Epilog
Kian:
Der Raum ist stockdunkel und eiskalt. Die Luft feucht und die Stille bedrückend. Unsanft landete ich auf dem steinigen, unebenen Boden und spüre wie die scharfen Kanten des Gesteins sich in meine Haut bohren.
„Sobald du sprichst, wird es aufhören", hallt die Stimme von Beynon an den Wänden wieder. Sie ist nicht so arrogant und selbstsicher wie sonst, sondern beinah bedrückt. Als fürchte er für mich, was jeden Moment passieren wird.
„Ich habe dir schon gesagt, dass ich nichts weiß", schreie ich genervt in die Richtung, in der ich Beynon vermute. Meine Stimme klingt nicht so feste, wie ich es erhofft habe, aber stark genug um meine Angst zu verhüllen.
„Es tut mir leid." Bedauern ist in seiner Stimme hörbar. Es passt nicht zu ihm. Ungewohnt. Aber trotzdem Ehrlich. Kurz schaudert es mich. Nicht wegen der Kälte, aber einer dunklen Vorahnung. Ich höre wie eine Türe schwer ins Schloss fällt, gefolgt von Metall das über Metall geschoben wird und dann -nichts. Absolut nichts, außer meinem eigenen Atem. Die Stille ist beängstigend, bedrückend, aber es ist die Dunkelheit die mich beinah terrorisiert. Nicht zu sehen, wo ich bin und wer mit mir hier ist. Ich spüre tausend Blicke auf mir, aber kann nichts hören, dass meine Vermutung bestätigt.
Gerade, als ich mich an die Stille gewöhne, zerreißt ein ohrenbetäubender schriller Ton den Raum. Ich schlage mir die Hände über die Ohren, in der Hoffnung den Lärm zu dämpfen. Doch erfolglos. Der Ton scheint mein Trommelfell zu zerreißen und sich tief in meinen Kopf bohren. Wie ein Frauenschrei, aber mechanischer, lauter, verzerrter, dringt der schrille Ton zu mir.
Es können erst ein paar Minuten sein, doch die Zeit verstreicht schleichend und es fühlt sich an wie Stunden. Inzwischen dröhnt mein Kopf, meine Hände verkrampfen von dem konstanten Druck auf meinen Ohren und mir wird leicht schlecht, von dem Schwindel der in mir entsteht.
„Was soll das?", schreie ich durch den Lärm. Mir ist bewusst, dass mich niemand über den Krach hören kann.
Wie aufs Stichwort wird ein grelles Licht angeschaltet. Wie Messerstiche bohrt sich das Licht durch meine Augen. Aus Reflex halte ich mir die Hände vor Augen. Sofort dringt der ohrenbetäubende Ton, noch brutaler gegen mein Trommelfell. Meine Hände gehen zurück auf meine Ohren. Doch meiner geschlossenen Lider blendet mich das viel zu helle Licht. Verkrampft verharre ich in der Position, meine Hände über meinen Ohren und meinen Kopf in meine Knie geschützt.
Ohne Vorwarnung, selbst wenn hätte ich sie nicht bemerkt, überflutet mich plötzlich eiskaltes Wasser. So kalt, dass es schmerzt. Wie tausend Nadelstiche platzt es auf meine Haut. Wieder nehme ich meine Hände reflexartig von meinen Ohren und reiße meine Augen auf. Ein ganzer Schluck des Eiswassers atme ich ein und muss husten. Meine Augen brennen, meine Ohren dröhnen und meine Lungen schmerzen.
Ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Obwohl ich nichts sehen kann, scheint die Welt sich zu drehen. Ich muss schon Stunden hier sitzen. Immer wieder überflutet von kaltem Wasser.
So schlagartig wie alles erschienen ist, verschwindet es. Das Licht erlischt, der Ton klingt aus und das Wasser stoppt. Zuerst glaube ich der Ohnmacht verfallen zu sein. Doch als ich durch das Klingeln meiner Ohren höre wie die schwere Türe aufgeschoben wird, geht mein Blick zu der Person, die mit einer Fackel in den Raum tritt.
Mein Sichtfeld ist vernebelt mit tausenden Lichtblitzen und ich brauche einen Augenblick, um mich an die neuen Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Das seichte Licht flackert gefährlich auf dem Gesicht des alten Mannes und ich erkenne ihn sofort. Der König von Evrem. Er tritt ein paar Schritte auf mich zu. Seine tiefe Stimme klingt nur leise an mich heran. Meine Ohren klingeln immer noch nach. Immer wieder stellt er mir dieselbe Frage. Jedes Mal wütender.
„Was weißt du, über den Fluch von Merah!?"
„Ich weiß nichts!", brülle ich ihm wütend zurück. „Ich habe noch nie etwas über einen Fluch gehört!" Meine eigene Stimme vernehme ich nur dumpf. Meine Kopfschmerzen scheinen mein ganzes Denken zu vernebeln.
„Junge, das waren fünfzehn Minuten, die du hinter dir hast. Lasse uns sehen wie du nach fünfzehn Stunden darüber nachdenkst!" Fünfzehn Minuten? Wie können es nur fünfzehn Minuten gewesen sein? Ich hätte schwören können es waren Stunden. Kann es wirklich nur eine viertel Stunde gewesen sein? Meine Gedanken kreisen und ich merke zu spät wie jemand meine Hände hinter dem Rücken zusammenbindet. Bevor ich mich wehren kann, liege ich auf dem kalten Steinboden, die Hände am Rücken zusammengebunden und beobachte wie das bisschen Licht hinter der schweren Türe verschwindet. Meine nassen Kleider kleben kalt an meinem Körper und inzwischen habe ich begonnen zu zittern.
Momente später ertönt wieder der ohrenbetäubende Ton. Mit meinen Händen im Rücken gebunden, habe ich keine Chance den Ton zu dämpfen. Sekunden später wird auch das stechende Licht angeschaltet und meine Augen scheinen zu explodieren. Komplett wehrlos und ohne Möglichkeit meine Situation zu erleichtern, bin ich ihnen ausgeliefert.
Immer wieder bin ich der Ohnmacht nahe. Meine über stimulierten Nerven überfordern mein Gehirn. Jedes Mal, kurz vor der erhofften Erholung, reißt mich ein eiskalter Wasserschwall aus der tiefe zurück in meine Qualen. Die gezwungene Position lässt auch meine Muskeln schmerzen und leicht taub werden.
Ich habe mich aufgesetzt, um meinen Kopf wieder in meinem Knie zu vergraben. So kann ich mich zumindest teilweise vor dem grellen Licht schützen. Leicht schaukle ich vor und zurück, in der Hoffnung meine Gedanken an einen besseren Ort zu führen. Doch es gelingt mir nicht. Das Klingeln in meinen Ohren, das Brennen in meinen Augen und die unerbittliche Kälte, halten mich an diesen höllischen Ort gefangen.
Mehrmals musste ich mich übergeben. Inzwischen ist nichts mehr in meinem Magen das hätte herauskommen können, sonst wäre ich immer noch dabei.
*
Vier Tage inzwischen. Vier Tage? Zumindest, wenn ich den Worten des Königs Glauben schenken kann. Immer noch kann ich seine Fragen nicht beantworten, doch seiner Meinung verheimliche ich sie nur. Ohne einen Bissen Brot und nur sehr geringer Wasser zuvor, scheine ich mehr der Katatonie nah, als in der Lage irgendwelche Fragen zu beantworten.
Jegliche Kraft ist aus mir geflossen. Ich kann meine Augen kaum öffnen. Kein Laut schafft es über meine Lippen. In Gedanken werde ich immer noch von dem Licht, dem Ton und dem Wasser traktiert. Eine Furcht hat von mir Besitz ergriffen, wie ich es mir niemals hätte vorstellen können. Komplette Leere gefüllt mit Furcht ist, was mich im Moment steuert.
Mir ist so kalt, meine Haut so taub, dass ich befürchte sie sei abgestorben. Selbst um zu zittern ist mein Körper inzwischen zu müde. Ich fühle mich wie eine leblose Hülle, gefangen in einem Käfig aus Angst.
„Wenn du Emmelin das hier ersparen willst, bleibst du in dem Zimmer. Wenn ich auch nur mitbekomme, dass du Ärger machst dann... Haben wir uns verstanden?", dringt die bedrohliche Stimme des Königs zu mir durch. Seine Drohung sitzt. Was ich erleben musste, wünsche ich niemanden. Erst recht nicht Emmelin. So etwas hat niemand verdient. Ich werde sie schützen.
Am Rande meines Bewusstseins bemerke ich wie mich jemand an den Armen packt. Ich fühle wie die Luft um mich herum wärmer wird oder zumindest scheint mein Verstand mich das glauben zu lassen.
Warme Hände legen sich auf mein Gesicht. Sanft streicht die weiche Haut über meine kalte. Die Berührung ist so zärtlich, liebevoll und mir bekannt.
„Kian?", dringt eine sanfte, mir ebenfalls bekannte, Stimme durch das Klingeln in meinen Ohren. Leise, kaum hörbar aber trotzdem Kristall klar. Das kann ich mir nicht nur vorstellen. Erneut tritt die Stimme an mein Ohr. Mein letzter Gedanke, als mich endlich die lang erwartete Dunkelheit zu sich zieht und ich der Ohnmacht verfalle, ist, Emmelin!
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