Kapitel 10
Rhana betrat leise ihr Wohnhaus, während sie sich immer wieder umsah. Die Tasche, in der sich Kaza versteckte, hing über ihrer rechten Schulter, während die mit Fleisch auf ihrer anderen hing.
Als sie den Flur betrat, bemerkte sie Licht in der Küche, doch sie schlich sich direkt auf die Treppe nach oben in ihre Räume zu. Sie musste zuerst Kaza verstecken, das war am wichtigsten.
»Rhana?«, erklang Ruonirs fragende Stimme, als sie gerade einen Fuß auf die unterste Treppenstufe gesetzt hatte.
Rhana zuckte zusammen, da sie nicht damit gerechnet hatte, dass er sie gehört hatte. »Ich bin gleich bei dir, ich lad nur meine Sachen ab«, rief sie ihn zu. Sie konnte als Ausrede nutzen, dass sie geglaubt hatte, dass alle schliefen. Was vielleicht nicht sehr glaubhaft wäre, da das Licht in der Küche im Flur deutlich zu sehen war.
Ruonir erschien im Türrahmen und blickte zu ihr. »Alles in Ordnung? Du warst wirklich lange weg. Gestern auch schon«, sagte er mir Sorge in der Stimme.
Rhana schenkte ihm ein Lächeln. »Alles gut. Ich hatte dir ja gesagt, dass der Test für die Schule ansteht«, erwiderte sie, als wäre alles normal.
Allerdings bemerkte sie Kaza, die sich in ihrer Tasche bewegte und Anstalten machte, ihren Kopf herauszustrecken. Darum griff sie nach der Tasche, schob sie zurecht und versuchte sie zuzuhalten, was Ruonir zu bemerken schien. »Sicher, dass alles gut ist? Ich habe Essen gemacht. Komm dann runter, ja?«, fragte er, während er sie weiter im Auge behielt.
Rhana lächelte schief. »Ich bring nur mein Zeug weg und dann erzähle ich dir alles.« Zumindest so viel sie ihm sagen durfte.
Obwohl Ruonir sie noch immer betrachtete, als würde er etwas sagen wollen, machte sich Rhana auf den Weg nach oben. Noch immer versuchte Kaza ihren Kopf hinauszustecken, um zu sehen, was los war. Darum rannte Rhana förmlich in ihr Zimmer, um dort die Tasche zu öffnen.
Sofort steckte Kaza ihren Kopf heraus und streckte sich, als wäre sie vorher eingeengt gewesen. Sogar ein Fiepen gab sie von sich, was Rhana dazu veranlasste, ihr zu symbolisieren, dass sie leise sein sollte. Allerdings verstand die Drachin das nicht. Stattdessen schob sie sich aus der Tasche und versuchte in die andere mit dem Fleisch zu klettern.
Rhana setzte sich langsam auf den Boden, um die Taschen abzustellen. »Du hast Hunger, meine Kleine«, bemerkte sie sanft, während sie Fleisch aus der Tasche fischte, das sie ihr hinhielt.
Schnappend biss Kaza danach, doch das Stück Fleisch war so groß, dass sie es nicht ganz ins Maul bekam, weshalb sie begann, es zu schütteln, bis sie ein Stück davon abriss.
Rhana ließ es zu, beobachtete und lachte leise. Zum Glück war die Tasche mit einem Kühlzauber versehen. Ein wirklich seltener und teurer, magischer Gegenstand, der für sie ab jetzt unabdingbar sein würde. Ohne diese würde das Fleisch viel zu schnell verderben.
Rhana nahm das Stück Fleisch und packte es zurück in die Tasche, während sie Kaza dabei beobachtete, wie sie versuchte das kleinere Stück noch weiter zu zerpflücken. Ob sie es ihr wohl klein machen sollte? Aber eigentlich sah Kaza aus, als hätte sie ihren Spaß und solange sie nicht zu viel Chaos anrichtete, konnte sie damit spielen.
Rhana war so auf Kaza fixiert, dass sie das leise Knarzen der Treppe gar nicht bemerkte. Auch nicht, als Ruonir hinter sie in den Raum trat und überrascht im Türrahmen stehenblieb. »Was ist das denn?«, fragte er atemlos.
Aufgescheucht sprang Rhana auf und versuchte sofort Kaza zu verdecken, was jedoch nicht möglich war, da diese wild durch den Raum sprang.
Rhanas Herz klopfte aufgeregt, während sie versuchte, eine Ausrede zu finden. Ihr wollte allerdings nichts einfallen, was nicht völlig lächerlich klang. Sie konnte kaum sagen, dass es sich bei Kaza um eine seltsame Katze oder eine Echse handelte. Erst recht nicht, als Kaza das Fleisch hoch in die Luft warf und mit einem Hauch ein winziges Feuer hinterherspukte, um das Fleisch zu brennen.
Rhana ärgerte sich, dass sie nicht direkt hatte zusehen können, doch das hier war wichtiger.
»Das ist ... schwierig«, erwiderte Rhana leise und schuldbewusst. Sie wollte es ja nicht vor ihrem Bruder verbergen, doch sie musste. Auch, um die Drachen zu schützen.
Ruonir machte noch einen Schritt in den Raum, bevor er die Tür langsam schloss. »Ich habe Zeit«, erwiderte er recht nüchtern, wobei sein Blick immer wieder zu Kaza wanderte, die nun genüsslich ihr Fleisch verspeiste, ohne es weiter durch die Gegend zu werfen.
Rhana atmete tief ein. Sie schien keine andere Wahl zu haben. »Das hier ist Kaza. Ein Sanddrachenbaby«, erklärte Rhana etwas widerwillig. Aber sie sprach mit ihrem Bruder. Er würde ihr Geheimnis für sich behalten, da war sie sich sicher. »Königin Suna hat Lewin und mich zu sich gerufen, weil sie möchte, dass er und ich auf die Drachenreiterakademie gehen«, erklärte sie weiter, denn sie wollte ihm erst gar keine Gelegenheit geben, Fragen zu stellen, bis sie fertig war. »Ich darf eigentlich nicht darüber reden und Kaza darf auch niemand sehen. Du darfst also niemand davon erzählen.«
Ruonir verschränkte die Arme und lehnte sich an die Tür, während er sie beobachtete. »Drachenreiterakademie?«, fragte er skeptisch und musterte dann Kaza. »Sie existiert wirklich?«
Rhana verstand seine Skepsis, weshalb sie auf Kaza deutete. »Das da ist definitiv ein Drache.«
»Nun. Ein sehr kleiner Drache. Auf ihm kann man ja wohl kaum reiten«, bemerkte Ruonir nüchtern.
»Sie ist ja auch ein Baby«, rief Rhana aufgebracht und beleidigt, weil sie das Gefühl hatte, Ruonir würde ihr nicht glauben.
Dieser hob beschwichtigend die Hände. »Schon gut, ich glaube dir ja, aber ... was passiert jetzt?«
Rhana ließ die Schultern hängen, bevor sie sich hinhockte, um Kaza auf den Arm zu nehmen und zu streicheln. »Ich bin nicht ganz sicher. In einigen Tagen werde ich auf die Akademie gehen. Ich werde Savrana verlassen.«
Ruonir stieß den Atem aus. »Hätte ich das gewusst ... hätte ich dich nicht bestärkt«, meinte er, wobei er sich durch die Haare fuhr.
»Du kannst nichts dafür«, sagte Rhana sanft. »Ich habe für mich entschieden, dass ich es möchte.« Warum würde sie ihm jedoch nicht verraten. Dass ihre Eltern vielleicht noch lebten ... war ein vielleicht zu großes Geheimnis.
Ruonir trat auf Rhana zu und zog sie samt Drache in seine Arme. »Bitte pass gut auf dich auf«, bat er, wobei Rhana seine Stimme als angstvoll empfand.
»Das werde ich«, versprach sie und erwiderte die Umarmung sanft.
Ruonir schüttelte leicht den Kopf, bevor er sie etwas von sich schob. »Drachenreiter. Weißt du eigentlich, wie gefährlich das ist? Selbst die Wüste ist nicht so gefährlich.«
Es war unschwer zu erkennen, dass Ruonir wirklich Angst hatte, dass Rhana etwas passierte. Etwas, was sie nachvollziehen konnte, da es ihr auch oft so ging, wenn Ruonir mit der Karawane loszog.
»Du musst dir wirklich keine Sorgen machen. Wir werden ausgebildet. Außerdem ...« Sie zog die Haarnadel aus ihrem Haar und zeigte sie Ruonir. »Habe ich ein Artefakt.«
Ruonir betrachtete die Nadel und hob eine Augenbraue. »Weißt du denn, wie du damit umgehst? Nur, weil du eines hast, heißt das nicht, dass es als Waffe dient«, belehrte er sie, was Rhana leicht lächeln ließ. Sie wusste, dass auch Ruonir ein Artefakt besaß. Eines, was wirklich nicht für den Kampf geeignet war.
»Ich hab eine Idee«, sagte sie und löste sich von Ruonir, um die verwirrte Kaza auf das Bett zu setzen und dann zu ihrem Schrank zu gehen. Dort holte sie eine Schere hervor, bevor sie sich eine Strähne ihrer schwarzen Haare abschnitt.
Ruonir beobachtete sie verwirrt und starrte dann auf die Strähne, die Rhana ihm hinhielt. »Für dich.«
Ruonir nahm die Strähne langsam entgegen. »Bist du dir ganz sicher, dass ich sie haben darf?«, fragte er zögerlich.
Rhana wusste sehr gut, wie viel sie ihm anvertraute.
»Damit du mich jederzeit finden kannst«, sagte sie, denn das war die Fähigkeit seines Artefaktes. Ein Kompass, der durch einfache Proben ähnliche Dinge aufspüren konnte. Eigentlich ein Artefakt, das perfekt zu einem Abenteurer passte.
Ruonir umfasste die Strähne und hielt sie sich an die Brust. »Das heißt trotzdem nicht, dass du unvorsichtig sein darfst«, sagte er ernst, bevor er ihre Hand nahm. »Wann wirst du gehen?«
Rhana zuckte die Schultern, während sie nicht genau wusste, was Ruonir wollte. »Sobald Lewin die Prüfung bestanden hat, schätze ich«, erwiderte sie, denn sie hatte keine Ahnung, was Lewin aktuell tat.
Ruonir stieß den Atem aus. »Ich werde dir in dieser Zeit das Kämpfen beibringen.«
Rhana blickte ihn überrascht an. Er hatte sich so lange dagegen gesträubt es ihr zu zeigen und nun das?
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