Kapitel 6
Als wir nun ein wenig von dem Lager entfernt sind – und vermutlich auch aus der Sichtweite derer, die sich dort aufhalten – drückt Cato mich unerwartet gegen einen Baum, zwar nur leicht, aber doch bestimmt, und küsst mich dann unerwartet auf den Mund. Völlig perplex erwidere ich den Kuss. Ich hätte wirklich mit allem gerechnet, aber mit dem echt nicht. Schließlich sind wir in den Hungerspielen und da wird alles gefilmt. Wer weiß, ob nicht wir gerade auf den Bildschirmen aller Fernseher ganz Panems zu sehen sind. Ich schüttle den Gedanken ab. Und wennschon, kann es mir doch auch egal sein. Als er sich von dem Kuss löst, lächelt er mich warm an und flüstert: „Ich liebe dich." Eine ganz andere Seite als man es von dem brutalen, erbarmungslosen, blutrünstigen Cato gewohnt ist. Doch ich kenne auch diese Seite von ihm. Vermutlich bin ich die einzige Person, die ihn so kennt. Moment ... Wahrscheinlich kennt sie ja jetzt ganz Panem. Na ja, gibt Schlimmeres. Ich erwidere sein Lächeln, werfe dann aber – traurig – ein: „Du weißt aber schon, dass nur einer von uns überleben kann?" In Catos Lächeln fließt ein wenig Traurigkeit mit ein, ehe er sagt: „Deswegen werde ich auch alles dafür tun, dass du die überlebende Person bist." Nein, nein, nein! Egal, was ich jetzt sagen würde, die Antwort wäre kitschig. Oder würde nicht der Wahrheit entsprechen. Und ich hasse es, kitschig zu sein. Ich schüttle den Kopf und flüstere, in der Hoffnung, das Kapitol könne meine Stimme nicht hören: „Nein, du sollst überleben." Er schüttelt nur lächelnd den Kopf, ehe er mich erneut küsst. Ich erwidere den Kuss zwar wieder, aber nicht mehr so leidenschaftlich wie vorher. Der Gedanken daran, dass dies ganz Panem sehen könnte, verdirbt einem echt alles! Außerdem... Vielleicht wäre es jetzt besser, zum Lager wieder zurückzukehren?
Gerade als ich überlege, ob ich mich lieber von dem Kuss lösen soll oder nicht, sehe ich – nicht weit von uns – einen Tribut an uns vorbei humpeln. Der Junge aus 10! Denn er hat sich – das sah ich während der Zeit im Kapitol – den Fuß gebrochen. Noch vor den Spielen. Der wird eine leichte Beute sein. Ich löse mich also doch von dem Kuss und deute wortlos auf den Jungen aus 10. Zuerst sieht Cato mich enttäuscht an, da ich den Kuss abbrach, doch als er sieht, wohin ich zeige, versteht er sofort. „Du oder ich?", wispert er leise, sodass der Junge es – hoffentlich – nicht hören kann. Stumm zeige ich nur auf mich und werfe auch schon ein Messer auf den Jungen. Volltreffer! Er spuckt Blut, ihm entfährt ein Schmerzenschrei, ehe er dann auch schon in sich zusammensackt und zu Boden fällt. Ich grinse, könnte stundenlang zusehen, wie Leute so sterben. Cato lächelt mich an, rennt dann aber auch schon zum Leichnam des Jungen. Rasch laufe ich ebenfalls zu ihm und ziehe mein Messer aus der Leiche, während Cato den Toten nach eventuellen Ressourcen absucht. „Der hat gar nichts bei sich", stellt er dann deprimiert fest. Ich knuffe ihn sanft und meine grinsend: „Immerhin ist er tot. Das reicht doch?" Cato nickt nur und wir gehen wieder zurück zum Lager. Währenddessen ertönt die Kanone, die den Tod des Jungen aus 10 verkündet. Nur mehr 11 am Leben.
Die anderen im Lager erwarten uns schon bereits. „Wo wart ihr so lange?", fragt Peeta. „Habt ihr nicht die Kanone gehört? Wir haben einen Tribut umgebracht. Was wir sonst gemacht haben, geht euch nichts an!", zicke ich die anderen – besonders Peeta – an. Im Augenwinkel bemerke ich, wie Cato auf meine Aussage grinst. Peeta hebt nur beschwichtigend die Hände: „Ja, ja, schon gut. War ja nicht böse gemeint! Aber wer ist denn der Tote?" „Der Junge aus Distrikt 10", antwortet Cato an meiner Stelle und stellt sich etwas enger an mich, so dass sich unsere Hände und Arme bereits berühren. Die anderen Tribute mustern uns bei seinem Tun – besonders die Tussi-Clique – misstrauisch. „Was denn?", sagt er genervt und nimmt dann – schon fast mehr als Provokation als sonst irgendetwas – meine Hand und drückt diese zärtlich. Ich lächle leicht, Glimmer verdreht die Augen: „Könntet ihr beiden Turteltauben nicht bitte einfach aufhören? Das nervt!" Das Mädchen aus 4 nickt heftig, um ihr beizupflichten, der Junge aus 1 scheint das ähnlich zu sehen. Nur Peeta enthält sich seiner Meinung. Glimmers Aussage scheint Cato in Rage zu bringen. So richtig in Rage.
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