Kapitel 19
Aufgrund der Brandmark Zeremonie werden wir vor dem Mittagsmahl von unseren Aufgaben entlassen. Direkt nach dem Essen gehen wir in die Bediensteten-kleider Ausgabe und holen uns die speziellen Kleider für den heutigen Abend ab.
Die Stimmung unter den Mädchen reicht von euphorisch bis hin zum absoluten Wrack und alle Facetten dazwischen. Kalea hat sich mittlerweile beruhigt und nimmt die Kleidung mit einem breiten Grinsen entgegen. Ich bin froh, dass wir ihr die Angst nehmen konnten. Doch ich erschaudere immer noch bei dem Gedanken vor dem heutigen Abend.
Im Zimmer zurück betrachten wir alle drei das außergewöhnliche Kleid.
Der leichte Stoff schmiegte sich angenehm an der Haut an. Das Gelb strahlte in satten Farben und ist so weich wie ich es noch nie gefühlt habe. Bei jeder Bewegung schwingt das bodenlange Kleid leicht. Ein verschnörkeltes Blaues Muster ziert den Saum und ein breiter blauer Gürtel mit gelben Mustert schmiegt sich um die Taille.
Die weiten Ärmel fliesen spitz zusammen und reichen beinahe bis zum Knie. Der runde Ausschnitt zeigte ein wenig Dekolleté jedoch nicht zu viel und ein tiefer Ausschnitt am Rücken lässt mich in der kühlen Luft etwas Frösteln. Da unsere Haar alle auf schulterlänge geschnitten wurde liegt der Rücken für jedermann sichtbar frei.
Heute ist nicht nur die Zeremonie für das Brandmal sondern auch die Auswahl der Mädchen die an dem kommenden Fest als Begleiter für einige der Gäste zur Seite stehen werden. Der König wird zehn Mädchen aussuchen die dieser Ehre zuteil werden. Unter den Aufgaben waren zu einem die persönliche Betreuung von Getränken und Mahlzeiten sowie Unterhaltung auf der Tanzfläche, hatte uns Madam Pilo beim Frühstück erklärt. Mit keinem Wort erwähnte sie den Prinzen weshalb eine Hoffnung in mir keimt, dass die ganzen Gerüchte nichts als Schauergeschichten sind.
"Oh wir sehen aus wie Prinzessinnen" schwärmt Kalea. Mit einem nicken und einem Blick in den Spiegel Stimme ich ihr zu. So etwas Edles habe ich noch nie getragen. Das Mädchen das mich zaghaft im Spiegel anlächelt scheint ein ganz anderes zu sein. Nicht nur ist sie wunderschön und trägt ein Kleid fit für eine Prinzessin sondern scheint sie frei von Sorgen und Ängsten.
Kein Wunder, dass Kalea sich keine Sorgen mehr macht, ich würde mich selber überzeugen wenn ich nicht wüsste, dass es nur eine Maske ist. In Wahrheit habe ich mir den ganzen Vormittag Sorgen gemacht und meine Angst versucht zu unterdrücken. Vor lauter Panik habe ich kaum einen Happen runter bekommen.
Aber in diesem Moment, zum ersten Mal in diesem Palast, fühlte ich mich nicht nur wie eine erworbene Ware oder eine untergeordnete Aushilfskraft; Eine Weise oder eine verspottete Aris. Nein. Meine Furcht vor dem heutigen Abend wird übertroffen von der Faszination von dem Mädchen das ich im Spiegel betrachte. Ganz vorsichtig streiche ich über den Stoff, aus Angst er könne sich unter meiner Berührung auflösen.
Kurz nachdem wir die Kleider überstreifen tritt eine junge Dame in unser Zimmer, um unsere Haare für den Abend zu richten. Madam Pilo meinte das dem König wichtig war zu sehen welches Potenzial in uns steckt, um auch nur die schönsten von uns für den Ball zu wählen. In diesem Moment verdränge ich meinen Ärger über die Oberflächlichen Hintergedanken und genieße es zum ersten Mal in meinem Leben nicht das Mädchen zu sein die einem Befehl folgt.
Gemeinsam mit den anderen Mädchen schreiten wir nun zu dem großen Ballsaal im Erdgeschoss des Palastes. Jedes Mädchen schöner als das andere in unseren Königlichen Kleider und aufwändigen Haaren. Dank Madam Pilos unerträglichem Unterricht schreiten wir vornehm voran. Obwohl der Saal nicht für die heutigen Festlichkeiten geschmückt wurde überwältigt mich dessen Schönheit.
Mehrere goldene Kronleuchter hängen von der hohen Decke, an denen mehrere Kristalle glitzern. Sie brechen das Licht und tauchen die Höhe in ein buntes Farbenspiel. Durch die geöffneten Fenster drängt warmer Wind der die Kristalle leicht aneinander klimpern und unsere Kleider um unsere Beine tanzen lässt. Marmor Säulen formen Torbögen an den Wänden die mit goldenem Efeu geschmückt sind. Der Marmorboden ist in einem komplexen Mosaik geformt und goldene Muster blitzen uns entgegen. Mehrere goldene Lampen ragen an den Wänden und tauchen den Saal in ein warmes gelbes Licht.
Wie Madam Pilo uns am Morgen erklärt hat, stellen wir uns in einer Reihe nebeneinander auf. Ich sehe wie begeistert auch die anderen Mädchen von der uns umgebenden Schönheit sind und kaum den Mund vor erstaunen geschlossen halten können.
Nur heute müssen wir nicht unseren Blick senken um dem König zu gestatten uns vollständig zu begutachten. Immer noch gefesselt von dem Bann des Raumes bemerke ich erst jetzt, dass der König mit seiner Familie den Saal betritt. Beinah synchron mit den anderen mache ich einen Knicks.
"Wie euch bereits erklärt wurde wähle ich zehn von euch für die Ehre einen der ledigen Gäste zum Ball zu begleiten. Ihre genauen Aufgaben werden sie noch von Madam Pilo erfahren." Er räuspert sich kurz bevor er fortsetzt "Ebenfalls werden zwei glückliche unter euch die Ehre zuteil meinen Sohn auf die Festigkeiten zu begleiten" beendet der König in einem eher monotonen Ton.
Mein Herz rutscht in die Hose und mir stockt der Atem. Ich hatte mich beinahe überzeugen können, dass die Gerüchte daran zerplatzen werden das der Prinz keine Mädchen wählt. Doch jetzt kamen all die Warnungen und Jaydens besorgter Gesichtsausdruck zu mir zurück. Verhalte dich unauffällig. Ziehe keine Aufmerksamkeit auf dich. Du musst Atmen. Emmelin Atme.
Mit all meiner Kraft bemühe ich mich meine Atmung zu normalisieren und meine Gesichtszüge nicht entgleiten zu lassen. Alles um meine innere Frucht zu überschatten. In dem Versuch mich von meinen eigenen Gedanken abzulenken fällt mein Blick auf die junge Prinzessin.
Eine kindliche Freude blitzt in ihren Augen auf als sie uns in den wunderschönen Kleidern betrachtet. Sie selbst trägt ein blaues Tüllkleid mit goldenen Elementen das noch um einiges schöner als unseres ist. Ihr Haar ist in zwei aufwendige Zöpfe geflochten was sie heute noch jünger wirken lässt und ich sie eher auf zehn Jahre schätzen würde.
Mein Fokus wendet sich ab von dem innerlichen Sturm der in mir wütet und mein Puls beruhigt sich ebenfalls. Auch schon im nächsten Moment schreitet der König auf eines der Mädchen zu, um mit der Begutachtung zu beginnen.
"Das erinnert mich stark an die Auslese" flüstert Rosalee nah an meinem Ohr.
Auch mir ist die Gemeinsamkeit aufgefallen und ein kleiner Schauer macht sich auf mir breit. Das Gefühl nur als ein Objekt betrachtet zu werden und als solcher heruntergestuft zu werden wird mir erneut klar. So war es eben schon immer. Versuche ich das Verhalten mir selber zu erklären. Ein leichtes Zittern von Rosalee lässt mich meinen Blick kurz zu ihr richten. Besorgnis und Angst widerspiegeln sich in ihren Augen. Unauffällig greift sie nach meiner Hand und hält diese nun fest umschlungen in ihrer. Der Druck erhöht sich als der König sowie der Prinz sich immer mehr zu nähern.
Der König begutachtet Kalea genau, die links neben mir steht, als sich der Prinz plötzlich vor mich stellt. Kurz huscht sein Blick zu meiner Hand die immer noch in Rosalees liegt bevor er mein Gesicht genauesten mustert.
Bitte wähle nicht mich. Bitte geht weiter, bettle ich innerlich. Und als ob er meine Gedanken hören kann, geht der Prinz weiter.
Jedoch steht nun der König vor mir der etwas Grob mein Kinn packt und mein Gesicht erst nach links und dann nach rechts dreht. Behutsamer streicht er über meine Wange. Was ein widerwilliges Kribbeln in mir auslöst. Dann fordert er mich auf den Mund zu öffnen.
Etwas ungeschickt schiebt er meine Lippe beiseite um meine Zähne zu inspizieren. Danach nimmt er einen Schritt zurück um meine Statur zu betrachten. Langsam gleitet sein Blick über meinen Körper, an meinen Schultern entlang, meiner Taille hin zu meinen Beinen. Unter dem dünnen Stoff fühle ich mich auf einem so nackt und Unwohlsein macht sich in mir breit.
Wie die anderen fordert er auch mich auf, mich zu drehen und ich lasse Rosalees Hand für einen Augenblick los. Für diesen Augenblick fühle ich mich auf einmal so alleine; bis ich sie nach meiner Drehung wieder ergreife. Ohne eine Regung auf seinem Gesicht wendet er sich jetzt Rosalee zu, die dieselbe Prozedur durchläuft. Als der König auch das letzte Mädchen unter die Lupe genommen hat tritt er wieder mittig vor uns.
"Mein Sohn du hast die erste Wahl" richtet er sein Wort an den Prinzen der nun erneut die Reihe abläuft. Er bleibt vor einem rothaarigen dünnen Mädchen stehen die er noch einmal von oben nach unten betrachtet.
"Sie" sagt er und deutet auch das etwas eingeschüchterte Mädchen. Eine Erleichterung macht sich in mir breit als er vor einem schwarzhaarigen Mädchen stehen bleibt und sie lange betrachtet. Er schüttelt jedoch seinen Kopf. Langsam bahnt er sich seinen Weg in meine Richtung und hält vor zwei weiteren Mädchen inne, geht jedoch weiter.
Zu meiner Enttäuschung bleibt er vor mir stehen. Vor Schreck halte ich meinen Atem an. Mein Herz pocht doppelt so schnell. Fest Presse ich meine Lippen zusammen. Bitte nicht mich.
Das Adrenalin lässt mein Herz noch schneller rasen. Meine Hand liegt nun verschwitzt in Rosalees und zittert leicht. Vor meinem inneren Auge sehe ich Szenarios was er von mir erwarten wird. Ein leichter Schwindel lässt mich leicht wanken und ich habe das Gefühl, dass jegliche Farbe mein Gesicht verlässt.
Plötzlich dreht er sich abrupt ab und genauso schnell schwindet das Ohnmachtsgefühl. Erleichtert Atme ich auf als schon im nächsten Moment seine feste Stimme ertönt.
"und Sie" schallen seine Worte bevor er sich komplett zu seinem Vater richtet und auf mich deutet. Ein verzweifelter Seufzer bahnt sich beinahe den Weg über meine Lippen, den ich jedoch noch rechtzeitig zurück halten kann. Meine Knie wirken auf einmal so schwach. Aufmuntern drückt Rosalee meine Hand. Ich fühle mich taub. Die ganze Panik flammt erneut in mir auf.
Der restliche Abend fließt wie eine Illusion an mir vorbei. Mein ganzer Körper fühlt sich gefühllos und plötzlich so leer an. Nichts scheint Wirklich. Nur beiläufig bemerke ich wie Rosalee eine Creme auf meinen Unterarm verteilt, weil ich nicht selber dazu im Stande bin. Nicht einmal das heiße Eisen auf meinem Körper reißt mich aus meiner Trance.
Wie ferngesteuert folge ich Rosalee und Kalea zurück in unsere Zimmer. Sie helfen mir Vorsichtig aus dem Kleid. Wohl bedacht meinen bandagierten Arm nicht zu berühren. Als wäre ich Unterwasser treten ihre Stimmen verzerrt an mich heran. Doch ich kann die Worte nicht verstehen.
Immer noch Taub und plötzlich unglaublich müde lege ich mich in mein Bett und schließe meine Augen. In der Hoffnung den heutigen Tag zu vergessen presse ich meine Augenlider mit all meiner Kraft zusammen. Immer wieder höre ich das Echo der Stimme des Prinzen "und sie. und sie. SIE". Vor meinen geschlossenen Augen starren mir seine grünen Augen entgegen. Nach einer Weile schwindet das letzte bisschen Kraft von mir und ich falle in einen unruhigen Schlaf.
(Wenn euch die Geschichte bis jetzt gefällt voted und kommentiert gerne)
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