64. Sehnsucht
Meine Gedanken pendeln beim Aufbauen unseres Lager hin und her. Ich fühle mich überhaupt nicht gut, da ich mit meinem Bruder so eine Auseinandersetzung hatte. Er spricht nicht mehr mit mir und weicht meinen Blicken aus. Ich wollte keinen Streit auslösen, schon gar nicht so kurz vor dem Krieg. Ich fühle mich so schuldig und möchte ihm am liebsten alles erzählen, aber ich kann es nicht. Ich kann es einfach nicht. Wenn ich nicht kämpfe, wer weiß, ob sie es alle überstehen würden? Wir sind nur eine Handvoll von Guten und das Dunkle ist uns deutlich überlegen. Wir haben so gut wie keine Chance und dennoch hoffen alle auf Frieden, denn sie haben mich gesehen. Die Prophezeiung.
Ein Seufzen verlässt meinen Mund, als ich beim letzten Zelt mit anpacke und bei den letzten Kleinigkeiten noch mit helfe. "Danke für die Hilfe." Kommt es von einem Elb und ich lächle etwas gezwungen. "Wenn noch etwas ist, bin ich jederzeit erreichbar." Er neigt respektvoll den Kopf und ich mache schnell auf dem Absatz kehrt.
Ich muss unbedingt hier weg und ein Ort für mich finden. Ein Ort, wo mich die Blicke aller nicht mehr verfolgen und ich ungestört sein kann. Die anderen Truppen von den verschieden Teile Mittelerdes sind innerhalb des Tages angekommen. Auch Aragorn ist da, nur hatte ich bis jetzt keine Zeit mit ihm zu reden, da er und die anderen Herrscher nochmal alles miteinander besprechen und die Strategien durchgehen. Keine Ahnung, warum ich an der Sitzung nicht teilnehmen darf, jedenfalls hatte ich mich wenigstens nützlich gemacht, auch wenn ich jetzt nur noch erschöpfter war.
Aber jetzt war nicht an Schlaf zu denken und schon gar nicht ans Ausruhen.
Genervt reibe ich meine Augen, die schon wieder anfangen zu schmerzen und drohen sich zu schließen. Wenn ich jetzt schon so fertig bin, wie wird es erst nach dem Krieg aussehen? Ich habe vieles über Schlachten gelesen und weiß ganz genau, dass sie sehr lange brauchen, bis sie zu Ende geschlagen sind. Selbst Vater hatte mir früher darüber erzählt und mir auch über die Schlachten, die er geschlagen hatte, berichtet. Er meinte, dass es eine Menge Kraft kostete und er sagte immer, dass man nie aufgeben sollte und immer weiter kämpfen musste, egal wie es um einem herum aussah.
Ich lehne mich an einem Stein, der sich oben auf einem Gipfel der kleinen Gebirgskette befindet. Darunter breitet sich-in meinen Augen-eine große Wüste aus. Die Pelennor-Feldern sind riesig und in der Ferne kann ich sogar Minas Tirith sehen. Ich seufze, bewusst darüber, dass meine Schwester ganz in der Nähe ist, auch wenn uns dieses gigantische Feld trennt. Wir haben unsere Lager hinter dem rechten Gebirgszug-von Minas Tirith aus-aufgeschlagen, sodass wir die weiße Stadt und ihre Bewohner nicht in Gefahr bringen, genauso wie der Aufbau von Osgilath. Trotzdem hätte ich viel lieber Minas Tirith als Festung benutzt. Natürlich war der Gedanke total dämlich, trotzdem schwirrten genau diese Worte die ganze Zeit in meinem Kopf.
Ich wollte unbedingt zu meiner Schwester. Ich möchte sie sehen und wissen, dass es ihr gut geht. Ich will mich verabschieden können, falls ich nicht wiederkehre und möchte ihr alles Glück der Welt wünschen, wenn ich in ihren Arme liege.
Ich atme frustriert aus und werfe meine langen Haare nach hinten. Warum musste auch alles nur so schwer sein? Und warum war das Leben nur so ungerecht? Was hatten wir getan, um so einen Krieg zu verdienen?
Ich schüttele die Gedanken ab und lasse mich auf den steinigen Boden sinken, der auf einigen Stellen grün beschmückt ist.
Als ich zur Seite schaue, bleibt mir fast das Herz stehen. Denn mir wird erst jetzt bewusst, dass ich die ganze Zeit über nicht alleine hier war und ich mehr oder weniger beobachtet wurde. Wie konnte ich das nur nicht sehen?
"Mae govannen, Iorrien. Ich hatte euch nicht bemerkt." (Schön dich zu treffen) Begrüße ich endlich die Königin des Düsterwaldes, die mich immer noch mit undurchdringlicher Miene beobachtet.
Ich schlucke, um den Kloß aus meinen Hals zu vertreiben, doch er möchte einfach nicht verschwinden. Ich hasse es so angestarrt zu werden und werde immer total nervös, doch diesmal versuche ich Ihren Blick standzuhalten. Ich will ihr keine Schwäche zeigen, genauso wenig wie die anderen ganzen Leuten im Lager. Sie sollten sehen, dass ich mich nicht fürchtete, auch wenn das total falsch in meinen Ohren klang, da ich sehr wohl Angst hatte.
Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, als Königin Iorrien endlich ihre Stimme erhebt. "Mae govannen, Asalia." Ich nicke ihr zu. "Solltet ihr eigentlich nicht auf der Sitzung sein, Bereth?" (Königin) Ein Lächeln umspielt ihre Lippen und sie schüttelt ihren Kopf. "Ich werde nicht kämpfen, sondern als Heiler stationiert sein. Und nenn mich doch bitte nur beim Namen, diese ganzen Förmlichkeiten kannst du dir ersparen." Verblüfft über ihre Worte, lasse ich meine Gedanken kreisen. Ich hatte nicht gewusst, dass auch bestimmte Elben als Heiler stationiert werden und so nicht alle kämpften. "Wie viele sind es denn?" Sie scheint kurz zu überlegen, antwortet jedoch im nächsten Moment. "Ich glaube von unserem Reich sind es fünfzehn Elben. Bei den anderen, habe ich noch keine Angaben bekommen. Außerdem müssen noch die Herrscher die Stationierungen der Heiler besprechen."
"Wie sollen die denn das alles schaffen, wenn der Krieg doch so nah ist?"
"Planung und Strategie gehört zum Krieg dazu. Ohne das sind wir unvorbereitet."
"Aber der Krieg ist schon morgen und wenn es gut kommt übermorgen. Wie wollen sie das alles schaffen?"
Sie lächelt. "Ein Krieg vermag gut geplant zu werden und wenn er früher einbricht als gedacht, wird das vielleicht unser Ende sein. Aber niemand kann dies mit Gewissheit sagen. Nicht mal ich."
Ich schnappe entsetzt nach Luft. Daran hatte ich gar nicht wirklich gedacht. Was würde passieren, wenn die Feinde uns einfach so plötzlich angreifen? Würden wir dann verlieren? Und was ist wenn wir auch mit der Planung verlieren würden, was dann?
"Zerbrich dir nicht den Kopf über diesen Krieg." Kommt es leise, aber eindringlich von Iorrien. Sofort hat sie wieder meine volle Aufmerksamkeit.
"Eigentlich solltest du in diesen jungen Jahren nicht in den Krieg ziehen, aber es musste wohl so kommen. Manche Leute sind dazu bestimmt von einen auf den anderen Tagen erwachsen zu werden. Aber das macht sie auch so stark und du bist es, Asalia. Auch wenn die Angst noch immer da ist, hast du nichts zu befürchten. Denn du bist nicht allein. Niemals warst du das und wirst es auch nie sein. Vergiss das nicht."
Tränen brennen mir in den Augen und ich muss dem Drang widerstehen mich in ihre Arme zu werfen. So als ob sie meine Gedanken gelesen hätte, weist sie mit einer Geste zu ihr zu kommen. Und das tue ich auch. Urplötzlich befinde ich mich in den Armen von Legolas Mutter und vermisse meine eigene bei dieser Umarmung selbst.
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