XXV. Abfahrt
Owens Sicht
Die Sonne berührte den Horizont und färbte den ganzen Himmel in eine rot-orange Oase. Einige Wolken setzten am Himmel violette Akzente und ich schaute wie erstarrt aus dem Fenster. Sicherlich hatte ich noch nie so einen schönen Sonnenuntergang gesehen und wie sollte es auch anders sein, hatte ich kein Handy oder eine Kamera dabei. Mit dem Gedanken, dass jetzt jeder dämliche Idiotensoldat ein Foto machen, es auf Instagram posten und damit angeben würde, drehte ich mich von der Sonne weg und sah Claire mit einem gemischten Blick an.
„Ich werde dich sofort besuchen kommen, sobald wir wieder hier sind", sagte sie mit ruhigem Ton und legte ihre Hand auf meinen Arm. Die andere fuhr über mein Kinn zu meiner einen Wange und ihre Finger zogen an meinen Barthaaren. „Und du solltest dich in der Zwischenzeit ausruhen und dich vielleicht auch mal rasieren."
Ich seufzte in mich hinein. „Ich habe mich schon den ganzen Tag ausgeruht, Claire. Und jetzt, wo ihr durch den Wald fahrt, werde ich mich sicherlich nicht hinlegen und Däumchen drehen", meinte ich mit strenger Stimme und legte den Kopf schief. „Ich werde mich auf die Suche nach Zach machen. Vielleicht kann ich ihn wieder besänftigen."
Sie nickte und ihre Finger strichen an meinem Unterkiefer vorbei, sodass sich auf meinen Armen eine Gänsehaut ausbreitete. „Aber rasieren tust du dich auch noch. Du siehst so langsam aus wie ein Holzfäller", murmelte sie und schaute mir dann in die Augen. Man konnte sehen, dass sie dies sagte, um die Stimmung zu lockern.
„Erst, wenn ich das mit Zach erledigt habe", sagte ich und schnalzte die Zunge, nachdem ich mir versuchte ein grinsen zu verkneifen. „Hast du was gegen Holzfäller? Lange Bärte sich doch sexy, oder nicht?" Meine Hände fuhren über ihre Hüften und packten zu. Ich hörte sie kurz erschrocken einatmen, jedoch lenkte ich sie von ihrem Befreiungsversuch ab, indem ich ihr einen Kuss auf die Lippen drückte. Auch wenn er kurz war, sprang mein Herz vor Freude auf und Claires Augen begannen zu leuchten.
„Wenn du es jetzt so sagst, sind lange Bärte schon sexy", murmelte sie und legte ihre Arme um meinen Nacken, ohne mir wehzutun. Ihr Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt. „Aber sie stören beim Küssen."
Federleicht setzte sie ihre weichen Lippen auf meine und ich spürte den Impuls in meinem Körper. Meine Finger krallten sich fester in ihre Hüften und ein Verlangen brodelte in mir auf, welches ich kaum zu bändigen wusste. Dann hörte sie plötzlich auf und entfernte sich von mir. In ihren Augen sah ich ein belustigtes Funkeln und sie begann mit einem Mal herzlich zu lachen.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte, weshalb ich einfach nur dastand und sie anstarrte. „W-Was ist denn jetzt?", fragte ich sie irritiert und musste grinsen.
„Das ist das Zweite, was mich an langen Bärten stört. Der Bart gilt als Gesichtsbehaarung und nicht als Lätzchen! Dein Bart ist voller Tomatensauce!", rief sie und schlug gegen meine Schulter.
Sofort verschwand die romantische Stimmung, doch dieser Spaß war es mir wert. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen, um nicht laut loszulachen und fuhr mit der Zunge über meine Lippen. Neben Claires Minzgeschmack konnte ich den herzhaften Geschmack von Tomatensauce wahrnehmen. Ich ging einen Schritt von Claire weg und sah sie nach einigen Sekunden des Lachens wieder ernst an. Irgendwie war ich froh, dass sie diesen Witz gebracht hatte, sonst hätte ich mich nie von ihr trennen können.
Es klopfte an der Tür. Mir war klar, dass dies Lowery sein musste. Mein Blick wich zur Uhr und ich stellte fest, dass es Zeit war. Vorsichtig schlang ich ein letztes Mal meinen Arm um ihre Hüfte und begleitete sie zur Tür, bevor ich sie wieder losließ und die Tür öffnete. Wie erwartet stand dort Lowery und schaute und halb lächelnd, halb ängstlich an.
„Können wir?", fragte er und schaute erst mich und dann Claire an. Am liebsten hätte ich die Tür wieder zugeknallt und hätte sie bei mir gelassen, doch ich nickte und begleitete die beiden nach draußen.
Es war frisch, doch er Wind hatte deutlich abgenommen und der Ausblick war zu schön, als dass ich frieren könnte. Mit langsamen Schritten folgte ich Lowery, der mit einem Mal ein Gespräch über die Eier des Indominusweibchen begann. Ich hörte, auch wenn das Thema ernst war, kaum zu. Meine Gedanken flogen zu jeden Orten, die Zach häufiger besuchte, doch ich konnte mir kaum vorstellen, wo er nun sein könnte. Vielleicht sollte ich ihn für diesen Tag lassen. Als ich mich jedoch wieder an seine Drohung, das er die Insel verlassen würde, erinnerte, schwante mir Übles und mir wurde klar, dass ich keine Zeit verlieren durfte. Ich wusste, wie stur er war und dass er seine Pläne durchsetzten würde.
Meine Beine blieben plötzlich stehen, als ein Gedanke wie ein Blitz in meinem Kopf einschlug. Claire drehte sich zu mir herum und tippte Lowery auf die Schulter, der mich mit zusammengekniffenen Augen anschaute. „Was, wenn die beiden Dinosaurier - also das Junge und dieser Riese - aus den Eiern des Indominusweibchen geschlüpft sind?", fragte ich sie und erntete erstarrte Blicke und offene Münder.
„Das wäre ein riesiges Problem", antwortete Lowery und legte den Kopf schief. „Warum denkst du das?"
„Es sind die einzigen Dinosaurier im Wald. Sie sind geheimnisvoll, auch wenn wir das Junge jeden Tag sehen und den anderen nicht", sagte ich und ging langsam weiter. „Der einzige Grund, warum die Soldaten bei ihren Missionen den Großen nie gefunden hatte, war, dass er sich tarnen konnte wie seine Mutter." Plötzlich wirkte meine Idee wie ein schlechter Horrorfilm und doch war es die Realität.
„Aber wie?", fragte mich Claire leise. „Wie soll sie damals die Eier gelegt haben? Wir hatten nie ein Indominusmännchen! Sie hat ihren Partner ja gefressen, bevor wir das Geschlecht bestimmen konnten."
Es herrschte Stille und mir wurde schlecht bei dem Gedanken, dass ich vielleicht sogar recht haben könnte. Was wenn sie beiden wirklich zu dem Indominusweibchen gehörten? Die einzige Antwort war es, Dr. Wu einen Besuch abzustatten. Er würde mir sicherlich nicht sagen, was damals passiert war, doch ich könnte es aus ihm herausquetschen; Wenn mich die Soldaten überhaupt in das Zelt ließen.
Vor uns hatte sich auf dem Hauptplatz eine Gruppe von Soldaten versammelt, die General Allek umrundeten. Sie alle trugen Waffen und mein Herz beruhigte sich etwas, als ich zwischen ihnen kein Gesicht erkannte, welches Zachs ähnelte. Allek drehte sich zu uns herum und schaute die anderen mit einem Lächeln an. Seine Augen funkelten, als unsere Blicke sich trafen, doch ich sagte nichts.
„Gut, dann sind wir ja vollzählig", meinte er und zeigte auf den Wagen, bei dem ich mir nicht mehr sicher war, ob es überhaupt noch ein Auto war. Die Türen des Fahrzeugs wurden eröffnet und die Soldaten gingen als erstes hinein.
Ich drängelte mich an einigen Menschen vorbei und blieb neben Allek stehen. „Würden Sie es mir erlauben, Wu einen Besuch abzustatten?", fragte ich ihn leise und beugte mich zu ihm herüber, bis mein Rücken brannte. Ich versuchte seine Gesichtszüge zu deuten, doch die Falten in seinem Gesicht blieben an den gleichen Stellen.
„Wieso? Was wollen Sie von ihm?", fragte er misstrauisch und kniff die Augen zusammen.
„Ich will ihn etwas über den Indominus fragen", meinte ich trocken und knetete meine Hände. Mittlerweile waren alle außer Claire und Lowery eingestiegen.
Schließlich seufzte er. „Machen Sie doch, was Sie wollen. Hauptsache, er lebt noch, wenn ich nachher wieder zurückkomme", brummte er leicht genervt und wedelte mit seiner Hand, damit ich ihm Platz machte. Seine arrogante Art kotzte mich unglaublich an und ich drehte mich weg. Leise konnte ich ihn noch sagen hören: „Und machen Sie keine Dummheiten, Grady. Sie sind nur noch wegen der Gefahr hier. Wenn Sie selbst zu einer werden sollten, war's das für Sie."
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