Kapitel 13
„Lasst die Kämpfe beginnen!"
Mein Magen zog sich zusammen. Auf Delta Ivans Kommando stellten wir uns in einer Reihe auf, ich zwischen Ulf und Luke.
„Die Regeln sind einfach", begann Astor. „Die zwei ersten fangen an und kämpfen bis einer am Boden liegt. Der Gewinner bleibt stehen und kämpft gegen den nächsten in der Reihe, verstanden?"
„Ja, General Astor!", riefen wir, so wie wir es gelernt hatten.
Auf dem Boden liegen ist einfach. Das sollte schnell und schmerzlos werden. Ich war ein Fliegengewicht im Vergleich zu den meisten anderen hier. Vom Anfang der Reihe traten zwei Wölfe hervor und stellten sich gegenüber auf. Wir drei waren die Letzten, was meiner Nervosität nicht half.
„Beginnt!"
Sofort holte einer aus und ich zuckte zusammen, als die Faust ein Knacksen erzeugte. Der andere Wolf ließ das nicht lange auf sich sitzen. Am liebsten hätte ich die Augen geschlossen, ganz im Gegensatz zu den meisten anderen hier, die den Kampf weiter anfeuerten.
Wem von den beiden wollten sie Mut machen?
Keine Minute später ertönte ein lautes Rumsen und einer der beiden wirbelte mit seinem Rücken den Staub auf. Lauter Applaus ging durch die Menge, als der Sieger triumphal seine Arme in die Luft hob.
„Nächster!", befahl Astor, während sich der Verlierer mit eingezogenem Kopf in die Reihe zurückzog.
Es ging weiter, doch anstatt den Kämpfen zu folgen blickte ich die Reihe entlang zu den Soldaten, die vor uns waren. Mein Herz gefror, als ich bekannte Gesichter entdeckte.
Der Rohling und der Rothaarige. Mael.
Pures Adrenalin flutete meine Venen. Einer von ihnen würde sich bis zu uns durchsetzen und obwohl er größer war, hoffte ich auf den Rohling. Sein entschuldigende Blick in der Nacht flog vor meinem inneren Auge vorbei. Er hatte mir gestern geholfen. Ohne ihn wäre wahrscheinlich mein halbes Gesicht verätzt.
Als hätte er meine Gedanken gehört schritt der Rohling nach vorne in den Ring.
Sein Gegner schluckte hörbar, hob aber dennoch die Fäuste. Er würde nicht kampflos aufgeben. Doch die übermäßige Größe machte es dem Rohling einfach die Verteidigung zu durchbrechen und Schläge auf den Kopf zu landen.
Keine Sekunde später taumelte der Wolf zurück und landete auf dem Boden. Lauter Jubel erfasste die Soldaten, während in mir die Panik nur weiter stieg.
Mael trat hervor, und beinahe konnte ich den Hass in seinen Augen sehen, gegen seinen eigentlichen Freund. Der Rohling ließ sich nichts anmerken.
„Los!"
Mael zögerte keine Sekunde. Seine Faust zielte auf die Leber und traf ihn noch bevor er sich so weit unten verteidigen konnte. Die Menge zuckte zusammen, mit mir eingeschlossen. Der Rohling knickte ein, doch hatte keine Chance sich zu erholen. Ein Schlag zum Hals unterbrach das Röcheln.
Angst stieg um mich herum auf, als ich an meinen eigenen Hals fasste. Er würde mich fertigmachen ohne Reue, ganz im Gegenteil, er würde sich noch daran erfreuen.
Der Boden brummte, als der Rohling unterging und mein Adrenalinkegel in die Höhe schoss. Seinen Hals zeichnete ein wütendes Rot. Ich schluckte den Kloß in meinem hinunter.
Wir alle konnten nur in Trance zugzucken, wie Mael einen nach dem anderen mit voller Wut in den Boden stampfte. Der Jubel war längst erloschen bei der puren Aggression. Ich kniff die Augen zusammen.
Seine waren nicht mehr normal grün, sondern flackerten immer wieder zu seinem Wolf. War er überhaupt noch in Kontrolle?
Ich blickte hilfesuchend zu Astor, doch sein Blick war starr auf Mael gerichtet, eine unlesbare Miene. Das würde er ihm nicht einfach so durchgehen lassen, oder? Das war kein Trainingskampf mehr, das war barbarisch.
Der nächste Gegner landete im Dreck.
„Siehst du das?", flüsterte Ulf zu uns. „Er fängt jedes Mal mit einem Schlag zur Leber an. Wenn sich sein Gegner vorbeugt, zielt er gegen den Hals."
Luke und ich nickten, ohne den Blick von den Kämpfen zu lösen. Die Schlange neben uns wurde immer kürzer, bis Ulf der nächste war.
„Wenn man dem ausweicht, kommt man selbst zum Zug", sagte Luke und ein kleiner Funke Hoffnung erleichterte meine Muskeln.
„Viel Glück", raunte ich Ulf zu, der nach vorne trat.
Er nickte kaum merklich. Der Wind wirbelte seine schwarzgrauen Haare durcheinander, während er sich gegenüber von Mael aufstellte. Obwohl man seine Aufregung riechen konnte, blieb sein gezeichnetes Gesicht unbeweglich.
Wie er es vorausgesagt hatte, begann Mael mit seinem wilden Angriff. Elegant wich Ulf aus und landete selbst einige Schläge zum Kopf. Das schien seinen Gegner in eine verwirrte Rage zu versetzen.
Er schlug um sich. Ein lautes Knacksen ertönte, als eine Faust den Brustkorb traf. Ein schmerzhaftes Stöhnen entkam Ulfs Lippen, als er auf die Knie ging. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, verpasste ihm Mael einen Schlag gegen die Schläfe.
Er fiel zu Boden, wie ein Sack Kartoffeln.
„Ulf!"
Sofort lief ich zu ihm und tastete nach der Wunde. Immerhin blinzelte er und ich konnte spüren, wie sein Wolf die gebrochenen Rippen heilte. Ich half ihm auf.
„Viel Glück, Kleiner", röchelte Ulf. Er humpelte zurück in die Reihe und ließ mich auf dem Schlachtfeld zurück.
Ich blickte auf zu dem Monster.
Seine roten Haare waren zerzaust und an seinen Fäusten klebte Blut. Die Luft zischte an seinen Zähnen vorbei. Die Kämpfe hatten ihn wohl Kraft gekostet, doch seine Wolfsaugen leuchteten heller als die von einer giftigen Schlange.
„Ich kann deine Furcht riechen", brachte er zwischen seinen Zähnen hervor. Meine Wölfin knurrte innerlich, als sie das Monster betrachtete, das sich nicht unter Kontrolle hatte. Er war kein Krieger, nur ein Tyrann.
Obwohl ich Angst hatte, erhob ich mich aus dem Staub und erinnerte mich an Ulfs Worte. Er zielt erst auf die Leber, dann gegen den Hals. Ich ballte die Fäuste, das Stechen des Eisenkrauts war beinahe nicht zu spüren. Sie waren lächerlich klein im Vergleich zu den anderen, doch das beste, was ich momentan hatte. Meine Sinne fühlten sich wie berauscht an in dem Willen zu überleben, zu gewinnen.
„Los!"
Sofort begann Mael seinen Angriff, doch ich war vorbereitet. Ich wich zur Seite und meine Fäuste zischten gegen seinen Hals, an dem der saure Schweiß entlanglief. Für einen Moment war ich selbst überrascht. Ich hatte noch nie jemanden geschlagen, bis heute. Sein Rücken krümmte sich.
Ein Knurren ging von ihm aus, als er sich aufrichtete und aus Panik folgte ich blind meinen Instinkten. Ich sprang auf seinen Rücken, gerade als er sich umdrehen wollte. Die Luft entfloh seinen Lungen, während meine Fäuste auf seinem Kopf niederprasselten. Er taumelte unter mir, doch das war nicht genug.
Mit den Fingernägeln begann ich zu kratzen und ein wütendes Knurren brummte unter meinen Beinen. Jetzt war er wirklich wütend.
Eine Wucht packte mich und schmiss mich unelegant in den Dreck. Pure Angst hatte meinen Körper im Griff, als Mael auf mich hinabblickte. Blut lief an seiner Schläfe hinab und verteilte einen metallenen Geruch in der Luft.
„Du willst sterben", knurrte er, als er weiter auf mich zukam. Mein Herz raste und ich kroch weiter zurück, unfähig aufzustehen. Ich hatte das schlafende Monster geweckt.
„GENUG!", brüllte Astor und beherrschte sofort die Aufmerksamkeit von allen auf dem Platz. Maels grün funkelnde Augen starrten mit Hass zu dem General, der ihn unterbrochen hatte. Ich lag völlig vergessen auf dem Boden.
Der Blick schien Astor gar nicht zu gefallen und er kam auf ihn zu. Ich kroch so unauffällig wie möglich zurück zur Reihe und in Sicherheit. Luke und Ulf halfen mir zurück auf die Beine. Keine Sekunde konnte ich meine Augen von den Wölfen lösen, die sich ein Machtduell lieferten.
„Unterwirf dich", befahl Astor mit mächtiger Stimme und meine Wölfin wollte ihm Folge leisten, obwohl sie nicht einmal gemeint war. Trug er etwa das Blut eines Alphas in sich?
Ein lautes Knurren ging von Mael aus. Ich schlug die Hände über dem Mund zusammen, während das Unvermeidliche passierte. Wie Feuer brannte sich orangenes Fell durch die Uniform und zerfetzte sie. Weiße Reißzähne blitzten auf, als der Wolf seine Zähne fletschte. In den grünen Augen tanzte der Hass gegenüber Astor. Dieser hatte seinen Blick auf Mael fixiert, bereit für den Kampf, den der junge Wolf gefordert hatte.
Ich musste mir den Mund zuhalten, um keinen Muchs herauszulassen.
In wütender Rage sprang der Wolf auf Astor. Die Zähne zielten auf seine Halsschlagader. Ich machte einen Schritt nach vorne, doch alles ging zu schnell.
Wie ein Blitz wich er zur Seite und packte in der Drehung den Hals des Wolfes. Mit voller Kraft rammte er ihn in den Boden, sodass das Monster nur ein überraschtes Winseln von sich geben konnte. Zum ersten Mal seit Beginn der Kämpfe blitzte Angst in den Augen des Wolfes auf. Er merkte wohl, dass der General keine Spielchen spielte, sondern es todernst meinte. Dennoch hörte er nicht auf sich zu wehren.
So hatte ich mich gestern auch gefühlt.
Die Genugtuung wurde erstickt von dem grausamen Anblick. Astor kniete über ihm, sein Arm drückte den Hals gnadenlos zur Erde. Es schien ein leichtes für ihn zu sein, als hätte er es schon hunderte Male gemacht.
„Unterwirf dich", knurrte er.
Mael beendete seinen Kampf und lag ruhig auf dem Boden. Der Hass ebbte völlig ab, als er sein Schicksal akzeptierte.
Plötzlich hoben sich Astors Augen und er starrte direkt auf mich. Mein Magen zog sich zusammen. Er hob sein Gewicht von dem Wolf und stand auf.
„Ungehorsamkeit und Aggression werden hier nicht geduldet, verstanden?"
Sein Blick löste sich von mir, fiel auf Mael und schweifte dann über die komplette Truppe. Unter den hochgeschobenen Ärmeln konnte ich die starken Arme sehen, die mich heute morgen noch gehalten hatten. Mein Magen verkrampfte sich.
Um uns herum war es totenstill. Die Luft war gesättigt von dem Schock. Nicht einmal Edgar konnte auf seiner Schriftrolle herumkritzeln.
„Ivan", knurrte Astor und wandte uns den Rücken zu, während Delta Ivan übernahm.
„Wie ihr gerade Zeuge wurdet ist General Astor unser bester Kämpfer. Seine Spezialität sind die Kämpfe in Menschengestalt gegen Wölfe", sagte er und musterte Mael mit Abneigung. „Ich werde euch in euer Wolfsform trainieren. Dafür verwandelt ihr euch und wir versammeln uns auf der Lichtung im Wald. Wer seine Uniform zerreißen will sollte sich bewusst sein, dass ihr nur zwei habt und keine neue bekommt."
Langsam löste sich die Spannung von der Gruppe, als alle zu reden anfingen. Was sollte ich jetzt machen? Offiziell besaß ich keinen Wolf. Als hätte er meine Gedanken gelesen kam Edgar durch die Menge auf mich zu.
„Hey, Eschwald. Du hast die Ehre mit General Astor zu trainieren. Einzelstunde."
Seine Stimme war beinahe schadenfroh, während mein Magen ein Stockwerk tiefer sank.
Nah wunderbar...
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Wen mögt ihr lieber: Ulf oder Luke? :)
Und was ist braun und sitzt hinter Gittern?
Eine Knastanie.
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