XIX. Angst
Owens Sicht
Als ich aufwachte, war es bereits früh am Morgen. Ich schaute mich im Krankenzimmer um und bemerkte, dass ich alleine war. Für einen Moment genoss ich es, doch schnell vermisste ich Claires Nähe und ihre beruhigenden Worte. Mein Blick fiel auf die Uhr und ich runzelte die Stirn. Eigentlich hätte sie hier sein müssen, wie immer. Aber auch nach einer halben Stunde warten, kam sie nicht.
Aus Langeweile erhob ich mich und setzte mich auf die Bettkante. Ich ließ die Beine baumeln und schaute aus dem Fenster hinaus. Sehen konnte ich wegen den noch immer geschlossenen Jalousien kaum etwas und ich beugte mich weiter vor. Mein Rücken begann zu brennen und zu stechen. Ich sog scharf die Luft ein und gab ein Stöhnen von mir. Mit geschlossenen Augen hoffte ich, dass dies alles bald ein Ende haben würde, doch so wie ich Claire kannte, konnte es noch Wochen dauern, bis ich wieder zum ersten Mal im Zelt schlafen würde.
Langsam setzte ich einen Fuß nach dem anderen auf den Boden und drückte mich von Bett ab. Wieder durchzuckte mich ein Blitz aus Schmerzen und ich brauchte einen Moment, bis ich mich wieder gefangen hatte. Seufzend fing ich an, meine Runden im Zimmer zu drehen, wie mir es der Chefarzt befohlen hatte. Zwar war dies langweilig und mir ging schnell die Lust aus, doch ich merkte schon, dass ich mich verbesserte. Für mich war es wichtig, so schnell wie möglich wieder nach draußen zu können. Hauptsache ich durfte wieder alleine auf Toilette gehen und musste nicht mehr dabei beobachtet werden. Sicherlich war dies das Peinlichste, was man mir hätte antun können.
Nach einiger Zeit klingelte ich bei dem Personal und wartete aus eine Krankenschwester. Diese kam auch nach kurzer Zeit und ich bat um den Chefarzt. Sie nickte nur und verschwand wieder. Mit schnell klopfendem Herzen setzte ich mich zurück auf mein Bett und wartete, bis sich wieder die Tür öffnete. Zu seiner Überraschung war es jedoch Zach, den er sah.
„Du bist früh auf", sagte ich mit ruhiger Stimme und klopfte neben mir auf die Matratze, um ihm zu zeigen, dass er sich setzten durfte.
Zach jedoch schüttelte mit dem Kopf. „Ja, wir haben viel zu tun. Hast du Claire gesehen? Sie ist irgendwie nie in ihrem Zelt. Das letzte Mal, dass ich sie gesehen hab, war gestern Morgen und sie wirkte so verschlossen auf mich", murmelte er bedrückt und rieb sich verlegen den Nacken. Ich bemerkte, dass er traurig darüber war, entschied jedoch ihn nicht darauf anzusprechen.
„Sie ist sehr beschäftigt, Zach. Diese ganzen Meeting und Gespräche belasten sie auch. Ich denke, sie braucht auch zwischendurch mal eine Pause, jedoch habe ich keine Ahnung, wo sie sich während ihrer Freizeit aufhalten könnte. Ich hatte vor dem Vorfall selbst viel zu tun und hatte selbst nur morgens und abends was von ihr", meinte ich und versuchte so gelassen wie möglich zu klingen. Dies scheiterte jedoch elendig, als ich mich versuchte anders hinzusetzten und mein Rücken sich plötzlich so anfühlte, als würde er in Flammen stehen.
Zach nickte nachdenklich, dann schien er wieder aufzuwachen und schaute mich mit wachen Augen an. „Eins noch: Wir fahren nachher in den Wald und suchen die Gegend nach Spuren von restlichen Dinosauriern ab. Wir werden sogar feste Ausrüstung bekommen und Waffen", murmelte er und wirkte auf einmal wieder peinlich berührt. „Irgendwie weiß ich nicht ob ich mich freuen oder Angst haben soll."
Ich spürte, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildete. „Bleib einfach bei der Gruppe, dann wird dir auch nicht geschehen", beruhigte ich ihn und lächelte ihn an. „Du musst sehr gute Reaktionen haben, wenn sie gerade dich nehmen. Grade die kleinen Fleischfresser und die Raptoren sind schnell. Jedoch glaube ich nicht, dass im Wald noch solche Dinosaurier sein werden. Sie werden die schon alle getötet haben."
Zach nickte. „Es wird schon nichts passieren." Er verabschiedete sich und ging leise aus meinem Zimmer. Bevor die Tür wieder zu fiel, konnte ich das Gemurmel und die typischen Geräusche eines Krankenhauses wahrnehmen. Die Tür blieb jedoch nicht lange zu.
„Guten Morgen, Mr. Grady", sagte er selbstbewusst wie jeden Tag. Seine Stimme hätte mich am liebsten zum Kotzen gebracht, doch ich hielt meinen Mageninhalt gerade noch zurück. Seine grauen Haare hatte er zurück gegeelt und er rückte sich seine zu große Brille zurecht. An seinem Ringfinger konnte ich eindeutig den Ehering entdecken. Welche Frau wollte denn so einen Schmierer heiraten?
„Morgen", murmelte ich nur und gähnte ausgiebig. Das Training hatte mich doch müder gemacht, als erwartet. Ich hörte mir die Rede über Medikamente und Training an und nickte zwischendurch einmal, damit es wenigstens so aussah, als ob mich es interessierte. Schließlich fragte er mich, ob ich irgendwelche Wünsche hätte.
„Ich möchte mal gerne an die frische Luft. Keine Ahnung, wie lange ich jetzt in diesem Zimmer war, aber es macht mich irgendwie schon verrückt", sagte ich leise und massierte meine eine Hand, die plötzlich einen Krampf gekommen hatte.
Die Augen des Arztes funkelten interessiert, was mir überhaupt nicht gefiel. Dann nickte er jedoch. „Natürlich können Sie an die frische Lust. Wir können auch einen Rollstuhl holen und Sie können sich hineinsetzen, wenn sie keine Ausdauer mehr haben sollten. Eine Schwester wird gleich kommen und Sie nach draußen begleiten", sagte er, drehte sich weg und verließ mein Zimmer.
Die Schwester kam sogar schneller, als ich es gedacht hatte und sie half mir beim Anziehen. Jedes Mal, wenn sie meine Haut berührte, musste ich jedoch zusammen zucken. Warum ich dies tat, wusste ich nicht. Es fühlte sich einfach seltsam an und in meinem Magen verbreitete sich ein schweres Gefühl, welches ich nicht mehr los wurde. Mein Ziel war es den Hinweg zu Fuß zu meistern und den Rollstuhl als Stütze zu nutzen. Die Schwester sah mich skeptisch an, sagte jedoch nichts und hielt mir die Tür auf.
Wir gingen den Flur entlang und ich wurde nur durch die ganzen neuen Eindrücke schon müde. Jeder Schritt kostete mir trotz Rollstuhl viel Kraft und ich brauchte kurz vor dem Eingang eine kleine Pause. Ich sah Ärzte, die mich grüßten, denen ich jedoch noch nie begegnet war. Die anderen Schwestern fragten mich, wie es mir gehe und die Frau an der Rezeption winkte mir lächelnd zu.
„Du siehst gut aus, im Gegensatz zu vor ein paar Tagen", rief sie mir zu und ich bemerkte, wie rot ich wurde. Einige Köpfe drehten sich zu mir und ich wäre am liebsten sofort wieder zurück in mein Zimmer gegangen. Trotzdem trugen mich meine Beine zu ihr. „Ich meine nur, du sahst ziemlich heftig aus. Ich hab noch nie so viel Blut gesehen", fügte sie mit einem leichten Lächeln hinzu. „Es ist sehr bemerkenswert, dass du hier schon herumläufst. Ehrlich gesagt habe ich nicht mehr damit gerechnet."
„Du hättest gedacht, ich würde sterben?", fragte ich sie erstaunt und kaute auf meinen Wangeninnenseiten herum.
„Ja, das haben ich. Jedoch wusste ich, dass du nicht gestorben bist, da ich Claire jeden Tag gesehen habe", schnurrte sie und schrieb etwas auf einem Notizblock auf. Ihr Blick huschte immer wieder zwischen mir und dem Stift her. „Sie ist ein wahrer Engel, was?"
Ich musste mir ein herzhaftes Lachen unterdrücken. Niemand wusste, dass wir ein Paar waren und dies sollte auch so bleiben. „Ja, sie ist ziemlich fürsorglich", meinte ich nur schnell, bevor die Pause im Gespräch zu lang wurde. Ich hielt kurz den Kopf schief und schaute sie fragend an. „Wie heißt du eigentlich?"
Ihr blonder Lockenkopf flog hoch, als sie den Kopf hob und mich mit roten Wangen anschaute. „Tut mir leid, das habe ich ganz vergessen. Mein Name ist Gertje und ich bin vor drei Tagen hier angekommen, weshalb du mich nicht kennen kannst", sagte sie grinsend und wandte sich wieder ihrem Notizblock zu.
„Ich geh dann mal ein wenig frische Luft schnappen", meinte ich und verabschiedete mich von ihr. Sie rief noch kurz zur Schwester, dass sie mich nachher ins Zimmer bringen würde. Bevor ich jedoch noch etwas dazu sagen konnte, schob mich die Schwester nach draußen.
Es war ziemlich bewölkt und ich kniff die Augen wegen dem Wind zusammen. Es gab einige Holzbänke vor dem Eingang. Ich nahm die Gelegenheit und setzte mich hin, bevor die letzten Plätze vergeben waren. Während ich die Leute beobachtete, wie hinein und wieder raus liefen, spielte ich mit der Kanüle herum, die noch am Rücken meiner Hand befestigt war. Nach kurzer Zeit ekelte es mich jedoch so sehr an, dass ich das drückende Gefühl auf meinem Magen spürte. Schnell konzentrierte ich mich auf etwas anderes als auf meine Hand und entdeckte Zach, der sich etwas von Mr. Brown anhören musste. Er jedoch schien sich mehr auf die junge Studentin, die zusammen mit anderen Freiwilligen die Wagen reparierte, zu konzentrieren. Genau so kannte ich ihn und ich musste mir ein freches Grinsen vertreiben.
„Mr. Grady?"
Ich drehte meinen Kopf herum, zischte jedoch wegen meinem Rücken auf. Im Augenwinkel erkannte ich die Uniform und ich wusste sofort, wer dies war. Es konnte einfach nur General Allek sein. Der Typ hatte mir gerade noch gefehlt. Er ging um mich herum, sodass wir uns die Hände geben konnten.
„General", sagte ich so nett wie es ging und zwang mir ein gefaktes Lächeln auf. „Was machen Sie denn hier?"
„Ich muss mit Ihnen reden", brachte er es meiner Meinung nach zu schnell auf den Punkt und ließ mich kurz stocken. Er wollte mit mir reden. Das konnte nur schlechtes heißen.
Ich nickte zum Zeichen, dass er anfangen konnte.
„Sie sollten doch ans Festland gebracht werden wegen der Sache mit meinen Soldaten. Auch nach dem Vorfall wollte ich Sie eigentlich noch ins Gefängnis bringen", sagte er und setzte sich neben mich auf die Bank. Jedoch tat er dies nicht, ohne diese vorher gründlich sauber zu machen.
Ich legte meine Stirn in Falten. „Was meinen Sie denn mit 'eigentlich'?", fragte ich und versuchte wegen seinem angeekelten Gesicht als er sich hinsetzte nicht loszulachen. Mein Rücken begann wieder zu brennen und sich setzte mich wieder anders hin.
Allek schien erst mit den Worten zu kämpfen, dann schüttelte er den Kopf und seufzte. „Ich sage es Ihnen jetzt einfach so, wie es ist", meinte er und wurde immer leiser, sodass ich schon Probleme hatte ihn zu verstehen. „Im Wald ist ein Dinosaurier und wir wissen nicht, was dies für einer ist. Lowery Cruthers hat ihn auf Aufnahmen der Überwachungskameras gesehen. Das ist jedoch nicht das einzige Problem. Gestern Abend haben wir in Erfahrung gebracht, dass im alten Labor noch Eier lagen. Zwei von ihnen sind geschlüpft."
Ich hatte das Gefühl, als ich jeden Augenblick umkippen könnte. Hätte er mir das nicht sagen können, wenn ich wieder im Bett gelegen hätte? Ich schwankte leicht, fing mich jedoch wieder und schaute ihn mit großen Augen an. „Es sind zwei Dinosaurier geschlüpft? Aber..." Plötzlich wurde es mir klar, was er damit erreichen wollte. „Sie denken, dass der Dinosaurier im Wald einer von den Jungen ist?"
Allek nickte. „Wir werden einen Trupp gleich in den Wald führen und nach Spuren suchen lassen. Hoffen wir mal, dass sie etwas finden werden", murmelte er und rieb sich die Stirn.
Meine Augen wurden groß. „Sie wollen was?!", fuhr ich ihn an und hätte ihn eigenhändig erwürgt, wenn ich meine Wunde nicht gehabt hätte. „Wenn Sie nicht einmal wissen, was dies für ein Dinosaurier ist, wird das reiner Selbstmord sein! Sie werden die Soldaten in ihren Tod schicken!" Meine Stimme wurde mit jedem Wort lauter und ich begann heiser zu werden.
„Mit der richtigen Technik wird das nicht passieren und jetzt beruhigen Sie sich wieder, sonst schick ich sie gleich heute Abend doch noch aufs Festland!", knurrte er mich an, sodass ich zusammen fuhr. Seine Augen funkelten dunkel und wir berührten uns schon fast, als er noch näher kam. „Glauben Sie mir, ihnen wird nichts passieren."
Mein Blick wich in die Ferne zu Zach, der gerade seine Rüstung in die Hand gedrückt bekam. Gleichzeitig rutschte mir das Herz um einiges tiefer. Er würde mit den Soldaten gehen, er müsste nach diesem Dinosaurier suchen und er könnte wegen Allek verletzt werden, wenn nicht sogar sterben. „Und was ist, wenn sie so enden wie T11?", fragte ich leise und versuchte meine Emotionen unter Kontrolle zu behalten. Sie schienen plötzlich meinen ganzen Körper mir Angst und Wut auszufüllen.
„Dann wissen wir, dass die einzige Lösung die Bombardierung dieser Insel ist", sagte er und stand von der Bank auf.
„Können Sie nicht wenigstens Zach aus dem Trupp herausnehmen? Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn ihm etwas zustößt", meinte ich leise und schaute Allek hoffnungsvoll an.
Dieser schüttelte jedoch den Kopf und schaute mich vernichtend an. „Das kann ich nicht machen. Ich kann nicht einfach nach Wünschen gehen. Außerdem stehen Sie hier gerade ganz weit unten, Krüppel, und ich würde in Ihrer Situation lieber nichts verlangen. Denn auf Sie wird niemand hören", knurrte er dunkel und drehte sich von mir weg.
Meine Hände ballten sich zu Fäusten und mir wurde übel vor Wut. „Und was soll ich denn tun? Sie sind doch sicherlich nicht nur hier gewesen, um mir dies zu erzählen!", fauchte ich und krallte meine Finger in das harte Holz der Bank.
Allek drehte sich zu mir herum. „Sie müssen uns lediglich dabei helfen den zweiten Dinosaurier zu finden."
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