XL. Der letzte Glaube
Das 40. Kapitel ist am Start! Wow, ich hätte nicht gedacht, dass ich überhaupt so weit komme. Trotz den zwischendurch wirklich langen Pausen, habe ich weitergemacht, um dieses Projekt zu beenden. Ich danke euch allen wirklich sehr! Das heißt aber noch lange nicht, dass es in ein paar Kapiteln zu Ende ist.
Nein, es geht jetzt erst richtig los.
Owens Sicht:
Sie fanden es spaßig, mich zu quälen. Das sah ich in ihren hässlichen Gesichtern, als ich mich immer noch weigerte, mit der Sprache rauszurücken. Ich hätte sie nicht provozieren dürfen. Sie fuhren Waffen aus, denen ich nichts anhaben konnte. Ich war glücklich, dass in meiner Zelle kein Spiegel hing, somit konnte ich meinem blaugeschlagenem Gesicht aus dem Weg gehen.
Nachdem sie gemerkt hatten, dass sie aus mir nichts herausbekamen, haben sie mich wieder in die Zelle geschliffen und auf den kalten Boden geworfen. Einige Zeit lang lag ich nur auf dem Rücken und hatte an die Decke gestarrt, um noch bei Sinnen bleiben zu können. Immer wieder hatten die schwarzen Punkte vor meinen Augen getanzt und es war auch mehr als nur ein mal gewesen, bei dem ich beinahe eingeschlafen wäre. Meine Augen brannten, da ich ununterbrochen in die Glühbirne schaute und ich bekam langsam das Gefühl, dass ich erblindete. Als ich meine Augen schloss, sah ich die Lichter als Nachbild auf meiner Netzhaut, die in bunten Farben in meinem Sichtfeld schwebten. Zu dem Zeitpunkt war ich froh gewesen, dass der menschliche Körper so etwas Abstruses tat. Ich konnte mich ablenken und das, obwohl ich genau spürte, wie mein Gesicht mit jeder vergehenden Sekunde von den Schlägen anschwoll.
Ich hatte mein Zeitgefühl verloren und zwischen den Bäumen konnte ich nur erkennen, ob es dunkel oder hell war. Schätzungen nach musste es am späten Nachmittag gewesen sein, als mich Schritte aus dem Flur aufschrecken ließen. Sofort versetzte sich mein Körper in Alarmbereitschaft und ich hievte mich langsam vom Boden hinauf, nur, um wieder das Kribbeln in meinen eingeschlafenen Beinen zu spüren. Ich hatte das Gefühl, dass sich meine Sinne rasant veränderten. Mir kam der Raum klein vor, ich fühlte mich eingeengt und ein bedrückendes Stechen in meiner Brust ließ mich schwer atmen. Trotzdem hatte ich das Gefühl, als könne ich durch ganze Wände hören und die kommende Gefahr spüren. Meine Nackenhaare stellten sich auf, sobald ich auch nur das kleinste Geräusch von außerhalb hörte.
Dann kamen sie wieder, ich konnte es deutlich an der Anzahl ihrer Schritte hören. Sofort schüttelte ich meine Beine aus, damit ich nicht zurückfallen und sie mir nicht noch unnötig Schmerzen zufügen würden. Ein Rauschen setzte sich in meinem Kopf frei, blockierte meine Gedanken und machte mich unfähig, mich zu bewegen, als die Metalltür geöffnet und die Soldaten mit belustigten Gesichtern und widerlichem Zähnefletschen in die Zelle traten.
„Auf ein Neues!", rief jemand von ihnen, als würden sie jeden Moment die Bierflaschen öffnen und für jemanden anstoßen. Dieser Jemand war aber definitiv nicht ich.
Der zweite Gang zum Verhör war noch schlimmer als der erste. Sie hielten es nicht für nötig, mich vielleicht nur an den Armen festzuhalten, während wir in den Keller gingen. Nein. Ich kam mir vor, wie in einem russischen Hochsicherheitsgefängnis, in dem niemand irgendwelche Rechte hatte. Wieder drückte eine Hand in meinem Nacken meinen Oberkörper Richtung Boden und ich musste mit gekrümmten Rücken gehen. Sie hetzten mich, lachten mich aus, versuchten mich mit aus dem Konzept zu bringen, indem sie mir ein Bein stellten. Oder gleich mehrere. Ich zischte wütend vor mich hin und versuchte dabei nicht die Kontrolle zu verlieren. Das war schließlich das, was sie wollten.
Beim Verhör angekommen, setzten sie mich wieder in den Stuhl. Mit leisen Schritten stellten sich einige wieder hinter mich, bereit mir wieder eine reinzuhauen, falls ich nicht antworten sollte. Der Typ, der mich das letzte Mal verhört hatte, kam einige Minuten später. Seine Gesichtszüge waren versteinert und er schaute mich an, als sei ich jemand, der Menschen ermordet hat. Seine Augen funkelten wegen dem Licht, dass an der Decke baumelte, doch hinter diesem Funkeln versteckte sich die Dunkelheit, die ihn auszeichnete.
Er zog laut den Stuhl vom Tisch weg, um sich zu setzen, während er mich keine Sekunde aus den Augen ließ. Sein Hals bebte, als ein Schnauben seinen Rachen verließ und wieder den nach Rauch stinkenden Atem zu mir herüber wehte. Alleine schon seine Körperhaltung sprach unheimlich viel aus. Er würde dieses Mal nicht so nett zu mir sein. Ich hatte schon zu viele Seiten in den letzten Stunden von ihm gesehen, als dass er es nochmal probieren könnte. So, wie er jedoch schaute, wollte er es anscheinend nicht einmal versuchen, nett zu sein, um besser an mich heran kommen zu können.
„Unser letztes Treffen ging ziemlich nach hinten los. Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, dir das Gesicht grün und blau schlagen zu lassen, Grady." Seine Stimme war seltsam ruhig und bedrohlich zur gleichen Zeit. Die Kombination mit seinen vernichtenden Blick brachte mich dazu, zu schlucken, was mein Gegenüber mitzubekommen schien. Er zuckte mit den Mundwinkeln. „Aber du hast mir ja keine andere Wahl gelassen."
Plötzlich kam einer der Soldaten und legte eine Mappe vor meiner Nase auf den Tisch. Es war eine Akte. Zachs Akte.
„Du hast ja nach ihm gefragt", sagte der Soldat und beobachtete genau, wie ich auf das Foto und die Einträge reagierte. Er wirkte so erwachsen auf dem Foto. Zwar war nur sein Kopf und seine Schultern zu sehen, doch er sah verspannt aus, als hätte er noch Kampftraining vor sich. Seine Augen strahlten keine Wärme aus, wie ich es von ihm kannte. Es schien, als hätte man das Foto nachbearbeitet, um ihn älter wirken zu lassen. Vielleicht lag es auch einfach nur daran, dass er auf dem Foto nicht lächelte, sondern gefühllos in die Kamera starrte.
„Und ich habe mich in der Zwischenzeit, in der du deine Zellendecke angestarrt hast, mal umgehört und nachgefragt", fügte er noch schnell hinzu, als ich ihm einen fragenden Blick zu warf.
Erwartend sah ich ihn an. „Und?"
„Ich kann dir nichts sagen, aber die Soldaten und Offiziere waren sehr überrascht, warum du mich darum gebeten hast, nach seinem Befinden zu fragen", meinte er und lehnte sich ein Stück nach vorne, sodass er sich mit den Ellenbogen auf dem Tisch abstützen konnte. Langsam kniff er seine Augen zu Schlitzen zusammen. „Und dann habe ich mich das gleiche gefragt. Wieso Mitchell? Wieso ist dir dieser Typ so wichtig?"
Ich hätte mich beinahe an meiner eigenen Spucke verschluckt. Wieso Zach? Ich lehnte mich nach vorne und zischte wegen meiner verletzten Hand auf. Langsam glaubte ich, dass die Schmerzen weniger wurden, doch ich war mir auch sicher, dass es mich nur täuschen könnte. Mein Blick senkte sich wieder und ich schaute mir den Jungen auf dem Foto an. Ich las seinen Namen, sein Alter, sein Geburtsdatum und hob den Kopf wieder.
„Warum er mir so wichtig ist? Dieser 'Typ, wie du ihn nennen magst, ist gerade mal volljährig und er musste zusehen, wie Menschen gefressen wurden. Er muss heute noch mit ansehen, wie sehr sein kleiner Bruder gegen das Trauma kämpft. Zu jung. Der Junge ist viel zu jung für das, was hier abläuft und er wird schamlos ausgenutzt. Eigentlich sollte er jetzt auf die Highschool gehen und sich im Unterricht langweilen, aber stattdessen ist er auf dieser gottverdammten Insel und bangt um Leben und Tod!", fauchte ich und zog mit den Händen an den Kabelbindern, die mich an Ort und Stelle hielten. Der Typ konnte froh sein, dass ich mich nicht bewegen konnte. Sehr froh.
„Und der 'Junge', wie du ihn nennen magst, ist so gesehen dein Schützling", hakte der Soldat nach und schaute mich mit seinen blauen Augen interessiert an.
Ich nickte. „Er hat nur Ms. Dearing und mich, sonst ist er einsam."
Etwas Seltsames blitzte in den Augen des Soldaten auf. Er schien nachzudenken für einige Sekunden, dann schaute er mich mit einem schelmischen Grinsen an. „Achso, ich verstehe", murmelte er und klatschte einmal laut in die Hände.
Irgendwie bekam ich Angst vor dem, was er gerade dachte. „Was verstehen Sie?", fragte ich kleinlaut nach und musste mich zusammenreißen, nicht hektisch zu atmen.
Sein vielsagender Blick ging von einem Soldaten zum andere, bis er bei mir stehenblieb. „Ms. Dearing also", schnurrte er vergnügt. „Ich habe mitbekommen, dass sie die Tante von Zach Mitchell ist. Kann es vielleicht sein, dass ich mit meinen Gedanken richtig liege? Dass er wegen ihr dein Schützling ist? Schließlich ist die geliebte Ms. Dearing nicht verheiratet. Also, ich habe keinen Ring an ihrem Finger gesehen. Und so eine Djungel-Affäre ist doch schon etwas Besonderes, oder?"
Ich schluckte verräterisch laut. In Gedanken schrie ich mich selbst an, wie dämlich ich sein konnte, um Claire mit hier rein zu ziehen. „N-Nein-"
„Ist schon gut, Grady. Irgendwie kann ich es verstehen", meinte er mit einem beinahe sympathischen Lächeln. „Aber auch nur fast." Sein Blick richtete sich an die Soldaten, die hinter mir standen und der ganzen Story mit gespitzten Ohren folgten. „Also meine Herren, Sie haben es ja mitbekommen. Zach Mitchell und Ms. Dearing sind seine größten Schwachstellen. Das nenne ich Nächstenliebe. Ich bitte Sie nun die liebe Ms. Dearing ausfindig zu machen und hier her zu bringen. Scheuen Sie nicht davor, gröber zu werden, wenn sie anstrengend werden sollte."
Erschrocken riss ich die Augen auf. „Was?! Das können Sie nicht tun!", rief ich aufgebracht und versuchte mich zu erheben, was jedoch von zwei Soldaten verhindert wurde. Sie drückten mich wieder in den Stuhl und ihre Griffe brachten mich dazu, die Zähne zusammenzubeißen. Als sie mich schließlich wieder losließen, atmete ich erleichtert aus und blickte den Soldaten flehend in die Augen.
„Du hast es schon richtig verstanden, Grady. Wir werden dein Schätzchen mal hier her holen", sagte er und sein Blick verfinsterte sich enorm. „Vielleicht wirst du dann ja endlich reden. Wir haben schließlich nicht den ganzen Tag Zeit!"
Ich schüttelte mit dem Kopf, das durfte einfach nicht wahr sein! Mein Gegenüber sah siegessicher auf mich herab, als er von Stuhl aufstand und den Soldat sagte, dass sie mich wieder in die Zelle bringen konnten. In mir begann sich alles zu drehen und ich ließ den Kopf hängen. Ich konnte kaum glauben, dass ich es tat, doch ich konnte nicht nur an mich denken. Claire würde ich innerlich zerreißen, wenn ich sie nun auch noch hier rein ziehen würde. Das konnte ich ihr nicht antun und sie hatte es auch nicht verdient.
„Ich rede! Ich sag euch alles, was ich weiß!"
Sofort setzte sich der Soldat wieder hin und verschränkte seine Hände ineinander. „Dann rede!"
Es waren die sicherlich schwersten fünf Minuten meines Lebens gewesen. Ich hatte ihnen alles erzählt. Mit jedem Wort, das ich sagte, wurde der Blick des Soldaten finsterer, er schien abzuschweifen und nachdenklich zu werden. Ich brauchte während meines Erzählens einige Minuten, bis ich es verstand: Die Stille, die uns umfing, nachdem ich aufgehört hatte zu reden, entstand, weil nicht nur der Typ gegenüber von mir, sondern auch alle anderen Soldaten, nachdachten. Sie wiederholten meine Worte in ihren Köpfen und ich glaubte für einen Moment, dass ich es endlich geschafft hatte, ihnen zu sagen, dass auch sie in Gefahr waren.
„Wir müssen sofort von dieser Insel herunter!", fügte ich noch schnell hinzu und beugte mich ein Stück nach vorne.
Der Soldat schaute mich aus funkelnden Augen an, dann fuhr er sich mit den Händen durch seine kurzen Haare und schnaubte laut auf. „Ich weiß nicht... Es klingt so wahr, aber ich weiß nicht, ob wir dir vertrauen können", sprach er und ich erschrak bei seinem plötzlich weichen Unterton. Er sieht auf einmal verletzlich aus, als habe ich etwas in ihm bewegt. Sein Blick wich von mir zu seinen Kollegen und nickte ihnen zu. „Bringen Sie ihn bitte mit aller Vorsicht in die Zelle zurück und wenn Sie General Allek sehen sollten, sagen Sie ihm, dass ich gleich zu Besuch komme."
„Aber Sie haben nicht den Rang-", unterbrach ihn einer der Soldaten.
Wütend schlug der Mann mit der Faust auf dem Tisch ein, sodass ich vor Schreck zusammenzuckte und Zachs Akte bebte. „Das ist mir egal! Irgendwas wird er mir schon sagen können und wenn nicht, sollte er lieber aufpassen, dass es hier nicht zu einer Meuterei kommt", knurrte er und erhob sich aus dem Stuhl. Sein Blick lag plötzlich wieder auf mir. „Und ich werde versuchen, herauszufinden, wer alles bei dem Trupp dabei war." Während er das sagte, glitzerten seine Augen auffällig, doch ich konnte mir kaum vorstellen, dass er den Tränen nahestand. Dann war er auch schon durch die Tür verschwunden.
Ich war noch zu sehr damit beschäftigt, zu verstehen, was gerade passiert war, als dass ich mitbekam, wie man mich auf die Beine stellte und Richtung Tür schob – ohne Gewalt, ohne die Hand in meinem Nacken, die mein Rücken in Flammen stehen ließ. Sie hielten mich leicht an den Oberarmen fest und zogen mich mit sich. Ich war überrascht, was ich mit der Wahrheit veranstalten konnte. Wie es früher einer der Generäle bei der Army gesagt hatte: Die Wahrheit ist die stärkste Waffe von allen - aber auch die furchterregendste.
Und er hatte recht gehabt. Die Tatsache, dass wir zwei Indominus im Wald lungern hatten, schien die Soldaten völlig aus dem Konzept gebracht zu haben. Ich spürte immer wieder, wie sie mich ansahen. Vielleicht hofften sie darauf, dass ich meine Worte zurücknahm, dass ich anfing zu lachen und sagte, dass dies alles nur ein Scherz sei.
Ich hielt jedoch den Mund, bis wir vor der Tür meiner Zelle standen. Sie führten mich in den Betonkasten und ließen meine Arme los. Als ich mich zu ihnen umdrehte, standen sie vor mir und schauten mich mit großen Augen an.
„Glaubt ihr mir?", fragte ich sie und schluckte, als sie sich gegenseitig ansahen.
Anstatt jedoch eine Antwort zu geben, drehten sie sich weg und gingen aus der Zelle. Ich hörte, wie im Flur Stimmen ausbrachen und ich betrachtete den einen Soldaten, der als letzter noch immer vor mir stand und mich mit emotionslosen Augen anschaute.
Er nickte. „Wir alle glauben dir."
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