#15 Please take me far away
"Sie haben viel durchgemacht in dieser Zeit."
"Ich rede doch gar nicht von mir, er hat viel durchgemacht, ich rede von ihm."
"Nein, Sie haben viel durchmachen müssen. Denn Sie standen daneben, ohne etwas an seiner Situation ändern zu können. Das kann tiefe Spuren hinterlassen."
"Spuren verblassen irgendwann, er wird nie verblassen."
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Pov Jimin
Seit einer viertel Stunde stand ich nun vor meiner Tür, die Türklinke fest in der Hand, darüber debattierend, was ich gleich sagen sollte. Jungkook hatte mich davon überzeugt, mit Jin-Hyung zu reden, doch ich wusste nicht, wie ich das anstellen sollte. Ich fragte mich, ob es an meinem Gefühlszustand lag, dass ich nicht in der Lage war, von meinem Feingefühl und meiner Empathie gebrauch machen zu können. War es meine Aufgabe, sich zu entschuldigen? Oder musste sich keiner von uns entschuldigen, nur jeder seinen Standpunkt klar machen?
Egal, hauptsache ich redete mit ihm.
Mit Schwung öffnete ich die Tür, doch bei Jin angekommen, stoppte ich wieder, da mich meine Zweifel wieder einholten. Doch bevor ich mich mit diesen auseinandersetzen konnte, hörte ich hinter mir meinen Namen. Namjoon kam hinter mir die Treppe hoch, er trug ein Lächeln, als ich ihn erblickte. "Jimin! Warte, ich schließe auf, dann musst du nicht klingeln." In seiner Hand befand sich bereits der Schlüssel zur Wohnung. Ich sagte nichts und lächelte einfach nur dankbar, als er die Tür öffnete. Mir wäre es wohl lieber gewesen, hätte ich mit Jin unter vier Augen geredet, aber wie ich Namjoon kannte, würde er sofort in sein Zimmer verschwinden und ein Nickerchen machen oder sich an den Computer setzen, um weiter an seiner Musik zu arbeiten.
Ich folgte dem älteren nur vorsichtig in die familiäre Wohnung, in der es schon wieder nach Essen roch, war mir unsicher darüber, wie ich Jin anfinden würde. Vielleicht würde er auch gar nicht reden wollen, selbst wenn das untypisch für ihn war. Mal abgesehen davon, dass er gefühlt nur einmal im Jahr sauer wurde, war er immer für uns da gewesen, auch wenn es ihm mal schlechter als uns ging, wir waren seine Priorität. Dennoch hatte ich ihn noch nie so aufgebracht wie heute morgen gesehen, das war neu, deswegen wusste ich nicht, auf was ich mich einstellen sollte.
"Namjoon?", rief Jin aus der Küche. Er hatte wohl offensichtlich nicht mitbekommen, dass ich mit reingekommen war. Namjoon hörte auf seinen Namen und lief in die Küche, ließ mich damit im Flur stehen. Ich war nicht darauf aus, ihm zu folgen, mich hielt der Gedanke zurück, dass es etwas privates war, worüber die beiden redeten, wohinter sich aber wohl eher meine Zweifel zu verstecken versuchten. Doch als ich dann etwas von ihrem Gespräch mitbekam, tapste ich auf leisen Solen in Richtung des Raumes, in dem die beiden standen, nah genug, um mehr zu verstehen.
"Denkst du auch, dass ich alles falsch mache?"
"Auch?"
"Also dachtest du es, hast aber nicht erwartet, dass du der einzige bist, der so denkt?"
Jin war der, der fragte und er hörte sich ganz klar nicht so an, als würde er spaßen. Es lag Reue in seiner Stimme und ein unbekannt bitterer Hauch von Schmerz, der mir ein ungutes Gefühl übergab.
"Warum sollte jemand überhaupt so denken?", fragte Namjoon.
"Bestimmt denkt Jimin so."
"Warum sollte er-"
"Weil ich nichts an ihm verstehe. Ich deute alles falsch, tue nicht genug, damit er sich wohlfühlt und mache alles nur noch schlimmer." Jin klang wirklich verzweifelt, was mir einen Stich ins Herz versetzte. Ich war es, der ihn so verzweifelt machte, der ihn so fühlen ließ.
"Ist alles okay mit ihm?", Namjoon sprach leiser, bestimmt wollte er nicht, dass ich alles mitbekam.
"Nein, aber das sollte er dir lieber selbst sagen, wenn er denn will, auch wenn ich dann wieder das Gefühl habe, zu wenig getan zu haben."
"Du bist vollkommen durcheinander."
"Ich will ihm nur helfen, aber ich weiß nicht wie, denn alles könnte ein Schritt in die falsche Richtung sein. Und wie ich heute morgen mit ihm geredet habe, hat ihn sicherlich verletzt und noch schlechter fühlen lassen, aber ich wusste einfach nicht weiter." Die nächsten Worte hörten sich gedämpft an, wahrscheinlich wurde Hyung umarmt und da Namjoon größer war, lag sein Gesicht an der Schulter des jüngeren. "Irgendwie verliere ich Jimin immer mehr. Früher ist er mit allem zu mir gekommen, selbst als er nicht wusste, was er zu dem Treffen mit diesem Mädchen anziehen sollte, als er sechzehn war. Er hätte zu Hoseok gehen können, er war näher an seinem eigenen Alter, aber er ist stattdessen zu mir gekommen. Und jetzt weiht er mich in nichts mehr ein. Jungkook hat mich ersetzt und irgendwie tut das sehr weh. Ich will nicht die nervige Elternrolle in seinem Leben sein, verstehst du? Ich will meinen Jiminie wieder, ich will, dass er wieder lächelt." Ich vernahm ein Schluchzen. "Das wird schon wieder Hyung, ganz bestimmt."
Das einzige, was ich dabei denken konnte, war, wie unglaublich weh diese Worte taten. Jungkook hatte schon gesagt, dass Jin eher wirklich verletzt als wütend war, aber dass er so fühlte, wühlte alles in mir auf. Schuldgefühle dieser Art hatte ich noch nie verspürt, es war alles wegen mir. Ich machte alles nur schlimmer. Warum war ich so? Warum verhielt ich mich so?
Die Klingel riss mich aus den Gedanken und ließ mich zusammenzucken. Mit schnellen Schritten ging ich wieder in den Flur, sodass niemand bemerkte, dass ich gelauscht hatte. Wie eingefroren stand ich dort. Es war unhöflich zu lauschen, aber sollte ich jetzt so tun, als hätte ich das alles nicht gehört? Oder sollte ich mit ihm darüber reden?
Namjoon betrat den Flur, sein Gesichtsausdruck diesmal versteinert und nicht ansatzweise so gelassen und fröhlich wie vorhin. Ich wusste ja warum. Er sah mich an und fragte schweigend, ob ich gehört hatte, was in der Küche passiert war. "Bitte sei ehrlich", flüsterte er auf meine Antwort bezogen und ich deutete ein nicken an. Der ältere presste die Lippen aufeinander und machte einen bedrückten Eindruck. "Ihr solltet miteinander reden", war alles, was er noch sagte, bevor er an mir vorbei ging, um die Tür zu öffnen. Ich schaute zu Boden, was eine unerwartete Aussage. Ich wusste, dass wir reden sollten, deswegen war ich hier, aber wie sollten wir reden? Wo sollte ich anfangen?
Jungkook trat in mein Blickfeld, Taehyung hinter ihm. "Warum seid ihr hier?", fragte ich. "Es ist halb sieben", lachte Kookie. "Ich dachte, deswegen bist du auch hier."
"Wegen was?" Ich dachte nicht über meine Frage nach, als Jin an uns vorbei ins Wohnzimmer ging. Er hatte eben wirklich geweint oder war kurz davor, er sah gar nicht gut aus.
"Abendessen?" Meine Augen waren Jin gefolgt und hatten somit schon wieder über Jungkook vergessen. Als er mir zu winkte, weil meine Konzentration nicht mehr auf ihm lag, schaute ich wieder zu ihm. "Was? Ja, doch, natürlich." Ohne auf eine Antwort zu warten, lief ich zum Esstisch und setzte mich, auch wenn auf diesem noch nichts stand. Taehyung setzte sich zu mir und ich bemerkte seinen unsicheren Blick, bevor er fragte: "Wie geht es dir heute?"
"Mir geht es gut", gab ich in der Sekunde zurück, in der er aufhörte zu sprechen. Das war gelogen und wir beide waren uns dessen bewusst, aber keiner von uns beiden ergriff erneut das Wort. In diesem Moment schien es als das beste.
Als alle am Tisch saßen und sich bedienten, wirkte alles nicht mehr so angespannt. Aber mein Ziel hatte ich trotzdem nicht erreicht. Ich wollte eigentlich mit Jin reden, anstatt hier mit ihm zu essen.
"Hyung, geht es dir gut? Du siehst nicht gut aus", kam es besorgt von Tae, aber Jin nickte nur, um das Thema abzuwenden. Er schwieg lange. Normalerweise fragte er nach unserem Befinden, unserem Tagesablauf und was es neues in unserem Leben gab. Aber heute war es anders. Heute lag eine unheimliche Stille über uns, welche die Fragen und Gedanken jedermanns in sich auf und gefangen nahm. Es war gruselig. Als wäre es eine Bombe, die in der Sekunde hochging, in der man sie mit Worten berührte.
"Jimin." Jin hatte die Stille unterbrochen und die Bombe gezündet. Jetzt würde alles in die Luft gehen. "Wegen gestern und heute morgen... Ich habe mir Gedanken gemacht und denke, wir sollten langsam mal etwas tun."
"Das sollten wir nicht vor allen anderen besprechen", stoppte ich ihn. Ich konnte ihn nicht anschauen, wollte es nicht. "Doch, das sollten wir, denn es geht uns alle etwas an und es belastet jeden einzelnen von uns." Ich schaute auf, Jin sah mich ausdruckslos an, während Namjoon zwischen uns hin und her guckte, was sicherlich auch Jungkook und sein Freund taten.
"Ich habe für nächste Woche einen Termin bei einem Therapeuten ausgemacht, er soll wirklich gut sein-"
"Wie bitte?"
Ich lächelte ängstlich und wartete darauf, dass er es als einen Scherz betitelte. Aber das tat er nicht. Er saß stur da, sein Blick traurig. Mein Kopf füllte sich mit Panik, ich wurde nervös. Schon früher hatte er diese Methode als letzten Ausweg vorgeschlagen, nur damals blieb es ein Vorschlag. "Das kann nicht dein Ernst sein. Was kommt als nächstes? Eine Zwangsjacke?", stammelte ich angsterfüllt. "Jetzt übertreib nicht, es ist doch nur ein Gespräch, vielleicht stellen wir auch fest, dass du das gar nicht brauchst. Ich will nur, dass dir endlich geholfen wird", versuchte der älteste von uns mich zu überzeugen, aber ich schob bereits den Teller vor und machte mich bereit zu gehen. Vor ein paar Minuten hatte ich mir noch Vorwürfe wegen ihm gemacht, aber die waren nun verschwunden. In mir tobte ein panisches Chaos, dass mir befahl zu fliehen.
"Ich brauche keine Hilfe", ich schüttelte den Kopf. "Sowas würdest du nicht alleine beschließen, sag mir, wer hat dem zugestimmt?" Ich sah in die Runde, als ich aufstand. "Einer von euch?"
"Ich habe mit deiner Mutter gesprochen."
Mein Blick war fassungslos auf ihn gerichtet. "Weil genau diese Frau am besten weiß, was gut für mich ist? Oh mein Gott, ich glaube es nicht..." In meinen Augen sammelten sich Tränen, durch die Überforderung schnürte sich meine Kehle zu, als würde jemand Hand an sie legen. "Hyung, bitte nicht weinen", bat Jungkook, der mich getroffen ansah und auf mich zu kam. Ich streckte eine Hand aus, hielt ihn auf Abstand und schüttelte den Kopf, als Zeichen, dass er mich ja nicht anfassen sollte. "Ich fühle mich so verraten von euch!", platzte es aus mir heraus. "Der eine rennt zu Jin-Hyung, obwohl ich gefleht habe, dass man es nicht mache, und der andere rennt zu meiner Mutter und redet hinter meinem Rücken über eine Therapie. Ich bin verdammt nochmal erwachsen und kann eigene Entscheidungen treffen!"
"Jimin, deine letzte Entscheidung hat zu dem Pflaster an deinem Arm geführt." Jin erhob sich ebenfalls.
Ich starrte ihn an, nicht wissend, wie ich auf seine Aussage reagieren sollte. Wie war das alles so schnell eskaliert? Und warum musste alles immer den schlimmeren Weg gehen? Warum konnte eine Situation nicht ein einziges mal gut und ohne Verwirrung von statten gehen?
"Oh, okay", kam es verletzt von mir und ich steuerte den Weg nach draußen an. "Jimin-Hyung, renn nicht so weg-"
"Wie er damals?" Ich weinte. "Doch, ich werde so wegrennen, wie es Yoongi-Hyung getan hat!"
"Nein... Hyung!"
"Jimin!"
"Wenn nach spätestens drei Stunden immer noch nicht davon berichtet wurde, dass jemand von einer Brücke gesprungen ist, dann betet dafür, dass ich mich umentschieden habe." Das war das erste mal, dass ich meine suizidalen Gedanken einfach so aussprach und mir die Konsequenzen egal waren.
Ich schluchzte, als ich aus der Wohnung rannte. Ich wusste, dass mir mindestens einer folgen würde und es war wohl Jungkook, ich hatte auch nicht erwartet, dass er bei dieser Art Drohung ruhig sitzen blieb. Aber auch wenn ich seine schnellen Schritte und das "Hyung, bitte bleib hier, tu mir das nicht an!" hinter mir hörte, rannte ich aus dem Haus und schlug Wohnungs- sowie Haustür zu, um Distanz zwischen den jüngeren und mich zu bekommen. Mein Gefühlschaos ließ Adrenalien durch meine Adern schießen und ermöglichte es mir, schneller zu rennen. Und obwohl ich nur einen Pullover trug, wurde mir nicht kalt. Denn ich rannte. Ich rannte, als würde es um mein Leben gehen. Da ich meine Atmung kontrollieren musste, blieb mir keine Luft, um weitere weinerliche Töne von mir zu geben. Meine Sicht war verschwommen, aber ich wusste, wo ich hin rannte.
Ich wusste, wo ich hin wollte.
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[Danke für's Voten und Kommentieren]
Hallu
Tut mir leid, dass so lange nichts kam argh und das neue Kapitel dann irgendwie total lame ist aND DON'T TELL ME OTHERWISE
Ich wollte oben eig ein Bild einfügen, aber habe es weder bei Google, noch bei Twitter, noch in meinen Screenshots gefunden also fuvk it😤
Any theories yet? Wollte mal fragen, ob ihr irgendwelche Theorien darüber habt, wie es weitergehen könnte c:
Danke für's lesen, habt einen schönen Tag morgen♡
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