„Es tut mir leid. Hab keine Angst. Ich tue dir nichts. Wie fühlst du dich?" Er scheint ehrlich interessiert und mitleidig. Wie ein verletztes Küken betrachtet er mich. Doch heute bin ich wieder Aris. Schnell hieve ich mich auf die Beine. Mache einen schnellen Knicks bevor ich antworte.
„Es geht mir gut, mein Prinz" gebe ich mit etwas zittriger Stimme wieder und hoffe dass er die Angst darin nicht hören kann.
„Emmelin" er nimmt einen Schritt auf mich zu, doch ich weiche schnell einen zurück. Wieder hält er inne und blickt mich an. „Das gestern tut mir leid. Ich hätte dich nicht mit Beynon gehen lassen sollen." Bei der Erwähnung des Namens zucke ich unbewusst zusammen und ich spüre wie eine Träne meine Wange herunter kullert. Fang jetzt ja nicht an zu heulen.
„Mein Prinz, die Schuld liegt nicht bei euch." Versuche ich mit fester Stimme zu sagen, doch es gelingt mir nicht das Zittern zu unterdrücken. Sondern bei mir, fügt mein Verstand hinzu. Um dem Prinzen keine weitere Möglichkeit zu geben mir Fragen zu stellen, füge ich schnell hinzu: „Wenn es ihnen recht ist, würde ich jetzt gerne zurück auf mein Zimmer, mein Prinz." Dieses Mal gelingt es mir das Zittern zu unterdrücken.
„Auf keine Fall" presst er schnell hervor. Seine Antwort kommt so überraschend, dass ich die Augen aufreiße und entsetzen sich in mir breit macht. Er wird da weitermachen wo Beynon unterbrochen wurde, warnt mich mein Verstand. Panik wallt wieder in mir auf und ich beginne am ganzen Leib zu zittern. Auch im Gesicht des Prinzen erkenne ich plötzlich Schock.
„Nein warte, das kam falsch rüber. Du kannst noch nicht zurück. Solange Beynon noch hier im Palast ist, lass ich dich nicht aus den Augen. Heute Abend reist er ab, dann kannst du zurück in dein Zimmer. Außerdem wäre es auch eine schlechte Idee wenn dich mein Vater hier oben auf den Stockwerken sieht." Er scheint aufrecht und tatsächlich wegen meiner Sicherheit besorgt. Das lässt mein Zittern abklingen. Doch das Frösteln bleibt und ich ziehe die Jacke näher um meinen Körper. Wie eine warme Umarmung umgibt sie mich.
„Emmelin, ich werde dir nichts tun. Versprochen" sagt er erneut als er wieder ein paar Schritte auf mich zukommt. Dieses Mal unterdrücke ich den Drang ein paar Schritte nach hinten zu gehen. Zirka zwei Schritte vor mir bleibt er stehen und betrachtet mich genau.
„Wie geht es dir wirklich?" fragt er nun mit soviel Wärme, dass mein Misstrauen etwas weicht. Aber nur ein wenig.
„Ich hatte schon bessere Tage, mein Prinz" sage ich und richte meinen Blick auf den Boden. Wenn ich ehrlich mit mir bin, fühle ich mich elend. Nicht nur schmerzt mein ganzer Körper, meine Kehle fühlt sich rau an, mein Kopf hämmert als habe mich ein Pferd getreten und meinen inneren Gemütszustand will ich erst gar nicht erwähnen.
„Kian" sagt der Prinz plötzlich und kommt mir einen Schritt näher, was mich wieder aufblicken lässt. Verwirrt schaue ich ihn an.
„Mein Name. Kian. Hier können wir uns die Formalitäten sparen. Nenn mich einfach Kian. Mit Lilly scheint es dir nicht schwer gefallen zu sein" bei der Erwähnung des kleinen Mädchen huscht kurz ein Lächeln auf meine Lippen. Mit einem Lächeln auf den Lippen streckt er mir seine Hand entgegen. Ich nehme sie an und schüttele sie.
„Okay... Kian" Es ist ungewohnt den Prinzen beim Namen zu nennen. Doch es hilft mich weiter innerlich zu beruhigen. Kian, bis heute habe ich nie darüber nachgedacht dass ich seinen Namen nicht kannte und jetzt soll ich ihn plötzlich nutzen.
„Also gut ich mag ungern erneut Fragen. Aber wie geht es dir, Emmelin?" Sein beharren lässt mich einknicken und ich atme tief durch.
„Ich bin erschöpft, mein Kopf pocht schrecklich, meine Glieder sind schwer und mein Hals fühlt sich wund an" berichte ich mit dem Blick nach unten gerichtet, da mir mein Gemütszustand unangenehm ist.
„Geht doch" sagt er halb triumphierend und halb traurig. Er kommt noch einen Schritt näher, hebt mein Kinn und begutachtet meinen geschundenen Hals.
„Das sieht echt nicht gut aus, vielleicht sollte ich den Arzt holen" kommentiert er. Doch ich schüttle schnell den Kopf, was meine Kopfschmerzen zu verdoppeln scheint und ich mit meiner Hand gegen die Schläfe drückt.
„Nein, das ist nicht nötig. Ich bin sicher in ein paar Tagen geht es schon wieder." Einen weiteren besuch beim Arzt will ich unbedingt vermeiden. Zumal ich nicht daran interessiert bin ihm die Situation beschreiben zu müssen.
„Also gut aber für die Kopfschmerzen hab ich etwas. Und setzt dich doch bitte. Wir müssen ja nicht wie zwei Statuen in der Gegend herumstehen" Er deutet auf die Sitzgarnitur. Und da meine Muskeln bereits von dem langen stehen brennen, gehe ich seiner Aufforderung nach und lasse mich erschöpft auf dem weichen Polster nieder. Kurz verschwindet er im Bad und kommt mit einem Glas Wasser, in dem er etwas auszulösen scheint, zurück.
„Trink das und dir geht es gleich besser" fordert er mich auf als er mir das Glas entgegenstreckt. Misstrauisch betrachte ich den Inhalt. Wenn er dich hätte vergiften oder töten wollen, hatte er mehrere Möglichkeiten also zier dich nicht so, mahnt mich mein Verstand. Und ich kippe den gesamten Inhalt mit einem Zug hinunter. Bei jedem Schlucken schmerzt mein Hals. Doch die kühle Flüssigkeit ist wie Balsam und ich spüre wie das kratzen abschwillt.
„Danke" sage ich mit einer nun etwas weniger kratzigen Stimme und reiche ihm das Glas. Eindringlich beobachtet er mich und mir wird erneut klar, dass ich nur in einem, wenn auch langen, Nachtkleid vor ihm sitze.
„Emm... wie genau bin ich den in das Nachtkleid gekommen? Hast du..." Will ich etwas beschämt wissen. Bei dem Gedanken, dass er mich eventuell in Unterwäsche gesehen hat, steigt mir die röte ins Gesicht.
„Oh Heck nein. Nein." Er schüttelt kräftig den Kopf. „Ich habe zwei meiner Hofdamen gebeten dir das Kleid auszuziehen. Ich habe mir gedacht darin lässt es sich nicht gut schlafen" erzählt er nun zum ersten Mal mit einem kleinen Lächeln. Erleichtert nehme ich einen weiteren tiefen Atemzug.
„Keine Angst ich habe sie zum stillschweigen gezwungen" fügt er hinzu als er meinen erschrockenen Blick richtig interpretiert. Das letzte was ich will ist die Gerüchteküche zum Brodeln zu bringen, indem alle wissen wo ich mich befinde. Danken schenke auch ich ihm ein erneutes Lächeln.
„Hättest du vielleicht etwas das ich anziehen könnte. Das Nachtkleid scheint mir nicht sehr.... angemessen" überwinde ich meine Scham und schaue ihn etwas flehend an.
„Oh emm ... ich schau mal ob ich etwas finde was dir passen kann. Aber hübsch wird es nicht sein" kommentiert er als er auch schon zum Kleiderschrank springt. Amüsiert über seine Befürchtung scheinen alle Sorgen nun in den Hintergrund zu treten. Er reicht mir eine schwarze Hose, ein schwarzes T-Shirt und einen braunen Kapuzenpullover. Sofort erkenne ich den Kapuzenpullover. Es ist derselbe den er damals trug als ich ihn bei der Auslese in der Menge gesehen habe. Er reicht mir noch ein Handtuch und erklärt mir, dass ich mich im Bad frisch machen kann.
Als ich die Badezimmer Türe hinter mir schließe rutsche ich an der Wand gelehnt zu Boden. Das alles scheint mir so surreal. Ich brauch einen Augenblick um in den Moment zurück zu kehren und raffe mich dann wieder auf. Im Spiegel blickt mir ein zerzaustes, Makeup verschmiertes Mädchen entgegen das ich beinahe nicht erkenne. Das Würgemal um meinen Hals hat bereits ein Lila angenommen und sieht wirklich nicht sehr gut aus. Ich hoffe, dass ich das irgendwie vor den anderen verstecken kann.
Das Badezimmer, das die Größe von Rosalee, Kaleas und meinem Zimmer hat, besitzt neben einer Dusche, ein großes Waschbecken und eine große Badewanne. Kurz bin ich versucht in die Wanne zu steigen, entscheide mich dann doch für die Duschen. Ein Bad wäre wohl mehr als unpassend. Lange lasse ich das heiße Wasser über mich laufen. In dem Versuch den gestrigen Tag von mir zu schrubbe, Seife ich mich so oft ein, dass meine Haut schon etwas rot von dem ganzen abbürsten wird.
Ich stehe lange, sehr lange, unter der Dusche und stelle überraschend fest, dass das Wasser nicht einen Grad kälter wird. Meine Haarverlängerung hat sich, wie mir der Stylist erzählt hatte, unter dem Wasser aufgelöst und zurück bleiben meine schulterlangen Haare. Auch mein Makeup löst sich überraschen schnell. Das einzige was bleibt sind die künstlerischen Fingernägel und das Medaillon das mir der Prinz umgelegt hat.
In ein Handtuch eingewickelt stelle ich mich vor den Spiegel und kämme gedankenverloren mein Haar. Danach rubble ich es halbwegs trocken und binde es zu einem Zopf, mit einem der Haargummis des Prinzen. Danach lege ich die Kette ab und ziehe mir die Kleider über. Etwas zu groß liegen sie an mir. Aber ich fühle mich um einiges wohler als in dem Nachtkleid und schreite aus dem Badezimmer. Der Prinz kommt gerade durch die Zimmertür mit einem Tablett in den Händen.
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