Kapitel 21
Als ich an der Tür vorbeigehe, welche den Gang mit dem Leichenraum verbindet, steht Präsident Snow dort noch immer. Während ich an ihm vorbeigehe, mustert er mich kurz, sagt aber nichts. Soll mir nur recht sein.
Nur ein paar Türen weiter erblicke ich dann auch schon das Zimmer mit der Nummer 42, dessen Tür halboffen steht. Ohne weiter nachzudenken betrete ich den Raum, erblicke Cato – er sitzt aufrecht auf einem Bett, welches das einzige in dem Zimmer zu sein scheint und recht mittig, direkt neben einer Wand, steht -, welcher vor Freude zu strahlen scheint, als er mich sieht: „Clove! Was für ein Glück! Dir geht es noch gut! Ich dachte, ich hätte dich unabsichtlich doch getötet..." „Nein, mich wirst du so schnell wohl nicht los, wie es aussieht", entgegne ich grinsend, setze mich dann links neben ihn aufs Bett und hauche ihm nur kurz einen Kuss auf den Mund.
„Da bin ich aber auch froh drüber. Sag mal... Was haben sie eigentlich mit dir gemacht, nachdem sie dich mit dem Hovercraft wegtransportiert haben?" Nebenbei nimmt er meine rechte Hand – welche im Gegensatz zur linken völlig unversehrt, ohne meinem Blut ist – in seine Hände und beginnt, sanft mit dieser zu spielen.
„Na ja ... Nach der Landung haben sie mich dann recht unvorsichtig in einen Leichenraum geworfen. Da waren alle Leichen der diesjährigen Hungerspiele auf einem Haufen. Mindestens, wenn nicht auch noch von Jahren davor. Jedenfalls hat es dort bestialisch nach Verwesung gestunken. Dunkel war es auch. Ich habe mich einfach an der Wand entlanggetastet, bis ich eine Tür gefunden und ewig an diese geklopft habe, bis mich wer bemerkte. Der Friedenswächter, der mir die Tür aufgemacht hatte, schien richtig verwirrt zu sein, ebenso wie Snow, welcher später auch hinzu kam. Interessanterweise hatte er mich auf meine Anfrage hin einfach zu dir gelassen", erzähle ich, während sich auf Catos Gesicht Besorgnis und Verwirrung zugleich bildet.
Er zieht mich ein wenig näher zu sich, sodass zwischen uns kaum ein Spalt Abstand ist, ehe er spricht: „Aber sonst geht es dir gut, ja? Und was mich wundert... Dass Snow dich einfach hat gehen lassen?" „Begeistert war Snow wahrlich nicht, als er sah, dass ich doch noch am Leben bin. Aber genauso sehr war er verwirrt, wusste nicht so recht, was er mit mir machen sollte. Deswegen hat er mich auf Wunsch wohl einfach zu dir gelassen. Übrigens, er hat er gesagt, er käme später dann zu uns", erwidere ich schulterzuckend und umgehe somit einfach seine erste Frage.
„Ähm... Okay ... Ich denke einmal, dass dies eher weniger etwas Gutes bedeutet."
„Ach, wird schon nicht so schlimm sein. Immerhin haben wir uns beide und sind noch am Leben. Was will er also großartig machen?", gebe ich leicht schmunzelnd von mir und knuffe ihn sanft in die Seite.
„Man weiß bei ihm nie so recht. Unterschätze Snow nicht."
Dann fällt sein Blick auf meinen Oberkörper und bleibt genau an der Stelle hängen, an der sich wohl die Wunde befinden muss, die er mir zugefügt hatte. Seine Augen weiten sich sorgenvoll, ehe er meine Hand loslässt, um mit seinen Händen vorsichtig über meine Wunde, die zwar nicht mehr blutet, dafür umso mehr blutverkrustet vom Blut, welches ich vorhin verloren habe, zu fahren, diese zu überprüfen. „Das sieht nicht gut aus. Gar nicht gut. Sollte das nicht behandelt werden...", fängt Cato den Satz an, beendet ihn aber nicht, doch das muss er auch nicht. Ich weiß auch so, was er mir damit sagen will.
„Ich wollte das doch gar nicht! Ich wollte dich doch nicht so verletzen! Nur so sehr, dass man denkt, du wärst tot! Aber doch nicht, dass dies Realität wäre! Hätte ich mich doch einfach nur umgebracht, anstatt dies vorzuschlagen!"
Seine Verzweiflung ist kaum zu überhören und als dann auch noch eine Träne seinen Weg nimmt, lege ich ihm eine Hand auf seinen Rücken, streichle sanft über diesen. „Aber ich bin doch nicht tot! Alles ist gut. Die Wunde wird schon verheilen. Außerdem weißt du, dass ich dir nie verziehen hätte, hättest du dich selber umgebracht, oder?"
„Schon, aber wenn die Wunde nicht behandelt wird...", fängt Cato erneut an und ich unterbreche ihn rasch, fast schon ein wenig genervt: „Dann lassen wir es halt nicht so weit kommen!"
Einerseits ist es ja ganz süß, wenn er sich so Sorgen um mich macht. Andererseits aber vermisse ich dann einfach verdammt den eigentlichen Cato.
Den Cato, den alle kennen.
Den Cato, in den ich mich verliebt habe.
Auch, wenn ich es toll finde, dass er mich anders behandelt, als er die anderen behandelt. Netter, sanfter, nicht so kühl.
Er blickt mich kurz besorgt an, nickt dann aber. „Ich rufe einfach eine Krankenschwester, die wird sich das schon anschauen. Auch, wenn du eigentlich tot sein solltest. Wenn nicht... Werde ich schon dafür sorgen."
Dankbar lächele ich ihn an, ehe ich dann einwerfe: „Wieso ist eigentlich der Leichenraum im selben Gebäude wie dieses ... Kapitoler Krankenhaus?"
Cato zuckt daraufhin nur mit den Schultern. „Keine Ahnung. Seien wir doch einfach froh."
Gerade, als ich etwas darauf erwidern will, höre ich – sehen kann ich es nicht, da meine Augen seit jeher auf Cato gerichtet sind -, wie jemand den Raum betritt. Mein Blick gleitet gen dieser Person.
Eine Frau, die einen weißen Kittel anhat. Vermutlich also eine Ärztin.
Als diese bemerkt, dass nicht nur Cato in diesem Raum ist, sondern auch ich, scheint sie recht verwundert zu sein. Doch bevor sie auch nur irgendetwas bezüglich ihrer Verwunderung sagen kann, kommt Cato ihr zuvor: „Könnten Sie sie sich ihre Wunde anschauen? Sie sieht nämlich echt ungut aus." Um dies zu bestätigen, deutet er auf diese und fährt sogar kurz mit einer Hand über diese, als würde es die Genesung beschleunigen.
Just in diesem Moment fällt mir ein, dass eine meiner Hände noch immer auf seinem Rücken ruht, welche ich sogleich von diesem entferne.
Die Ärztin blickt auf diese Frage noch irritierter als vorhin schon. „Ähm... Sie sollte doch tot sein. Und du willst, dass man dafür sorgt, dass sie doch überlebt? Ich bezweifle, dass das Kapitol davon begeistert sein wird."
„Na und? Ich liebe sie trotzdem und will, dass sie überlebt und nicht aufgrund so einer Wunde langsam, aber qualvoll stirbt. Außerdem muss das Kapitol doch nicht erfahren, dass Sie uns geholfen haben...", sagt Cato und umarmt mich dann, um mich an sich zu drücken, um mich in diesem Moment noch näher bei sich zu haben, als die ganze Zeit schon. Warum auch immer.
Dass er dies gerade eben sagte, ist doch nicht sein Ernst? Er kann doch nicht einfach nur hoffen, dass die Ärztin zu uns hält, dass sie das Risiko eingeht, vom Kapitol erwischt zu werden. Außerdem ist er schon wieder einmal vor einer Person so erweicht, wie vor ein paar Tagen in der Arena, als ich von Tresh in Schach gehalten wurde. Das kann doch nicht so weiter gehen. Schließlich will ich meinen Ruf als kaltblütige Mörderin nicht verlieren oder verdrängt bekommen.
Als Cato mir jedoch in diesem Moment vorhin sanft über den Rücken streichelt – wie ich es vorhin bei ihm zur Beruhigung tat, als wir noch alleine waren – und sich ein angenehmes Gefühl in mir breit macht, bezweifle ich, dass der Ruf es wert wäre, dies alles zu versäumen. Cato ist einfach viel mehr wert.
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