7. Kapitel - Atemnot
Donnerstag: 1./2. Verwandlung - 3./4. Sport - 5./6. Mathe
Biep. Biep. Biep.
Der Wecker klingelte leise. Lilly öffnete blinzelnd ihre Augen. Sie tastete mit ihrer Hand nach dem rechteckigen Gerät und machte es aus. Sie sah an die Decke und genoss für einige Augenblicke die Stille, bevor sie mit den anderen Kindern aufstehen würde und weiter arbeiten müsste. Sie wartete auf die Schritte... doch da kamen keine. Sie war nicht von Mrs Garham geweckt worden, sondern von einem Wecker. Und sie lag nicht auf ihrer Matte, sondern in einem weichen Bett. Sie setzte sich auf und plötzlich fiel ihr alles wieder ein. Mr Trenley, der Einkauf, die Busfahrt, die Zuordnung, Jake und Tyler, ihr Zimmergenossinnen, Riley und Rose und ihre Kissenschlacht.
Ihr Herz machte einen freudigen Sprung. Es war kein Traum gewesen! Sie schlug ihre Decke zurück und sprang aus dem Bett.
Heute war Donnerstag! Also war heute ihr erster Schultag. Aber warum ausgerechnet ein Donnerstag? Lilly beschloss später Riley zu fragen.
Sie ging zu ihrem Schrank. An ihrem ersten Schultag wollte sie auf keinem Fall stinken oder irgendwie grauenvoll aussehen. Als sie ihren Gedanken folgte schnaubte sie belustigt. Vor einiger Zeit, hätte sie nie so gedacht, doch diese Schule war zu besonders, um schlecht auf zu treten. Sie nahm sich ihre Schuluniform (diesmal mit einer grauen Stoffhose) und ging in die Dusche.
Sie kehrte wieder, als auch die anderen Mädchen aus ihrem Zimmer erwachten. Sie gingen ebenfalls duschen und Lilly wartete packte in der Zwischenzeit schon ihre Bücher zusammen.
Bald darauf gingen sie in den Speisesaal, wo sich ihre Wege trennten, denn Lilly saß an der anderen Ecke des Raumes und sie wollte weiterhin mit Tyler und Jake sprechen.
"Hey?", rief sie ihnen zu. Sie grinsten sie an.
"Hattet ihr vielleicht eine Kissenschlacht?", wollte Jake wissen. Lilly grinste breit und ließ sich auf ihren Platz fallen.
"Vielleicht?", meinte sie grinsend. "Und wie war es bei euch? Seid ihr in einem Zimmer?". Jake nickte nur doch Tyler ging genauer auf ihre Fragen ein.
"Anfangs nicht, aber wir haben es so gemacht, dass Jake mit jemand anderes getauscht hat. Und bei uns war es nicht ganz soo laut". Lilly konnte nicht anders als schuldbewusst zu gucken, musste jedoch gleichzeitig grinsen.
"Los, kommt, wir müssen uns noch unser Essen holen! Wir sind früh dran, da brauchen wir nicht so lang warten!", schlug Jake vor und sprang auf. Er sah sie abwartend an und gemeinsam gingen sie sich ihr Essen holen.
Diesmal hatte Lilly weniger Probleme bei der Essensauswahl. Nach wenigen Minuten saßen sie schon an dem Tisch und aßen. "Haben wir eigentlich den gleichen Stundenplan?", wollte Lilly nach einiger Zeit wissen. Jake überlegte kurz und zuckte mit den Schultern.
"Was hast du denn heute?", gab er fragend zurück.
"Verwandlung, Sport und Mathe", sagte sie prompt.
"Dann wohl nicht. Tyler und ich haben statt Mathe Kunst". Lilly verzog enttäuscht den Mund und nickte resigniert.
"Hey! Immerhin haben wir 4 Stunden miteinander!", tröstete Tyler sie erfolgreich, denn sie lächelt wieder. "Wie viel Uhr ist es eigentlich?", fragte er beiläufig.
"Grad mal halb acht!", antwortete Jake nach einem kurzen Blick auf die Uhr. Sie aßen zu Ende und liefen gemeinsam zurück zum Haus.
"Bruderherz! Kraftbombe! TylerWyler?", rief Riley ihnen von weitem entgegen.
"Langsam wirds langweilig!", brüllte Jake zurück. Sein Bruder lachte laut auf. Näher kamen sie sich nicht.
"Wisst ihr wo wir Verwandlung haben?", fragte Tyler, als sie auf dem Weg zum Lerngebäude waren. Im Wohnhaus, hatten sie sich fertig gemacht und waren sofort wieder losgegangen.
"Nein...", murmelte Lilly und Jake schüttelte nur wiedermal den Kopf.
"Das braucht auch nicht länger eure Sorge sein!", rief plötzlich eine Stimme hinter ihnen. Die drei fuhren erschrocken um und standen einem groß gewachsenen schlanken Mann gegenüber. Sie kannten ihn schon. Es war der gleiche Lehrer, der am Tag zuvor sie in die Teams eingeteilt hatte. Hinter ihm standen schon einige Kinder.
"So, jetzt sind wir voll zählig", bemerkte er und drehte sich um.
"Guten Morgen, Kinder. Ich bin euer Verwandlungslehrer Mr MCWhyer. Wir werden in keinen Klassenraum gehen, sondern an den kleinen See. Na los! Kommt!", rief er laut und ging schnell voran. Sie liefen an dem großen Brunnen vorbei auf den keinen Park zu. Hinter ihnen lagen die bunten Wohngebäude. Links von ihnen lagen das Lern und Haupthaus. Rechts neben dem Park stand ein riesiges flaches Haus. Es war genauso breit wie der Park. Bevor Lilly fragen konnte, was das für ein Gebäude war, blieb die Schülergruppe staunend stehen.
Der Weg vor ihnen führte zu einem riesigen See, welcher sich in zwei Bereiche aufteilte. Der linke Teil war klein. Er hatte etwa die Größe eines Hallenbeckens. Ein breiter Wasserweg führte zum Hauptbecken des Sees. Es war so groß wie zwei oder drei Fußballfelder, vielleicht auch größer. Lilly konnte es nicht genau abschätzen. Um das Nebenbecken standen wirr ein paar Bäume und er sah aus wie ein natürlicher See. Der größere Bereich, sah nicht besonders normal aus. Er glich einem Turnierfeld. Eine große Plattform schwebte 20 Meter über dem Wasser, nur auf dünnen Holzstützen. Um einen kleinen Teil des Sees stand eine hölzerneTribüne. Doch nie hätten alle Schüler und Schülerinnen darauf Platz gehabt, daher vermutete Lilly, dass sie für die Lehrer war und die Kinder sich auf die Wiesen setzen konnten. Was genau dort aber ablaufen sollte, konnte sie sich nicht vorstellen.
"Okay! Auf zum kleineren See! Er wird auch der Freizeitsee genannt", erklärte der rothaarige Mann und während er lief wischte sein Zopf über seine Schultern.
Sie kamen bei einem kleinen Holzsteg zu stehen. Lilly stand mit Jake und Tyler ganz am Rand zum Wasser. "Hier sind wir! Da heute alle Elemente hier sind und wir euch noch nicht trennen wollten, dürft ihr euch aussuchen, in was ihr euch verwandeln wollt. Also, ihr habt zur Auswahl: euer Seelentier, aber das finden die wenigsten, also vergessen wir das lieber. Dann für die Wasserbändiger ist der Meermann und die Meerjungfrau im Angebot. Die Luftelemente können sich ihre Flügel wachsen lassen. Die Erdbändiger haben die Chance sich komplett in ein Gestein oder was auch immer zu verwandeln und die Feuerelemente können sich zu Feuerseelen gestalten. Das Prinzip ist eigentlich bei jedem gleich. Ihr schließt eure Augen und atmet tief ein und aus! Na los! Ich sehe eure Äuglein offen!". Lilly und alle anderen Kinder schlossen zaghaft die Augen. Langsam wurde alles schwarz und sie hörte die Stimme des Mannes plötzlich lauter und deutlicher.
"Gut. Jetzt konzentriert ihr euch bitte auf euren Herzschlag. Ganz ruhig. Seid still und wartet bis das dumpfe Pochen eure Sinne bedeckt". Es herrschte einige Zeit Stille. In dieser Zeit konzentrierten sie sich nur auf ihren Puls.
Lilly hörte und fühlte nur noch das regelmäßige unregelmäßige Klopfen, welches nach einiger Zeit ihren ganzen Körper erfüllte. Es war ein atemberaubendes Gefühl sich selbst so nah zu sein, nur dieses Pochen zu spüren und dabei kein Gefühl zu haben. Keine Wut, keine Trauer, keine Angst. Nur dieses so vertraute Schlagen des Herzens. Sie wurde ruhig.
"So", murmelte eine ruhige fast kaum hörbare Stimme. Sie riss Lilly fast etwas aus dem Rhythmus, aber nur fast. "Jetzt stellt ihr euch vor wie ihr in eurem Element seid. Bei Erde, wie ihr über den trockenen Waldboden geht, die Zweige unter eurem Füßen zerbrechen. Hört den Gesang der Vögel und riecht dem Duft von Tannennadeln, Blumen und den frischen grünen Grashalmen.
Wenn ihr Luft seid, stellt euch vor wie der Wind durch eure Haare weht, sie leicht zerzaust und er eure Kleidung aufbläht. Seht die Wolken vor eurem inneren Auge und fühlt die Freiheit. Seht den Boden weit unter euch und genießt den Windzug.
Wenn ihr Wasser seid, stellt euch vor wie ihr sanft durch das Wasser gleitet. Es hüllt euch ein, sachte wie ein Tuch aus Seide. Seht die Wasserwirbel an euch vorbei fließen. Spürt wie ihr mit eurer Schwanzflosse leicht schlagt.
Bei Feuer spürt wie die Flammen mit euren Fingern spielen, hört das Knistern und Knacken...". Lilly hatte Mr MCWhyers Stimme schon lange ausgeschaltet. Sie versuchte verkrampft sich auf das Wasser zu konzentrieren, doch immer wieder schweiften ihre Gedanken und Gefühle zu dem Begriff Freiheit ab. Immer wieder spürte sie, wie sich ein schweres angenehmes Tuch um sie legen wollte, doch jedes mal hielt sie sich panisch an dem Wasser fest.
"Kommen Sie Mrs Kors! Konzentrieren Sie sich!", rief der Lehrer und bevor Lilly ihre Augen öffnen konnte, spürte sie einen kurzen Stoß gegen ihre Schulter. Da sie immer noch bei ihrem Puls gewesen war, spürte sie den panisch ansteigenden Herzschlag und riss geschockt die Augen auf. Sie stolperte. Der Steg unter ihren Füßen, endete, als sie ihr Gleichgewicht wiederfinden wollte. Ein hoher Schrei fuhr aus ihrer Kehle und sie fiel dem Wasser entgegen.
Mit einem lauten platsch tauchte sie mit viel Gespritze ein. Ihr Schrei wurde augenblicklich verschluckt und sie bekam keine Luft mehr. Ihre Lunge schrie "Atme!". Lilly folgte dem Befehl instinktiv. Wasser füllte ihren Körper und Panik machte sich in ihr breit. Sie strampelte wild mit den Beinen und erreichte kurz darauf die Wasseroberfläche. Sie atmete tief ein und spürte das Wasser in den Lungen. Sie schwamm quälend langsam zu dem Steg und hielt sich hustend an einem Querbalken fest.
"Mrs Kors?", rief ihr Lehrer. In seiner Stimme schwang Schock. Er rief sie erneut. Sie spuckte den Rest heraus und konnte langsam wieder richtig atmen.
"Lilly?!", riefen nun auch noch Jake und Tyler. Sie wollte nicht antworten. Auch wenn die anderen dadurch noch größere Sorgen bekamen, wollte sie sich erst wieder ordnen. Lilly schloss die Augen und keuchte. Sie versuchte sich zu beruhigen. Ihr Puls ging immer noch sehr hoch und sie sah auf. Ihr Unterkörper schwamm immer noch im Wasser. Ein taubes, fast schmerzhaftes Ziehen in dem Bereich ließ sie auf keuchen. Es war nicht das gleiche angenehme Gefühl gewesen, wie zuvor. Sie ließ sich wieder ganz fallen und strampelte unter dem Steg zu einer etwas flacheren Stelle, wo sie sich selbst hochziehen konnte. Sie packte das Holz und schwang sich hinauf. Sie setzte sich erschöpft hin. Ihre Beine kribbelten und brannten und sie unterdrückte den Drang daran zu jucken. Sie hörte, wie ein Mädchen erstaunt aufschrie und den Lehrer erleichtert aufatmete.
"Mrs Kors!", rief dieser und rannte auf sie zu. "Was jagen Sie mir denn für einen Schrecken ein!". Er wurde dicht verfolgt von ihren Freunden. Ihre Klassenkameraden waren auch nicht fern. Lilly fiel auf, dass einige von ihnen sich bereits verwandelt hatten. Sie erblickte zwei Jungen und ein Mädchen mit Flügeln am Rücken. Beide Jungs hatten Flügel von Raubvögeln, welche genau konnte sie nicht sagen. Das Mädchen hingegen hatte kleine bunte Kolibri-Flügel.
Ein anderes Mädchen hatte keine richtige Haut mehr, sondern glühte, wie ein Stein. An manchen Stellen sah ihre Haut aus, wie wenn Metall geschmolzen wurde und dunkle Flecken an der Oberfläche schwammen. Doch es wirkte nicht schlimm oder schmerzhaft. Genau genommen hatte es eine Furcht einflößende Schönheit an sich.
"Lilly Kors! Ich habe mit Ihnen gesprochen! Antworten Sie mir bitte! Sonst muss ich Sie zu unserer Hausärztin bringen!", rief Mr MCWhyer. Sie sah ihn kurz kritisch an, zog dann jedoch ihre triefenden Beine aus dem Wasser und stand vorsichtig auf. Jake half ihr, indem er sie hochzog und fragend ansah. Sie schüttelte nur den Kopf.
"Kann ich mich umziehen?", knurrte sie. Ihre Laune war auf den Nullpunkt gerutscht. Ihr war kalt und sie wollte die klebenden Sachen nur wegbekommen, sich trocknen und sich wieder normale Sachen anziehen. Außerdem war sie enttäuscht und wütend darüber, dass sie es nicht schaffte sich zu verwandeln. Hatte nicht Sie ausgerechnet so super starke Kräfte haben sollen?? Mr MCWhyer schien überrascht, dass dies das erste war, was sie sagte, nickte jedoch perplex.
"Gut. Ich bin gleich wieder da", meinte sie nur, drehte sich um und stapfte zurück zum blauen Haus. Sie achtete nicht auf ihre Umgebung und starrte nur auf den Boden. Lieber hing sie ihren trostlosen Gedanken nach.
Das Wasser tröpfelte langsam auf die Erde und hinterließ dunkle Flecken. Sie kam nach fünf Minuten bei ihrem Ziel an. Sie hatte sich innerhalb weniger Sekunden aus der nassen Kleidung geschält und schlüpfte wieder in ihre zweite Schuluniform. Sie war froh darüber, dass mehr als nur eine von der Schule angefordert worden waren. Sie hing die nassen Kleidungsstücke an ihrem Schrank, wo sie trocknen sollten und zog sich neue Schuhe an. Dann ging sie zurück. Jake erwartete sie bereits.
"Alles gut?", wollte er besorgt wissen. Sie ignorierte seine Frage stur.
"Wo ist Tyler?", fragte sie stattdessen.
Mit gerunzelter Stirn antwortete er: "Tyler ist da hinten im Wasser". Jake zeigte in die Richtung, die er meinte.
Sie lief dort hin, dicht gefolgt von Jake. Tyler schwamm mit eleganten Zügen durch das Wasser. Sein Oberkörper war frei und ein blaubräunlicher Fischschwanz glitt hinter ihm durch den See. Die Schuppen, die nun seine Hose ersetzten, funkelten und schimmerten. Kleine Lichtflecken rasten spielend durch das Wasser. Lilly wandte sich wieder an Jake.
"Kannst du dich auch verwandeln?", wollte sie neugierig wissen. Er nickte stumm. Sie hatte sich eigentlich für die beiden freuen wollen und das tat sie auch, aber gleichzeitig war Lilly neidisch auf sie. Jake sah sie mitleidig an. Er hatte sofort erkannt wie sie sich fühlte.
"Mrs Kors! Da sind Sie wieder! Wollen Sie es nicht noch einmal versuchen?". Als ihr Lehrer sie bemerkte schritt er zu ihr.
"Nein", antwortete sie nur.
"Aber warum denn nicht?", fragte Mr MCWhyer verwirrt.
"Weil ich es gerne vermeiden würde ein zweites Mal fast zu ersticken". In ihrer Stimme schwang mehr Zorn mit, als sie gedacht hatte. Jake und ihr Lehrer sahen sie erstaunt an.
"Aber du bist ein Wasserelement!", rief ihr Freund erstaunt.
"Und?". Sie sah ihn verwundert an. "Was hat das zu bedeuten? Ich wird' ja erst als Meerjungfrau unter Wasser atmen können".
"Nein", widersprach ihr Lehrer kopfschüttelnd. "Egal, ob Sie sich verwandeln können, oder nicht, ob Sie wissen, dass Sie ein Element sind oder nicht, Sie müssen unter Wasser atmen können. Es gibt bestimmte Grundvoraussetzungen dabei. Sind Sie sich sicher, dass Sie nicht atmen konnten?".
"Ja!". Sie war sich ganz sicher. Immerhin war sie beinahe ertrunken.
"Was ist passiert, als Sie unter Wasser waren?". Plötzlich war er ziemlich ernst und nicht mehr so aufgedreht wie zuvor. Seine grasgrünen Augen musterten sie misstrauisch. Er beugte sich zu ihr hinunter.
Lilly zuckte nur mit den Schultern.
"Kann ich mich vielleicht hinsetzen? Dann können Sie nach den anderen Schülern sehen". Sie wich seiner Frage aus und starrte auf den Boden. Sie hatte eindeutig noch nicht vor, jemanden von diesen letzten 20 Minuten zu berichten. Noch nicht. Erst wollte sie selbst verstehen, was genau passiert war. Mr MCWhyer richtete sich auf und atmete laut aus.
"Einverstanden. Suchen Sie sich einen schönen Platz aus. Ich werde später noch zu Ihnen kommen. Mr Millington, Sie können weiter zu den Aufgaben für die Erdelemente gehen". Daraufhin drehte er sich um und lief zu einem kleinen Mädchen, dass sich noch nicht verwandelt hatte. Lilly bemerkte, dass Jake ihr etwas sagen wollte und schüttelte daher den Kopf.
"Viel Spaß!", wünschte sie ihm dann und ging zum Ufer des Sees. In der Nähe des Steges ließ sie sich dicht beim Wasser nieder.
Sie beugte sich vor und ließ ihre Hand durch das kühle Nass gleiten. Nach einiger Zeit stoppte sie. Sie starrte auf die Wasseroberfläche und blickte in große runde Augen. Die Form erinnerte sie ein wenig an die einer Katze. Lange dichte Wimpern warfen kaum erkennbare Schatten auf ihre Wangenknochen. Das Weiße schien beinahe zu strahlen, keine Ader war darauf zu sehen. Die Iris schimmerte in den verschiedensten blau und grün Tönen. Der Rand war etwas dunkler. Lilly lächelte still in sich hinein. Es war das Einzige, was sie an ihrem Körper wirklich liebte. Ihre Augen. Das Lächeln stahl sich auch auf das schlanke Gesicht des Mädchens, welches sie kritisch musterte. Das aschblonde, fast weiße Haar fiel ihr etwas struppig über die Schultern. Ich muss sie später wohl nochmal föhnen, bemerkte sie an sich selbst.
In ihrem Spiegelbild sah sie, dass sie etwas schmalere Lippen hatte. Ihr Gesicht war oval und sie hatte einen leicht sonnengebräunten Hautton.
Plötzlich huschte auf der Spiegelung ein kleines hellblaues Licht vorbei. Sie sah verdutzt auf und erblickte erstaunt ein funkelndes Ding, dass wild vor ihrer Nase herum tanzte. Sie versuchte dem Glänzen zu folgen, aber da schwebte es auch schon weg. Innerhalb von Sekunden konnte sie es nicht mehr sehen.
Lilly runzelte verwirrt dir Stirn und schüttelte den Kopf, um ihre Gedanken los zu werden. Sie beobachtete aufmerksam, dass Tyler und Jake ihre Übungen machten.
Sie wollte nicht ein zweites Mal ins Wasser fallen. Ihr Lehrer und alle anderen Schüler waren weit weg von ihr.
Und wenn ich meine Augen offen lasse und nur auf das Wasser starre, kann mich auch niemand überraschen. Sie atmete tief ein und aus und konzentrierte sich auf die Augen ihres Spiegelbilds. Langsam senkte sich wieder ihr Atem. Als wieder die Ruhe durch ihren ganzen Körper strömte, entspannte sie sich. Es hatte länger gedauert als zuvor, doch die Ruhe ihres Herzschlages hatte die Frustration besiegt.
Sie konzentrierte sich wieder auf die Beschreibung die MR MCWhyer ihnen gegeben hatte. Langsam aber sicher konnte sie sich immer mehr im Wasser schwimmen fühlen. Ihr Spiegelbild wich einem Korallenriff und die Luft um sie herum war nicht mehr, stattdessen spürte sie das Wasser sanft über ihre Haut streichen.
Ein dumpfer Schmerz kribbelte in ihren Beinen. Es war der gleiche, wie der im Wasser. Sie ignorierte ihn, in der Hoffnung es müsste so sein. Doch als der Schmerz sie fast zu einem Aufschrei verleitete stoppte sie. Das Korallenriff war weg und ein hässliches schmerzerfülltes Grinsen lag in der Mimik des Spiegelbildes. Die Luft ersetzte das Wasser und sie sah zu ihren Beinen. Sie fühlten sich an, als hätten sie einen sehr starken Krampf und das durchgehende Stechen ließ sie zu ihren Unterschenkeln greifen. Sie zog ihre Hand zurück, als sie sich an ihrer Haut fast verbrannte.
Lilly zog schnell ihre Schuhe und Socken aus und steckte ihre Beine in die heilende Kühle. Sie keuchte erleichtert auf und schloss die Augen.
Was war das eben?. Der Schmerz verebbte langsam, doch ihre Haut fühlte sich weiterhin so an als wäre sie in ein Meer Brennnesseln gefallen.
Der kleine Zwischenfall leitete ihre Gedanken wieder zu dem Vorfall im See.
Warum hatte sie nicht atmen können? Wenn es angeblich eine Grundlage war, warum hatte der Kelch dann ausgeschlagen?
Ein erschreckender Gedanke kam ihr. War es vielleicht möglich, dass sie kein Element war? Was würde dann mit ihr passieren?
"Mrs Kors! Wollen sie sich etwa mit dem Wasser anfreunden?", fragte Mr MCWhyer plötzlich. Sie schrak auf und blickte entsetzt ihren Lehrer an.
"Ja", log sie in der Hoffnung, dass er nicht merkte, wie panisch sie gerade war.
"Okay! Sie müssen nur wissen, dass der Unterricht gleich vorbei ist, also wäre es besser, wenn Sie in den nächsten Minuten zurück kehren würden".
Sie nickte mit rasendem Herz.
Er ging wieder fort und sie zog vorsichtig ihre Beine aus dem Wasser. Sie waren noch immer sehr warm, aber die Haut verbrannte sie nicht mehr. Sie ließ das Wasser abtropfen und zog sich ihr Socken und Schuhe wieder an. Sie ging möglichst langsam zu den anderen Schülern und schloss erst zu ihnen auf, als sie gerade zum Rückweg aufgefordert wurden. Sie hielt sich am Schluss der Gruppe und versuchte so unauffällig wie möglich zu sein. Nach einer Weile gesellten sich Jake und Tyler zu ihr.
"Und? Hast du dich gut ausgeruht?", ärgerte Tyler sie. Sie nickte nur stumm.
"Alles okay?", fragte er verwirrt. Sie nickte wieder. Daraufhin schwiegen sie.
Beim Brunnen angekommen trennte der Lehrer sich von ihnen und Team Blau ging zurück in ihr Haus, um sich für die nächste Unterrichtsstunde vorzubereiten.
Lilly wollte gerade auch das Haus betreten, als jemand sie unsanft am Ärmel zog und erst wieder auf einer riesigen Wiese hinter ihrem Haus losließ. Ein paar ältere Schüler lagen in der Sonne, aber sie waren außer Reichweite für ungewollte Zuhörer.
Sie stand vor Jake und Tyler, die sie besorgt musterten. Ihre Blicke sagten alles.
"Mir geht's gut!", rief sie. Vielleicht etwas zu aufgebracht, denn jetzt starrten die Beiden sie misstrauisch an. Augenblicklich sah sie zu Boden.
"Was ist los? Warum reagierst du auf alles so panisch?! Ich sehe, dass du vor irgendetwas Angst hast!", riet Jake. Lilly schluckte nur.
"Kann ich euch vertrauen?", wollte sie dann nur wissen.
"Ja!", schoss es sofort aus ihnen hervor. Sie hatten nicht gezögert und der empörte Unterton bei Beiden, machten ihr klar, dass sie es ernst meinten, ja sogar als selbstverständlich ansahen.
"Und werdet ihr mich auch nicht verurteilen, oder es jemand anderem sagen?". Sie war sich nicht sicher, ob sie ihnen wirklich die Wahrheit sagen wollte.
"Natürlich! Hallo?! Wir sind Freunde!", riefen sie und Lilly konnte nicht anders als kurz schwach zu lächeln.
"Was ist denn jetzt, dass du ein solches Geheimnis draus machst?", fragte Tyler neugierig.
Sie sah sich kurz um. Niemand in der Nähe.
"Ich glaub ich bin gar kein Element", brachte sie dann leise hervor.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro