Kapitel 31
Astor war wolfslos.
„Was ist los?", fragte Astor und musterte mich. Seine Hand lag auf meiner Wange, doch im Moment konnte ich nur in seine wunderschönen Augen starren. Meine Wölfin jaulte innerlich.
Er hatte sich nie verwandelt.
Sein Wolf hatte nie die Kontrolle übernommen.
„Du..."
Was sollte ich sagen?
Sein Blick veränderte sich, als wüsste er genau, was ich dachte. Aus Reflex erwiderte ich seine Geste und strich mit den Fingern über seine Wange, die rau war. Astor schloss die Augen.
Ich dachte zurück an die Zeit im Lager.
„Du hast in menschlicher Form gegen Mael gekämpft... Als wir den Nomaden begegnet sind, hast du dich nicht verwandelt... Der Brand, du konntest ohne Probleme durch den Rauch gehen", murmelte ich, als alles einen Sinn ergab.
„Du hast mich mal gefragt, was meine Schwäche sei", sagte Astor und wandte seinen Blick von mir ab. „Das, was auch meine Stärke ist."
Wir beide waren nur am Leben, weil Astor keinen Wolf hatte. Luna Lailas Silber konnte ihm nichts anhaben. Er konnte kein Beta werden, weil er keinen Wolf hatte. Seine Augen suchten mein Gesicht nach einer Reaktion ab.
„Im Lager", fragte ich, „hast du daran gezweifelt, dass du eine Gefährtin hast?"
„Ich habe nie geglaubt, dass es möglich ist. Es gibt nicht viele Wolfslose auf der Welt, aber die meisten werden wie Menschen behandelt. Meine Mutter hat das nie zugelassen. Sie wusste, dass ich die Stärke meines Vaters geerbt hatte."
Ich nickte. Beta Talon war nicht zu unterschätzen und so wie Astor aussah, hatte er die Stärke nicht nur geerbt, sondern auch vermehrt. Wenn wir irgendwann Welpen bekommen würden, hätten diese dann einen Wolf? Meine Wölfin fiepte.
Meine Augen weiteten sich.
Wieso dachte ich an so etwas?
„Was ist los?", fragte Astor, sichtlich verwirrt von meinen knallroten Wangen.
„Nichts", erwiderte ich etwas zu schnell. Ich wollte vor Scham im Boden versinken. Plötzlich nahm er mein Kinn und hob meinen Blick.
„Nichts also. Weißt du, ich bin General", sagte er und auf einmal lag ich nicht mehr in seinen Armen, sondern wurde in die weichen Kissen gedrückt. Ein verschmitztes Lächeln lag auf seinen Lippen, während seine Hände meine in die Matratze drückten. „Eine meiner Aufgaben als General ist es, Informationen herauszubekommen."
„Ich werde schweigen", antwortete ich. Wenn ich ihm erzählte, dass ich an gemeinsame Welpen gedacht hatte- „Ahh!"
Ein Schrei brach meine Gedanken ab, als ich Astors Finger unter meinen Achseln spürte. Unfreiwilliges Lachen entkam meinen Lippen und ich wand mich unter seinem Griff. Mein Bauch verkrampfte sich völlig.
„Bi-tt-e", keuchte ich und versuchte der Qual zu entgehen, doch Astor hatte kein Erbarmen.
„Woran hast du eben gedacht, dass deine Wangen rot wie Kirschen sind?", fragte er. In seinem Ton schwang die Belustigung mit, die er bei meinem Anblick verspüren musste.
Mein schillerndes Lachen erfüllte den ganzen Raum. Bei jeder seiner Berührungen zog sich die Haut darunter zusammen und entfachte mehr Kichern.
„Bitte", quietschte ich und als Abwehr umklammerte ich mit meinen Beinen seine Hüfte. Das schien Astor für einen Moment aus der Fassung zu bringen, denn seine Folter verharrte. Meine Wölfin knurrte innerlich.
Ich nutzte seinen Moment der Ablenkung und löste meine Hände aus seinem Todesgriff. Wie ein Blitz rollte ich mich zur Seite und nahm ihn mit.
Mein Herz pochte wild in der Brust, als ich nun auf ihm saß und er mich von unten anstarrte. Seine Augenfarbe hatte sie verflüssigt, so intensiv, wie er mich ansah. Seine Hände wanderten zu meinen Hüften und vergruben sich dort mit ihrer Wärme.
Ein Keuchen entkam meinen Lippen, als er mich näher an sich zog und ein elektrischer Stoß durch unsere Körper zuckte. Plötzlich setzte sich Astor auf, sodass wir uns auf Augenhöhe begegneten. Meine Augen fielen zu seinen Lippen, aus denen kurze Atemzüge entflohen. Sein himmlischer Geruch umgab mich und ich zog die Luft ein. Unter mir konnte ich seine muskulösen Beine spüren.
Wir kamen uns näher.
Die Spannung erhöhte sich, während wir uns anblickten. Wir verstanden uns ohne Worte und wir wollten dasselbe. Einen Augenblick später schloss ich meine Lider und seine Lippen berührten meine.
Ein Prickeln durchlief meinen Körper.
Meine Gedanken verstummten. All meine Muskeln hatten sich nach dem Gefühl gesehnt und mein Herz konnte gar nicht so schnell pochen, wie es weitermachen wollte. Es war, als wären wir zu einer Einheit verschmolzen.
Wie lange konnte das weitergehen? Das Gefühl überrollte mich. Plötzlich schmeckte ich etwas Salziges zwischen unseren Zungen. Astor löste sich von mir und starrte mich an.
„Dana?", fragte er.
Erst jetzt bemerkte ich, dass die Tränen von mir kamen. Ich tastete nach meinen Wangen, von denen sie herunterliefen.
„Tut mir leid", sagte ich und wandte meinen Blick ab, doch Astor packte mein Kinn.
„Du musst dich nicht entschuldigen", erwiderte er und schloss seine Arme um mich. Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter.
Er hatte versucht mich aufzuheitern und für einen Augenblick hatte es geklappt. Die Realität hatte es wieder zerstört. Ich starrte auf die Vorhänge, hinter denen es bereits dunkel war. Die Nacht war gekommen.
Wir lösten uns voneinander, denn wir wussten, was draußen auf uns wartete. Ich schluckte.
„Du schaffst das. Ich werde heute Nacht nicht von deiner Seite weichen", sagte Astor und drückte mir einen schnellen Kuss auf die Stirn. Ich konnte nur nicken.
Wir schritten aus der Tür in die warme Sommernacht, in der die Grillen zirpten. Dennoch bildete sich eine Gänsehaut auf meinen Armen. Wir machten uns auf den Weg vor das Gemeindehaus. Schon von Weitem konnte man den kleinen Holzturm erkennen mit der Person, die darauf lag.
Luke.
Seine Hände waren gefaltet. Jemand hatte das Blut von seinem Gesicht entfernt, sodass er friedlich auf seinem Grab ruhte. Die Fackeln um ihn herum verliehen ihm einen goldenen Schein. Frische Tränen verschleierten meine Sicht, sodass ich nur noch orangene und braune Tupfer erkennen konnte.
Alle hatten sich um ihn versammelt. Alle Wölfe waren hier für Luke, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Allein die betroffenen Gesichter der Krieger zu sehen, ließ die Tränen von meinem Kinn tropfen. Ich gab keinen Muchs von mir, wir alle lauschten dem Knistern der Fackeln.
Einige traten hervor und beäugten ihn genauer, andere verbeugten sich, bevor sie wieder in den Kreis traten. Astor stupste mich leicht an. Ich trat einige Schritte hinein, bevor ich sein Gesicht genau betrachten konnte. Seine Wimpern lagen auf den Wangenknochen. Jemand hatte seine Haare ordentlich nach hinten gekämmt.
„Ich werde dich niemals vergessen", flüsterte ich und ließ die Tränen ins Holz versickern, auf dem er lag.
„Niemals", raunte eine Stimme und ich drehte mich um. Ulf stand hinter mir. Er sah aus, als hätte er heute seinen eigenen Sohn verloren. Ich nickte. Dann trat ich zur Seite und bot ihm Platz, Abschied zu nehmen. Astor erwartete mich zurück im Kreis, während ich versuchte die Fassung zu bewahren.
Ulf drückte seinen Kopf gegen den von Luke, bevor er sich löste. Es war so weit.
Vier Wölfe traten hervor und nahmen die Fackeln aus den Halterungen. Jeder stand einige Sekunden an einer der Ecken. Die Flammen erleuchteten Luke heller als alles andere. Dann senkten sie das Feuer, bis es das trockene Holz berührte. Es entzündete sich sofort und fraß sich durch die Bretter.
Wenige Augenblicke später loderte er lichterloh und der Rauch stieg auf, zur Mondgöttin. Ich blickte hoch in den Himmel, von dem unzählige Sterne und der fast volle Mond zusahen. Meine Wölfin verneigte sich.
Pass gut auf ihn auf.
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Lautes Grölen erfüllte den Raum, doch ich gab keinen Muchs von mir. Die anderen Krieger feierten ihren Sieg über Flussklaue, doch mir war nicht nach Feiern zumute.
Stattdessen war ich in meinem Stuhl zusammengesunken und knabberte an einem Hähnchenschenkel. Es sollte wenigstens die Illusion erwecken, dass ich beschäftigt war. Doch Astor ließ sich wie immer nicht täuschen.
„Hör zu-"
Seine Stimme verstummte schlagartig. Die Türen gingen auf und das Rascheln von Ketten erhaschte meine Aufmerksamkeit.
Luna Laila.
Zwei Krieger hatten sie von beiden Seiten gepackt und trugen sie in den Raum, da sie nicht kooperierte. Sie landete mitten im Zentrum unter den hungrigen Augen der Wölfe. Beta Talon erhob sich bei ihrem Anblick.
„Bist du jetzt bereit zu reden?", fragte er von oben herab. Anstatt ihn mit einer Antwort zu würdigen, hob sie ihr Kinn und blickte demonstrativ zur Seite.
„Ich werde nicht mit einem Beta reden", antwortete sie und entlockte Talon ein Knurren. Eines musste man ihr lassen: Sie hatte Mut.
„Wie du willst, wir können dich auch samt Ketten in den Fluss schmeißen, wenn dir das lieber ist", knurrte er und alle Menschlichkeit schien aus seiner Stimme verschwunden. Ihr Blick senkte sich und für einen Moment bohrten sich ihre hinterlistigen Augen in mich hinein. Dann sah sie missbilligend zu Beta Talon.
„Bringt mich zu eurem Alpha. Dann rede ich."
„Ihr habt Glück, Prinzessin, wir werden morgen alle in die Hauptstadt aufbrechen."
Meine Augen weiteten sich.
Wir werden was?
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Ich wünsch euch viel Spaß und am Donnerstag kommt das nächste Update :)
Und was ist ein nackter Ritter?
Entrüstet.
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