Kapitel 18
Cato blickt ihm grimmig entgegen, scheint kurz zu überlegen, hält dann aber nur sein Schwert an Marvels Kehle. „Wage es ja nicht!" „Ach, und ob ich es wage!", gibt der Junge aus 1 überzeugt von sich, woraufhin Cato ihn nur noch mehr zu Boden drückt, „Ihr beide seid wirklich zu dem mutiert, was das Kapitol immer haben wollte! Ich mein, dass jemand tötet, ist hier nichts Besonderes. Das tut hier so gut wie jeder. Einfach, um zu überleben. Aber dass ihr beiden hier dran sogar noch Gefallen findet... Das ist... Das ist ... Einfach nur unmenschlich. Genau das, was das Kapitol sehen will!" Er spuckt diese Worte nahezu schon verachtend aus.
Was will er damit bitte nur erreichen?
Denkt er, er könnte die Welt verändern?
Denkt er, es könnte uns zu denken geben?
Wenn ja: Dies könnte er nie erreichen. Ich bin nun einmal so kalt, herzlos und sogar noch stolz darauf!
„Ach, komm, Marvelchen. Deine Todesrede war ja einmal so etwas von erbärmlich! Zeit für dich, zu sterben." Ohne weitere Umschweife durchtrennt Cato dann auch schon die Kehle des Jungen. Der Kopf rollt leblos vom restlichen Körper des Jungen weg und ein Kanonenschuss ertönt.
Anschließend folgt eine kurze Stille, ehe man klar und deutlich Claudius Templesmiths Stimme hören kann: „Ich beglückwünsche die letzten beiden Konkurrenten der vierundsiebzigsten Hungerspiele. Die frühere Regeländerung ist zurückgenommen worden. Ein eingehendes Studium des Regelwerks hat gezeigt, dass nur ein Sieger erlaubt ist. Viel Erfolg und möge das Glück stets mit euch sein."
Ein paar Sekunden brauche ich, um die Bedeutung der Worte verstehen zu können. Das darf doch nicht wahr sein! Nein, nein. Einfach: nein! Ich will Cato nicht töten und er genau so wenig mich. Ihn mit meinen Messern zu töten... Das würde ich doch nie fertig bringen!
Er erhebt sich vom Boden, blickt auf, sieht mir in die Augen und bittet dann traurig: „Töte mich. Bitte." Entschlossen schüttle ich den Kopf. Das werde ich sicher nicht. „Töte du doch MICH!" „Vergiss es!" Fast könnte ich in seinen schönen, hellblauen Augen Tränen erkennen, doch ich bilde sie mir vermutlich nur ein.
Cato weint nicht.
Nie.
Auch nicht wegen mir.
Genauso wie ich auch für ihn keine Träne vergießen würde. Egal, wie traurig ich wäre. Denn Tränen bedeuten Schwäche. Und die will ich nicht zeigen.
Vor Allem nicht hier. Hier, in der Arena, wo uns vermutlich gerade ganz Panem beobachtet. Vorm Fernseher sitzend, das Finale gespannt verfolgend.
Bildlich kann ich mir vorstellen, wie meine kleine, 10-jährige Schwester gerade gemeinsam mit meinem Eltern im Wohnzimmer sitzt und mit ihnen gebannt zusieht, wie Cato und ich uns gegenüber stehen, uns nicht töten können. Meine kleine, 10-jährige Schwester, die alle immer ach so niedlich finden. Ihre Haare flechtet ihr unsere Mutter stets zu zwei geflochtenen Zöpfen. Zu Anlässen wie der Ernte trägt sie stets das selbe Kleid, in pastellfarben-rosa, mit welchem sie früher immer schon fast den Boden aufgewischt hätte, so lang war es, doch mittlerweile ist sie schon so sehr aus diesem gewachsen, dass es ihr bei der heurigen Ernte gerade einmal bis zu den Knien ging. Meine Mutter hatte sie schon des Öfteren gefragt, ob sie denn nicht ein neues Kleid möchte, schließlich waren wir in Distrikt 2 nun einmal nicht gar so arm wie in den meisten anderen Distrikten, doch meine Schwester lehnte dies abermals strikt ab, es wäre schließlich nicht mehr dasselbe. Ich habe sie diesbezüglich nie verstanden, aber rosa war schließlich auch überhaupt nicht meine Farbe.
Wobei... Ich habe sie eigentlich so gut wie nie wirklich verstanden.
Sie hingegen hatte nie verstanden, wieso ich denn so unbedingt in die Hungerspiele wollte. Dass mir Messer werfen Spaß macht, verstand sie auch nie. Sie hilft lieber meiner Mutter in der Küche, quatscht mit ihren Freundinnen oder spielt mit Puppen. Lauter klischeehafte Sachen, die Mädchen angeblich gerne machen. Ich konnte mich bis dato nicht damit anfreunden. Und werde ich – das schwöre ich mir bei all meinen Messern, die ich zu Hause zum Üben habe – auch nie.
Als ich mich dieses Jahr dafür entschieden hatte, mich diesmal für die Hungerspiele freiwillig zu melden, hätte ich es mir niemals träumen wollen, dass ich mich mit dem anderen Freiwilligen – aka Cato – je so gut anfreunden würde.
Dass ich ihm so nah käme.
Dass er mir so viel bedeutet, dass ich ihn nicht einmal hier, in der Arena, wo es um Leben und Tod geht, einfach töten kann.
Trotzdem kam es so. In der Zeit seit der Ernte lernten wir uns beide näher kennen. Schon fast näher, als mir lieb war. Denn wie man jetzt wohl sieht, bringt uns dies hier nicht wirklich weiter. Einer von uns muss schließlich sterben, es kann leider doch keine zwei Sieger geben. Würde ich ihn töten, würde für mich eine ganze Welt in mir zusammenbrechen. Er ist die einzige Person, die mir doch irgendwie etwas bedeutet. Dass auch er mich genauso wenig töten will, ist ja wohl mehr als offensichtlich. Sonst wäre ich schon seit ein paar Sekunden tot.
Schon kommt Cato näher auf mich zu, bleibt dann so nah vor mir stehen, dass er mir seinen Atem ins Gesicht haucht. Ich blicke ihn fragend an. Will er mich etwa umstimmen, dass ich ihn töte? Das wird er nämlich nicht schaffen. Was er auch wissen sollte.
Doch er sieht mit nur nachdenklich an, nimmt dann meine linke Hand in seine Hände, knetet sie sanft, als würde es ihm beim Überlegen helfen. Was überlegt er überhaupt? Es ist doch aussichtslos, es kann nur einer hier von uns beiden lebend rauskommen. Und das soll er sein, verdammt nochmal!
Nach einer gefühlten Ewigkeit lässt er meine Hand dann los, sieht aus, als wäre ihm ein Licht aufgegangen, als hätte er eine Idee. „Noch ein letztes Mal, ja?", sagt er sanft und küsst mich dann auf den Mund, was ich erwidere. Wie meint er das mit „Noch ein letztes Mal?" denn verdammt noch einmal? Meint er damit, dass er mich dann töten würde? Oder mich zwingen, ihn zu töten? Oder dass er sich gar selber umbringen würde? Ich brauche verdammt noch einmal Antworten! Doch die bekomme ich nicht so schnell, da der Kuss recht lange andauert und ich mich nicht aus diesem lösen will, da es ja schließlich das letzte Mal sein könnte, dass wir beide lebend sind. Denn dass einer von uns sterben wird, ist so was von klar.
Nach einer Weile, die sich für mich wie eine quälende Ewigkeit anfühlt, da ich wissen will, was er vorhat, löst er sich dann aus dem Kuss und flüstert mir leise etwas ins Ohr.
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Danke an alle, die bis hierher gelesen habe und ... Ja ... Sonst gibt es eigentlich nicht mehr viel zu sagen. Bis zum nächsten Kapitel oder so. *winkt*
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