XI. Die Schreckensnachricht
Claires Sicht
Atemlos kamen Lowery und ich im Lager an, nur um zu sehen, wie verwüstet es war. Wir hatten es geschafft vor den Soldaten zu flüchten, doch dies war nur dank den Flugsauriern geschehen. Ohne sie hätten sie uns irgendwann eingeholt, da wir uns mehrmals verlaufen haben, bevor wir den Jeep fanden.
Wir beide zogen scharf die Luft ein, als wir die ganzen toten Flugsaurier verstreut auf dem Gelände liegen sahen. Ich konnte mir kaum vorstellen, wie schlimm es noch vor wenigen Minuten hier gewesen sein musste. Zelte waren zerrissen, die Halteseile waren aus der Erde geholt und überall langen Kisten und Fässer herum. Und das alles nur wegen uns beiden.
Als Lowery das Auto anhielt und den Motor ausschaltete, hörte man in der Entfernung noch das leise Knallen von Gewehren und Pistolen. Wir entschieden uns, das Gewehr von Lowery im Auto zu lassen und nur meine Pistole mitzunehmen. Meiner Meinung nach würde es glaubhafter aussehen, wenn wir nur eine Waffe hätten. Zwar hatte ich kein Mal mit dieser Waffe geschossen, doch ich nahm einige Kugeln aus dem Magazin und warf sie ins Gebüsch, als wir aus dem Jeep ausstiegen.
„Ich glaube es wäre auch besser, wenn wir uns mit Blut beschmieren, bevor wir zu den anderen gehen. Wenn wir so unversehrt dort ankommen, könnten sie Verdacht schöpfen", sagte Lowery und ich nickte verständlich. Seine Idee war nicht undurchdacht. Klar, sie könnten denken, dass wir uns auch nur gut versteckt hätten, doch bei diesen Menschen wollte auch ich lieber auf Nummer sicher gehen. General Allek konnte ich sowieso nicht trauen, obwohl er einen Rang höher war als ich.
„Hast du noch ein Messer oder so? Es muss kein großes sein", murmelte ich ihm zu und ich spürte sein Blick auf meiner Wange brennen.
„Was hast du vor?", fragte er mich leise und kam noch einen Schritt auf ihn zu. Seine Nähe machte mich irgendwie schon panisch und mir kam plötzlich ein Gedanke, als mein Blick auf den Jeep fiel.
„Ich will mir ein paar Löcher in die Kleidung machen und das solltest du vielleicht auch tun", gab ich zurück. Langsam ging ich um den Jeep herum und lauschte leise. Ich konnte kein dumpfes Geschrei und kein Poltern hören, weshalb ich mir sicher war, dass der betrunkene Soldat noch schlief.
„Keine Angst. Der Typ wird glaub ich noch eine Weile schlafen und vielleicht werden ihn die Soldaten auch erst morgen finden. Und ich hoffe, dass wir Glück haben und er sich an nichts mehr erinnern kann", sagte er mir mit Abscheu in der Stimme.
Irgendwie brachten mich seine Worte zum Erschaudern und ich sah ihn besorgt und auch ängstlich an. Er war immer jemand gewesen, der einen beschützen wollte, der das Schlimmste verhindern wollte, doch seit den zwei Monaten auf der Insel, benahm er sich so komisch. Jedoch hatte der Ausbruch des Indominus jeden Nerven von uns gefordert. Nicht nur von Lowery und mir, sondern von allen Menschen, die auf der Insel waren und ich habe selbst erfahren, wie ich mich an diesem Tag verändert habe. Keiner von uns ist an diesem Tag der geblieben, der er immer war, und dies machte mich traurig und gleichzeitig auch wütend, da ich für die Sicherheit des Parks verantwortlich war. Woher sollte ich jedoch wissen, dass der Indominus so groß und so intelligent wurde? Es wusste nicht einmal das Labor und die haben haben sie höchstpersönlich erschaffen, ein Monster.
Ich wurde aus den Gedanken gerissen, als Lowery mir ein Taschenmesser gab und ich nahm es ihm dankend ab. Es war ein typisches Schweizer Taschenmesser, was jeder auf der Welt kannte. Bei dem man erst tausende Werkzeuge auf- und wieder zuklappen musste, um das Richtige zu finden. Jedoch hatte er mir schon das Messer rausgeklappt, sodass ich mir nur die Löcher und Risse verpassen musste. Zwar mochte ich meine dunkle Hose und das violette Top gerne, doch ich zerriss selbst meine Klamotten, um unentdeckt zu bleiben.
Vorsichtig hob ich die Hose an meinem Knie an und stach mit dem Messer rein. Ich zog die Klinge an meinem Bein entlang, sodass es nach einem Unfall aussah. Dann machte ich einen Schnitt in das Top, an meinen Rippen. Als ich Lowery das Messer in die Hand drückte, befahl ich ihm, am Rücken mehrere Schnitte zu setzten, damit es aussah, als hätte ein Flugsaurier nach mir ausgeholt. Er schaute mir erst mit schiefem Kopf an, tat es dann doch und reichte mir das Messer wieder zurück. Ich überlegte kurz, was ich noch machen könnte und mir kam eine Idee, bei der ich meinen Kopf erst zu überreden musste.
„Claire, was hast du vor?", fragte Lowery mich verwundert, als ich das Messer genauer betrachtete. Es sollte echt aussehen. Sie sollten denken, dass mich wirklich ein Flugsaurier angegriffen hätte. Und ich würde alles tun, um nicht im Gefängnis zu landen.
Mit leichter Panik und klopfendem Herzen legte ich das Messer auf meine Haut und zog es mit einer ruckartigen Bewegung über meine Stirn. Ich hörte Lowery entsetzt aufatmen und ich stöhnte leise auf, als ein ziemlich schmerzhaftes Brennen meine Sinne benebelte. Blut lief mir über die Stirn und verfing sich in meiner Augenbraue.
„Meine Güte, Claire! Was tust du bloß?", fuhr er mich fast panisch kreischend an, doch ich legte ihm nur die Hand auf den Mund, was seine Schreie zwar dämpfte, aber nicht verschwinden ließ. Als er nach einigen Sekunden immer noch auf mich einredete, schlug ich ihm gegen die Rippen.
„Hör auf herumzuschreien! Es brennt ein wenig, aber es tut nicht unendlich weh! Mach dich jetzt fertig, damit wir los können!", funkelte ich ihn an. Sofort tat es mir wieder leid, dass ich ihn so angefaucht habe, doch die Zeit drängte und ich hatte Sorgen um Owen. Mir ging dabei die Frage durch den Kopf, wie es ihm ging und ob sie ihn überhaupt aus dem Zelt gerettet haben. Ich hoffte, dass ihm nichts passiert war. Und wenn dies doch der Fall sein sollte, wüsste ich, dass ich dafür schuld war.
Nachdem Lowery sich mit Löchern und Rissen übersät hatte, schmierte er sich noch mit dem Blut von toten Flugsauriern ein. Es war nicht viel, doch es reichte schon, dass er perfekt aussah. Meine Stirn pulsierte und kribbelte, doch so würden wir kaum zwischen den wahrscheinlich auch verletzten Soldaten auffallen.
Als wir uns auf den Weg ins Zentrum des Lagers machten, klopfte mein Herz schneller und ich konnte es kaum erwarten Owen wiederzusehen. Ich sehnte mich nach seinen Berührungen und seinen Küssen, doch ich musste mich bis dahin zusammenreißen und so tun, als würden wir nichts voneinander wollen.
Die letzten Schüsse hallten noch durch die menschenleeren Zeltreihen, dann wurde es still und eine Gänsehaut legte sich über meine Arme. Noch nie habe ich vor der Dunkelheit solche Angst gehabt, wie in dieser und das obwohl ich Lowery dabei hatte. Auch wenn er nichts sagte, war ich froh über seine Anwesenheit, die er mir bescherte.
Wir gingen nahe am Rand des umgefallenen Stacheldrahtzauns und sahen auf einmal Taschenlampen aufleuchten. Einen Moment lang blendeten sie mich und ich musste die Augen zusammenkneifen. Gleichzeit sagte ich meinen Gehirn, dass nun Showtime war und schlüpfte in meine Rolle. Sie durften nichts mitbekommen.
„Ms. Dearing! Lowery! Geht es Ihnen gut?", rief uns ein Soldat laut zu, als die Gruppe uns erreichte. Es waren fünf Personen, alle von ihnen hatten zerrissene Kleidung und einer von ihnen hatte eine Verletzung am Hals, die jedoch nicht so gefährlich zu sein schien.
Lowery und ich nickten, wobei sie uns anboten, uns zur Krankenstation zu bringen. Ich hörte ihn hinter mir knurren, doch ich willigte ein, bevor er etwas sagen konnte. Es war am besten, da wir die Soldaten somit auch von dem Jeep weglocken konnten. Wenn sie sehen würde, dass wir aus dieser Richtung kamen, wo der Jeep mit dem betrunkenen Soldaten liegt, würden sie uns sofort verdächtigen.
Als wir losgingen, schaute mich der eine Soldat eine Weile an. „Sie sollten die Wunde an ihrer Stirn untersuchen lassen, Ms. Dearing", meinte er und zeigte auf meinen Kopf. „Sie wurden dort anscheinend ziemlich stark erwischt."
„Es geht schon", wimmelte ich ab und lächelte, woraufhin auch er ein schüchternes Lächeln von sich gab. Wenn ich mich nicht irrte, war dieser junge Mann keine fünfundzwanzig Jahre alt, was mich schon schockierte. „Es brennt ein wenig, doch ich das werde ich schon überleben. Ich werde später zum Arzt gehen, wenn ich weiß, dass alle wohlauf sind."
Bei meinen letzten Worten schauten sich die Soldaten an und tauschten Blicke aus, die mich zum Stehenbleiben brachten. Mit zusammengekniffenen Augen guckte ich die Männer an, die meinen fragenden Blick mitbekamen.
„Was ist passiert?", fragte ich mit so einer Härte in der Stimme, dass ich mich kaum selbst erkannte. Mein Herz begann wieder schneller zu schlagen und ich spürte, wie Lowery seine Hand auf meine Schulter legte. Ich zuckte zurück, doch er ließ mich nicht los, sodass ich gezwungen war, seine Hand auf meiner Schulter zu behalten.
„Es wurde niemand getötet", murmelte einer der Soldaten und räusperte sich.
„Aber...?", hackte ich nach und wurde durch das Verhalten der Soldaten von Sekunde zu Sekunde wütender.
„Aber... es gibt einige Schwerverletzte", meinte nun der junge Soldat und guckte mich mit funkelnden Augen an. Sein Gesicht und seine Redensart war mir sympathisch und ich konnte nicht anders, als ihm zu vertrauen. „Unter ihnen ist Mr. Grady. Er... hat einen zerfetzten Rücken und Dr. Mirus hat gesagt..."
Alles in mir zog sich während dieser Pause zusammen und ich spürte, wie mir die Tränen hochkamen. Ich wollte nicht weinen, nicht vor den Soldaten. Sie durften nicht erfahren, was zwischen mir und Owen lief. Dann brodelte Hass in mir hoch, dass Lowery und ich es wirklich getan hatten. Wegen uns sind Menschen Schwerverletzt, darunter auch meine große Liebe. Ich ballte meine Hände zu Fäusten. „Was hat er gesagt?", fragte ich und hatte vor, so kräftig wie nur möglich zu sprechen, doch meine Stimme war fast nur ein Flüstern.
Der Soldat sah mich traurig an und er schien erst mit den Worten zu kämpfen. „Er wird nicht sterben. Es könnte aber sein, dass seine Wirbelsäule beschädigt wurde. Wenn dies der Fall sein sollte, wäre er am ganzen Körper gelähmt. Und das für immer."
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