Kapitel 45
Rhana hielt das edle Glas Wein in der Hand und beobachtet, wie sich Lewin mit den Gästen des Balls unterhielt. Sie fühlte sich unwohl, da sie nicht wusste, was sie tun sollte, wenn Lewin nicht bei ihr war. Eigentlich hatte sie gehofft, wenigstens tanzen zu können, doch Lewin wollte nicht. Soweit sie wusste, machte es ihm keinen Spaß.
Allerdings konnte sie so die Gäste beobachten und ihnen lauschen. Es war überraschend, über was sie alles sprachen, wenn sie glaubten, niemand anderes hörte zu.
Eine Gruppe an Frauen stand in ihrer Nähe und sprach darüber, dass angeblich der Geliebte der Königin das Fest besuchte. Sie beobachteten ihn und tratschten darüber, ob die Königin ihr Verhältnis zu diesem bald öffentlich machen würde. Rhana hatte die Königin nicht als solch einen Charakter eingeschätzt, der Geliebte hatte. Allerdings wusste sie auch nicht, wie die Normalen hier in den Nordlanden waren.
Neugierig geworden, als die Frauen von der wilden Eleganz des Mannes schwärmten, wandte Rhana leicht ihren Blick und erstarrte.
Mit eleganten Bewegungen bahnte sich Idris einen Weg durch die Menge. Seine schwarzes, sonst so wildes Haar, war überraschend gut gebändigt und zu einem festen Zopf gebunden. Außerdem trug er Kleidung, die sie so noch nie an ihn gesehen hatte. Elegant und teuer. Selbst von hier konnte sie sehen, wie teuer die Kleidung in der Herstellung gewesen sein musste.
Ihr blieb der Atem weg, als sie erkannte, dass er direkt auf Königin Lumire zusteuerte.
Sie wollte ihren Blick abwenden und nicht zusehen, doch sie konnte nicht. Es war, als würde Idris ihre Aufmerksamkeit förmlich bannen.
Rhana beobachtete, wie er auf Königin Lumire zutrat und eine elegante Verbeugung vollführte.
Königin Lumire kicherte und hielt ihre Hand hin, die Idris in einer flüssigen Geste küsste. Allerdings war das nicht alles.
Entsetzt beobachtete Rhana, wie Lumire aufstand und ihn fest in die Arme nahm. Dabei war sie kleiner als Idris, der einen Arm sanft um sie legte.
Rhana beobachtete, wie er ihr etwas zuflüsterte, bevor er sie mit seinem Arm sanft, aber bestimmt in eine privatere Ecke führte. Dort warteten mehrere Diener, welche Gäste, die keinen Zutritt hatten, abhielten.
Rhana spürte einen Stich im Herzen, den sie nicht ganz einordnen konnte. Lag es daran, dass Idris ihr nicht gesagt hatte, dass er die Königin kannte oder eher daran, dass er ihr Liebhaber war?
Aber wenn sie so darüber nachdachte, dann verbrachte er die meiste Zeit im Gebirge. Wie also sollte er ihr Liebhaber sein? Ihr war, in der Zeit, in der sie auf der Schule war, nie aufgefallen, dass er diese verlassen hatte. Allerdings hatte sie auch nicht jeden Tag mit ihm verbracht. Es gab Momente, da hätte er die Schule verlassen können, um die Königin zu besuchen.
Rhana beobachtete sehr genau, wie die beiden miteinander umgingen und fragte sich, ob er wirklich ihr Liebhaber war.
Sie gingen liebevoll miteinander um, das konnte Rhana sehen, aber es wurden weder Küsse noch andere Zärtlichkeiten ausgetauscht, die sie erwartet hätte, wenn es sich um Liebhaber handelte. Das beruhigte sie irgendwie.
Ein Mann mit zwei Gläsern Wein näherte sich den Dienern, doch er wurde nicht, wie Rhana es erwartet hatte, aufgehalten, sondern durfte zur Königin durch.
Das sorgte dafür, dass Rhana ihre Aufmerksamkeit auf den Mann richtete.
Er wirkte elegant, aber auch irgendwie wie ein Raubtier. Was wohl daran lag, wie er sich bewegte.
Außerdem bemerkte Rhana, dass er Idris einen kurzen Blick zuwarf und ihn dann ignorierte. Stattdessen reichte er der Königin ein Glas Wein und sprach mit ihr, was Königin Lumire leise lachen ließ. Dann klopfte sie neben sich auf das Sofa. Auf ihre freie Seite, sodass sie, als sich der Mann setzte, zwischen zwei Männern saß.
Kein Wunder, dass es derartige Gerüchte um die Liebhaber der Königin gab. Sie legte es scheinbar förmlich darauf an.
Aber wer war dieser Mann? Konnte das Javar sein?
Nun war Rhanas Aufmerksamkeit noch mehr geweckt, allerdings bekam sie auch Angst, dass man ihr ansah, dass sie die beiden beobachtete.
Als sie sich kurz verstohlen umsah, entdeckte sie weitere Gäste, welche zur Königin blickten und dabei tuschelten. Das schien also recht normal, auch wenn Rhana das sehr unhöflich fand. Allerdings ging es im Moment wohl nicht anders.
Rhana beobachtete, wie sich Javar an Idris wandte. Beide tauschten nur ein paar Worte, wobei Javar ein überraschend herablassendes Gesicht machte. Idris blieb jedoch ruhig, hob eine Augenbraue und erhob sich, bevor er vor Lumire eine leichte Verneigung machte. Dann wandte er sich den Gästen zu.
Sein Blick wanderte umher und blieb dann an Rhana kleben, die einen überraschten Schauer über ihren Rücken wandern spürte.
Auf einmal packte sie Aufregung. Würde er zu ihr kommen? Sie wollte ihn so viel fragen, doch das konnte sie hier nicht.
Auf Idris Lippen legte sich für einen kurzen Moment ein Lächeln, bevor er tatsächlich direkt auf Rhana zuhielt.
Diese erstarrte völlig, denn damit hatte sie nicht gerechnet. Was sollte sie jetzt tun? Immerhin mussten sie so tun, als würden sie sich nicht kennen.
Idris blieb vor ihr stehen und verneigte sich ein Stück. Nur wenig und nicht ganz so elegant wie bei Lumire. »Euch habe ich hier noch nie gesehen«, sagte Idris mit sanfter Stimme und gut gespielt. »Darf ich um diesen Tanz bitten?«
Überfordert konnte Rhana nur nicken. Sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte.
Idris lächelte und reichte ihr die Hand.
Leicht zitternd legte Rhana ihre in seine und ließ sich zur Tanzfläche führen.
Sie bekam Panik, dass sie vergaß, wie sie tanzen musste. Immerhin hatte sie es erst vor kurzem gelernt. In einem leeren Saal, was sie nun nur noch nervöser machte. Sie war sich der Tatsache bewusst, dass man sie anstarrte, weshalb sie leicht zitterte.
Idris drückte ihre Hand ganz leicht, um sie zu beruhigen. Mehr konnte er nicht tun, das wusste Rhana.
Idris führte Rhana zur Tanzfläche, bevor sie begannen, sich mit der Musik zu bewegen.
»Ihr seid eine wundervolle Tänzerin. Mit wem habe ich das Vergnügen?«, fragte Idris schließlich, was bei Rhana dafür sorgte, dass sie etwas rot um die Nase wurde. Vermutlich log er, um ein Gespräch zu beginnen, denn sie selbst würde sich nicht heraus als gute Tänzerin betiteln. Was nicht hieß, dass es ihr keinen Spaß machte. Sie liebte es, sich mit Idris zum Takt der Musik zu bewegen. Dabei fühlte sie sich überraschend frei.
»Rhana Tavanis und mit wem habe ich die Ehre?«, fragte sie, denn das wurde erwartet.
Einen Moment sah sie Überraschung über Idris Gesicht huschen, als würde er erst jetzt ihren Nachnamen hören.
Er musterte sie eingängig, bevor er lächelte, auch wenn es nicht ganz so ehrlich wirkte wie sonst. »Erbin der Tavanis-Handelsgesellschaft?«, fragte er und musterte sie erneut. »Königin Lumire hat von Euch erzählt«, fügte er hinzu, was Rhana unruhig machte.
Sie wusste, dass das hier ein Schauspiel für die Massen waren, die ihnen vermutlich zuhören, doch das hieß nicht, dass Rhana sich dabei wohlfühlen musste. »Mein Name ist Idris Raenac-Naytas«, fügte er schließlich hinzu, was auf Rhanas Geischt einen verwirrten Ausdruck zauberte. Raenac-Naytas? Ein Doppelname? Hieß das, er war mit Yuvan verwandt oder doch eher mit Königin Suna? Vielleicht sogar mit Königin Lumire, was die Theorie mit dem Liebhaber ausschloss. Oder war er vielleicht ein Naytas, der sogar mit Lumore leiert war und darum einen Doppelnamen trug?
So viele Fragen, die Rhanas Kopf schwirren ließen.
»Es ehrt mich, dass die Königin über mich gesprochen hat«, bemerkte Rhana, die es mied, Idris anzusehen. Stattdessen ließ sie einen Moment ihren Blick durch die Menge und vor allem zur Königin wandern. Dabei entdeckte sie Javar, der sie beobachtete. Mit
zusammengekniffenen Augen und nachdenklich. Irgendwie abwägend.
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