Rise before you fall Part 2
Am nächsten Morgen fühle ich mich wie gerädert, alles geht mir nur schwer von der Hand. Es ist als hätte ich eine zentnerschwere Last auf den Schultern. Jeder Schritt ist eine Qual und ich habe Angst zusammen zu brechen. Doch ich muss dadurch, muss zu diesem Gefängnis in dem Miles schon seit fast zwei Tagen sitzt. Wie ich ihn wohl antreffe? Was er mir sagt? Ich weiss es nicht, aber ich bin bereit mich diesen Fragen zu stellen. Mesut fährt mich zum Al Awir Central Jail, auf der Fahrt sagt er kein einziges Wort und konzentriert sich auf den Verkehr. Mir ist auch nicht nach reden zu Mute und bin dankbar das er mich nicht fragt wie es mir geht, oder sonstigen Small Talk. Nach einer halben Stunde Fahrt sind wir da.
Es sieht wie auf einem Militärplatz aus, ein modernes Gebäude, an den Fenstern wurden Gitter angebracht. Der Rasen ist auf den Millimeter getrimmt worden, und auch sonst sieht das Gelände sehr gepflegt aus. Wie ich herausgefunden habe behandelt man die Insassen nicht gerade nett. Berichte aus aller Welt haben Gewalt, Drogen und Missbrauch aufgedeckt. Ich bete zu Gott das Miles dieses Schicksal erspart wird. Mesut begleitet mich hinein, er geht einen Schritt hinter mir. Ich kann seine Hand an meinem Rücken spüren, worüber ich sehr froh bin. Er meldet mich am Empfang an, noch nie war ich in einem Gefängnis. Ich habe zwar ein paar Sachen gestohlen, wurde aber von den örtlichen Polizisten nur verwarnt. Sie kannten mich und hatten deshalb Mitleid mit mir. Was ich nie wollte, aber so konnte ich wenigstens überleben.
„Ein Wärter wird Sie gleich holen, Miss und wird Sie zu ihm bringen. Ich darf leider nicht mit..." Ich sehe ihm an, dass es ihm gegen den Strich geht das er hier bleiben muss. Denn er hat Miles versprochen auf mich zu achten. Deshalb lege ich meine Hand auf seinen Arm und lächle ihn dankbar an. „Ist schon gut, Mesut. Ich danke Ihnen für alles was Sie für mich getan haben." Er erwidert mein Lächeln und gemeinsam warten wir auf den Wärter. Der nach ein paar Minuten kommt, er ist recht gross und hat dunkle Augen die mich beinahe durchbohren. Mesut fällt es sichtlich schwer mich alleine gehen zu lassen, aber ich lächle ihn aufmunternd an. „Ich werde hier auf Sie warten." Ich nicke und folge dem Wärter, immer wieder spüre ich wie er mich ansieht. Er riecht etwas streng und verkörpert alles was man für diesen Job braucht. Gewaltpotential, Autorität und Skrupellosigkeit. Aber ich lasse mich nicht einschüchtern und schaue geradeaus. Wir gehen durch viele Flure auf deren Seiten, also links und rechst von mir Türen mit Fenster sind die mit einem Gitter bestückt wurden. Dennoch schauen ein paar der Insassen raus, einige pfeifen und rufen etwas Anzügliches. Dabei trage ich eine schwarze Hose und eine schwarze Bluse, darüber trage ich einen ebenfalls schwarzen Blazer. Alles hochgeschlossen.
Dennoch fühle ich mich unwohl und bin froh wenn wir den Raum endlich erreicht haben. Aber anscheinend bietet der Wärter den Insassen extra eine Show, denn er scheint selbst Gefallen daran zu finden. Ich beachte ihn nicht, keiner der Männer schaue ich an. Stattdessen schaue ich immer geradeaus, endlich haben wir den Besucherraum erreicht. Der kleine Raum beinhaltet nur einen kleinen grauen Tisch und zwei Plastikstühle. So modern es von aussen aussehen mag, so billig wurde die Einrichtung ausgewählt. Aber was soll ich von einem Männerknast auch erwarten? „Er wird gleich gebracht..." Die Stimme des Wärters ist schneidend und sehr befehlshaberisch. Ich setze mich auf den Stuhl und warte, der Wärter lässt mich nicht alleine und positioniert sich neben der Tür. Die Wände sind ebenfalls in einem Grauton gehalten, das kleine Fenster spendet wenigstens ein bisschen Licht. Doch durch die Gitterstäbe hindurch sieht man nicht all zu viel von der Umgebung. Was wohl auch Sinn und Zweck des Ganzen ist.
Ich drehe mich um als die Tür geöffnet wird, schnell stehe ich auf nur um gleich wieder auf den Stuhl zurück zu sinken. Denn Miles Anblick erschreckt mich zu Tode, sein Gesicht sieht schlimm aus. Über all haben sich Blutergüsse gebildet, das rechte Auge ist zu geschwollen und seine Lippe ist aufgeplatzt. „Mia..." Seine Stimme ist nur ein leiser Hauch, Wut steigt in mir hoch. Wut auf diejenigen die ihn so schrecklich verprügelt haben. „Miles..." Ich breche ab, weil ich nicht weiss was ich sagen soll. Er kommt auf mich zu und will mich in seine Arme ziehen, doch der Wärter verbietet es. Der Blick, den er Miles und mir zuwirft, ist noch verachtender als zuvor. Am liebsten würde ich ihm an die Gurgel springen, aber ich unterlasse es und setze mich wieder hin. Miles stöhnt auf, als er sich setzt. Er sieht ganz und gar nicht gut aus, ich will meine Hand nach ihm ausstrecken doch auch das verbietet der Wärter. Miles sieht mich an, in seinen Augen kann ich sehen, dass auch er dem Wärter an die Gurgel gehen würde wenn er könnte. Was mir ein kleines Schmunzeln entlockt.
„Das ist das schönste das ich seit zwei Tagen gesehen habe.", sagt er. Das Lächeln erstirbt sofort, da ich an die schreckliche Situation erinnert werde in der er steckt. Es bringt mich dazu direkt zum Punkt zu kommen, also atme ich tief ein und wieder aus. „Wieso hast du das getan Miles? Hast du wirklich etwas damit zu tun? Ich muss es wissen, Miles, denn die Ungewissheit bringt mich um." Er schaut auf seine Hände die mit Handschellen fixiert wurden und auf dem Tisch liegen. „Bitte...", flüstere ich und schaue ihn an. Hoffe, dass er mir endlich die Wahrheit sagt. Das endlich diese Ungewissheit aufhört in der ich mich seit Tagen befinde und die mich immer wieder in die Knie zwingt. „Du musst mir glauben, dass ich nichts damit zu tun habe. Ich..." Er bricht ab und schaut zum Wärter der uns mit Argusaugen beobachtet. „Wieso hast du dich dann gestellt? Ich verstehe das einfach nicht." Miles beugt sich etwas zu mir herüber aber nur so wenig das der Polizist keinen Einwand sieht um uns zu trennen und die Besuchszeit zu beenden. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich über alles liebe aber die Familie für mich sehr wichtig ist?"
Ich nicke und warte darauf das er endlich auspackt, mir die ganze verfickte Wahrheit sagt. „Gut. Denn du musst verstehen, dass ich das nicht direkt für meine Familie tue. Sondern viel mehr für mein Land. Das Land in dem ich aufgewachsen, zur Schule gegangen und in dem ich die meiste Zeit gelebt habe. Ich fühle mich verpflichtet es zu schützen." Ich runzle die Stirn und frage mich was das damit zutun hat. Doch dann fällt der Groschen und ich beginne zu verstehen. „Djamal ist Kronprinz, wenn Emir stirbt und das wird irgendwann der Fall sein, so wird Djamal Regent. Aber wenn er im Gefängnis sitzt dann wird er nicht regieren können. Hast du es deswegen getan?" Auch wenn ich es langsam verstehe, nachvollziehen kann ich das ganz und gar nicht. Doch Miles Nicken bestätigt alles. Ich lehne mich nach hinten und atme tief durch. „Aber was bringt es wenn er eines Tages Herrscher wird? Er ist ein hinterhältiges Arschloch. Durchtrieben und gemein. Und noch dazu ein Terrorist." Ich schüttle ungläubig den Kopf, Miles presst die Lippen aufeinander und sieht mir fest in die Augen.
„Ich weiss, dass er das ist und ich würde ihn nie unterstützen, aber mein Land braucht einen Führer. Jemand der es zusammenhält. Ohne das würde es in sich zusammen brechen, man hat doch gesehen was geschieht wenn keiner da ist der die Menschen an die Hand nimmt. Das System würde zusammen brechen, Anarchie würde herrschen und keine Frau und kein Kind wäre mehr sicher. Das will ich nicht, deshalb ist es besser Djamal ist Regent als das es keiner ist. Bitte versteh das doch..." Er streckt seine Finger aus und berührt meine Fingerspitzen, dass der Wärter nichts sagt oder unternimmt überrascht mich. Aber es ist mir auch egal, seine Berührung ist wie ein Brandmal. Eine Verbrennung die mich kennzeichnet, für was auch immer. „Aber was glaubst du passiert mit dir?" Hinter all dem muss er doch auch an sich denken, an uns. „Ich liebe dich Mia. Aber mein Entschluss steht fest." Ich ziehe meine Hand weg und schüttle den Kopf. „Nein." Meine Stimme lässt keinen Widerspruch zu, ist eisig und unterkühlt wie noch nie. „Das werde ich nicht zulassen. Was ist mit der Operation? Du hast es mir versprochen, Miles."
Ich schaue ihn vorwurfsvoll an, Miles lehnt sich zurück und sieht mich schuldbewusst an. „Denkst du, dass du wegen deines Tumors Straffreiheit oder Milderung bekommst? Ich habe Artikel gelesen die mir die Augen geöffnet haben. Einige wurden wegen einer Vergewaltigung angeklagt und es war nicht der Täter der Verurteilt wurde, sondern das Opfer. Wegen Unzucht und Ehebruch. Du musst doch einsehen das dies der falsche Weg ist." Wieso kann er nicht einfach einlenken, sagen, dass er falsch gelegen hat und seinen missratenen Bruder beschuldigen. Der auch verantwortlich für die Katastrophe in meinem Land ist. Aber er, er ist unschuldig und gibt unsere gemeinsame Zukunft für das Wohl seines Landes auf. Ich weiss, ich müsste mehr Achtung für ihn haben, aber ich kann es nicht. Weil ich es nicht verstehe das er mich aufgibt. Mich, die Person die er liebt. Mich, die Person mit der er eine gemeinsame Zukunft haben wollte. Ist das denn alles egal? „Mia, bitte versteh es doch....", weiter lasse ich ihn nicht reden. „Nein, du musst verstehen das du einen riesen Fehler machst. Du kannst nicht immer den Helden spielen, nicht hier, nicht in dieser Situation." Tränen wollen sich in meinen Augen sammeln, doch ich verdränge sie. Ich muss stark wirken, nur so überstehe ich das. „Ich hätte es wissen müssen... du verstehst es einfach nicht. Du bist zu egoistisch um es verstehen zu können. Ist dir überhaupt in den Sinn gekommen, dass es hier um Menschenleben geht. Das es um das Wohl meiner Landsleute geht?", er wird lauter.
„Nein. Denn ansonsten würdest du es verstehen und mich nicht umstimmen wollen. Du würdest mich unterstützen, auf mich warten, ganz egal wie lange es dauern wird." Ich sitze da und kann nicht fassen was er da sagt. „Ich...", ich verstumme, weiss nicht was ich dazu sagen soll. „Und das du jetzt nichts darauf antwortest zeigt mir wie uneinsichtig du wirklich bist." Sein Blick trifft mich wie ein Blitz, so verachtend und voller Hass hat er mich noch nie angesehen. „Das meinst du doch nicht ernst, das ist bestimmt der Tumor." Miles lacht mir ins Gesicht und beugt sich etwas über den Tisch. „Nein. Das ist nicht der Tumor, das ist mein wahres Ich. Aber wie es aussieht haben wir beide erst jetzt erkannt wer wir wirklich sind. Es ist das Beste wenn du jetzt gehst." Wieso nimmt dieses Gespräch eine so verkehrte Wendung? Ich weiss nicht wieso, dass alles passiert. „Ich will aber nicht gehen...ich liebe dich Miles." Wieder lacht er, dieses Mal noch hämischer so, dass es mir das Blut in den Adern gefriert. „Geh. Raus hier!", brüllt er.
Ich zucke zusammen und stehe auf, blicke in seine blauen Augen und verstehe wieso er das macht. Er sagt es nicht um mir wehzutun, sondern um mich zu schützen. Doch vor was? Wieso macht er das? „Ist gut ich gehe. Ich liebe dich, egal was passiert." Ich schaue ihm fest in die Augen und hoffe, dass er es versteht, dann drehe ich mich um und verlasse schweren Herzens den Raum. Werde von dem Wärter wieder zu Mesut gebracht, dieses Mal machen mir die Blicke nichts mehr aus. Meine Gedanken kreisen weiterhin um unser Gespräch, ich suche nach einem Schlüssel der mich zu der Wahrheit führt. Doch auch auf dem Rückweg komme ich nicht darauf, wenigstens weiss ich jetzt, dass er dies nicht ernst gemeint hat. Aber die Frage bleibt, wieso will er mich schützen?
In dieser Nacht liege ich die meiste Zeit wach, denke darüber nach und komme doch auf kein Ergebnis. Wenn ich schlafe, dann wandle ich von einem schlechten Traum zum nächsten. Nur um dann schweissgebadet aufzuwachen und zu erkennen, dass ich alleine bin. Ich liege alleine im Bett und kämpfe gegen die aufsteigende Panik an, während Miles ebenfalls alleine liegt und wahrscheinlich selbst gegen dieses schreckliche Gefühl ankämpft. Die Stunden verstreichen nur langsam, ziehen sich zäh wie Kaugummi hin. Irgendwann stehe ich auf und gehe in den Garten, setze mich auf die Liege und schaue der Sonne zu wie sie Stück für Stück den Mond vertreibt und den Tag ankündigt. Ein einzig wahres Spektakel, das mich an die gemeinsamen Sonnenaufgänge mit Miles erinnert. Doch hier draussen kann mir die Panik nichts, wahrscheinlich weil ich hier genügend Platz habe und mich nicht eingeengt fühle. Aber vielleicht fühle ich mich hier auch nur wohler, ich weiss es nicht. Um sechs Uhr schleicht Saba in mein Zimmer, ich höre ihre leisen Schritte und mache mich durch ein lautes Räuspern bemerkbar.
„Haben Sie denn gar nicht geschlafen?" Sie sieht mich mit ihren dunklen Knopfaugen besorgt an, ich schüttle den Kopf und schlinge Miles Jackett enger um mich. Das habe ich irgendwann angezogen in der Hoffnung, dass ich mich nicht mehr ganz so einsam fühle. Es hat auch etwas gebracht, aber eben nicht das er neben mir liegt und mich an seinen starken und warmen Körper zieht. „Ich werde mich heute darum kümmern, dass er frei kommt." Saba nickt mir zustimmend zu, doch ich merke ihr an das sie es aussichtslos findet. Was mit ihr und den anderen Angestellten passiert wenn Miles nicht freikommt? Wahrscheinlich werden sie auf der Strasse stehen was mir unheimlich leid tut, keiner hat das verdient. „Soll ich Ihnen das Frühstück servieren lassen?" Ich schüttle den Kopf, ich weiss ich sollte etwas essen, aber ich kriege doch keinen Bissen runter. „Wenn etwas ist rufen Sie mich." Ich schaue ihr nach wie sie Miles Zimmer verlässt, seufzend stelle ich mich ans Fenster und rede mir gut zu. „Du schaffst das. Du wirst etwas finden damit Djamal belangt wird und Miles frei kommt.", sage ich zu mir und nicke bekräftigend. Anschliessend gehe ich duschen und ziehe mich an. Danach rufe ich Jonathan an, ich weiss das es erst kurz nach sieben Uhr ist aber ich habe Glück und er nimmt den Anruf an.
„Ich hab es gehört, es tut mir unheimlich leid, für sie beide.", begrüsst er mich. Ich setze mich auf das Bett und frage ihn, ob er etwas in Erfahrung bringen könnte. „Ich werde alles tun was ich kann, aber versprechen kann ich Ihnen nichts. Ich melde mich bei Ihnen wieder wenn ich etwas weiss und auch sonst werde ich noch einmal anrufen." Ich bedanke mich und lege auf. Bete, dass alles gut geht und er etwas findet mit dem wir Miles aus dem Gefängnis kriegen. Aber ich kann nicht darauf warten, ich muss selbst etwas tun. Und da ich weiss, dass Djamal mir nie etwas sagen würde was ihn belastet, muss ich jemand anderes finden. Und ich habe da auch schon eine Idee. Mesut ist so lieb und fährt mich zu Faizah, es ist jetzt acht Uhr sie sollte also wach sein. Was sie auch ist, sie trägt einen wunderschön bestickten Morgenmantel aus Brokat. Auf ihrem Gesicht haben sich viele Falten gegraben, wie es aussieht hat sie es bereits erfahren. „Sie wollen bestimmt wissen ob ich etwas weiss, aber ich muss Sie leider enttäuschen. Djamal hat mir nie etwas erzählt."
Sie geht aufgebracht auf und ab, dabei raschelt der Morgenrock etwas. Ich runzle die Stirn, wieso weiss sie das Djamal dahinter steckt? Klar könnte jeder darauf kommen, aber ehrlich gesagt hat sie einen ziemlich engen Kontakt mit ihm gepflegt. „Sehen Sie mich nicht so an, ich weiss was Sie jetzt denken. Aber ich schwöre das ich nichts weiss, nichts was ihm helfen würde..." Sie sieht mir fest in die Augen, ich spüre wie sehr sie das ganze mitnimmt. Dennoch kann ich ihr nicht glauben, das wird schwieriger als gedacht. „Aber es muss doch irgendetwas geben das man verwenden könnte um Djamal zu erpressen." Ich gehe ein paar Schritte und drehe mich um, schaue ihr fest in die Augen und hoffe, dass ihr etwas einfällt. Doch sie schüttelt wieder den Kopf, im selben Moment klingelt mein Handy. Jonathan. „Haben Sie etwas herausgefunden?" Ich gehe etwas weiter weg und kaue auf meiner Lippe. Warte darauf, dass Gott meine Gebete erhört hat. „Es tut mir so leid, Mia. Aber ich konnte nichts mehr machen." Ich runzle die Stirn und weiss nicht was er damit meint. „Was soll das bedeuten?" Jonathan zieht den Atem scharf ein und schweigt, was den Knoten in meiner Brust weiter wachsen lässt. „Jonathan, was ist los?"
Die Strenge in meiner Stimme scheint ihn aus seiner Trance zu reissen, denn er atmet tief ein. „Als ich den zuständigen Staatsanwalt angerufen habe, hat dieser mir mitgeteilt das Miles bereits verurteilt wurde." Wieder lässt er mich zappeln, holt tief Luft und schweigt. Was kein gutes Zeichen ist. „Wie lautet das Urteil?" Ich spüre wie mein Herz beginnt zu rasen, wenn ein Urteil gefällt wurde ohne einen anständigen Prozess dann bedeutet das nie etwas Gutes. „Er wurde zum Tode verurteilt. Das Urteil wird noch heute Morgen vollstreckt." Ich schliesse die Augen, sinke auf die Knie und beginne zu schreien. Ich schreie den ganzen Schmerz heraus, doch es bringt nichts. Es bringt keine Erleichterung. Tränen strömen mir über die Wangen und ich kann sie nicht aufhalten. Ich schlinge meine Arme um den Bauch, wiege mich hin und her und schreie immer noch. Faizah kniet sich neben mich und will beruhigen, will ihre Hände um mich legen doch ich schlage sie weg und stehe auf. Gehe ein paar Schritte und breche wieder zusammen. Schreie mir die Seele aus dem Leib und kann nicht aufhören. Weder zu weinen noch zu schreien.
„Nein. Bitte nicht...", höre ich Faizah wimmern. Ich schaue auf und sehe, dass sie mein Handy genommen und Jonathan ihr die schreckliche Nachricht erzählt hat. Auch ihr strömen die Tränen über die Wangen, dennoch bleibt sie stehen und spricht mit Jonathan, während ich zum emotionalen Krüppel geworden bin. Unfähig einen Satz zu sprechen, geschweige denn zu telefonieren. Wieder kommt sie zu mir und kniet sich vor mich hin, legt ihre Hände auf meine Schultern und sieht mich eindringlich an. „Sie müssten stark bleiben, Mia. Für Said." Ihre braunen Augen sehen mich an, ich kann darin so viel erkennen. Liebe, Trauer, Hass. Alles dieselben Gefühle die ich zurzeit spüre, nur frage ich mich wie sie es schafft so ruhig zu bleiben während man innerlich zerbricht. „Mia, du musst stark bleiben. Miles hätte das nicht gewollt." Ihr Blick ist intensiv, ihre Worte zu viel. Die Wut und der unzähmbare Hass auf denjenigen der Miles auf dem Gewissen hat, brechen aus mir heraus. „Du hast kein Recht so etwas zu sagen. Nicht du!", herrsche ich sie an und stehe auf.
Renne zur Tür und will nur noch hier raus. Ich muss denjenigen bestrafen, dafür, dass er mir das Liebste genommen hat was ich besitze. „Mia, du kannst jetzt nichts mehr tun..." Ich drehe mich um und schaue Faizah fest in die Augen. „Und ob ich etwas tun kann. Ich werde Djamal dafür büssen lassen." So schnell ich kann hetze ich durch ihr Haus und renne beinahe eine ältere Frau um. Wahrscheinlich Faizah's Mutter, oder eine von ihren dutzenden Tanten. Ich höre wie sie etwas ruft, aber es kümmert mich nicht. Im Moment ist das Wohlbefinden dieser Frau mein kleinstes Übel. Draussen wartet Mesut, ich steige in den Wagen ein und sage wohin er mich fahren soll. Im Rückspiegel sehe ich, wie Faizah aus dem Haus kommt und uns zurück winkt doch ich sage Mesut er solle weiterfahren. Sein Blick entgeht mir nicht, aber ich habe jetzt keine Zeit darüber nachzudenken ob er Verdacht schöpft.
Während der Fahrt habe ich das Gefühl vor Anspannung zu sterben, er muss da sein. Er muss einfach. Sonst weiss ich nicht was ich tun werde, wahrscheinlich durchdrehen. Vor lauter Schock habe ich Jonathan vergessen zu fragen, ob er weiss wann Miles hingerichtet werden soll. Ausserdem frage ich mich ob es überhaupt rechtlich ist einen Prinzen so ganz ohne Prozess hinrichten zu lassen. Hat denn Emir von all dem nichts gehört? Aber so wie ich ihn kenne, wird er garantiert nichts unternehmen. Er würde zulassen, dass sein Sohn, sein eigen Fleisch und Blut, getötet wird. Sein Antlitz für immer von dieser Erde getilgt wird. Meine Abscheu auf diesen Mann wird immer grösser, doch sie wird unterbrochen als wir angekommen sind. Es kommt mir vor als würde sich alles wiederholen, schon einmal bin ich hierher gekommen damals war ich auf der Suche nach Miles. Jetzt will ich nur noch eins, Blut fliessen sehen.
Also stürme ich seinen Palast, schreie seinen Namen und mache mich innerlich auf seinen Tod gefasst. „Djamal, ich weiss das du hier bist. Also komm raus.", schreie ich und gehe weiter. Durchkämme Zentimeter für Zentimeter seines Palastes. Aber niemand ist hier, wahrscheinlich hat er sich irgendwo abgesetzt. Zuzutrauen wäre es ihm. „Du hast deinen eigenen Bruder auf dem Gewissen. Also komm endlich raus.", schreie ich wieder. Ich weiss nicht wieso, aber ich laufe direkt zu seinem Schlafzimmer das neben dem Zimmer liegt in dem ich ihn und Faizah im Flagranti erwischt habe. Ich bleibe wie angewurzelt stehen, als ich ihn selenruhig an seinem Schreibtisch sitzen sehen. „Du wagst es noch Papierkram zu erledigen, während dein Bruder exekutiert werden soll?" Meine Stimme trieft nur so vor Verachtung, Djamal schaut mich an und lächelt gestört.
„Du meinst er wird exekutiert werden. Tja, das Gericht ist für ihn verantwortlich und niemand sonst." Er zuckt mit den Schultern und widmet sich wieder seiner Akte zu, was mich noch wütender macht. Ich koche vor Wut, könnte ihn in Stücke zerreissen und auf seiner Asche tanzen. Und genau das werde ich auch tun. „Du weißt genau wie ich, dass du dahinter steckst. Du hast ihm das angetan, deinetwegen hat er sich gestellt. Wusstest du, dass er todkrank ist? Das er einen Hirntumor hat der ihn töten wird wenn er sich nicht operieren lässt?" Ich gehe langsam auf ihn zu, durchbohre ihn mit meinem Blick. Wünsche ihm den schrecklichsten Tod auf Erden. „Das wusste ich nicht. Aber es ist mir eigentlich auch egal, wir waren nie Brüder. Er hatte nur das Glück, dass mein Vater seine Mutter, eine englische Hure, geduldet hat, ihren Acker gepflügt hat. Also konnte er sich glücklich schätzen uns als seine Familie zu haben."
Dieses Mal bin ich es die ihm ins Gesicht lacht, wieder gehe ich einen Schritt auf ihn zu. Durchbohre ihn mit meinem Blick, wünsche ihm, dass er in der Hölle schmoren wird. „Das wirst du bereuen, du wirst dafür geradestehen. Und dafür werde ich persönlich sorgen." Ich habe seinen Schreibtisch erreicht und stütze mich darauf ab, schaue Djamal direkt in die Augen. „Ich werde dir dein gottverdammtes Herz aus der Brust rausreissen, während es noch schlägt und ich werde es mit Vergnügen machen. Werde jede Sekunde geniessen in der ich dir dein erbärmliches Leben aushauche.", zische ich. Djamals braune Augen verlieren für einen kurzen Augenblick ihren natürlichen Glanz, danach sind sie wieder voller Kampfeslust. „Du redest Müll. Du kannst mir gar nichts, du Hexe." Wir schauen uns fest in die Augen, wollen den anderen so in die Knie zwingen.
„Ja das bin ich. Und ich verfluche dich, Djamal. Ich verfluche dich..." Im einen Moment schaue ich ihm noch in die Augen, im anderen stürze ich mich auf ihn. Nutze den Überraschungsmoment aus und bringe ihn zu fall, Adrenalin durchpeitscht meine Venen und lässt mich schneller werden. Ich schliesse meine Hände um seine Kehle und drücke zu, höre wie er röchelt und spüre wie er mit den Händen versucht mich von sich zu stossen. Doch ich sitze am längeren Hebel, drücke noch fester zu und sehe mit Genugtuung wie er langsam keine Luft mehr kriegt. Sein Körper fängt an herum zu zappeln, ich schaue die ganze Zeit in seine Augen und mache meine Worte wahr. „Du hast mir das Liebste genommen das ich besessen habe, also nehme ich dir dein Leben."
Ich spüre wie ich von Hass getrieben werde, wie ich innerlich immer mehr abstumpfe und merke, dass ich kein Deut besser bin als er. Als er blau anläuft wird mir bewusst was ich hier eigentlich tue, aber ich bin schon so weit gegangen. Umkehren kommt nicht mehr in Frage. „Lass ihn los!", höre ich jemand schreien. Überrascht drehe ich den Kopf und sehe Faizah vor mir stehen, sie sieht mich geschockt an und holt mit etwas aus. Bevor ich etwas unternehmen kann schlägt sie mir mit einem Gegenstand gegen den Kopf. Die Wucht ist so stark das ich von Djamals Körper geschleudert werde und am Boden liegen bleibe. Alles um mich herum dreht sich und ich höre ein Pfeifen in meinen Ohren. Verschwommen nehme ich war wie Faizah Djamal hilft aufzustehen. Er sieht mich hasserfüllt an, ich halte seinem Blick so lange stand bis es schwarz um mich herum wird. Ich falle in einen schwarzen Abgrund und lasse es zu verschluckt zu werden. Für keinen mehr zu sehen, für immer verschwunden.
Als ich zu mir komme und die Augen öffne sehe ich jemand neben mir, es ist ein Mann. Zuerst denke ich es ist Miles und will mich bewegen, doch das geht nicht. Ich kann meine Arme und meine Beine nicht bewegen. Ich versuche zu erkennen wieso das so ist, doch es geht nicht. „Alles ist in Ordnung. Man hat Sie fixiert, eine Anordnung von König Emir persönlich. Wissen Sie noch was passiert ist?" Mesut sieht mich an, ich versuche mich zu erinnern aber mein Kopf schmerzt so stark, das ich es gar nicht weiter versuche. „Sie haben Kronprinz Djamal angegriffen, um Sie aufzuhalten hat Miss Faizah Sie mit einem Gegenstand bewusstlos geschlagen. Ihr haben Sie es zu verdanken, dass Sie nicht im Gefängnis sind." Ich nicke und versuche zu sprechen, doch mein Hals ist ganz wund. Es fühlt sich an als hätte ich Jahrelang nichts mehr getrunken. „Hier, trinken Sie das." Er hält mir ein Glas an die Lippen, langsam trinke ich Schluck um Schluck. Das Wasser lindert das Brennen in meinem Hals und ich versuche etwas zu sagen.
„Miles...?" Meine Stimme hört sich wie ein Krächzen an, es fällt mir schwer zu schlucken. „Es tut mir leid..." Mesut senkt den Blick und ich verstehe, spüre wie mir das Herz herausgerissen wird und drehe den Kopf weg. Weine stumm um die Liebe meines Lebens, weiss nicht wie es jetzt weiter gehen soll. „Er hatte einen schmerzlosen Tod, man hat ihn sanft einschlafen lassen." Mesut's Stimme ist leise aber es ist als würde er mir direkt ins Ohr schreien. Was ist schon ein sanfter Tod? Nichts, denn man stirbt so oder so. „König Emir hat veranlasst, dass Sie bis zu Ihrer Abreise fixiert und überwacht werden. Aber da Sie bis heute durchgeschlafen haben, ist es nicht mehr lange. Bald können Sie nach Hause." Innerlich lache ich auf, mein Zuhause. Ich habe kein Zuhause mehr. Das habe ich aufgegeben, als ich mich dafür entschieden habe Miles zu folgen. Doch jetzt, da er nicht mehr lebt, weiss ich nicht wohin ich soll. Also habe ich kein Zuhause mehr.
„Schlafen Sie noch ein bisschen. In ein paar Stunden werden Sie dann abgeholt und zum Flughafen gebracht werden. Ich habe Ihre Sachen bereits gepackt. Saba hat für Sie ein paar Kleider herausgesucht die Sie dann anziehen können." Ich schaue Mesut nicht an, obwohl er es gut mit mir meint. Aber ich will im Moment niemanden sehen. Möchte nur allein gelassen werden. Aus dem Augenwinkel sehe ich wie Mesut sich von meinem Bett entfernt und sich vor der Tür auf einen Stuhl setzt. Ich schliesse die Augen, verdränge die Tränen die sich in meinen Augen sammeln wollten. In diesem Land werde ich keine einzige Träne mehr vergiessen, zu viele habe ich hier bereits vergossen. Ich weiss nicht wie lange ich noch hier liegen werde, also versuche ich noch ein bisschen zu schlafen.
Was auch klappt, aber ich wache schon bald wieder auf und zittere am ganzen Körper. Habe von Miles Exekution geträumt, alles war so verdammt real das ich gedacht habe ich würde an seiner Stelle sterben. Mein Herz rast wie verrückt und ich bekomme kaum noch Luft. Mesut ist sofort zur Stelle und redet beruhigend auf mich ein, nur langsam beruhige ich mich und atme wieder regelmässig. „Es ist sowieso gleich soweit. Ich werde jetzt die Fesseln lösen." Als er mir die Fesseln löst höre ich wie er betet, ich frage nicht wieso er das macht sondern höre einfach nur zu. Es ist sehr beruhigend und lässt mich ruhiger werden. Er hilft mir aus dem Bett und begleitet mich zum Badezimmer, wo ich mich duschen soll. „Ich warte vor der Tür." Ich nicke schwach und stelle mich unter die Dusche, mein Körper macht alles wie von selbst. Wie eine Maschine wasche ich mir meine Haare, seife meinen Körper ein und wasche alles ab.
Danach steige ich aus der Dusche und trockne mich ab, ziehe mich an und föhne mir die Haare. Danach verlasse ich in Begleitung von Mesut Miles Palast und werde draussen der Polizei übergeben. Ich umarme Mesut und bedanke mich bei ihm. „Richten Sie Saba bitte aus, dass ich ihr für alles dankbar bin was sie für mich getan hat." Er nickt und ich steige in den Wagen ein, und werde zum Flughafen gefahren. Während der Fahrt schweigen die beiden Polizisten und auch ich sage nichts. Was gibt es auch noch zu sagen? Miles ist tot und ich hätte beinahe jemanden getötet, obwohl ich immer noch der Meinung bin das Djamal es verdient hätte. Als wir den Flughafen erreicht haben werde ich von den beiden Polizisten direkt ins Flugzeug gebracht, alles so unauffällig wie möglich.
Die königliche Familie möchte keinen Skandal am Hals haben. Ich wünschte sie würden allesamt untergehen und in der Hölle schmoren bis ihr Körper ausgezehrt und verbraucht ist. Als ich die Maschine betrete fühle ich mich komplett leer, erschöpft und völlig ausgelaugt. So, als hätte man mir alle Kraft aus meinem Körper gesaugt. Als wir starten schaue ich aus dem Fenster, werde in den Sitz gedrückt und wünschte mir das dieses Flugzeug abstürzen würde. Das mein Lebend dadurch beendet werden würde, aber wie es nun mal so ist, tritt alles andere ein nur nicht das was man sich von Herzen wünscht. Und der Tod ist alles was ich mir wünsche. Denn Tod zu sein ist besser als zu leben. Noch nie habe ich diese Meinung geteilt, aber seit heute wünsche ich mir nichts sehnlichster. Denn mit dem Tod wird das Leben auf der Erde beendet, aber das Leben im Himmel geht weiter. Wie wird mein Leben auf der Erde, wenn ich mich nach einem Leben im Himmel sehne? Wie kann ich es schaffen weiterzuleben, wenn die Liebe meines Lebens tot ist? Wie?
So, nun ist es zu Ende. Aber keine Bange, ich werde schon bald den zweiten Teil hochladen.
Dieser wird Love never Forgets heissen. Ich würde mich freuen wenn ihr auch dort vorbeischauen würdet. Bis dahin wünsche ich allen eine schöne Zeit.
eure Amanda
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro