
Familienzusammenführung
Sie läuft immer weiter in die Dunkelheit, die Sekunden vergehen wie Minuten, die Minuten vergehen gefühlt wie Stunden. Sie geht vermeintlich unaufhaltsam den Gang entlang und kontrolliert die Nummern der Gefängniszellen. Angespannt, nervös und verängstigt geht sie, Schritt für Schritt, unaufmerksam wie noch nie. Überall um sie herum liegen die Überreste von abgeschossenen ehemaligen Insassen und den dazugehörigen, aufgeschlitzten Wärtern. Die Wände und Gitterstäbe sind voller Kratzer und Blutspritzer. Manche Zellentür ist aus der Verankerung gerissen, einige gelb-leuchtende Augen schauen sie aus der tiefen Dunkelheit unheilvoll an. Sie tritt in eine Blutlache nach der nächsten, manche sind wegen der rissigen Decke und den undichten Leitungen bis jetzt immer noch nicht getrocknet. Die feuchte Luft wird durch den Gestank der verwesenden Leichen wahrlich ekel erregend. Ohne dies wirklich wahrzunehmen oder wo sie lang geht geschweige denn, wo sie gerade rein tritt sucht sie mit immer schnellerem Schritt die richtige Zelle. Ihr Blick wird immer trauriger, ihre Augen immer feuchter, ihre Sicht immer verschwommener. Unaufhaltsam schreitet sie voran. Ein menschenähnliches Monster springt aus der Dunkelheit vor ihr und will sich auf sie stürzen. Ohne es groß zu beobachten zieht sie die Pistole, schießt dem Vieh dreimal in den Oberkörper und steckt die Waffe wieder zwischen weg. Das wankende Etwas geht ein paar Schritte vor ihr zurück, fällt um und liegt tot da. Unbeeindruckt und vollkommen geistesabwesend steigt sie über das Monster. Der Lichtkegel wandert weiterhin nur zwischen den Mauerresten hin und her, von einer Zellentür zu anderen.
„Irgendwo hier muss es doch sein...", murmelt sie immer wieder mit enttäuschter Stimme. Sie fängt an zu laufen. Der Lichtkegel der Taschenlampe huscht durch den Gang. Mit verschwommener Sicht liest sie weiter die Zahlen ab. Inzwischen ist sie bei den Fünfzigern angekommen. Gleich hat sie es geschafft.
Bei den Siebzigern angekommen wird langsamer sie und wandert nahezu schleichend weiter. Angst und Unsicherheit durchströmen ihren Körper. Sie zittert am ganzen Körper.
Was, wenn er genauso ist wie alle anderen hier? Was, wenn er mich nicht mehr erkennt? Das sind die Fragen, die ihr sekündlich durch den Kopf schießen.
Bei der Zelle 82 angekommen bleibt sie stehen, der Lichtkegel sowie der ganze Körper noch auf den Gang gerichtet. Sarah versucht sich zu sammeln. Tief ein- und ausatmend steht sie minutenlang einfach nur da und schaut in die Dunkelheit, die sich hinter dem Licht der Taschenlampe versammelt hat. Sie spürt die Angst in ihrem Körper, das viele Adrenalin, der Wunsch, einfach weiterzugehen, nicht hier zu sein und nicht herausfinden zu müssen, was auf sie neben ihr wartet. Sie merkt, wie angespannt ihr Körper ist, wie ihre Muskeln verkrampfen, wie ihre Gefühle Besitz von ihr ergreifen. Sie bemerkt, wie ihr Zweifel aufkommen. Was ist, wenn dort niemand ist? Was ist, wenn ihre letzte Hoffnung tot ist? Was ist, wenn es eine Falle ist?
„Nein!", flüstert sie entschlossen. „Jetzt gibt es kein Zurück mehr!"
Ruckartig, aber mit geschlossenen Augen dreht sie sich nach links. Sie atmet noch einmal tief und aus, dann öffnet sie ihre Augen. Durch die den Türrahmen des Gefängniszellengitters sieht sie etwas auf dem Bett sitzen. Es ist groß und muskulös.
„H-Ha-Hallo?", bringt sie nur heraus.
Keine Reaktion.
„I-Ist da wer?", fragt sie nun etwas verunsichert.
„Komm ruhig rein, ich tu dir nichts!", antwortet eine ihr bekannte, freundliche Stimme.
Sie zögert kurz. Dann schüttelt sie den Kopf und die Zweifel ignorierend betritt sie die Zelle.
„Sarah? Sarah Whirlcek?!", sagt die Stimme.
„J-J-Jaaa?"
„Ich glaub's nicht, dass ich dich nach all den Jahren noch einmal wiedersehe!", freut sich die Stimme.
„O-Onkel?"
„Ja! Ich bin's!"
Sofort huscht Sarah ein Lächeln übers Gesicht. Ihr Onkel steht vom Bett auf und geht auf sie zu, sie springt ihm vor Freude entgegen.
Arm in Arm stehen sie mitten im Raum, erfreut über das Wiedersehen nach all den Jahren.
„Es ist schön, dich nach all den Jahren noch einmal wieder zu sehen.", sagt er erneut.
Sich zusammenreißend und schniefend antwortet sie mit zitternder, aber erleichterter Stimme:
„Ich kann nicht glauben, dass du noch lebst!"
„Es war wohl kein leichter Weg, um mich zu finden...", merkt er an, sie löst sich aus der Umarmung. Sarah fängt an zu weinen.
„Was ist denn passiert?", fragt ihr Onkel sie sichtlich besorgt. Sie schaut ihm weinend in seine gelb-leuchtenden Augen.
„Ich hab meinen Freund überredet, dass er mitkommt und dann sind wir hierher gefahren und weil alles verschlossen war, sind wir eingebrochen und dann wurden wir verfolgt und dann sind wir gestürzt und dann mussten wir durch so 'nen Raum und er ging zuerst und als ich ihn fand, wollte er, dass ich weglaufe und dann..."
Er sieht sie mitfühlend an und seufzt.
„Und dann musste ich mich verteidigen und hab all diese... Menschen getötet!"
Er nimmt sie wieder in seine Arme.
„Pscht, alles gut. Psssccchht..."
„Ich hab so viele getötet. Ich hab sie alle getötet! Und Jackson! Hätte ich nicht gewollt, das wir hierher kommen, würde er noch leben!"
„Du hast niemanden getötet. Auch ihn nicht. Hier kannst du niemanden töten. Hier gibt es keine Menschen. Nicht mehr..."
„Das sagst du doch nur, um mich zu halbwegs zu beruhigen!", raunt sie weinend.
„Glaub mir, du hast dir nichts vorzuwerfen!", sagt er leise und streicht ihr behutsam mit seinen krallenartigen, kalten Händen durch die Haare und über den Rücken. Minutenlang ist es still. Sie stehen einfach nur da, er sie im Arm haltend, sie auf den Boden schauend und ihren Kopf auf seiner rechten Schulter liegend schweigen sie sich an.
Er löst sich aus der einseitigen Umarmung, packt sie sanft an den Schultern, versucht ihr in die Augen zu schauen und fragt:
„Geht's wieder?"
Ohne Blickkontakt aufzubauen nickt sie stumm.
„Wirklich?", hakt er nach und sucht ihren Blick. Sie schaut ihm in die Augen. Er sieht zwei große, verweinte, sehr traurige. aber wunderschöne Augen.
„Ja.", flüstert sie, „es geht schon."
Dann bricht sie den Blickkontakt ab und wischt sich mit dem linken Ärmel die Tränen weg. Statt Tränen hat sie nun Dreck im Gesicht. Ihr Onkel muss kurz deswegen lächeln, steht auf dann, geht zum Bett und sich ihr wieder zuwendet setzt er sich auf die dreckige Matratze.
„Weißt du, was hier geschehen ist?"
Sie nickt.
„Ich rede nicht nur von dem Unfall, sondern auch von dem Projekt 'Hellstone'."
„Projekt 'Hellstone'?"
„Das Projekt, was mich zu dem gemacht hat, was du jetzt gerade vor dir siehst."
Sie leuchtet ihn mit der Taschenlampe an. Sie sieht ein Wesen mit fahler, blau-grüner Haut, muskelbepackt mit gelb-leuchtenden Augen, einer abgeflachten Nase, spitzen Zähnen, wobei die Eckzähne selbst bei einem geschlossenem Mund zu sehen sind wie bei manchen Raubtieren und krallenartigen Händen. Im Vergleich zu den anderen Wesen sieht er noch am Menschlichsten aus.
„Wie kommt es, dass du noch bei klarem Verstand bist, die anderen aber alle so angriffslustig sind?"
„Ich war Subjekt 53. Ihr Erfolgreichstes bisher."
„Und der Rest? Hier gibt's weitaus mehr als 52 Monster. Wie kommt das? Was hat es mit Subjekt 23 auf sich? Warum ist hier alles untergegangen? Warum bist du nie geflohen?"
„Eins nach dem anderen. Ich erklär dir alles. Aber dafür müssen wir ein paar Jahre in die Vergangenheit reisen."
Sarah steht auf, geht zur Wand zu ihrer Rechten, also weit weg von der Gefängniszellentür, setzt sich im Schneidersitz, den Rücken an die Wand lehnend hin und schaut ihren Onkel neugierig an, der Leuchtkegel der Taschenlampe scheint auf seinen Bauch.
„Es begann alles mit dem Tod deiner Tante...", fängt er an, „an diesem Tag hat sich alles verändert! Nicht nur für uns, auch für alle in diesem Gebäude, Gefangene wie Angestellte. Während ich wusste, dass meine geliebte Frau von einer herzlosen Bestie ermordet worden ist, wurde ich von allen nur verspottet. Niemand hat mir geglaubt. Währenddessen suchten alle nach einem Mörder und die Verantwortlichen hier haben alles vertuscht. Ihr Einfluss war größer als alle dachten. So brachten sie die Polizei dazu, mich zu verdächtigen, und da ich kein nachweisbares Alibi hatte, wurde ich angeklagt und verurteilt."
„Und dann? Ich mein, was haben sie dann mit dir gemacht?"
„Nichts."
„Du siehst nicht nach nichts aus!"
„Sie haben mich jahrelang in einer Zelle eingesperrt, mir gesagt, ich hätte recht, aber das würde nie einer glauben. Was bringt Einem schon die Wahrheit, wenn sie niemand glauben will? Die Menschen leben mit einer einfachen Lüge halt besser als mit der eiskalten Wahrheit."
In seinem Blick spiegeln sich Trauer und Angst wider.
„Ich habe alles verloren, was ich hatte. Meine Frau, mein Leben und letztendlich auch dich. Ich war nicht für dich da."
„Ich hatte ja immerhin noch meine Familie... zumindest noch einige Jahre."
„Oh... Verstehe."
„Ja." antwortet sie traurig. „Was ist dann geschehen?"
„Mit den Jahren verstärkten sie immer weiter die Mauern, die Türen, die Gitter, alles! Jede Sicherheitsvorkehrung, die man sich leisten konnte und hier einsetzbar war, wurde eingebaut. Immer mehr Wachpersonal wurde eingestellt. Als ich zwangsweise hier eingewiesen worden bin, gab es pro Gang einen Wachmann. Kurz vor dem Unfall gab es acht! Über die Jahre lauschte ich also den Wissenschaftlern und Wächtern. Viel zu tun hatte ich ja nicht. Sie ließen mir wenigstens einen Block und einen Stift. Und so schrieb ich alles auf, was ich hörte."
Er steht vom Bett auf, hebt die Matratze hoch und legt mehrere Seiten aufeinander. Er nimmt den kleinen Papierhaufen und legt ihn Sarah vor die Füße, geht zum Bett zurück und setzt sich wieder auf die Matratze.
„Dort steht alles, was ich von dem Projekt gehört habe. Als hier das Chaos ausgebrochen ist, habe ich mich dann umgeschaut, Akten gesucht und gelesen. Irgendwer fand es aber sehr lustig, einige Akten zu verstecken, ich weiß also nicht alles."
Während er spricht, nimmt Sarah und die Notizzettel und überfliegt sie.
„Was genau haben die mit dem Projekt 'Hellstone' vorgehabt?"
„Ziel des Projektes war die abstruse Idee, einen willenlosen Supersoldaten zu erschaffen. Stark! Schnell! Unaufhaltsam! Gehorcht immer und ist entbehrlich! Zugegeben, ihren ersten Versuche sind nicht sehr gut gelaufen. Subjekt 15 war das erste erfolgreiche Versuchstier, das überlebt hat. Alles zuvor Menschen wohlgemerkt. Das Problem war nur, dass es ausgebrochen ist. Als sie es endlich gefasst haben, wurde es kurz darauf mit Subjekt 16 in eine Zelle gesteckt. Keine Stunde verging, da holte man die Überreste von dem Ausreißer aus dem Raum. Mit jedem Versuch wurden die Wesen hier stärker, aggressiver, hungriger!"
„Und du?"
„Ich nehme mich nicht daraus. Auch ich bin wie die Anderen stärker, aggressiver und hungriger geworden. Wer viel Energie verbraucht, muss auch viel zu sich nehmen. Was glaubst du, warum man zum Teil nur noch Blutspuren auf dem Boden sieht, aber keine Überreste mehr findet?"
Sarah überlegt kurz, ihre Augen werden allmählich größer. Dann dreht sie sich nach links und kotzt auf den Boden. Als der Würgereiz nachlässt, rutscht sie etwas nach rechts.
„Erzähl weiter." sagt sie ein wenig keuchend und hält sich einen Ärmel vor den Mund.
„Im Gegensatz zu meinen Vorgängern habe ich meinen Verstand behalten. Darüber hinaus wurde dieser noch geschärft. Und ich habe mit der Zeit gelernt, mich zu kontrollieren. Ich bin Herr über meine Gefühle, Bedürfnisse und Gedanken. Meine Nachfolger hatten nicht dieses Glück. Im Vergleich zu ihnen war ich auch nur ein missratenes Versuchstier, was nur noch zu Beobachtungszwecken behalten worden ist. Alle anderen nach mir wurden immer willenloser. Gefühlskalter. Seelenlos! Am Ende ähnelten sie dem, was sich die Forscher hier erhofft hatten. Das war am Tag des jüngsten Gerichtes auch ihr Verhängnis. Sie reagierten, aber agierten nicht. Und wenn das Monster, das Subjekt 23, einmal zuschlug, war am Ende nicht mehr viel von diesen Supersoldaten übrig."
„Wie kam es dazu? Zu dem Tag des jüngsten Gerichts?"
„Revolution!"
„Revolution?"
„Subjekt 23 war dazu in der Lage, die anderen zu kontrollieren. Niemand wollte sich mit diesem Vieh anlegen, deswegen hörten alle darauf."
„Du auch?"
„Hatte ich eine Wahl? ... So kam es, dass alle circa 200 'Versuchstiere', wie die Forscher uns ständig so nannten, gleichzeitig an den Zellentüren kratzten, an den Gittern rüttelten, an den Versuchsstühlen die Gurte auf ihre Reißfestigkeit prüften. Die Türen waren nicht mehr stark genug. Kaum war der Erste frei, überwältigte oder eher schlachtete er oder es die Wachmänner ab und machte sich an den Türen der Anderen zu schaffen. Es verlief wie eine Kettenreaktion. Keine fünf Minuten später lief hier nichts mehr wie von der Security geplant. Als Subjekt 23 im untersten Stockwerk frei war, hörte man einen tiefen Schrei. Ich sah, wie die Wachmännern Gänsehaut bekamen, man sah die Panik in ihren Augen. Man roch ihre Angst. An diesem Tag verloren mehrere hundert Menschen in diesem Gebäude ihr Leben. Und da sie zuvor alles verstärkt und abgeriegelt haben, kam auch niemand mehr raus."
„Wann war das?"
„Es ist erst ein paar Wochen her."
„Warum hat niemand etwas davon mitbekommen?", fragt Sarah verwirrt.
„Wir sind hier mitten im Nichts in einer illegalen Anstalt. Wer hätte denn kommen sollen?"
„Und warum hast du den Monstern geholfen?"
„Wer nicht half, wäre innerhalb von Minuten hier verreckt. Außerdem bin ich auch ein Monster.
„Nein, bist du nicht! Du bist immer noch mein Onkel!"
„Das macht mich nicht zum Menschen. Ich bin zwar in einer menschenähnlichen Gestalt, doch ein Mensch bin ich schon lange nicht mehr. Ich bin das, was alle in mir gesehen haben!"
„Und was jetzt? Willst du für immer hier bleiben?"
„Wo soll ich denn hin?", entgegnet er mit einem genervten Unterton in der Stimme, „Denkst du wirklich, die Menschen akzeptieren mich noch so, wie ich bin? Ich mag noch bei klarem Verstand sein, doch mein Körper gleicht dem einer Bestie. In den Wald kann ich nicht. Nicht genug Nahrung, nicht genug Sicherheit im Gegensatz hierzu. Ich kann dich hier zwar raus bringen, aber hier ist der einzige Ort, wo ich noch leben kann. In Freiheit."
Sarah steht sichtlich aufgeregt schnell auf.
„Ach, Freiheit nennst du das hier?" fragt sie spöttisch, „Wenn das für dich Freiheit bedeutet, bist du genau zu dem geworden, was man von dir erwartet hat. Du hast aufgegeben, obwohl du recht hattest. Du bist der lebende Beweis für deine Unschuld und du verkriechst dich hier in deiner Höhle in irgendeinem Untergeschoss eines abrissreifen Gebäudes mit Monstern zusammen, dich von Kannibalismus gar nicht mehr abzuhalten sind!"
Stille.
Sarah geht zum Gitter. Wütend mit verschränkten Armen vor der Brust schaut sie durch die Stangen in die Finsternis.
Ihr Onkel schaut kurz beschämt auf den Boden, nimmt dann ein leeres Blatt Papier, welches unter seinem Bett liegt, holt einen Stift aus seiner rechten Hosentasche und schreibt etwas auf. Beide sagen kein Wort. Es ist ruhig, sehr ruhig. Man hört lediglich etwas auf den Boden tropfen, mal nah, mal fern, es hallt durch den Gang und durch undichte Rohre hört man etwas säuseln.
Ihr Onkel holt immer wieder tief Luft, will etwas sagen, doch einen Ton bringt er nicht heraus.
„Und was jetzt?", durchbricht sie die Stille, immer noch in die Dunkelheit schauend.
„Keine Ahnung...", antwortet er weiter auf den Zettel etwas schreibend.
„Dann kann ich ja jetzt auch gehen!"
„Bist du sicher, dass du alleine gehen willst?"
„Nein. Aber du willst ja eh nicht mitkommen!, gibt sie genervt zu Protokoll.
„Keine Sorge, ich bring dich hier schon raus.", lenkt er ein, hört auf zu schreiben und faltet das beschriebene Blatt.
„Dann lass uns gehen. Du weißt doch, wo es hier raus geht, oder?", fragt sie fordernd und immer noch genervt, wendet sich ihm zu und lehnt sich mit dem Rücken gegen das Gefängnisgitter.
„Jaaaa, schon, aber..."
„Aber was?", hakt sie sofort ein, ihn skeptisch, aber auch leicht wütend anschauend.
„Jetzt beruhig dich erstmal wieder, wir klären das alles noch.", versucht er sie zu beschwichtigen.
„Ich will mich jetzt nicht beruhigen! Ich will Antworten!", sagt sie lauter werdend.
„Ein bisschen leiser...", bittet er sie.
„Ob ich jetzt lebe oder sterbe, geht mir auch am Arsch vorbei!"
„MIR ABER NICHT!", schreit er sie an.
Sie völlig davon erschrocken schaut ihn verängstigt an, die Hände aufeinander gelegt direkt vor ihrer Brust.
Er erhebt sich und baut sich vor ihr auf. Mit seinen zwei Meter zwanzig Körpergröße, breitschultrig, muskelbepackt und mit 160 Kilogramm Kampfgewicht macht er einen sehr bedrohlichen Eindruck auf sie.
Sarah sichtlich verängstigt schaut zu ihm herauf.
„Ich werde dich hier raus bringen. Egal, was auch geschieht, egal, was es auch kosten mag, du wirst diesen Ort lebend verlassen und dein Leben genießen. Hast du mich verstanden?!"
Sie nickt, immer noch sichtlich verängstigt.
„Gut!", sagt er scheinbar erleichtert und umarmt sie sanft. „Dann lass uns gehen.", ergänzt er und lässt sie wieder los.
Sarah, ohne ein Wort zu sagen, holt ihren Rucksack, zieht diesen auf, hebt die Taschenlampe mit dem gerissenen Glas auf und folgt ihm aus der Zelle. Mitten auf dem Gang stehen bleibend dreht er sich zu ihr um und zeigt ihr das gefaltete Blatt.
„Was ist das?", fragt sie irritiert.
Ohne zu antworten nimmt er sanft ihre linke Hand, öffnet diese sachte, legt den Zettel hinein und schließt seine Hände um ihre legend wieder.
„Lies dies zu einem geeigneten Zeitpunkt."
„Wie erkenne ich den?"
„Du wirst es merken.", sagt er in einer mit Trauer angehauchten Stimme.
Sarah bemerkt es, schaut ihn skeptisch an, lässt dann aber von ihrem Gedanken ab, nachzufragen.
„Ich hoffe, du kannst gut rennen und klettern.", wechselt er das Thema.
„Warum?"
„Den Weg, den wir nehmen müssen, ist etwas ... riskant."
„Riskant? In welchem Sinne?"
„Wirst du schon sehen...", meint er, wendet sich ihrer ursprünglichen Laufrichtung zu, als sie ihn gesucht hat, also von der Zellennummerierung her aufsteigend den Gang entlang und setzt sich in Bewegung, sie geht neben dem Koloss her.
„Jetzt sag schon, wie war das gemeint?", hakt sie nach.
„Wir müssen am Ende durch den Aufzugschacht, aber dafür vermutlich auch durch's Labor....", in seiner Stimme liegt eine gewisse Besorgnis, die sie ein klein wenig stutzig macht.
„Ist das so schlimm?"
„Sollten wir uns auch nur eine Sekunde verlieren, könnte es das Ende von beiden bedeuten."
„Dann binden wir uns halt ein Seil um, dann sind wir miteinander verbunden und können nicht verloren gehen. Ich hab vorhin sogar eins gefunden.", sagt sie, zieht ihren Rucksack ab und kramt in denselbigen.
„Wir kümmern uns später drum. Lass uns jetzt erstmal voran kommen."
„Warum hast du es auf einmal so eilig?", fragt sie skeptisch, schließt ihren Rucksack wieder und zieht diesen wieder auf.
„Bei dem, was wir vorhaben...", fängt er an, „Ich hab da kein gutes Gefühl."
„Wird schon schief gehen.", merkt sie ironisch und zugleich motivierend an.
„Ja, das glaube ich auch...", entgegnet er in einem sehr ernsten Ton und geht einen Schritt schneller, Sarah bemüht sich, mitzuhalten.
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