XV. Hoffnungsvolle Tränen
Zachs Sicht
Als ich schließlich wieder aufwachte, merkte ich, dass ich nicht mehr die harte Wand im Rücken hatte. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich überhaupt eingeschlafen war. Etwas Weiches schmiegte sich dicht an meinem Rücken und mir war ziemlich warm. Langsam bewegte ich meinen Kopf, der schrecklich pochte, und mir viel erst nach einigen Sekunden auf, wo ich war. Ich saß auf einem ziemlich ungemütlichem Stuhl und meine Füße lagen auf einem Bett. Auf Owens Bett. Als ich ihn bemerkte, nahm ich sofort meine Beine herunter und sprang vom Stuhl auf. Ich erschrak kurz an der plötzlichen Kälte an meinen Füßen und taumelte.
Dabei legten sich zwei Hände auf meine Schulter und drückten mich zurück in den Stuhl. „Ganz ruhig, Zach." Es war definitiv Claire, die mich diese leisen Worte ins Ohr flüsterte. „Setzt dich hin, du brauchst Ruhe."
Ich war erst verwirrt, doch ich nickte und hörte auf, mich gegen ihre Hände zu wehren. Mein Herz schlug so schnell, dass ich das Klopfen an jeder Stelle meines Körpers spüren konnte. Gleichzeitig schienen meine Venen zu brennen und meine Haut zu kribbeln vor Angst, Verwirrung und Neugier.
Mein Blick fiel auf Owen, der schlafend in dem Bett lag. Er war eingehüllt in diese typischen Krankenhausgewänder, sein Rücken war dick verpackt mit Verband und trotzdem konnte ich den Ausmaß der Wunden erkennen. Dunkle Striemen zogen sich über seinen gesamten Rücken und ich war froh, dass der Verband zwischen mir und den Wunden stand. Denn mein Magen begann zu rebellieren und auch, wenn das Blut sicherlich schon getrocknet war, konnte ich förmlich den süßen Geruch riechen. Mein Bauch zog ich zusammen und ich musste schnell wegsehen, bevor mir noch schlecht wurde. Dabei hörte ich die leisen Schritte von Turnschuhen und ich drehte meinen Kopf nach hinten um.
Ich erkannte Claire, die um mich herum ging und ihre Hand auf meiner Schulter ruhen ließ. Ihr Gesichtsausdruck hatte etwas Trauriges und sie sah ziemlich gestresst aus. Doch irgendwie wirkte ihr Blick leer und emotionslos. Ich konnte mir kaum vorstellen, wie schwer Owens Zustand für sie sein musste. Auch wenn sie es mir anfangs verheimlicht hatte, dass er anscheinend im Koma lag, war ich nicht wütend. Sicherlich hätte ich nicht anders reagiert und ihr Verhalten war verständlich.
„Es tut mir leid", murmelte sie leise und setzte sich vorsichtig auf die Bettkante. „Ich wollte dir von Owen erzählen, aber doch nicht gleich am ersten Tag. Außerdem habe ich nicht einmal damit gerechnet, dass du hier her kommst. Ich wusste zwar, dass du zur Army gehst, doch ich hätte gedacht, dass sie dich nicht hier her lassen."
Ich nickte. „Es ist in Ordnung, Claire. Du hast nichts falsch gemacht", sagte ich mit brüchiger Stimme, die trotz mehrere Male Räuspern nicht verschwinden wollte.
„Wenn du wüsstest", kommentierte sie. Ihre Stimme war so leise, dass sie es sicherlich nur zu sich selbst sagen wollte, doch ich konnte es auch verstehen. Meine Beine zuckten und ich stand von meinem Platz auf, nur um wieder zurückzustolpern. Ein Kribbeln und Stechen machte sich in meinem Hintern breit und ich merkte, dass mein ganzer Unterleib taub war. Zurück im Stuhl musste ich mich fragen, wie lange ich nun schon auf dem Stuhl gesessen hatte und sah schaute meine Tante an.
„Pass auf, was du machst. Lass deinen Körper erst einmal wieder aufwachen. Immerhin warst du über zehn Stunden nicht ansprechbar", sagte Claire streng und ich hielt bei ihren Worten inne.
Erst begann ich zu Stottern, dann kamen vereinzelte Wortfetzen aus meinem Mund heraus und meine Gedanken wirbelten durch meinen Kopf. „Ich habe zehn Stunden geschlafen?", bekam ich schließlich aus mir heraus und schaute mein Gegenüber irritiert und mit zusammen gekniffenen Augen an.
„Über zehn Stunden. Und du hast nicht geschlafen, du warst bewusstlos. Die Ärzte schätzen, dass du einen Nervenzusammenbruch hattest", korrigierte sie mich und ich wurde immer kleiner im Stuhl. Ihre Worte lösten eine Welle aus Fragen in mir aus, die ich am liebsten alle auf einmal stellen wollte, doch ich spürte, wie schwer meine Arme und Beine plötzlich wurden. Meine Lider schienen für einen Moment wieder zu fallen zu wollen und ich riss die Augen auf, um nicht den Kampf gegen die Müdigkeit zu verlieren. Es dauerte ziemlich lange, bis ich ihre Worte überhaupt richtig verstanden hatte und es dauerte noch länger, bis ich sie verarbeitet hatte.
Als ich mich schließlich wieder beruhigt hatte, schaute ich in Claires besorgte, helle Augen. „Bewusstlos? Ich war bewusstlos? Und hatte dazu noch einen Nervenzusammenbruch?", plapperte ich leise vor mich hin und sah aus dem Augenwinkel, wie meine Tante nickte. „Was ist denn überhaupt passiert? Was war das denn mit Owen überhaupt? Und wie zum Teufel bin ich hier wieder rein gekommen?!" Meine Stimme wurde lauter und Claire legte mir ihre Hand auf den Mund. Ihr Blick schüchterte mich irgendwie ein, da sie mich ansah, als wenn sie in meine Seele blicken könnte.
„Sei leise, sonst weckst du Owen noch auf!", zischte sie mich an und ließ meinen Mund wieder los.
Ich konnte nicht anders, als meinen Kopf schief zu legen. „Owen aufwecken?"
„Er ist nicht mehr im künstlichen Koma. Die Ärzte hatten ihn vor mehr als zwölf Stunden aus dem Koma geholt und trotzdem hatte er noch weitergeschlafen. Es war ein reiner Zufall, dass er dann aufwachte, als ich mit dir hier war", erzählte sie mir und ihre Augen strahlten Freundlichkeit aus. Trotzdem blieben ihre Gesichtszüge die selben und ich war mir unsicher, was ich sagen sollte. „Er hatte einen Schock, als er dich sah. Das hatte nicht nur sein Gehirn nicht verkraften können, sondern auch sein Körper, weshalb er einen Zusammenbruch erlitt. Aber die Ärzte sagen, er ist stabil und..." Sie stockte kurz und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Ich wusste erst nicht, was ich tun sollte. Mein Kopf schien zu pulsieren und die ganzen Informationen über Owen machten es nicht besser. Vorsichtig beugte ich mich vor und legte meine Arme um ihren Oberkörper. Als ich sie schließlich auf meinen Schoß zog, begann sie laut zu schluchzen. Es mochte vielleicht seltsam aussehen, dass ich meine Tante auf dem Schoß hatte und sie sich bei mir ausweinte, doch es interessierte mich nicht. Ich fand es traurig, dass ich meine Augen zusammenkniff, um nicht mitzuweinen.
Irgendwann hatte sie sich beruhigt und ich fuhr ihr mit der Hand über den Arm. Sie setzte sich auf meinem Schoß auf und ihr schien es sichtlich peinlich zu sein, weshalb ich sie fester zu mir zog. Ihr Gesicht war nass, ihre Augen und Wangen gerötet und ihre Lippen geschwollen. Sie schaute mich einige Zeit an und begann schließlich zu lächeln, was mich ziemlich verwunderte.
„Ich habe dir gar nicht erzählt, was mit Owen passiert war, oder?", fragte sie mich leise und ihr Lächeln verschwand wieder.
Ich nickte.
„Vor drei Tagen wurde das Lager von einer riesigen Herde von Flugsauriern überrascht. Erst als das Chaos zu Ende war, habe ich die Nachricht bekommen, dass Owen in die Krankenstation eingewiesen wurde. Sein Rücken war komplett zerfetzt, doch die Ärzte haben ihm so gut geholfen, dass er nicht sterben konnte. Jedoch waren sie sich anfangs nicht sicher, wie tief die Wunden waren und ob die Wirbelsäule Schaden bekommen hat. Wenn es so gewesen wäre... dann... wäre er für den Rest seines Lebens gelähmt", erzählte sie mir.
Erst als sie eine Pause machte, wurde mir bewusst, was sie überhaupt gesagt hatte. Trotzdem war ich mir nicht sicher, warum sie gelächelt hatte. „Für den Rest seines Lebens gelähmt? Owen? Ich glaube er würde lieber sterben", murmelte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen und schaute Claire in die Augen, die nickte. Dann begann sie plötzlich wieder zu lächeln.
„Als Owen dich gehört hatte", begann sie und ihre Stimme wurde zu einem Stottern. „Hatte er sich auf seinen Armen abgestützt und seinen Kopf zu dir gedreht. Er hatte geredet und ich denke, er war auch kurz davor, es zu verstehen, dass du da warst." Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen, doch dieses Mal schien sie sie zurückhalten zu können. „Ich habe mit den Ärzten geredet und... sie waren genauso begeistert wie ich!"
Ich legte den Kopf schief und schaute verwirrt. „Was redest du eigentlich? Ich verstehe deine gute Laune nicht. Das war schrecklich!", herrschte ich sie an und hätte sie fast an den Schulter festgehalten und geschüttelt.
Claire sah mich eine Weile eindringlich an, dann öffnete sie den Mund wieder. „Verstehst du das denn nicht? Owen ist nicht gelähmt! Er kann sich bewegen, er kann sprechen, er kann sich an uns erinnern! Seine Wirbelsäule ist in Ordnung! Er hat nur viel Blut verloren, weshalb er so schwach ist, doch das wird schon wieder!" Sie sprang nun weinend vor Freunde von meinem Schoß herunter und lief aufgeregt von einer Ecke zur anderen.
„Er ist nicht gelähmt?", fragte ich ungläubig und stand von dem Stuhl auf. Meine Beine stachen ziemlich, doch ich die Freude in mir ließ mich alles vergessen.
Claire nickte, wusch sich einige Tränen aus dem Gesicht und sprang mir in die Arme. Wir drehten uns einige Male im Breis, bevor mir schwindelig wurde und mein Blick sich auf Owen richtete, der laut im Schlaf seufzte. Dabei musste ich mich fragen, ob er dies mitgehört hatte und ein Lächeln legte sich über meine Lippen. Ich wollte diesen Augenblick so lange wie möglich genießen, doch mit einem Mal flog die Tür auf und ein ernstguckender Mann kam herein gestiefelt. Er kam mir irgendwie bekannt vor, doch ich wusste nicht, woher ich ihn kannte.
„Claire! Du musst mit mir kommen!", rief er meiner Tante zu und hielt inne, als er mich erkannte. Es schien ihn jedoch nicht zu interessieren, dass ich da war, denn er packte Claires Hand und zog sie aus unserer Umarmung. Genervt ließ ich sie los und gab ein Schnauben von mir, als er sich seine Brille zurecht rückte.
„Warte, Lowery", sagte sie ihm und wandte sich an mich. „Bleibe hier und passe auf Owen auf. Es wäre besser, wenn du erst einmal richtig zu dir kommst." Sie sah mich kurz besorgt an, bevor sie mein Gesicht zwischen ihre Hände nahm, meinen Kopf herunter zog und meine Stirn küsste. Wie angewurzelt blieb ich auf der Stelle stehen.
„Claire, ich habe ihn gesehen!", beharrte Lowery und zog wieder an ihr. Diesmal ließ sie mich ohne zu zögern los und schaute ihn fragend an. „Ich... ich war wieder im Überwachungszentrum, weil ich mehr herausfinden wollte. Und ich habe ihn gesehen! Der Dinosaurier, Claire, es ist..."
„Es ist was?", hakte sie nach und kam einen Schritt auf ihn zu.
Mein Blick wanderte zwischen den Beiden umher und mir gefiel gar nicht, über was sie gerade redeten. Ein Dinosaurier? Ich hatte gerade noch im Flugzeug auf dem Weg hier her gehört, dass die vorherigen Soldaten so gut wie alle getötet hatten. Mit zusammen gekniffenen Augen schaute ich meine Tante an. Anscheinend hatte sie mir noch einiges zu erzählen. Sie bemerkte meinen Blick und schaute schnell weg.
Lowery seufzte. „Es ist schlimmer, als wir es erwartet haben."
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