Kapitel 36
»Das hier ist der Ort«, sagte Idris, als er mit Freya auf der Stelle landete, an der sie abgestürzt war. Kaum war er abgestiegen, kletterte die Drachin angstvoll den Berg nach oben, als würde sie sich von der Stelle entfernen wollen. Allerdings blieb sie in der Nähe und beobachtete.
»Wo bist du den Bergarbeitern begegnet?«, wollte Nae wissen, die neben Idris trat und sich umsah. Dabei ging sie nah an den Rand heran und sah hin, ohne, dass man ihr ansehen konnte, ob sie Angst hatte, zu fallen.
Idris ging die Umgebung ab, während er versuchte, zu rekonstruieren, was geschehen war.
Er hatte sie bemerkt, war an der Wand herabgestiegen und dann ein Stück gelaufen. So machte er es auch jetzt.
Nae folgte ihm langsam, sah sich aber weiter sehr genau um.
»Hier«, meinte Idris irgendwann. An den Bergen und dem Boden waren noch sehr gut die Kampfspuren zu erkennen.
Nae ging auf die Risse im Boden zu und strich dort mit den Fingern über die Steine. Es war sehr auffällig, dass um die Risse herum nichts mehr wuchs. Als wäre der Boden, der ohnehin schon nicht sonderlich gut für Pflanzen war, völlig leblos.
»Es scheint dem ähnlich zu sein, was die Krankheiten auslöst«, bemerkte Nae nicht begeistert. »Aber wie hängt es zusammen? Wo kommt es her?«
Idris wusste, dass seine Mutter keine Antworten auf diese Fragen wollte. Zumindest nicht von ihm. Sie sprach mehr mit sich selbst, was Idris gut von ihr kannte.
»Sie haben auf alle Fälle Jagd auf Drachen gemacht«, bemerkte Idris, dem das schon von Anfang an seltsam vorgekommen war.
»Also keine Bergarbeiter?«, wollte Nae wissen, die wohl ähnliches dachte wie Idris. Es konnte auch nur eine Tarnung sein, weil Bergbau hier im Gebirge recht weit verbreitet war.
»Sie waren so gekleidet und ihre Artefakte waren Spitzhacken, die alle ziemlich gleich aussahen«, bemerkte er, doch das wusste Nae eigentlich schon. s war manchmal trotzdem besser, sie an bestimmte Dinge zu erinnern.
Nae machte einen nachdenklichen Laut. »Schaue wir uns hier um. Weißt du, aus welcher Richtung sie gekommen waren?«, fragte sie, während sie sich um die Risse herum umsah.
Idris schüttelte leicht den Kopf. »Nein, leider nicht.« Wären sie eher zurückgekehrt, hätte er vielleicht noch einen letzten Rest ihrer Spur aufnehmen können, doch er hatte darauf warten müssen, dass es Nae besser ging.
Sein Blick wanderte kurz auf seine Hände, die in Lederhandschuhen steckten. Er hätte wirklich vorsichtiger sein müssen. Nur wegen ihm hatte Nae ihre Kräfte noch mehr beanspruchen müssen, dabei war sie durch die aktuelle Situation schon sehr erschöpft. Sie kam einfach nicht genug zur Ruhe, um ihre Magie komplett zu regenerieren.
Idris fühlte sich schuldig, weshalb er auch nicht plant, ihr seine Hände erneut zu zeigen. Dabei kribbelten sie schon jetzt recht unangenehm und am liebsten hätte er die Handschuhe ausgezogen. Doch das war nicht gut. Dann könnte er sie vielleicht anstecken und das durfte auf keinen Fall passieren.
»Schau mal«, bemerkte Nae, die in der Umgebung herumsuchte, während Idris mehr oder weniger gedankenverloren einen Pfad angesehen hatte.
Er zuckte zusammen und drehte sich sofort zu seiner Mutter um. Diese kniete am Boden und starrte auf etwas.
Mit schnellen Schritten kam Idris zu ihr und hockte sich zu seiner Mutter. Am Boden lag eine tote Maus, die nicht ganz richtig aussah. Ein wenig, als wäre sie verbrannt. Gleichzeitig konnte man sie jedoch sehr gut erkennen.
Langsam legte Idris Nae eine Hand auf die Schulter. »Du kannst sie nicht alle retten«, bemerkte er, bevor er aus seiner Jackentasche eine kleine Tüte zog. Dann nahm er die Maus am Schwanz. Sie war nicht steif, sondern bewegte sich mit, als würde sie nur schlafen.
»Pass bitte auf«, bat Nae, die sich langsam wieder erhob.
»Ich trage Handschuhe«, meinte Idris lediglich, denn er wusste sehr gut, dass damit die Krankheit abgeblockt werden konnte. Allerdings durfte er auch nicht zu viel von dem sanften Staub einatmen, der von der Maus ausging.
Schnell packte er sie in den kleinen Beutel, den er zuschnürte. »Zumindest kannst du diese hier näher untersuchen«, bemerkte er, auch wenn es ihm nicht so sehr gefiel, seine Mutter damit hantieren zu lassen. Allerdings war sie nicht nur älter als er, sondern auch wesentlich stärker. Vielleicht gelang es ihr, ein Gegenmittel zu finden.
»Das macht mir Sorgen«, gab sie zu und blickte kurz in den Himmel. »Normalerweise zerfallen sie sehr schnell zu Staub. Aber diese hier ... Natürlich können wir sie jetzt untersuchen, aber ...« Nae schüttelte den Kopf. »Lass uns schnell den Rest absuchen. Nicht, dass sie doch noch zerfällt.«
Idris stimmte ihr zu. Sie waren nicht hier, um Proben zu sammeln, sondern um Hinweise auf die Bergarbeiter zu finden.
»Lass uns den Pfad entlanggehen«, schlug Idris vor, denn es gab nicht so viele Wege, welche sie genommen haben konnten.
Nae sagte nichts, sondern lief los.
Manchmal fragte sich Idris, was sie dachte und wie sie mit ihren Gedanken war.
Es waren Tage wie heute, wo sie abwesend wirkte und die silberblaue Magie sie wie einen Manzel umgab, da wirkte seine Mutter nicht gerade menschlich.
Jetzt war jedoch nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, denn vor ihnen erhob sich der Eingang zu einem Minenschacht.
Idris trat darauf zu, als es unter seinen Füßen leicht knirschte. Überrascht sah er auf das Holz, das zu einer Schiene gehörte. Sie führte direkt in den Stollen hinein. Allerdings war sie so morsch, dass das Holz unter seinem Fuß nur noch aus Splittern bestand.
Selbst die Schienen sahen rostig und wenig genutzt aus.
»Ich wusste nicht, dass hier eine Mine ist«, bemerkte Nae, die aus ihrer Tasche eine alte Karte hevorzog. Darauf war das Gebirge und alle Minen eingezeichnet, die sie genehmigt hatte. »Das Gebiet gehört Javar Rudonin.«
Idris stieß ein Seufzen aus. »Dieser Pfeife?«, fragte er, wobei er keinen Hehl daraus machte, wie wenig er ihn leiden konnte.
Nae kicherte leise. »Er ist trotzdem der Berater der Königin«, erinnerte sie ihn scheinbar belustigt, doch in ihren Augen sah Idris den Ernst der Lage.
»Ihm würde ich zutrauen, hier illegalen Bergbau mit verdorbenen Artefakten zu betreiben«, knurrte Idris wütend und ballte die Fäuste.
Nae stieß ein Seufzen aus. »Ich weiß, du magst ihn nicht, aber ohne Beweise solltest du so etwas nicht sagen.«
Frustriert schlug Idris in die nahegelegene Wand. »Das ist sein Gebiet. Wie viel Beweise brauchst du noch?«
Für einen Moment starrte Nae die Mine an. »Rhana ist doch eine Händlerin, oder?«, wollte sie wissen und blickte zu Idris.
Dieser hob eine Augenbraue. »Ja. Worauf willst du hinaus?«
Als sich ein Lächeln auf Naes Lippen legten, hatte er das Gefühl, der Stein der Erkenntnis versank in seinem Magen. Sie wollte Beweise und die Drachenreiter waren noch nie auf einer Mission. Dabei waren sie Idris Meinung nach noch gar nicht so weit.
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