Kapitel 19
„Halt!", befahl Astor. Er stand fest an Ort und Stelle, wie eine unzerstörbare Festung. Bei der Kraft seiner Worte bremsten die Wölfe ab, sogar der Anführer der Nomaden. Sie knurrten, doch wagten es nicht näher zu kommen. Meine Ohren waren angelegt und meine Haltung gebeugt.
„Ilja, verzeih uns. Wir wollten euer Territorium nicht betreten. Aber das hier ist neutraler Boden."
Astors Stimme war ruhig, als hätte er in dem Sprint keine Kräfte verloren. Sein Herz in der Brust schlug kräftig auf und ab, als wäre er bereit für einen Kampf. Der Anführer, Ilja, musterte ihn in Wolfsgestalt, bevor er sich abwandte. Die Nomaden folgten ihrem Anführer und ließen von uns ab. Meine Wölfin atmete erleichtert aus.
Astor fuhr zu mir herum.
„Bist du lebensmüde?!", rief er und kam auf mich zu. Meine Wölfin war immer noch in Kontrolle und sie winselte bei dem scharfen Ton ihres Gefährten. Ohne zu Zögern legte sie sich auf den Waldboden und rollte sich auf den Rücken. Sie ignorierte meine innerlichen Proteste. Sie war am Zug und Instinkte standen bei ihr über Vernunft und Schamgefühl.
Astor seufzte und hockte sich neben sie. Er strich mit den Fingern durch das weiche Fell an ihrem Bauch. Meine Wölfin schloss die Augen und schnurrte. Ich nutzte ihre Ablenkung und stieß mit aller Kraft gegen die Barriere, die sie aufgebaut hatte.
Bevor sie auch nur knurren konnte, war ich zurück.
Ich rollte mich zurück auf die vier Beine und schüttelte den Dreck aus meinem Fell. Astors Schatten ragte dennoch über mir. Er sah sich um und zog etwas hinter einem Baum hervor.
Meine Uniform.
Er ließ mich allein und sofort begannen sich meine Knochen in ihre menschliche Form zurückzubewegen. Zum ersten Mal seit Wochen war meine Wölfin ruhig und entspannt. Das hatte gutgetan, trotz des Zwischenfalls. Hastig stand ich auf und zog die Uniform an.
Durchatmen.
Ich stützte meinen Kopf in die Hände. Das eben war nicht wirklich passiert. Konnte mich der Boden bitte verschlingen?
„Wie ich sehe bist du wieder du selbst", sagte Astor, doch ich drehte mich nicht zu ihm um.
Ja, ich war wieder ich selbst mit allen unangenehmen Gefühlen, die mich jetzt plagen konnten. Sollte ich mich entschuldigen oder sollte ich ihn anschreien? Mein Gehirn war sich noch nicht sicher. Stattdessen blieb ich einfach still.
Vor meinem Auge flog das Bild der Nomaden vorbei.
„Wer ist Ilja?"
Ich drehte mich um. Falls Astor merkte, dass ich ihn abzulenken versuchte verlor er kein Wort darüber. Zum ersten Mal war ich dankbar, dass er professionell blieb.
„Der Anführer der Nomaden und ein sehr guter Freund von Alpha Eros. Mit ihm ist nicht zu spaßen. Die Wölfe des Nordens sind raue Umstände gewohnt..."
Ich nickte.
„Hat sich deine Wölfin wieder beruhigt?", fragte er, während wir uns langsam auf den Weg in bekanntes Territorium machten. Ich hustete etwas eigentümlich bei der Frage.
„Äh ja, das hat sie."
„Nächstes Mal solltest du früher Bescheid sagen, damit es nicht wieder so knapp wird. Das Letzte was wir gebrauchen können ist, dass du dich mitten im Lager in eine Wölfin verwandelst, egal wie hübsch sie auch sein mag."
„Ist das jetzt Kritik oder ein Kompliment?", fragte ich und sah ihn von der Seite an. Ein sanftes Lachen entkam seinen Lippen. Die goldenen Strähnen waren Durcheinander von dem Sprint, den wir zurückgelegt hatten.
„Beides."
„Du bist Einzelkind, oder?", erwiderte ich und Astor senkte mir seinen Kopf entgegen. Das Schimmern in seinen Augen ließ meinen Magen zusammenfahren. Sie musterten mein ganzes Gesicht.
„Genauso wie du", antwortete er selbstbewusst.
„Wie kommst du darauf?"
„Instinkt."
„Andere Familie?", fragte ich.
„Zu viele, um sie aufzuzählen."
„Aha, also doch eine Großfamilie!"
„Das könnte man so sagen", erwiderte Astor und kleine Schatten lagen um seine lachenden Augen. Er genoss es. „Jetzt bin ich dran. Also, du bist Einzelkind. Dein Vater ist der Hüter des westlichen Waldes."
„Das ist nicht fair", erwiderte ich und verschränkte die Arme.
„Oh, sei nicht wütend auf mich. Das ist die Last, wenn man einer bekannten Familie angehört", antwortete Astor und legte seinen Arm um meine Schulter. Sofort begann das Prickeln meine Sinne zu übernehmen und ich schmiegte mich an ihn.
So schnell wie der Moment gekommen war, so schnell verglühte er wieder, als er sich wohl daran erinnerte, was wir abgemacht hatten.
Wir brachen zwischen den Felsen hervor zurück in den altbekannten Wald. Ich blickte auf den staubtrockenen Weg vor uns und suchte nach etwas, mit dem ich die Stille füllen konnte.
„Was ist dein Vater von Beruf?", fragte ich. Ein Lachen entglitt seinen Lippen. Wir passierten den Fluss und machten uns durch den Wald auf zum Lager.
„Wenn du richtig liegst, verrate ich es dir."
Ich kniff die Augen zusammen und musterte Astor scharf.
„Ich würde tippen, dass er einen ziemlich hohen Status genießt. Nicht jeder wird vom Alpha zum General gemacht. Ist er auch ein Krieger?", fragte ich. Ich versuchte in seinem Gesicht nach Anzeichen zu suchen, doch Astor verzog keine Miene. Ob man das als General auch lernte?
„Das könnte man so sagen", antwortete er. Zwischen Wald und Eisenkrautfeld kam das Lager in Sicht. Eine leichte Brise wehte von Osten und ließ meine Strähnen tanzen.
„Ist er ein Grenzwächter?"
„Nein."
„Ist er etwa ein Fährtenjäger?"
Astor öffnete den Mund, doch ein schattiger Umriss kam auf uns zugelaufen.
„Jedes Mal...", begann er. „Edgar, was ist jetzt los?"
Der Blick des Soldaten huschte zwischen uns hin und her.
„Es tut mir sehr leid, General Astor. Beim Essen warten alle auf Euch. Ich habe ihnen gesagt sie dürfen nicht ohne Euch anfangen, aber langsam werden sie wütend."
Ich schmunzelte bei der Vorstellung von Roan, der mit der Gabel auf den Tisch klopfte.
„Wieso befiehlst du auch so etwas? Du solltest nie etwas befehlen, um deine Autorität zu demonstrieren. Gehorsam erlangst du nur durch Vertrauen. Ohne Vertrauen ist der Krieg bereits im Training verloren."
Entgeistert starrte Edgar ihn an. Das war wohl nicht das Lob oder die Hilfe, die er erwartet hatte.
„Ja, General Astor", sagte er und notierte sich hektisch etwas auf seiner Schriftrolle. „Gehen wir jetzt zum Essen?"
„Ich werde noch kurz meine Sachen wechseln", sagte ich und deutete auf das Zelt. Die ganze Uniform war in der Mittagssonne durchgeschwitzt. Zu viel Schweiß könnte meine Identität preisgeben.
Auf mich würde sowieso niemand mit dem Essen warten, selbst Luke und die anderen der Wilden Werwölfe nicht und wer konnte es ihnen verübeln.
Ich huschte über den Platz zum Zelt der Welpen und schlüpfte hinein. Ich sprintete zu meinem Platz und kramte im Rucksack. Obwohl es dunkel war, spürte meine Wölfin die Präsenz, die hinter uns aus dem Schatten trat. Meine Hand verharrte in der Tasche.
„Dana, wo bist du? Was ist passiert? Bitte komm nach Hause. Wir brauchen dich hier. Der Wald braucht dich."
Maels Stimme spielte eine Besorgnis, die er in Wirklichkeit gar nicht fühlen konnte. Ich tastete im Rucksack herum.
Der Brief war nicht da. Er hatte ihn genommen. Stattdessen spürte ich das kühle Metall des Dolches, den ich mitgenommen hatte.
Ich schloss die Augen und krallte meine Finger um den Griff.
Mein Herz raste schneller als ein Hase auf der Flucht.
„Wieso hast du uns nichts erzählt? Papa ist nicht sauer auf dich. Er ist enttäuscht und er macht sich große Sorgen. Wir können kaum schlafen, wenn wir daran denken, wo du bist... Bitte komm nach Hause!"
Seine Schritte kamen näher und ganz langsam drehte ich mich herum. Verkrampft hielt ich den Dolch hinter meinen Rücken. Maels grüne Augen lösten sich von dem gestohlenen Brief in seiner Hand und hefteten sich auf mich.
Der Hass, der über die letzten Wochen abgenommen hatte, war mit voller Stärke zurück. Von draußen ertönten laute Rufe und Schritte donnerten über den Boden. Was war da los? Mael ignorierte es gekonnt und kam weiter auf mich zu.
„Dana..."
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Was glaubt ihr wie es weitergeht?
Und wie nennt man eine Puppe auf dem Grill?
Barbie Q.
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