Kapitel 22
Beinah wie neu, erwache ich kurz vor Kalea. Die nun leise durch das Zimmer streift um Rosalee nicht zu wecken. Als ihr Blick meinen trifft flüstert sie leise.
„Oh du siehst so viel besser aus heute. Oh das freut mich. Wie fühlst du dich?" Kurz setzt sich das kleine Mädchen auf mein Bett und betrachtet mich etwas genauer. Jeden Zentimeter meines Gesichts analysieren ihre Kobalt blauen Augen. Zum ersten Mal bemerke ich den braunen Fleck auf ihrer Iris der beinah wie ein Stern geformt ist.
„Mir geht es ziemlich gut Kalea, Danke" gebe ich ihr mit einem ehrlichen Lächeln zurück. Mit einem zuckersüßen Lächeln wendet sie sich ab und verschwindet hinter der Türe. Die Service bediensteten beginnen ihre Schicht vor unserer weshalb Kalea früher zum Frühstück eilt.
Ich vermisse die gemeinsamen Mahlzeiten mit dem aufgeweckten und fröhlichen Mädchen. Gestern Abend hatte Rosalee mir erzählt, dass sie für einen der Abgeordneten ausgewählt wurde und auch eine der Begleitdamen für den Ball sein wird. Schockiert, dass ich es nicht mitbekommen habe, begutachtete sie mich Besorgt.
Aber es war kein Wunder das sie erwählt wurde denn sie ist so wunderschön. Madam Pilo hatte allen die diese Ehre erhielten Mitgeteilt, dass wir ab heute in den Tanz Künsten Unterrichtet werden damit wir den König nicht blamieren. Daher seien wir zwölf Mädchen von den extra Lerneinheiten befreit und widmeten uns dem neuen Lernprogramm.
Ein paar der Mädchen hätten sich so gefreut das sie begonnen hatten zu quietschend was Madam Pilo mit einem mahnenden Blick verstummen ließ und der Warnung „Das ist kein Vergnügungsausflug sondern ernst zu nehmende Arbeit. Also erwarte ich, soweit es euch möglich ist, höchste Disziplin und benehmen."
Aris war es normaler weise nicht gestattet bei solchen Veranstaltungen zu tanzen doch um seine Gäste zu bespaßen hatte der König vor mehreren Jahren begonnen ein paar der Mädchen anderweitig aushelfen zu lassen. Da viele der auswärtigen Abgeordneten gefallen an der Schönheit der Aris gefunden hatte entschied er sich widerwillig diese für den Zweck zu nutzt. Immerhin wollte er die anderen Länder nicht verärgern. Sie können auch nicht die inländische Hierarchie verstehen und wie unsittlich es eigentlich ist mit einer Aris gesehen zu werden.
Aber für diesen einen Tag im Jahr sehen die Leute ab von der Abscheu, die sie den Aris gegenüber hegen. Für den einen Tag ist es den Auserwählten Aris gestattet, sich wie das übergeordnete Volk zu fühlen. Für diesen einen Tag.
Rosalee hat mir erzählt, dass sie gehört hat, dass es fast unmöglich ist, die auserwählten Aris von den anderen Gästen zu unterscheiden, da der König alles daran setzte die Mädchen wie noble Damen herzurichten. Nur die wenigen die sie als Bedienstete kennen würden uns eventuell erkennen können. Ein Hauch von Ehrfurcht füllte ihre Stimme als sie darüber nachdachte für einen Tag Prinzessin zu sein. Bei dem Gedanken, in einem wunderschönen Saal zu tanzen, breitet sich auch in mir Ehrfurcht aus.
Eine vergessene Erinnerung erscheint vor meinem Augen:
Mein Vater und ich lachen und schwebten über den Küchenboden während meine Mutter versuchte das Essen vorzubereiten. Wir haben viel getanzt als ich noch jung war. Er hatte immer gesagt, dass ich ein Naturtalent sei wie meine Mutter. „Oh Prinzesschen das machst du einfach vorzüglich" bemerkt mein Vater in einer so lieblichen Stimme, dass man dahin schmelzen könnte. Meine Mutter wirft uns einen strengen Blick zu, da wir ihr das kochen erschweren, verfällt Sekunden später jedoch auch in Lachen.
Mein Vater lockert seinen Griff um mich, macht mit einem breiten Grinsen einen Knicks und reicht meiner Mutter seine Hand. „Meine Königin darf ich um diesen tanz Bitten" ein verlegendes Lächeln macht sich auf ihrem Gesicht breit und sie ergreift seine Hand. Mit einer Drehung lässt er sie in seinen Arm fallen und elegant tanzen sie zu der imaginären Musik in ihren Köpfen. Ihre Augen sind ineinander verschlungen und ich sehe einen Ausdruck von wahrer Liebe aufblitzen. Nichts und niemand könnten sich zwischen die beiden stellen.
Doch plötzlich ändert sich das Bild vor meinen Augen:
Meine Eltern verbleichen langsam und ich stehe in der Mitte des Saales und die grünen Augen des Prinzen funkeln mir arrogant entgegen. Er packt meine Hand und dreht mich etwas ungeschickt und ich stolpere. Ich erwarte auf den harten Boden aufzustoßen doch stattdessen falle Weich. Panisch blicke ich mich um und erkenne, dass ich auf einem Bett gelandet bin. Im nächsten Moment sehe ich den Prinzen über mich beugen und eine Hand über meinen Mund legen bevor ich aufschreien kann.
Nach Luft schnappend erwache ich aus meinem Tagtraum und schaue mich panisch um. Erleichtert erkenne ich, dass ich mich noch immer in meinem Zimmer befinde. Rosalee blickt mir nun entgegen, die ich wohl geweckt habe. Besorgt mustert sie mich schnell bevor ihre liebevolle Stimme ertönt.
„Wie geht es dir heute, Emmelin?" Mit ruhiger Stimme und einem zuckersüßen Lächeln, das Kaleas Konkurrenz machen könnte, versichere ich ihr das es mir gut geht und ich nur einen Albtraum hatte. Aber ich erzähle ihr keine Details.
Etwas beruhigter und überzeugt, dass mein Gesundheitszustand sich tatsächlich gebessert hat schreiten wir gemeinsam zum Frühstück. Die kurze Uniform wirkt auf einmal noch so viel kürzer nachdem wir die langen Zeremonie Kleider getragen haben.
Die kühle Luft die über meine Haut fließt, wirkt heute so viel kälter und eine Gänsehaut überzieht meinen Körper. Ich wünsche diese Uniformen hätten Jacken oder zu mindestens eine längere Ausgabe. Es fehlt nicht viel und wir schreiten Nackt durch die Gänge, beschwere ich mich innerlich.
Das Hämatom an meinem Oberarm ist beinahe abgeklungen und der weiße Verband an meinem Arm ist eine schmerzliche Erinnerung daran, dass das Erlebte vor ein paar Tagen kein Traum war. Wie mir auffällt, sind auch die Arme der anderen Mädchen bandagiert, weshalb ich mich nicht zu sehr schäme.
Ein paar der Mädchen lassen mich wissen, dass sie froh sind, dass es mir wieder besser geht und tätschelten aufmunternd meine Schulter.
„Woher wissen die den alle von dem Zwischenfall?" will ich von Rosalee verwirrt wissen. Es irritierte mich das Mädchen mit denen ich noch nie gesprochen habe von meinem Gesundheitszustand gehört haben. Trotzdem schmeichelt mir ihre Besorgnis auch wenn manche sie nur vorzutäuschen scheinen.
„Oh das hat schnell die Runde gemacht. Frag mich nicht wie. Aber anscheinend ist das eine Anomalie. Es sei noch niemand krank geworden von einem Brandmal. Ich habe sogar gehört das einige dachten du seist schwanger" entgegnet mir Rosalee etwas schockiert aber versucht das Thema schnell wieder abzuhaken.
Perplex über die Geschwindigkeit und Kreativität der Gerüchteküche bringe ich kein Wort mehr raus, was Rosalee zu erleichtern scheint.
Nach dem essen gehen wir gemeinsam in den Keller und Rosalee erwähnt immer wieder wie froh sie ist, dass ich heute wieder da bin. Obwohl ich nur einen Tag fehlte schien sie mich tatsächlich bitter vermisst zu haben. Das bringt mich zum Schmunzeln. Unten angekommen springt mir Charlotte freudig in die Arme und scheint mich beinahe zu zerdrücken.
„Ems ich habe dich vermisst und mir Sorgen gemacht. Ich bin so froh das es dir gut geht." Ihre Umarmung wird immer fester und scheint auch den letzten Sauerstoff aus mir herauszudrücken. Ich bilde mir ein wie meine Rippen knacken zu hören doch die Abwesenheit von großen Schmerzen schiebe ich das gehörte meiner Imagination in die Schuhe.
Etwas Außer Atem hauche ich ihr meine Worte entgegen.
„Ich war nicht mal zwei Tage weg." Ihre Reaktion scheint mir etwas zu dramatisch. Nicht nur haben wir vor knapp ein und Halbtagen uns das letzte Mal gesehen aber ebenfalls war mir nicht bewusst das ich ihr so ans Herz gewachsen bin.
„Charly du erdrückst sie noch" kommt mir Rosalee zur Hilfe und Charlotte lässt mich abrupt los. Durch das schnelle Lösen verliere ich kurz den Halt und komme leicht ins Schwanken, fange mich jedoch schnell wieder. Ich bin zwar wieder bei Kräften aber meine komplette Stärke ist noch nicht wieder da und meine Glieder fühlten sich etwas schwerer an als sonst.
Nachdem mir Charlotte noch gefühlte hundertmal mitteilte wie froh sie über meine Rückkehr ist machen wir uns auch schon an die Arbeit. Etwas schwere als die anderen Tage fällt mir die Tätigkeiten heute. Jedoch merke ich ebenfalls wie die Beiden versuchen mich zu entlasten als sie merken wie erschöpft ich bin. Immer wieder übernimmt eine der Beiden eine der Aufgaben, die ich gerade beginnen möchte und schickt mich zu einer körperlich weniger anstrengenden.
Charlotte besteht darauf, dass ich in der Waschküche aushelfe während sie die Vorratskammer befüllen um nicht die etlichen Stufen auf und ab gehen zu müssen. Ohne Protest lasse ich sie gewähren da ich mir selber eingestehen muss die etlichen Treppen Aufgänge nicht zu packen.
Selbst an Tagen wo ich nicht noch etwas angeschlagen bin, keuche ich wie ein Marathonläufer beim Steigen der Treppen. Ich kann mir gar nicht vorstellen was heute passieren könnte. Im Schlimmsten Fall würde ich noch ohnmächtig. Dann die ganzen Treppen herunterfallen und mit etlichen gebrochenen Knochen aufwachen. Das wollte ich nun ehrlich nicht.
Beim Austragen der Kleidung helfe ich dann wieder mit weil ich die Stufen nur einmal erklimmen muss. Außerdem möchte ich nicht, dass die Beiden die komplette Arbeit machen müssen.
Als ich gerade in die Vorratskammer treten will um einen weiteren Stapel Kleidung zu holen höre ich Schritte hinter mir. Zu schwer um Charlottes oder Rosalees zu sein nehme ich die gewohnte Position ein und mache einen Knicks vor der Person, die wieder vor mir stehen bleibt. Wie so oft zuvor muss ich schnell feststellen, dass es sich um den Prinzen handelt.
Ohne ein Wort an mich zu richten führt er seine Hand an mein Kinn und zieht meinen Kopf nach oben. Im nächsten Moment fällt mein Blick auf seine grünen Augen und die Erinnerung vom Morgen erscheint wieder vor mir. Panik entfacht in meinem Körper. Bevor ich es unterdrücken kann nehme ich einen Schritt nach hinten um seinem Griff zu entfliehen und schnappe panisch nach Luft.
Sichtlich verwundert über mein Verhalten, aber paradoxerweise nicht verärgert lässt er seinen Arm sinken. Zum ersten Mal sehe ich keinen Argwohn oder Arroganz in seinem Blick. Besorg betrachtet er mich eindringlich. Der Ungewohnte Gesichtsausdruck macht mir nur noch mehr Angst.
„Du musst schon wieder Arbeiten?" Haucht er schockiert jedoch eher an sich selber gerichtet als an mich. Immer noch etwas panisch Blicke ich ihm entgegen, glücklicherweise gelingt es mir das Zittern zu unterdrücken. Besorgnis und auch eine Empörung übernimmt seinen Blick. Unklar ob die Empörung meinem Verhalten gilt oder der Tatsache das ich wieder Arbeite halte ich seinem Blick stand.
Warum wirkt er so besorgt auf einmal? Er scheint meinen fragenden Blick zu erkennen und seine Fassade wird wieder hart und wirkt nun neutral. Seine Gesichtszüge ändern sich so schlagartig als habe ihn ein Blitz der Erkenntnis getroffen.
Ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und schreitet den Gang weiter. Verwirrt über was gerade geschehen ist verharre ich in der Position bis mich Rosalees Worte aus der Starre befreien.
„Was war denn das schon wieder?" will sie schockiert von mir wissen. Sie muss das Geschehen wohl beobachtet haben. Da ich selber keine Antwort auf ihre Frage habe zucke ich mit den Schulten und beendet somit die Konversation. Ohne weitere Vorkommnisse beenden wir den Tag und eilen zum Abendessen.
Völlig erschöpft von dem heutigen Tag lasse ich mich auf die Bank im Speisesaal plumpsen.
„Oh so anstrengend?" will Kalea von mir wissen, die sich zu meiner Freude heute wieder zu uns setzte.
"Er war einfach nur sehr lange und meine komplette Kraft ist noch nicht zurück aber es geht schon" versuche ich sie etwas zu beruhigen. Doch in ihrem Gesicht sehe ich das sie mir nicht glaubt. Gerade als sie erneut sprechen möchte lassen Rosalees Worte sie verstummen.
„Du wirst nicht glauben was der Prinz sich heute mal wieder erlaubt hat" brüllt sie als sie sich zu uns setzt. Die Mädchen um uns herum verstummen und betrachten nun alle das brünette Mädchen. Wie Fliegen zu Licht werden die Mädchen zu Tratsch beinahe magisch angezogen.
„Rosalee nicht so laut. Es muss ja nicht der ganze Palast hören" mahne ich sie und werfen ihr einen strengen Blick entgegen. Jedoch schürt das nur das Interesse der Mädchen in unserer Nähe und ich spüre wie sie ein wenig näher rutschen.
Rosalee scheint ihr Fehlverhalten zu bemerken und flüstert Kalea zu das sie es ihr heute Abend erzählen wird. Sichtlich enttäuscht rutschen die Mädchen wieder ab und vertiefen sich in ihre eigenen Gespräche.
„Oh ihr habt so viel Glück. Ihr werdet auf einem Ball tanzen und eure Kleider werden sicher so wunderschön. Oh und ihr bekommt speziellen Unterricht. Oh was würde ich tun um auch teilnehmen zu können" ändert Kalea das Thema und verfällt ins Schwärmen.
Kurz blickt mich Rosalee besorgt an, um zu sehen, wie ich mich fühle, doch ich schenke ihr ein zaghaftes Lächeln. Ich verstecke erfolgreich meine aufsteigende Panik, über alles was mit dem Thema verbunden ist. Eine Weile unterhalten die beiden sich über besagtes Thema, aber ich höre nur halb zu, da meine Gedanken wieder zu meinem Albtraum abschweifen.
Nach dem Essen werden wir von einem dünnen, hochgewachsenen Mann mit einer strengen Frisur abgeholt. Sein schwarzes Haar ist mit viel Haar Gel nach hinten gekämmt und seine spitze Nase hat etwas von einem Vogelschnabel. Seine Sumpf-grünen Augen scheinen die Freude am Leben entwichen zu sein und bohren sich in meinen Kopf. Er führt uns in den Saal in dem Madam Pilo uns die korrekte Körperhaltung beigebracht hatte.
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