VI
Milan Brokenkamp
Milan spürte den Schmerz in seinem Bein nicht mehr. Nur ein leichtes pulsieren dort, wo Haut hätte sein müssen und sich jetzt eine weiße Bandage befand.
Eine seltsame Unruhe hatte ihn erfasst, jetzt da er spezielles Essen zu sich nehmen musste, damit es nicht mit den Medikamenten für sein Bein reagierte. Als wäre ihm das Bein nicht total egal. Tom, Mira, Isaac, sie wären froh, wenn sie ihr Bein verlieren könnten. Dann wären sie noch am Leben. Milans Atem ging heftiger, wenn er an sie dachte. Seine Freunde. Tot und begraben. Ein loderndes Gefühl grub sich durch seinen Körper, verbrannte seine Adern von innen. Warum hatte sie das tun müssen? Warum nicht eine andere Schule, warum nicht Erwachsene? Warum seine Freunde? Warum nicht ihn.
Seine Kehle schnürte sich zu, sein Atem ging stockend.
Wenigstens würde er jetzt sehen wie sie eingefroren würde. Auf immer gefangen in einer Kammer aus Stahl und Eis. Nie wieder in der Lage andere zu verletzen. Nie wieder in der Lage Bomben zu platzieren. Nie wieder in der Lage Leben zu zerstören. Und doch reichte es nicht. Nicht für Milan. Und auch nicht für Isaac, Tom oder Mira. Sie waren nicht mehr hier um es zusehen. Die Explosion hatte sie erfasst, ihr Leben beendet, ihre Träume zerstört. In Milan krampfte sich alles zusammen. Jeder Muskel, jede Faser, jede Zelle schien sich schmerzhaft nach innen zu ziehen, während Tränen über seine Wangen ranen. Sie waren tot. Würden niemals wieder lachen, oder weinen oder scheiße labern.
Milan vergrub sein Gesicht in seinen Händen, versuchte die Flüssigkeit zu stoppen die unaufhaltsam über seine Wangen ran.
Schluchzer quälten sich durch seine Kehle, hallten leicht in dem kargen Raum wider. Er war allein. Ganz und gar allein.
Er hob den Blick und betrachtete den Screen vor sich. Leahy hatte den Raum betreten, ihre Miene ausdruckslos. Nicht einmal jetzt konnte sie eine der Emotionen zeigen, die sie so dringend in ihrem Leben hatte haben wollen. Milan schnaubte verächtlich. Und dafür hatte sie seine Freunde ermordet. Sein Blickfeld verschwam wieder, neue Tränen liefen wieder über seine Wangen.
Dennoch zwang er sich auf den Screen zu starren, den Blick nicht abzuwenden. Es war egal, dass er nichts erkannte, das Bild nur verschwommene Faben ohne eindeutige Umrisse. Er würde Zeuge sein, eine Gerechtigkeit bezeugen die keine war und niemandem etwas brachte. Warum durfte Leahys Leben einfach enden, eingefroren werden ohne die Schmerzen, die seine Freunde hatten erleiden müssen? Es war nicht fair. Das Leben ist nicht fair, würde Nina sagen. Nina, die unauffindbar war. Vermutlich tot. Wie Mira, Tom und Isaac.
Die Tränen auf seinen Wangen trockneten, keine neuen schafften es mehr nach zu fließen. Milans Augen brannten. Hinter Leahy schloss sich der Cryotank.
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