Wellness oder Inquisition?
Ich sehe zu, wie die braune Flüssigkeit in meine Tasse fließt. Seufzend nehme ich sie in die Hand und sauge den Kaffeeduft ein. Das ist das Einzige, was mich nach dieser mehr als schlaflosen Nacht noch wach hält. Ich habe kein Auge zu getan, denn die blauen Augen haben mich bis in den Schlaf verfolgt. So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich setze mich auf mein Bett und genieße meine Tasse Kaffee. Eine SMS von Christina reißt mich aus meiner Starre.
„Lust auf Frühstück?"
„Gerne. In einer halben Stunde im Café?"
„Super. Bis dann"
Ich stehe auf und schnappe mir meinen Kulturbeutel, den Bademantel und verschwinde in der Geimeinschaftsdusche. Ich muss mir wirklich eine Wohnung suchen, aber bei den Preisen und dem Bisschen, was ich in meinem Job als Praktikantin in einem Architekturbüro verdiene, ist es schwierig, mich über Wasser zu halten, geschweige denn eine eigene Wohnung in New York finanzieren zu können.
Also muss es für das letzte Semester noch das Wohnheim sein. Was dann kommt, werde ich sehen. Nachdem ich mich angezogen und frisch gemacht habe, was bei mir recht schnell geht, bin ich startklar. Das Café, in dem wir uns immer treffen, ist keine fünf Minuten vom Campus entfernt. Die frische Morgenluft tut gut und klart meine verrückten Gedanken. Ich stelle mich innerlich schon auf Christinas Fragenparade ein.
Sie ist meine beste Freundin und ich hab sie echt ins Herz geschlossen, aber ihre Fragerei geht mir immer wieder auf die Nerven. Ich quetsche sie über ihr Leben auch nicht ständig aus. Was ich gar nicht muss, denn sie erzählt es mir sowieso, ob ich will oder nicht. Nach einem fünfminütigen Fußmarsch erreiche ich das kleine, italienische Café und kann sie am Fenster sitzen sehen. Sie winkt mir zu, ich winke zurück.
Als ich das Innere des Cafés betrete, steigt mir der köstliche Duft von gerösteten Kaffeebohnen in die Nase. Ich bin süchtig nach dem Zeug, ich trinke Alles, was aus den kleinen dunklen Bohnen hergestellt wird. „Hi, Mia.", begrüßt sie mich. Ich umarme sie und setze mich ihr gegenüber. Vor mir steht bereits eine große Tasse Cappuccino. „Du bist die Beste." Ich nehme die Tasse in die Hand und nehme genüsslich einen Schluck.
„Du scheinst ihn dringend nötig zu haben, den Kaffee meine ich." Ich schaue Christina frustriert an. Seit Wochen liegt sie mir in den Ohren, ich solle mir doch einen Freund suchen. Jemand, der mich von der Lernerei ablenkt, aber eigentlich meint sie etwas ganz anderes. Meine Antwort ist stets dieselbe: „Ich habe immer viel zu tun. Wo soll da noch ein Freund hineinpassen?"
„Und wie geht es dir? Du sahst gestern echt gruselig aus, wie ein Gespenst." Sie sieht mich besorgt an. Ich bin froh, eine so gute Freundin, wie Christina, zu haben. Auch wenn sie mir ab und an auf den Zeiger geht. „Danke. Es geht mir wieder gut, keine Ahnung was gestern war." Ich sage dies, obwohl ich es sehr gut weiß, aber ich kann ihr nicht von diesem unbekannten Mann mit den eisblauen Augen erzählen.
Sie würde mich, wie eine Zitrone, ausquetschen und wenn ich ihr alles gesagt hätte, würde sie alles Mögliche tun, um herauszufinden, wer dieser Mann ist. Will ich das denn nicht auch? Irgendwie schon, aber ich habe auch die Befürchtung, dass ich mir einfach nur etwas eingebildet habe. Die Zurückweisung wäre viel schlimmer, als jede Inquisition. „Nate meinte, dass du, nachdem dich dieser Mann so ausgefragt hat, so komisch drauf warst. Stimmt das?" Mist. An Nate habe ich gar nicht gedacht. Wieso muss er auch immer alles ausplaudern? „Ach das, das war nichts.", wiegle ich ab.
Doch Christina kennt mich gut genug, um zu wissen, dass ich ihr etwas verheimliche. Jetzt kommt sie erst recht in Fahrt. Ich hätte ihr einfach die Wahrheit sagen sollen, aber wie hätte die bitte ausgesehen? Tut mir leid, dass ich gestern ein nervliches Wrack war, weil mich die Blicke eines Mannes fast um den Verstand gebracht haben? Das würde sie mir nie glauben, obwohl es die Wahrheit ist. „Irgendetwas stimmt doch nicht. Mia, ich kenne dich jetzt seit wie vielen Jahren? Ich weiß, wenn du mir etwas verschweigst, also raus mit der Sprache." Na gut. Ich erzähle ihr, wie mich der Mann ausgefragt hat und das ich völlig am Ende war, als ich aus dem Zimmer konnte.
Dass ich das Gefühl hatte, seine Blicke würden mich durch ganz New York City verfolgen, verschweige ich lieber. „Welcher war es denn?", ist ihre einzige Frage. Ich habe keine Ahnung, wieso sie das interessiert. Vielleicht will sie wirklich herausfinden, wer es war, immerhin kennt sie die Gästeliste und da die Leute in einem abgesonderten Raum saßen, mussten sie ziemlich wichtig sein. „Er trug ein weißes Kostüm. Ich habe nicht so genau darauf geschaut." Ich hatte nur seine blauen Augen im Kopf.
Christina sieht mich mit ziemlich großen Augen an, so als hätte sie einen Geist gesehen, was sie wohl auch hat, denn sie kriegt sich gar nicht mehr ein. „Was ist denn los?" Ich komme einfach nicht darauf, wieso sie sich jetzt wie ein kleines Mädchen benimmt. „Du hast echt keinen Plan, wer das war, oder?" Jetzt fängt sie an zu lachen. Ich komme mir immer blöder vor. „Nein, sonst hätte ich es dir doch gesagt." Ich bin langsam echt genervt, so benimmt sie sich normalerweise nicht. Naja, vielleicht nicht jeden Tag. „Ich weiß es nicht mit Sicherheit, aber so wie ihn du mir beschrieben hast, war es der Prinz."
Von was, Bell Air?
Ich runzle die Stirn und kann mir nicht vorstellen, dass dieser Mann ein Prinz sein soll. „Irgendwo habe ich das gelesen." Christina sucht etwas in ihrem Ipad und hält es mir dann vor die Nase. Ich kann einen Zeitungsartikel lesen, in dem es um den zweitältesten Sohn, des Herrschers des Emirats Dubai's, geht.
„Prinz Said Iskandar reißt aus Dubai nach New York, um Geschäfte abzuschließen.", lese ich den Titel vor. Das Bild zeigt einen jungen Mann, der äußerst attraktiv aussieht und dieselben blauen Augen hat, wie derjenige aus dem Separee. „Glaubst du mir jetzt?" Christinas Augenbraue schießt in die Höhe. Ich muss sagen, die Ähnlichkeit ist da, aber ich kann mir das einfach nicht vorstellen. „Und wieso sollte ein Prinz, sich nach meiner Arbeit erkundigen?" Auf diese Frage hat meine beste Freundin keine Antwort.
Ich schaue das Bild noch einmal an und vergleiche es mit meiner Erinnerung. Der Mann, der mich gestern dermaßen aus der Bahn geworfen hat, hatte dieselben blauen Augen und dasselbe attraktive Gesicht. Aber kann das wirklich er sein? Ich habe keine Ahnung. Seufzend nehme ich einen Schluck Cappuccino. „Hattest du Erfolg?" Ich muss mich ablenken und während mir Christina erzählt, wie der gestrige Abend gelaufen ist, schaue ich immer wieder auf das Bild. Eine gewisse Ähnlichkeit besteht ohne Zweifel, aber wie soll ich herausfinden, ob es wirklich ein und derselbe Mann ist.
„Du hörst mir ja gar nicht zu." Ich blinzle und entschuldige mich bei ihr. Ich kann mich einfach nicht konzentrieren. Wie soll das weiter gehen? Heute ist Sonntag, aber morgen muss ich wieder arbeiten, da kann ich nicht immer darüber nachdenken, ob es wirklich der Prinz war oder nicht. Vergiss ihn einfach. Nur ist das nicht so leicht. Meine Gedanken lassen sich einfach nicht abstellen. „Tut mir leid. Ich bin heute echt nicht zu gebrauchen." Meine beste Freundin sieht mich mitfühlend an. „Vielleicht solltest du einfach mal entspannen. Wie wäre es mit einer Massage?"
Die Idee ist gar nicht mal so schlecht und vielleicht lenkt mich eine Hot Stonemassage wirklich ab. „Also gut." Ich winke einen Kellner heran und bezahle. Christina will sich beschweren, aber ich schneide ihr das Wort ab. „Ich übernehme den Kaffee und du die Massage." Ihr Handy klingelt, sie steht auf und verlässt das Café. Ich will ihr folgen und stoße mit einem Mann zusammen, der mir bekannt vorkommt. Er gehört zum Prinzen, äh, ich meine zu dem vermeintlichen Prinzen.
„Miss Summers?" Er hat einen schwarzen Anzug an und trägt eine schwarze Sonnenbrille. Ich nicke und frage mich, wieso er meinen Namen kennt. „Bitte begleiten Sie mich ins „Four Seasons"." Ich runzle die Stirn und weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Wieso will mich dieser Typ ins Hotel bringen? „Prinz Said wünscht es so.", fügt er hinzu, als hätte er meine Gedanken erraten, was wahrscheinlich gar nicht mal so schwer ist. Er lässt mir den Vortritt und begleitet mich aus dem Café.
Viele der Gäste schauen uns nach, was mir etwas unangenehm ist. „Ich muss meiner Freundin Bescheid geben.", sage ich zu dem Mann, der vor einer schwarzen Limousine stehen bleibt und die Tür öffnet. „Einen kurzen Moment." Ich sehe mich suchend um und finde Christina nicht einmal zwanzig Meter von mir entfernt. So schnell ich kann, laufe ich zu ihr hin und erkläre ihr rasch, was hier vor sich geht. „Wieso will er dich sehen?" Diese Frage habe ich mir auch schon gestellt, aber es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden und das ist mitzufahren. „Es ist bestimmt nur ein Missverständnis.
Nichts weiter. Ich ruf dich nachher an.", beschwichtige ich sie. Christina will etwas sagen, doch die Person am anderen Ende der Leitung mischt sich ein. Sie lächelt entschuldigend und ich gehe zur Limo zurück. Der Typ steht mit stoischer Miene vor dem Wagen und hält mir immer noch die Tür auf. „Danke." Ich schlüpfe ins Innere und versinke beinahe im weichen Leder. Die Innenausstattung ist aus schwarzem Echtleder und der Boden mit einem roten Samtteppich ausgelegt. Ich kann eine Minibar erkennen und hätte mir gerne ein Glas eingeschenkt, doch ich lasse es, vielleicht brauche ich einen kühlen Kopf. Für was auch immer.
Die Fahrt dauert keine zehn Minuten, denn der Verkehr ist ungewohnt flüssig. Der Wagen hält sanft und die Tür geht auf. Ich steige aus und stehe vor dem Hotel, das ich gestern so schnell wie möglich verlassen habe. Es kommt mir gar nicht vor, als wäre es schon mehr als zwölf Stunden her, es könnte genauso gut erst vor einer Minute passiert sein. Der Mann im schwarzen Anzug ist recht groß, hat eine breite Statur und blondes Haar, das kurz geschoren ist. Er sieht aus, wie ein Soldat, vielleicht war er einmal bei der Army. Wir betreten das vornehme Hotel und fahren mit dem Aufzug ins Penthouse.
Ich komme mir sehr underdressed vor, mit meiner dunkelblauen Jeans und dem Strickpullover sehe ich, wie eine ganz normale Studentin, aus. Nicht wie jemand, der im „Four Seasons" verkehrt. Er führt mich durchs Wohnzimmer in eines der angrenzenden Zimmer. Das Arbeitszimmer.
Der Raum ist zwar nicht so groß, wie das Separee oder das Wohnzimmer, hat aber dennoch eine beträchtliche Größe. Ein riesiger Schreibtisch aus dunklem Holz dominiert den Raum, er erinnert mich an den Resolute Desk, der im Oval Office steht. Das Zimmer wird von einer großen Fensterfront erhellt, aus der man über ganz New York schauen kann. Vor dieser Fensterfront steht ein Mann, er trägt einen grauen Anzug. Sein Haar ist schwarz und wirkt recht voll. Wie es wohl wäre, mit den Fingern hindurch zu gleiten? Ich verstehe nicht, wieso ich meine Gedanken nicht im Griff habe.
„Sir? Miss Summers ist hier.", reißt uns der Sicherheitstyp aus unseren Gedanken. Während ich blinzle, um wieder Herr meiner Gedanken zu werden, dreht sich der Mann um. Blaue Augen treffen aufeinander. Ich schlucke. Es ist tatsächlich ein und derselbe Mann. Christina hatte recht. Der Sicherheitsmann verschwindet, nachdem der Mann ihm kurz zugenickt hat.
Hallelujah, ist der Typ schön.
Ein Lächeln umspielt seine vollen Lippen, als er auf mich zu kommt. „Schön, dass Sie Zeit hatten." Seine Stimme klingt tief. Dunkel. Sinnlich. Einfach Göttlich. Ich streiche mir eine Locke aus dem Gesicht, in der ganzen Aufregung hat sich der Dutt gelöst und vereinzelte Strähnen fallen mir ins Gesicht. Ich sehe garantiert aus, als ob ich erst jetzt aufgestanden wäre. „Ich hatte ja keine andere Wahl.", erwidere ich schärfer als beabsichtigt.
Irgendwie macht mich seine Arroganz wütend, auch wenn er ein Prinz ist, kann er sich nicht alles erlauben. Obwohl, wahrscheinlich schon, sonst würde er sich nicht so geben. „Es tut mir leid, wenn ich Sie zu etwas gezwungen habe." Er leckt sich über die Lippen und dabei blitzen seine Augen. Sie sind so unglaublich klar, wie zwei Bergseen. „Na ja, eigentlich haben Sie mich zu nichts gezwungen.", gestehe ich mir selbst ein, was ihn lächeln lässt, aber kein 08-15 Lächeln, sondern eines zum dahin schmelzen.
„Dann bin ich beruhigt. Das Schlimmste wäre, wenn ich Sie zu etwas gezwungen hätte, dass sie nicht wollten." Sein Blick wird dunkel und sein Lächeln anzüglich. Ich habe das Gefühl, nicht mehr über mein Herkommen zu sprechen, sondern über etwas völlig Anderes. „Das haben Sie nicht, dennoch würde es mich interessieren, wieso ich hier bin." Ich verschränke meine Arme vor der Brust und sehe mich etwas um. Gestern hatte ich fast gar keine Zeit, mich der Einrichtung zu widmen, auch wenn das kein notwendiger Punkt ist, dennoch interessiert es mich. Ihn eingeschlossen.
„Tut mir leid. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Said, Prinz der Emirate Dubai. Aber Sie können mich einfach Miles nennen, das ist mein westlicher Name." Ich bin erstaunt, dass er mir nicht seinen Adelstitel unter die Nase reibt, was mich positiv überrascht. „Ich bin Mia. Mia Summers. Aber ich denke, dass wissen Sie bereits." Ich ergreife seine Hand und schüttle sie, dabei spüre ich eine gewisse Anziehungskraft. Auch er spürt es, nehme ich zumindest an.
„Ja, eine Macke von mir. Tut mir leid. Aber ich habe gerne die Kontrolle über die Menschen, die in meine Nähe kommen." Ich kann mir zwar vorstellen, dass man vorsichtig sein muss, wen man an sich heran lässt, aber das man sie kontrollieren will, finde ich etwas seltsam. Ein weiterer Punkt auf meiner Kontraliste.
Ich wusste gar nicht, dass ich eine Pro- und Kontraliste habe. Ich schüttle kaum merklich den Kopf und bemerke, dass sich unsere Hände immer noch berühren. Ich lasse sie los und fühle so etwas wie Verlust, was ziemlich eigenartig ist, da ich nie etwas von ihm besessen habe. „Wollen Sie etwas zu Trinken? Ein Glas Wasser vielleicht?"
Ich nicke und sehe, wie er zu einem kleinen Beistelltisch geht und mir ein Glas Wasser einschenkt. Dabei beobachte ich das Spiel seiner Muskeln, die leider unter dem grauen Anzug nicht zu sehen sind. Aber sein breiter Bizeps, der sich unter dem Jackett spannt, verrät mir mehr, als ich wissen muss. Meine Fantasie spielt schon wieder verrückt und wenn das so weiter geht, muss ich gehen. Doch das will ich nicht.
„Setzen wir uns doch." Er lässt mir den Vortritt und wir begeben uns zu der kleinen Sitzgarnitur, die aus zwei Sesseln und einem kleinen Salontisch besteht. Ganz automatisch streiche ich mir eine Strähne hinters Ohr und dass er mich dabei die ganze Zeit über beobachtet, finde ich merkwürdig. „Um auf die Frage zurück zu kommen, wieso ich Sie herbestellt habe. Ich wollte Sie einfach noch einmal sehen, da wir unsere Unterhaltung nicht zu Ende führen konnten." Irgendwie kaufe ich ihm das nicht ganz ab. Er ist ein Prinz.
Wieso interessiert es ihn, wie mir mein Job gefällt? Klar ist das Schubladendenken, aber hey, er ist Prinz. Ihn muss es nicht interessieren, was das Fußvolk, noch dazu nicht sein eigenes, denkt. Dass er es trotzdem macht, aus welchem Grund auch immer, finde ich gut. „Ich denke, Sie haben Wichtigeres zu tun, als mit mir über meinen Beruf zu reden." Er lächelt und reibt sich übers Kinn.
Er hat einen leichten Dreitagebart, der ihn ziemlich verführerisch aussehen lässt. „Nun ja, da haben Sie recht, aber mich interessiert es einfach, was Sie denken." Wow. Das überrascht mich aber nun echt. Und es macht mir irgendwie auch Angst. So wie er das sagt, klingt es so verbindlich, als wären wir Geschäftspartner, die einen Vertrag aushandeln. Vielleicht tun wir das auch, aber keinen Geschäftlichen.
„Darf ich fragen, wieso Sie das interessiert? Immerhin bin ich bloß eine Studentin und Sie ein Prinz", das Letzte kommt nur schwer über meine Lippen, denn er wirkt gar nicht wie einer, in seinem Anzug gleicht er eher einem Anwalt. „Sie studieren also. Welche Fachrichtung?" Krasser Themenwechsel, aber mir soll's recht sein.
„Ich studiere Architektur", meine Stimme zittert kein bisschen, obwohl mich seine Blick wieder fast an den Rand des Wahnsinns treiben. Es ist, als würde er mich, wie eine Schlange, beschwören. Nur das ich keine bin. „Ein toller Beruf. Ich bin zwar an außergewöhnlichen Bauten interessiert, aber ich überlasse es dann lieber den Profis." Jetzt ist mein Interesse geweckt. Ich schlage ein Bein über das Andere und setze mich aufrecht hin. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er mich indirekt dafür lobt. Was für ein Schwachsinn.
„Welchen Beruf haben Sie gelernt? Ich denke, auch ein Prinz muss einer Arbeit nachgehen." Seine Augen funkeln, als würde er diese Unterhaltung genießen. Was ich ebenfalls tue. „ Nun ja, ich habe Jura studiert. Aber ich bin eher der Geschäftsmann. Ich besitze mehrere Firmen, die sich um schwächelnde Unternehmen kümmern."
Miles, der Prinz, setzt sich ebenfalls gerade hin, eine Hand auf der Lehne des Sessels, die andere am Kinn. „Haben Sie keine Pflichten Ihrem Land gegenüber?" Ich hoffe, ich gehe nicht zu weit. Anscheinend nicht, denn er gibt mir bereitwillig Auskunft.
„Sicher muss ich bei gesellschaftlichen Anlässen und Festen anwesend sein und meinen Teil beitragen, aber als zweitgeborener Sohn bin ich nicht so sehr an mein Land gebunden, wie mein Bruder." Aha, sehr interessant. Mein Handy klingelt und schnell habe ich es aus meiner Tasche herausgefischt. Christina. Was soll ich jetzt machen? Ich drücke sie weg und verstaue das Handy wieder in der Tasche. Doch sie ruft wieder an. Das gleiche Spiel. Und wieder. Es scheint wirklich wichtig zu sein.
„Sie können ruhig ran gehen." Ich nicke und gehe zum Fenster, wo ich den Anruf annehme. „Christina, es ist gerade schlecht.", sage ich mit gedämpfter Stimme. Ich schaue über die Schulter und sehe, dass Miles mich anschaut. Er sieht mich genauso durchdringend an, wie gestern Abend, sofort setzt das Zittern wieder ein. „Was ist denn los? Wo bist du?" quetscht sie mich aus. Ich erkläre ihr, wo ich bin und das es im Moment sehr schlecht ist. „Was? Wieso will er dich sprechen? Und ist er es wirklich?"
Ich verdrehe die Augen. Wenn es um Männer geht, schalten sich bei ihr die Sicherungen aus. „Ja, er ist es. Aber ich muss jetzt Schluss machen. Ich melde mich später." Damit beende ich das Gespräch. Ich atme tief ein und aus, dann setze ich mich wieder. „Etwas Dringendes?" Seine Braue schießt nach oben und lässt sein Gesicht noch markanter aussehen. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass sein Kiefer sehr ausgeprägt ist.
Am liebsten würde ich mit meiner Zunge der Linie folgen und spüren, wie die leichten Stoppeln auf meiner Zunge kratzen. „Alles in Ordnung?" Ich erröte und habe das Gefühl, bei etwas unanständigem erwischt worden zu sein. Was ja auch stimmt. Irgendwie. „Alles in Ordnung. Es war nur meine Freundin, wir wollten heute eigentlich einen Wellnesstag machen." Ich rutsche unruhig hin und her. Seine Blicke haben es echt in sich.
„Es tut mir wirklich leid, dass ich Sie aufgehalten habe. Vielleicht sollte ich Sie nicht weiter belästigen. Selbstverständlich wird Sie mein Leibwächter überall hinbringen." Wieder so ein schneller Themenwechsel. Er steht auf und ich tue es ihm gleich. Eigentlich will ich noch nicht gehen, andererseits weiß ich nicht, wie sich das Ganze noch entwickeln würde, wenn ich bleibe. Also ist es das Beste, wenn ich gehe. Er sagt etwas auf Arabisch. Sofort öffnet sich die Tür und der Sicherheitsmann von eben kommt herein.
„Fahren Sie Miss Summers hin, wo immer Sie hin will." Der Sicherheitsmann nickt und sieht mich an. Ich strecke Miles die Hand hin und als er sie ergreift, ist da wieder diese Anziehungskraft, als würden Funken zwischen uns sprühen. „Danke, dass Sie Zeit hatten. Vielleicht sieht man sich wieder. Ich würde es mir wünschen." Seine Stimme klingt wie Samt und hüllt mich in eine tröstende Decke. Ich nicke nur und lasse seine Hand los. Wieder habe ich das Gefühl, etwas verloren zu haben. Was es ist, weiß ich nicht.
„Auf Wiedersehen, Miles." Ich sehe, wie der Sicherheitsmann neben mir zusammen zuckt und frage mich, ob ich etwas Falsches gesagt habe. Doch weder Miles, noch er sagen etwas. „War mir ein Vergnügen, Mia" Ich spüre seinen stechenden Blick auf mir, als ich das Zimmer verlasse. Auch als ich den Fahrstuhl betrete, habe ich das Gefühl, seinen Blick auf meinem Rücken zu spüren. Während wir auf den Wagen warten, denke ich darüber nach, was das gerade eben sollte. Die letzte Stunde fühlt sich so unwirklich an. So, als hätte ich bloß geträumt. Vielleicht habe ich das ja auch.
„Wie heißen Sie eigentlich?", frage ich den Sicherheitsmann. Er sieht mich ein paar Sekunden lang an, bevor er antwortet. „Sie können mich Ricks nennen." Der Wagen wird vorgefahren und Ricks hält mir die Tür auf. Ich steige ein und höre, wie er den Wagen umrundet und den Motor startet. Eine Glasscheibe wird runter gefahren, die, die die Fahrerkabine von der restlichen Limousine abtrennt. „Wohin kann ich Sie bringen?"
Ricks lächelt freundlich, was mich etwas beruhigt. Ich nenne ihm Christinas Adresse und hoffe, dass sie Zuhause ist. Um nicht vor geschlossener Tür zu stehen, gebe ich ihr Bescheid. In Sekundenschnelle schreibt sie zurück. Sie muss sich wirklich Sorgen machen. Während der Fahrt hänge ich meinen Gedanken nach. Als er Wagen hält, weiß ich, dass wir da sind. Die Tür wird geöffnet und ich steige aus. „Danke Ricks.", sage ich. Er lächelt und wünscht mir einen schönen Tag. Ich nicke und sehe, wie er davon fährt.
Seufzend gehe ich die Treppen rauf, wo mich Christina bereits an der Tür erwartet. „Komm erst einmal rein.", meint sie mütterlich. Ich bin froh, mit jemand darüber reden zu können. Im Wohnzimmer setze ich mich auf die Couch und atme erleichtert aus. Jetzt, da ich nicht mehr seinen eisblauen Augen ausgesetzt bin, fällt alles von mir ab. Und ich entspanne mich wieder. Christina kommt mit einem Glas Brandy zurück und reicht es mir. „Ich denke, den kannst du jetzt sicher gebrauchen."
Ich bedanke mich und erzähle ihr alles. Sie hört mir aufmerksam zu und nickt ab und an, dann lehnt sie sich seufzend zurück. „Ich habe echt keine Ahnung, was das sollte.", meint sie schließlich dazu. Mir geht es genauso. Ich nippe an meinem Drink und spüre das leichte Brennen, das die Flüssigkeit erzeugt, als sie meine Speiseröhre hinunterfließt. „Ist ja auch egal. Ich werde ihn nie wieder sehen.", sage ich und schließe die Augen und öffne sie schnell wieder. „Siehst du seine Augen?"
Christinas Mundwinkel zucken, was mich schnauben lässt. „Ja. Sie haben mich sogar in den Schlaf verfolgt. Ist das zu fassen?" Ich kann nicht glauben, was in der letzten Stunde alles passiert ist. Naja, eigentlich haben wir nur geredet, aber das ist genauso verwirrend. „Ich weiß, was da helfen könnte." Sie lächelt und ruft Tedd an, ein befreundeter Masseur, der zufälligerweise nur ein paar Straßen weiter wohnt.
„Wenn er uns schon den Massagetermin versaut hat, muss eben der Masseur zu uns kommen.", sagt sie lachend. Was würde ich nur ohne sie machen? Vielleicht würde ich noch bei ihm sitzen.
Meinungen? =)
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