Kapitel 1: Troubled
In einem kleinen Dorf in Deutschland, oder besser gesagt rund sechs Kilometer entfernt von diesem besagten Dorf: Auf einem Bahnhof stieg ein Junge aus einem Zug aus und sah sich missmutig um. Seine zwei großen Koffer, sowie eine Reisetasche ließ er unvorsichtig neben sich fallen, seine Konzentration ganz auf sein Handydisplay gerichtet.
Nun blickte er von diesem auf und sah sich etwas skeptisch um.
Er zog leicht spöttisch und abfällig die Augenbrauen hoch als er seinen Blick über die heruntergekommene Bahnhofshalle schweifen ließ. Obwohl Bahnhofshalle schon fast zu viel gesagt war, es war lediglich ein kleines Gebäude, welches augenscheinlich nur ein großes Zimmer hat.
Langsamen Schrittes ging der Jugendliche nun auf die Haupttür des ganzen zu. Die Glasscheiben im oberen Bereich des Türes waren zum Teil von innen mit Spanplatten zugenagelt und außerdem ziemlich verdreckt.
Obwohl das ganze einen ziemlich verlassen Eindruck macht, griff der Junge wiederwillig an die Klinke und rüttelte an ihr. Doch die Tür war verschlossen.
Ein wenig ratlos wendete er sich ab und schlenderte auf das Bushaltestellenschild zu. Doch sein Versuch, die Zeit zu der ein Bus in das Dorf fuhr zu entziffern blieb erfolglos, zu vergilbt war das Papier welches in dem Glaskasten hing.
Wütend kickte er gegen eine Fantadose die auf dem trockenen Asphalt lag, bevor er sich auf die Bank neben dem Haltestellenschild fallen ließ. Energielos stützte er seinen Kopf in eine Hand und fuhr sich mit seiner freien Hand mit Bedacht über die sorgsam zurückgegelten, braunen Haare. In dieser Position verweilte er eine kurze Weile lang, schreckte aber sofort hoch, als sein Klingelton erklang.
„Fahr' am Ku'damm im Ferrari, lass' die Bitches gucken
Ja, mein Handy ist am klingeln, ich versorg' die Kunden
Ich verteil' das Zeug an alle – Richter, Rapper, Nutten"
Ohne zu schauen wer ihn da anrief, nahm er ab und schnauzte ein reichlich genervtes „Ja, was?" in sein Telefon.
Doch dem Anrufer schien die schlechte Laune nicht aufzufallen, oder es interessierte ihn einfach nicht, jedenfalls fing er an gutgelaunt loszureden.
„Hey, na Jack, alles klar? Sag mal warum hattest du denn keine Lust rüberzukommen? Ne Runde zu zocken und was saufen? Hatte sogar noch was zum kiffen da."
Als von dem Jungen der sich jetzt gegen die Rückenlehne der Bank lehnte, Jack, keine Antwort kam, hakte der Anrufer erstaunt nach.
„Also, was war los? Alles klar bei dir, du hast dich ja eh schon ewig nicht mehr gemeldet? Deine Mutter sagte du seist in den Ferien gewesen."
„Meine Fresse Ben, hör auf zu quasseln. Ich bin gerade 400 Kilometer von Berlin entfernt, Mam hat mich in so'n beschissenes Kuhkaff zu meinen Verwandten abgeschoben."
Der Junge am anderen Ende der Leitung lachte ungläubig und sarkastisch auf.
„Ja klar Man. Und wahrscheinlich steht neben dir auch noch ein rosa gestreiftes Zebra."
„Hör auf zu lachen du Arschloch!" brüllte Jack wütend. „Das ist kein scheiß Scherz!"
„Echt jetzt? Und wann hattest du vor mir das zu sagen? Ich dachte... Ach was dachte ich eigentlich? Wir waren ja nur eine Zweckgemeinschaft!"
Ein bitteres aufschnauben war von Ben zu hören, der in Berlin an einer grob verputzten Wand stand, in ein älteres Wandtelefon sprach und die Hände zu Fäusten ballte.
„Stimmt. Wir waren eine Zweckgemeinschaft. Nicht mehr und nicht weniger. Man Freundschaften sind unpraktisch, du weißt wie ich darüber denke."
„Ja allerdings."
Er klang verbittert.
Ein unangenehmes Schweigen hing zwischen den beiden. Schließlich brach Ben dieses.
„Ich weiß, dass du nicht im Urlaub warst. Deine Mam hat mir erzählt, dass du nen Entzug von dem ganzen Dreck gemacht hast."
„Und? Wissen es die anderen auch?"
„Ja. Du weißt..."
„Ich weiß, dass ich mich nicht mehr bei euch blicken lassen darf, ja! Danke es ist mir bestens bekannt!" Jack schrie fast schon.
„Das meinte ich nicht. Ich wollte was ganz anderes sagen."
„Du brauchst mir nichts anderes sagen du Petze!"
Dann legte er auf. Und von 400 Kilometern getrennt standen zwei Jungen da und hatten genau die gleiche Stimmung. Aufgewühlt.
Ben der im regnerischen Berlin in einer Drogenentzugsklinik stand, gerade seine wertvollen Telefonminuten verbraucht hatte und jetzt von seinem Therapeuten besorgt angeschaut wurde. Der Jack eigentlich noch sagen wollte, dass er den anderen nichts verraten hatte und seinen Entzug als Motivation sah sein eigenes Leben wieder in den Griff zu bekommen.
Und er wollte ihm sagen, dass er der einzige der Jungs aus seinem Umfeld war der ihm wirklich etwas bedeutete.
Aber er hatte seine Telefonzeit aufgebraucht.
Jack, der in der heißen, trockenen Sommerluft auf einer Bank saß und sein Gesicht in den Händen vergrub. Wütend und irgendwie verletzt darüber, dass er seinen Kumpels in Berlin egal war. Wütend auf seine Mutter, die ihm das ganze eingebrockt hatte, der er so egal war, dass sie ihn einfach abschob. Und wütend auf sich selbst, da er irgendwo in seinem inneren doch wusste, dass er allein an all dem Schuld war.
Verbittert und von Hass erfüllt starrte er auf den Boden und hoffte einfach nur, dass ihn seine Tante bald abholen würde, denn er hatte bemerkt, dass er kein Datenvolumen mehr hatte.
Während er so vor sich hinstarrte und ihm tausende Gedanken durch den Kopf schossen, fiel ihm wieder ein wieso er das Dorfleben so hasste. Nicht wegen den ganzen Klischees von wegen „alle ständig besoffen" oder „Alle haben mittelalterliche Vorstellungen und Meinungen" , denn er wusste, dass mit Sicherheit nicht alle so waren und er wusste, dass es auch in der Stadt solche schwarzen Schafe gab.
Nein er hasste es so, weil er sich dort um einiges schwerer beschäftigen konnte. Was sollte er draußen schon machen, etwa spazieren gehen?
Und wenn er sich nicht ablenkte, wurden die Gedanken in seinem Kopf so dröhnend laut, dass er stets dachte sein Kopf müsse zerspringen.
Hektisch griff er nach den Kopfhörern die ihm aus den Ohren gerutscht waren, drückte sie wieder rein und stellte die Lautstärke ganz hoch, sodass die Töne von Battle Symphony durch seinen Kopf schossen, anstatt die quälenden Gedanken.
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