Kapitel 5 - Rettung aus der Elternkrise
Nach der zwanzig Minuten Pause, die sich wegen Noah und Mike wie Kaugummi in die Länge gezogen hatte, saß ich nun in der letzten Stunde des heutigen Tages. Oder besser gesagt, der Woche, denn heute war Freitag und in meinen Gedanken war ich schon im Wochenend-modus, der mir nicht erlaubte mich in irgendeiner Art und Weise am Unterricht zu beteiligen.
Also saß ich in der hintersten Ecke auf meinem Platz, hatte meinen Kopf an der Wand abgeleckt und kreutzte alle Finger, dass ich heute nicht mehr drangenommen wurde. Glücklicherweise wurden meine Gebete gehört, und als der Lehrer die Stunde offiziell für beendet erklärte, schnappte ich mir meinen Rucksack und stürmte aus der Klasse. Mein Ziel war es, jeglicher Konfrontation mit meinen Klassenkameraden zu entgehen und sobald Caty aus dem Raum kam, gingen wir schnellen Schrittes durch das Treppenhaus, auf dem Weg zum Schultor.
Sie unterstützte mich so gut es ging dabei, meine Klassenkameraden zu ignorieren, um Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen, obwohl sie mir schon oft genug mitgeteilt hatte, dass ich mich endlich wehren sollte. Sie sprach das jetzt zwar nicht mehr aus, da wir beide wussten, dass sie gegen eine Wand sprechen würde, trotzdem wusste ich, dass sie immer noch so dachte. Caty hatte wirklich Temperament. Sie hatte keine Scheu ihre Meinung rauszuposaunen. Nicht nur einmal hatte ihr das Schwierigkeiten eingehandelt. Manchmal sprach sie einfach, ohne darüber nachzudenken, und merkt erst im Nachhinein, dass sie besser ihren Mund hätte halten sollen. Deshalb war ich mir auch sicher, dass Caty niemals in so eine Situation wie ich komme könnte. Sie gab nicht einfach so klein bei, denn wenn ihr etwas nicht gefiel oder sie ungerecht behandelt wurde, dann brachte Caty das zur Sprache. Vielleicht war es genau das, was mir fehlte, um diese Schulzeit zu überstehen. Ich konnte aber nicht weiter darüber nachgrübeln, was genau an meinem Verhalten zu diesem Mobbing führte, denn sie riss mich aus meinem Gedankengang.
《Hey, ich habe heute gar nichts zu tun. Wollen wir gleich skypen? Treffen darf ich mich nicht. Du weißt ja, meine Eltern mögen es nicht, wenn nach der Arbeit Besuch da ist.》
《Ja, geht klar. Ich ruf dich an, wenn ich Zuhause bin, einverstanden?》 Ich war wirklich froh, dass sie gefragt hat. Manchmal überkam mich meine Faulheit so sehr, dass ich den ganzen Tag einfach nur noch im Bett lag. Da war es echt gut, wenn man etwas Ablenkung bekam.
《Mach das Süße, wir sehen uns.》 Sagte sie und winkte mir noch einmal flüchtig zu, als sich unsere Wege trennten.
~~~
Als ich die Tür aufschloss, betrat ich das Haus auf eine so vorsichtige und leise Art, damit meine Eltern nicht auf mich aufmerksam wurden. Das konnte ich mir allerdings sparen, denn meine Mutter saß auf dem Sofa und mein Vater lehnte an der Küchentheke. Beide schauten mich an und mit einem demonstrativen Seufzter legte ich meine Schuhe neben die Haustür. Ich versuchte einfach so zu tun, als wäre das hier gerade keine komische Situation und ging wie gewöhnlich durchs Wohnzimmer auf die Treppe zu.
《Maria, wartest du einmal bitte.》 Sagte meine Mutter. Ich wusste es. Was das ausweichen von Konflikten anging kam ich total nach Dad, aber Mum war da ganz anders. Über jeden Streit, jede Diskussion, jede Auseinandersetztung musste nach einer gewissen Zeitspanne geredet werden.
《Was gibt's?》 Fragte ich in einem möglichst unschuldigem Tonfall. Natürlich wusste ich, was sie wollte, aber dumm stellen brachte manchmal etwas und ich hoffte das Glück wäre heute wieder auf meiner Seite.
《Nun, ich wollte nochmal über gestern reden. Du weißt schon, die Situation am Esstisch.》 Sagte meine Mutter und ich blickte zu meinem Dad rüber. Er hatte noch gar nichts gesagt, es schien aber so, als würde ihm etwas auf der Zunge liegen. Und das sprach er ein paar Sekunden später auch aus.
《Melanie, glaubst du wir sollten jetzt darüber reden? Lass dem Kind doch erstmal Zeit darüber nachzudenken. Für sie ist das Thema bestimmt noch tausendmal schlimmer als für uns.》 Sagte mein Vater zu meiner Mutter. Innerlich dankte ich ihm. Ich war wirklich noch nicht bereit für ein klärendes Gespräch, vor allem, weil ich selber noch gar nicht wusste, was ich darüber denken sollte.
《Ach komm schon, David. Du rennst andauert vor Problemen weg. Genau wie deine Tochter. Das scheint sie anscheinend von dir geerbt zu haben. Man muss sich auch mal Konflikten stellen, als sie immer von sich weg zu schieben.》 Sagte Mum in einem genervten Tonfall. Warum war sie denn jetzt auf einmal so schlecht gelaunt. Ich blickte zu meinem Vater, der die Augen ebenfalls verdrehte und verstand nun gar nichts mehr.
《Ich renne nicht vor meinen Problemen weg. Ich zeige meiner Tochter gegenüber nur etwas Fürsorge. Ich bin eben Rücksichtsvoll und bringe sie nicht in Situationen, in denen sie sich unwohl fühlt. Melanie, es ist nicht nötig, alles auf Zwang zu klären. Manche Sachen muss man erst mal sacken lassen.》 Erklärte ihr mein Dad und dabei musste ich ihm wirklich zustimmen. Klar, ich konnte Mum verstehen. Sie wollte halt immer, dass alles harmonisch und perfekt verlief, und da war für Streitigkeiten kein Platz. Dies zeigte auch ihr Gesichtsausdruck. Sie funkelte meinen Vater böse an, stand vom Sofa auf und ging ein paar Schritte auf ihn zu.
《Mir geht es nicht darum, sie in unangenehme Situationen zu bringen. Mir geht es darum den Frieden in dieser Familie zu bewahren.》 Schrie jetzt meine Mutter und fing an wild mit ihren Händen zu gestikulieren.
Das wurde mir hier irgendwie alles zu viel. Es hatte doch nur damit angefangen, dass Mum einen Streit klären wollte, und mein Dad hatte mich nur beschützen wollen. Manchmal hatte ich wirklich das Gefühl, sie suchten nach Fehlern. Anstatt das sie mit mir redeten und mich fragten wie ich mich dabei fühlte, jetzt schon damit konfrontiert zu werden, diskutierten sie lieber untereinander darüber. Das ist doch Schwachsinn!
Meine Eltern waren so sehr in ihre hitzige Diskussion vertieft, dass sie sowohl mich, als auch den Anfangspunkt ihres Streites vergessen hatten. Also drehte ich mich um und schlurfte träge die Treppen nach oben. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Wenn ein Schultag okay läuft, ist es Zuhause am eskalieren. Und wenn es Zuhause gut läuft, meine Eltern sich nicht streiten und alles harmonisch ist, macht mir die Schule das Leben zur Hölle.
Oben angekommen schmiss ich mich sofort auf meinen Schreibtischstuhl, öffnete meinen Laptop und öffnete Skype, damit ich mit Caty telefonieren konnte. So wie wir es ausgemacht hatten.
《Hey Maria, da bist du ja endlich. Wieso hat es so lange gedauert?》 Fragte sie und runzelte die Stirn. Man konnte mehr als deutlich dem Streitgespräch meiner Eltern lauschen. Wie sie sich gegenseitig gemeine Sachen an den Kopf warfen und so taten, als wären sie nicht gemeinsam in einer Liebesbezieheung.
《Ist alles okay bei euch?》 Fragte Caty mich besorgt. Natürlich wusste sie von meinen Eltern. Dass sie sich so oft stritten. Ich hatte ihr fast jedes mal davon erzählt, wenn es wieder einen größeren Streit gab, und trotzdem war es mir irgendwie unangenehm darüber zu reden. Catys Perfekte Welt passte überhaupt nicht dazu, wenn ich ihr erzählte, was bei uns Zuhause los ist.
《Nein, nichts ist okay. Gar nichts. Meine Eltern streiten sich die ganze Zeit. Eben haben sie sich in die Haare gekriegt, wegen mir. Es ging nicht mal um sie. Kannst du dir das vorstellen?! Und ich kann ihnen nicht mehr zuhören. Mein ganzer Kopf dröhnt, weil sie sich die ganze Zeit anschreien und egal wo ich mich im Haus befinde, überall höre ich ihr Gespräch mit. Es geht mir einfach so auf die Nerven.》Während ich meinen Frust rausließ, bildeten sich schon die ersten Tränen in meinen Augen. Ich hatte meine Hände um meinem Kopf geschlungen und ich spürte wie die Hitze in mir hochkam. Caty hatte die ganze Zeit über nur da gesessen und still genickt.
《Möchtest du vielleicht vorbei kommen? Von mir aus, kannst du das ganze Wochenende bleiben und am Montag fängt dann wieder die Schule an und du musst nicht mehr so viel Zuhause sein.》 Fragte sie. Manchmal liebte ich sie wirklich für ihre Fürsorge.
《Das wäre wirklich meine Rettung. Aber hattest du nicht gemeint, deine Eltern wollen keinen Besuch mehr haben nach der Arbeit?》 Fragte ich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.
《Ja schon, aber ich bin mir sicher, sie werden dort eine Ausnahme machen. Außerdem mögen meine Eltern dich und du bist nicht so laut wie anderen. Das heißt, du wirst sie schon nicht stören.》 Versicherte sie mir.
《Danke Caty, das ist jetzt wirklich perfekt. Wir sehen uns gleich.》 Sagte ich ihr und legte auf. Jetzt würde ich ein ganzes Wochenende bei Caty verbringen. Vielleicht würde der Tag ja doch noch besser werden.
_________________________________________
Hallöööle,
Ich hatte wirklich richtig Spaß dieses Kapitel zu schreiben und ich hoffe, euch hat es gefallen. Wie immer bin ich offen für Feedback.
Viel Spaß beim weiteren Lesen und bleibt gesund,
Bis bald✌
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro