Kapitel 27
Die nächsten drei Tage verlaufen wie im Flug. Auch wenn ich dank der Armschiene etwas eingeschränkt bin, gelingt es mir doch überraschend gut meine Arbeit zu verrichten. Ausschließlich beim Flicken von Socken hindert sie mich. Was ich jedoch nicht sehr betrauere, da mir so der Teil der Arbeit verschont bleibt.
Als Kalea meinen geschundenen Körper sieht fließen die Fragen nur so aus ihr heraus. Ein paar der Fragen beantworte ich und den Rest lasse ich Rosalee erzählen weil ich einfach nicht in der Stimmung bin das Ganze noch einmal durchzugehen.
Auch ein paar der anderen Mädchen haben mich bei den Mahlzeiten angesprochen doch ihnen schenke ich nicht so viel Geduld wie Kalea und erklärte nur kurz, dass ich ungünstig gefallen bin. Natürlich ist die Gerüchteküche fleißig am Brodeln und die meisten wissen Bescheid. Aber als sie merken, dass ich nicht drüber sprechen will haben sie sich dann auch schon wieder schnell verzogen.
Nachdem auch Jayden das hundertste Mal nachfragt lasse ich Rosalee auch ihm die Geschichte erzählen. Er ist so außer sich, als er das hörte, dass er beinah zum König rennt und ihn kurz und klein schlagen will. Doch aus offensichtlichen Gründen lässt er das doch sein.
Die anderen zwei Tänze des Unterrichts, sind zu meiner Freude, wieder mir bekannt. Weshalb ich sie in schnellster Zeit beherrschte. Herr Falk scheint es auch gemerkt zu haben. Er hat begonnen Jayden und mich systematisch zu ignorieren, was in seiner Welt eine der höchsten Arten des Respekts sind, schlussfolgerte ich.
***
Das heiße Wasser der Dusche läuft sanft über meinen Körper. Die kleinen Schnitte auf meinem Arm haben sich Rosa gefärbt. Auch mein Brandmal hat sich schlagartig gebessert und leicht hellrot gefärbt. Wie hypnotisiert starrte ich das Mal an. Königlicher Besitz. Das Bin ich. Der König besitzt mich.
Schlagartig wird das Wasser eiskalt und ich springe mit einem kleinen Schrei aus der Dusche. Schon zum vierten Mal diese Woche habe ich zu lange unter dem fließenden Wasser gestanden. Eilig streife ich mir meine Uniform über und setze das Kopftuch in mein nasses Haar. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass nur noch zehn Minuten für das Frühstück bleiben. Weshalb ich über den Flur renne.
Eilig schnappe ich mir eine Scheibe Brot bevor ich mit Rosalee in den Keller zu Charlotte eile. Auf dem Weg verdrücke ich das trockene Frühstück und ernte einen belustigten Blick von Rosalee.
„Wieder in der Dusche eingeschlafen?" will diese freudig wissen. Ich nickte ihr zustimmend zu, da ich immer noch auf dem Brot kaue.
Unten angekommen beobachte ich wie Charlotte sich mit einem anderen Mädchen streitet; sich dann zu uns umdreht und wütend auf uns zu stampft. Für einen Augenblick fürchte ich, dass ihr Missfallen uns gilt. Doch als ihr Blick unseren trifft lösen sich ihre strengen Züge und ein gezwungenes Lächeln erscheint.
Ohne, dass wir nachfragen müssen prescht sie mit der Antwort heraus.
„Nathalia und ihr Team müssen heute die Gästezimmer für den anstehenden Besuch vorbereiten weshalb wir heute auch ihre normalen Zimmer übernehmen müssen. Sagt eurer Mittagspause schon einmal Lebewohl, denn das wird viel Arbeit."
Mit einem tiefen Schnaufen schreitet sie an uns vorbei und erklimmt die Stufen. Rasch folgen wir ihr. Schneller als sonst erledigen wir unseren Normalen Zimmer, jedoch nicht so schnell um die andere Arbeit zu kompensieren. Kurz vor unserer Mittagspause haben wir die Zimmer von Nathalia fertiggestellt und machen uns nun an die Reinigung. Bereits zwei Stunden im Verzug erledigen wir die enorme Masse an Wäsche und beginnen mit dem Befüllen der zwei Vorratskammern.
Dieses Mal kommt auch Charlotte ins Schwitzen nachdem wir uns das zwanzigste Mal die Treppe hinauf kämpfen. Unsere Atmung geht schwer und der Schweiß läuft wie ein Fluss an uns hinab. Wir erlauben uns eine fünf minütige Pause, als wir das letzte Laken an seinen Platz legen.
„Ich hoffe solche Tage gibt es nicht so oft" hauche ich außer Atem.
„Zum Glück nicht. Maximal zweimal alle sechs Monate" prustet Charlotte erschöpft.
Zu unsere Erleichterung schaffen wir die Kleider austrage sehr schnell so, dass wir nur noch eine knappe Stunde hinter dem Zeitplan liegen. Prompt machen wir uns an die Dreckwäsche. Aufgrund des verpassten Mittagessen und einem spärlichen Frühstück, beginnt mein Magen laut zu knurren und schmerzt. Aber ich versuche mir nichts ansehen zu lassen.
„Das mit dem Abendessen wird heute wohl nichts" bemerkt Rosalee genervt und auch mir wird unsere Situation vor Augen gebracht. Wie auf Kommando beginnt mein Magen erneut zu knurren und diesmal so laut, dass es auch Rosalee und Charlott hören. Kurz verschwindet Charlotte und taucht mit zwei belegten Broten wieder auf.
„Hier esst das schnell bevor euch jemand sieht" flüstert uns Charlotte zu. Wie angewiesen verdrücken wir die viel zu kleinen Sandwiche und machen uns weiter an die Arbeit.
Nachdem Charlotte unsere Situation mit dem Tanzunterricht an Oberdame Fidry erklärt, lässt sie uns gehen mit der Bedingung die restlichen Socken Morgen zu flicken.
Aufgrund unserer bereits zehn Minütigen Verspätung rennen Rosalee und ich über die Gänge. Bewusst, dass wir eine der Goldenen Regeln brechen. Aber im Moment haben wir mehr Angst darüber was unsere Verspätung für Konsequenzen hat und eilen deshalb durch die leeren Gänge.
Durch die Türe kann ich bereits die Klänge des Pianos hören und mit einem lauten Quietschen öffnen wir die schwere Türe. Plötzlich verstummt die Musik, alle Augen richten sich auf uns und ein wütender Herr Falk stapft auf uns zu.
„Weitermachen!" schreit er den anderen Paaren zu und mit einem Mal ertönt die Musik erneut und die Paare setzen sich in Bewegung.
Mein Blick schweift durch den Raum auf der Suche nach Jayden. Ich erspähe ihn neben Rosalees Tanzpartner an der Wand neben der Türe gelehnt. Eine Mischung aus Belustigung, Mitleid und Wut mischt sich auf seinem Gesicht. Wut. Ist er sauer mit mir? Ich schenke ihm ein Lächeln in der Hoffnung, aus seiner Wut schlau zu werden doch sie weicht nicht.
Inzwischen steht Herr Falk vor uns und fordert meine Aufmerksamkeit.
„Was fällt euch ein zu spät zu MEINEM Unterricht zu erscheinen?" für einen Moment glaube ich es ist eine Rhetorische Frage aber er erwartet tatsächlich eine Antwort von uns. Rosalee ist diejenige die ihm versucht die Situation zu erklären. Von Einsicht ist keine Chance aber sein Ärger scheint etwas ab zu ebben.
„Okay geht zu euren Tanzpartnern und an die Arbeit. Ihr könnt von Glück reden, dass ihr eine der besseren Tänzerinnen seid. Sonst hätte ich euch die ganze Nacht dabehalten" schimpft er bevor er sich wieder den anderen zudreht.
Schnell schreite ich auf Jayden zu der seine Wut versucht unter einem Lächeln zu verstecken. Was hab ich getan? Denk nach Emmelin! Was hast du falsch gemacht? Die Angst das ich einen meiner besten Freunde verärgert haben und nicht zu wissen wieso lässt mich verzweifeln.
Als ich vor ihm stehen bleibe und seine Hand ergreifen will, zieht er sie schnell beiseite und schaut kurz an mir vorbei. Bevor ich fragen kann was los ist ertönt seine Stimme mit einem traurigen aber festen Unterton.
„Ich tanze heute nicht mit dir" ist alles was er sagt. Verzweifelt brennen jetzt doch Tränen in meine Augen. Seine Abweisung versetzt mir einen tiefen Schlag in den Magen.
„Wieso?" Presse ich zittrig hervor.
Schlagartig schwindet die Wut aus seinen Augen. Seine Züge werden sanfter und er sieht mir liebevoll in die Augen. Seine komplette Ausstrahlung ändert sich um 180 Grad. Er legt vorsichtig seine Hände auf meine Schultern und das Zittern in mir ebbt ab.
„Emmelin" er sagt es so tröstend, dass meine Gedanken jetzt komplett wirr sind. „Du verstehst das falsch. Ich will ja mit dir Tanzen aber heute hast du einen anderen Tanzpartner und es liegt außer meiner Macht die Entscheidung zu revidieren."
Erneut Schaut er an mir vorbei und in meiner Verwirrung folge ich seinem Blick.
Erschrocken bemerke ich wie der Prinz auf uns zu schreitet. Wo ist der denn plötzlich hergekommen? Seine Schritte sind gezielt, elegant und trotzdem etwas zögerlich.
„Da du am Ball mit dem Prinzen tanzen musst, hat er darauf bestanden das er ein paar Stunden mit dir üben kann." Diese Worte sagt er wieder härter und ich merke wie sehr ihm die Situation missfällt. Seinen Ärger über den König scheint er nun auf den Prinzen zu übertragen. Mit seinem Daumen wischt Jayden mir eine Träne beiseite, die droht an meiner Wange ihren Weg nach unten zu bahnen.
„Hab keine Angst. Stell dir einfach vor es sei ich" flüstert er mir ermutigend zu, bevor er mich umdreht und ich nun vor dem Prinz stehe.
„Es schickt sich nicht zu spät zu kommen" kommentiert der Prinz, während er mich auf die Tanzfläche führt. Noch einmal gleitet mein Blick zu Jayden und ich sehe wie er versucht mir Mut zu zusprechen. Seine himmelblauen Augen jedoch verraten mir wie hilflos er sich fühlt und wie gerne er mir aus der Situation helfen will. Es ist nur ein Tanz Emmelin. Stell dich nicht so an, versuche ich mir selber aufmunternd zu zusprechen.
„Keine Angst dein Freund läuft dir schon nicht weg" merkt der Prinz an als er meinem Blick folgt. Mein Freund? Für einen Augenblick bin ich verwirrt und verstehe seine Andeutung nicht. Als es mich schlagartig trifft. Jayden. Der Prinz glaubt er ist mein Freund. Eine unerklärte Scham macht sich in mir breit. Ich mag Jayden aber nicht auf die Art wie der Prinz andeutet. Über die letzten Tage sind wir uns näher gekommen und ich genieße die Freundschaft die ich mit Jayden aufgebaut habe, genauso wie mit Rosalee. Aber solche Gefühle wie der Prinz meinte, habe ich nicht. Plötzlich verspürte ich den Drang mich rechtfertigen zu müssen.
„Jayden ist nicht mein Freund, also er ist ein Freund aber..." presse ich hart aber flüsternd ohne nachzudenken heraus, als mir plötzlich bewusst wird mit wem ich gerade spreche „es tut mir leid mein Prinz."
Mein Verhalten scheint den Prinzen zu amüsieren. Keine Verärgerung kann ich ihm ablesen, nur eine kindisches Grinsen. Wie routiniert beginnen wir die Schritte des klassischen Walzers. Zu meiner Überraschung fällt es mir recht einfach seiner Führung zu folgen. Ich muss feststellen, dass er ein guter Tänzer ist und es mir beinah noch leichter als bei Jayden fällt ihm zu folgen. Jedoch fühlt sich seine Hand an meinem Rücken falsch an; schwer, drückend und aufgezwungen. Dank der Armschiene vermeide ich seinen Griff um meine Hand und habe nur minimalen Hautkontakt.
„Herr Falk hat nicht gelogen als er sagte du hättest ein wenig Talent" kommentiert er jetzt wieder hochmütig meine Tanzkünste. Die Arroganz blitzt wieder in seinen Augen auf und innerlich kämpfe ich gegen den Drang mich von ihm abzustoßen. Um ihm meine Verärgerung nicht sehen zu lassen, setze ich ein künstliches Lächeln auf.
„Danke, mein Prinz" versuche ich so lieblich wie möglich zu äußern. Was ihn jedoch erneut amüsiert. Verzweifelt geht mein Blick wieder zu Jayden der inzwischen seine Hände zu Fäusten geballt hat und für einen Augenblick befürchte ich, dass er den Prinzen verprügeln wird.
Doch genau in diesem Augenblick öffnet sich die Tür und zum Vorschein kommt eine Königliche Wache. Kurz verbeugt er sich und richtet das Wort an den Prinzen, der abrupt zum Stillstand kommt. Beinah trete ich ihm auf die Füße, komme aber dann auch zum Stehen.
„Mein Prinz, eure Anwesenheit wurde Angefordert." Der Prinz löst seinen Griff um mich, schenkt mir ein Lächeln und ein leichtes Nicken. Schnell Knickse ich vor ihm und schon im nächsten Moment tritt er aus der Türe. Ich versuche aus dem Verhalten des Prinzen schlau zu werden, als Jayden vor mir Auftaucht.
„Bist du okay? Über was habt ihr gesprochen?" will er besorgt wissen. Schnell nehmen wir die richtige Position ein und bewegen uns zum Klang der Musik.
„Alles okay Jayden. Wir haben über nichts Wichtiges geredet" gebe ich immer noch nachgrübeln an ihn zurück.
Nun wird mir noch deutlicher klar wie geschmeidig und fließend der Prinz sich bewegt hat. Jayden ist ein sehr guter Tänzer aber seine Bewegungen wirken zu gezwungen und unnatürlich. Viel zu verspannt.
„Hey Emmelin. Was ist mit dir los?" erst jetzt bemerke ich, dass ich gebannt in die Leere gestarrt habe. Leicht schüttle ich meinen Kopf, in der Hoffnung meine Gedanken zu ordnen, und blicke nun direkt in seine Augen.
„Tut mir leid. Ich bin etwas abgelenkt. Es war ein anstrengender Tag" lüge ich in der Hoffnung, dass er das Thema ruhen lässt.
Nachdem wir alle Tänze dreimal durchlaufen haben entlässt uns Herr Falk. Da sogar Jayden mein Magenknurren aufgefallen ist zerrt er Rosalee und mich in die Bediensteten Küche. Dort spricht er kurz mit einer der jungen Mädchen. Die ihm große Augen macht. Nach ein paar Minuten kommt er uns stolz entgegen. Er hält zwei Tellern gefüllt mit Resten des Mittagessens und strahlt von einem Ohr zum anderen.
„Du weißt schon, dass die voll auf dich steht" kommentiert Rosalee während sie mit ihrem Kopf in die Richtung des Mädchens deutet.
„Was? Ruby? Ne" ist alles was Jayden von sich gibt.
Hungrig schlingen Rosalee und ich das Essen herunter und bedanken uns bei Jayden.
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