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Kapitel 5.0

Tir hat seine Kapuze tief in sein Gesicht gezogen, sein beiger Schal bedeckt alles außer seine Augen.

Sand knirscht unter unseren Schuhen.

Die Menschen auf den grau gepflasterten Straßen, die dank der dicht stehenden Steinhäuser noch im Schatten liegen, werfen uns misstrauische Blicke hinterher. Bunte Fensterrahmen und Türen erinnern mich etwas an die Aufhübschungsversuche auf Tursakrit, aber das schönste hier sind die kleinen Beete vor jedem Haus und die Pflanzen, die an den grob behauenen Steinquadern Halt finden. Nur eine Kleinigkeit schmälert den Anblick: Gewächse sind in so einem trockenen Reich ein eindeutiges Zeichen von Wohlstand und dafür, dass zwei abgerissene Gestalten wie wir nicht allzu lange durch diese Gassen wandern sollten.

Ein Steinbogen entlässt uns auf einen großen freien Platz, auf dem an Ständen aus Tüchern und Holz Obst, Gemüse und Fleisch angeboten werden.

„Mir ist bewusst, dass das nicht dein Spezialgebiet ist, aber weißt du, mit was man hier bezahlt?", will Tir wissen.

Ich setze mich auf eine niedrige Mauer und lasse meine schmerzenden Füße baumeln. Lange werde ich es hier aber auch nicht aushalten. Schon jetzt brennt die Sonne unnachgiebig herunter, dabei ist es noch Morgen. „Irgendwelche Metallmünzen. Klein, meist mit Loch in der Mitte. Wieso, hast du deinen magischen Geldbeutel mitgenommen, der je nach Planet und Ort die passende Währung ausspuckt?"

„Sehr witzig", grummelt Tir und beginnt, in den zahlreichen Taschen an seiner Kleidung zu kramen. Ab und an hält er eine Münze in die Höhe und fährt seine Suche fort, wenn ich den Kopf schüttele. Irgendwann lässt er sich neben mir nieder, seufzt tief.

Bei seinem Magengrummeln fahre ich zusammen. „Warnst du mich wenigstens, bevor du dich auf mich stürzt?" Flehend sehe ich zu ihm auf und falte die Hände. „Um der alten Zeiten willen?"

„Sehr witzig", wiederholt er.

Ich springe auf. „Gleich wieder da." Bevor er etwas sagen kann, verschwinde ich zwischen den Ständen. Wenigstens schützen die Tücher vor der Sonne und tauchen die Welt in rotes, gelbes, blaues und grünes Licht. Die eingewobenen Kristalle werfen Reflexionen auf alles. Und die Waren duften wundervoll.

Die Stadt ist groß genug, dass ich unter den Einheimischen und den Touristen nicht auffalle. Ich konzentriere mich aufs Wesentliche, mein Blick schweift umher, bleibt an einer Standbesitzerin hängen, die sich mit einer Kundin unterhält. Sie lachen laut auf und schon landen zwei grüne, ovale Früchte in meinem Bündel. Ich schlendere weiter, rempele eine alte Frau mit vollgepacktem Korb an. Sie zischt mir etwas hinterher, aber dass sie um ein fluffiges, rundes Brot ärmer ist, fällt ihr nicht auf.

Dafür spüre ich, wie sich der Arm von jemand anderem auf meine Schulter legt. Ein junger Mann mit dunklem Teint und tiefschwarzen, kurzen Haaren blickt mit einem leichten Lächeln auf mich herab, streicht eine Locke hinter mein Ohr und streift dabei meinen Hals. „Gar nicht mal so schlecht. Aber man beobachtet dich schon misstrauisch. Am besten wäre es, wenn du zumindest eine Sache kaufen würdest."

„Ich weiß nicht, was du meinst." Mein unschuldiges Lächeln steht seinem in nichts nach. „Und habe leider kein Geld dabei. Aber gucken ist doch wohl erlaubt. Nur anfassen nicht." Ich stoße demonstrativ seinen Arm von meiner Schulter.

„Ach, anfassen bestimmt auch. So lange die Hände vorsichtig sind und zu schätzen wissen, was sie berühren." Weiße Zähne blitzen in der Sonne auf.
Und neidische Augen von Frauen und ein paar Männern, die jede meiner Bewegungen verfolgen. Er hat schon recht: Ich brauche wirklich nicht noch mehr Blicke auf mir.

Mit gerunzelter Stirn sehe ich ihn an. „Dann solltest du hier bestimmt nichts anfassen. Wenn du nicht schon das meiste sowieso mindestens einmal in Händen gehalten hast."

Er lacht auf. „Hat die kleine Havesa auch einen Namen?"

„Hast du mich gerade mit einer giftigen Wüstenblume verglichen?"

„Mit der schönsten von allen!", hält er dagegen. „Wer sie sieht, muss sie anfassen, von ihr kosten ... auch wenn sie einen dafür dann von innen zersetzt und auffrisst."

Jetzt entwischt mir ein Kichern. „Hast du mit diesen Worten normalerweise Erfolg?"

Er hebt die Schultern. „Normalerweise? Als du den Platz betreten hast, war gar nichts mehr so wie normalerweise. Du bist garantiert keines dieser normalen Hühner. Das ist keine Frau mit roten Haaren."

Meine Knöchel jucken – sie wollen unbedingt Bekanntschaft mit seinem Gesicht machen. „Ah. Ich muss jetzt leider wieder gehen. Mein Freund wartet."

Der Fremde hält mich an einem Stand zurück – dem, mit den grünen, ovalen Früchten – und kauft zwei Stück, die er mir hinhält.

Er beugt sich zu meinem Ohr, sein Atem kitzelt mich. „Das Straßenvolk hier hält zusammen." Dann taucht er in der Menge unter, ich kann ihm nur verblüfft hinterhersehen. Auf manchen Planeten gibt es wirklich furchtbare Menschen, aber auf anderen werde ich immer wieder aufs Neue positiv überrascht. Fast habe ich ein schlechtes Gewissen, ihn so schnell verurteilt zu haben, aber dumm genug, ihn nach einer guten Tat zu beurteilen bin ich auch nicht.

Zurück bei Tir nicke ich ihm zu, mir zu folgen. Ein paar Straßen weiter weg halte ich an und zeige ihm meine Beute. Mein stolzes Grinsen verblasst.

Mit zusammengepressten Lippen sieht er mich an. „Man stiehlt nicht."

„Ein erneuter Beweis, dass deine Familie nicht zur ärmeren Schicht eurer Welt gehört." Ich reiße das Brot gröber als nötig in zwei gleich große Stücke. „Wenn du lieber verhungern oder verdursten willst, bitte, bleibt mehr für mich."

Er sieht unglücklich und angewidert aus, als er mir seinen Anteil aus der Hand nimmt und hineinbeißt. Dann ergreift er eine der grünen Früchte, schält sie und steckt sich ein Stück in den Mund.

Die anderen Früchte will ich lieber noch etwas aufbewahren. Ich löse also ebenfalls eines der Stücke von der in Tirs Hand und lege es mir auf die Zunge. Erfrischende, kalte Süße breitet sich in meinem Mund aus. Sobald ich dem Fruchtfleisch den letzten Rest Flüssigkeit entzogen habe, schlucke ich es herunter.
„Denkst du, wir können schon irgendwo anders hinwandeln? Oder brauchst du noch etwas Zeit? Vielleicht ist es auch sicher genug, erst mal hier unterzutauchen ..."

„Wir sollten fürs Erste in Bewegung bleiben. Je mehr Sprünge, desto schwerer wird es, uns aufzuspüren. Gegen Abend kann es weitergehen, schätze ich. Nicht sehr weit von hier ist eine andere Gebetshöhle."

Ich zupfe an einem losen Faden des Schals. „Denkst du, wir könnten einen Abstecher nach Kreck einlegen? Ich muss wissen, ob es Paku und seiner Familie –"

„Du solltest dich mehr um unser Wohl sorgen, als um das Wohl von einem deiner Liebhaber." Ein grollender Unterton begleitet seine Worte.

„Einem meiner Liebhaber?", wiederhole ich perplex, bevor Wut an den Rändern meines Gesichtsfeldes leckt. „Was soll das denn bitte heißen?" Ich greife mir die Frucht und teile sie gerecht. „Weißt du was? Ist mir egal, ich habe jetzt keinen Nerv dafür. Denk doch, was du willst. Nur so viel: Wenn ich die Möglichkeiten habe, etwas zu ändern, würde ich niemals einen Freund in Not im Stich lassen. Niemals."
Schnaubend stapfe ich los.

Natürlich wäre es dumm, nach Kreck zu gehen, jetzt, da es dort von Wächtern wahrscheinlich nur so wimmelt. Trotzdem oder gerade deswegen mache ich mir Sorgen, Paku und seine Familie sind immerhin ein Knotenpunkt der ganzen Misere. Kurz flackert vor mir eine Szene auf, wie Wächter sie überfallen und alles niederbrennen. Dass mich Tir indirekt als Freudenmädchen bezeichnet hat, kratzt an einer ganz anderen Stelle. Als hätte ich einen Beweis gebraucht, dass ich mit meiner Aktion auf Kreck einige der Bänder zwischen uns durchtrennt habe.


An dem Schnaufen und Zähneknirschen hinter mir kann ich erkennen, dass Tir mit sich ringt, etwas zu sagen. Und tatsächlich, wir verlassen gerade die Stadt in Richtung schwarzer Felsen in der Ferne, da öffnet er den Mund.
„Siehst du eigentlich dein Fehlverhalten ein, Zelene?"

„Ich habe einen Fehler gemacht, ja", entgegne ich spitz. „Nächstes Mal weiß ich es besser."

Grob packt er mich am rechten Arm und wirbelt mich herum. Seine gelben Augen glühen mich zornig an. „Du mischst dich niemals wieder in die Angelegenheiten einer anderen Welt ein. Hast du das verstanden? Die Regeln wurden nicht grundlos aufgestellt."

„Regeln sind aber nichts, das sich nicht verändern – weiterentwickeln – kann. Wenn der Hochkönig deiner Welt nicht so inkompetent wäre, könnte man so vieles erreichen! Man müsste nur herausfinden, wie die Welten sich gegenseitig unterstützen könnten, ohne einander zu zerstören. Nicht alle Pflanzen können solche Auswirkungen haben. Man könnte unendlich viele Menschenleben retten, Tir! Woher nimmt er sich das Recht, über alle Welten und Lebewesen zu bestimmen? Wahrscheinlich sitzt er in einem schönen Schloss, Tag ein Tag aus, und muss für nichts den Finger krumm machen. Wenn er selbst auf Kreck ohne nennenswerte medizinische Versorgung leben würde, würde er bestimmt nicht nur Däumchen drehen."

„Und woher nimmst du dir das Recht? Du bist doch auch nur eine arrogante, kleine Göre, die meint, alles besser zu wissen. Und ich, ich war schon immer der Trottel, der viel zu nachsichtig mit dir war ... Wächter bewachen die Portale zwischen den Welten. Sie greifen so wenig wie möglich ein. Denn jeder Eingriff bringt den Faden, an dem die Welten wie Perlen aufgereiht sind, zum Erzittern. Und sollte er jemals reißen, werden sich die Welten gegenseitig zerstören. Sie werden sich überlagern und daran ersticken. Wächter bewachen die Grenzen, der Hochkönig bewacht den Faden – das Gleichgewicht. Und du, du warst schon immer ein Störfaktor, Zelene, der den Faden gedehnt hat. Nicht nur, weil du zwischen den Welten wandelst, obwohl du kein Wächter bist. Dein Schicksal war es, an dem Tag vor sechs Jahren zu sterben. Aber hier stehst du und arbeitest allein mit deiner Existenz munter weiter daran, den Faden zu spannen, auch ohne, dass du irgendwelche offensichtlichen Dummheiten anstellst." Mittlerweile ist seine Stimme nur noch ein heiserer Hauch, aber er muss gar nicht laut reden, so nah wie er mir gekommen ist.

Was? Mehrere prickelnde Wellen branden durch meinen Körper. Ich versuche, meine Gedanken zu fassen. Eines hat er mir klar gemacht: Ich bin schuld an allem, mehr als sowieso befürchtet, und habe von nichts eine Ahnung, sogar noch weniger als ich vermutet habe. Aber für diese Unwissenheit kann ich nichts, genauso wie für das, was vor sechs Jahren passiert ist.
Ich balle die Hände zu Fäusten, das Prickeln verglüht.
„Dann hättest du mich sterben lassen sollen!", brülle ich ihm ins Gesicht, sodass er erschrocken zurückzuckt. Mein Hals ist eng und ich verkneife mir jedweden weiteren Kommentar, drehe mich nur wieder um und laufe voran. Heute ist der Tag der Offenbarungen. Und er ist offenbar scheiße.


Immer noch denke ich über Tirs Worte nach.
Dass man ein empfindliches Ökosystem mit fremden Dingen stören kann, verstehe ich, aber so wie er es erklärt hat, klingt dieser Faden nach Magie ... Vielleicht ist es aber auch gar keine Magie, sondern eben nur eine Art Naturgesetz.

Ich seufze und lasse den Blick über das flimmernde Grau schweifen.
Es ist zu heiß. Aus meinem Bündel habe ich meinen Schirm gekramt, der meine Haut wenigstens davor bewahrt, meinen Haaren farblich Konkurrenz zu machen. Aber meine Zunge klebt geschwollen in der trockenen Höhle, die einmal mein Mund gewesen war. Nur noch eine Frucht ist übrig und nur die Aussicht, sie an unserem Ziel trinken zu können, hält mich aufrecht.

Mein Fuß gleitet auf den kleinen Steinchen, die den felsigen Pfad bedecken, aus. Ich stolpere vorwärts und falle auf ein Knie. Keuchend bleibe ich sitzen – ein Fehler, meine Beine wollen mein Gewicht nicht in die Höhe hieven, geschweige denn mich einen Zentimeter weiter tragen. Tir hat mich fast erreicht, vielleicht hilft er mir hoch.

Ein Schatten mit roten Augen löst sich von dem dunklen Gestein und springt auf mich zu, ich rolle zur Seite und klappe den Schirm zusammen. Das dinoähnliche graue Reptil schlittert über den sandigen Boden und fährt wieder zu mir herum, sprintet mit geducktem Kopf und langem Hals auf mich zu. Ich warte ab, weiche zurück und schwinge den Schirm gegen seinen Schädel. Spitze Zähne sind zu sehen, als das Vieh benommen nach links taumelt. Es faucht mich an und ich mache mich groß und brülle. Eine Sekunde mustert es mich, legt den Kopf schief, dann ist es zwischen den Steinen verschwunden.

Ich sehe mich erneut um, aufmerksamer. „Scheiße", murmele ich. Zwei graue Reptilien springen von einem Felsen herab. Eines erwischt Tir mit seiner Betäubungswaffe, dem anderen schmettere ich den Schirm auf die Nase und mein Bein in die Seite. Ein drittes landet auf Tir und schnappt nach seiner Kehle. Stattdessen bekommt es Tirs Unterarm zwischen die Zähne, bevor es betäubt zusammensackt.

Ich ziehe das Vieh von ihm herunter, sehe blauschwarzes Blut, das Tirs Mantel durchtränkt. Er starrt darauf, seine Augen werden immer größer. Der süßliche Geruch von Wächterblut steigt mir in die Nase. Weiter atme ich durch den Mund. Es ist kein unangenehmer Geruch und gerade das lässt meine Eingeweide rebellieren.
„Okay. Okay okay okay." Ich schlucke ein fünftes ‚Okay' herunter. „Tir, sieh mich an. Wir gehen jetzt zur Höhle. Und dann behandele ich deinen Arm."

Er nickt mir zu, nickt erneut und lässt sich von mir aufhelfen.


Kühle, herrliche Dunkelheit umfängt uns. Momentan kann ich es aber nicht genießen und auch mein Durst ist in den Hintergrund getreten.

Ich helfe Tir aus seinem Mantel und schiebe dann seinen Hemdsärmel hoch. Muss schlucken. Wahrscheinlich ist es besser, dass er sich abgewendet hat – ich würde es jetzt gerne ebenfalls tun. Die Zähne haben sich in seine makellose, weiße Haut gebohrt und oben wie unten eine Reihe blauschwarzer Einstichstellen hinterlassen, aus denen in regelmäßigen Abständen Blut heraussprudelt.

Okay.

Aus meinem Bündel ziehe ich Desinfektionsmittel und Verbandmaterial, entscheide mich dazu, erst einmal nur einen Druckverband anzulegen, bis ich sauberes Wasser zum Reinigen der Wunde habe.

Als ich fertig bin, ziehe ich ihn hoch und vor den Spiegel.

„Was hast du vor?", will Tir leicht benommen wissen. Er sieht fahl aus.

„Wir gehen nach Tursakrit."

Das scheint ihn etwas aus seinem Schock zu reißen. „Da werden sie uns auf jeden Fall erwarten."

„Nein. Es ist ein so offensichtliches Versteck, da werden sie uns eben nicht erwarten. Außerdem kann ich mich da am besten um deinen Arm kümmern."

Einige Sekunden mustert er mich, denkt darüber nach und nickt schließlich.


Ich schließe die Tür zu den Treppenwegen zwischen den Ebenen und befestige die verrosteten Ketten. Das Schloss rastet mit einem satten Klicken ein. Dann führe ich Tir durch das Labyrinth der Wartungstunnel und öffne den Ausgang mit der kopierten silbernen Schlüsselkarte, die Lon mir einmal geschenkt hat. Eine Gasse hinunter, dann kommen wir schon in mein Viertel.

Es trennen uns nur noch wenige Schritte von dem blauen Vorhang mit den zwei lächelnden Sonnen, ich ziehe den Schlüssel aus meiner Hosentasche und löse ihn von dem kleinen Karabiner.

„Zelene, wo warst du gestern, hm?"

Der Schlüssel gleitet mir durch die Finger, ich bekomme ihn gerade so noch zu fassen. „Lon! Schön dich zu sehen." Ich sperre die Tür auf und schiebe Tir herein. Dann schiebt mich Lon hinterher.

„Es war gestern Abend viel los und ich musste für dich einspringen. Schon wieder! Und heute warst du den ganzen Tag wie vom Erdboden verschluckt." Seine Stimme ist eine eigentümliche Mischung aus Besorgnis, Erleichterung und Wut.

„Du erinnerst mich an meine Mom, Lon", murmele ich.

„Wie soll das eigentlich weiter gehen?" Er schüttelt den Kopf, wirft dabei einen Blick hinter mich und hält inne. „Und wer verdammt noch mal ist diese Gestalt da?" Lon drückt sich an mir vorbei zu Tir. „Bist du der Grund, warum sie manchmal nicht zur Arbeit erscheint, hä?"

Tir weicht keinen Zentimeter zurück, blickt unbeeindruckt zu Lon auf. „Ich wüsste nicht, was dich das angehen sollte."

„Was bist du für ein Clown?" Mit einem Schnauben reißt Lon ihm die Kapuze und den Schal herunter. „Versteckst du deine hässliche ... Ach du Scheiße. Bist du ein Reptil?"

Für einen Moment herrscht überrumpelte Stille. „Was läuft eigentlich falsch mit den Leuten hier auf Tursakrit?", jammert Tir. „Ich bin kein Reptil!"

„Ist das eine Mode von den unteren Schichten?" Lon sieht kurz zu mir und mustert ihn dann von oben bis unten. „Mit welchen schrägen Vögeln treibst du dich nur rum, Zel?"

Dies scheint eine perfekte Gelegenheit, mich wieder zwischen den beiden zu positionieren. „Er ist ein sehr guter Freund von mir. Und er kommt nicht von hier, ja. Er hat ein paar Schwierigkeiten, deswegen bleibt er eine Weile bei mir." Sanft übe ich Druck auf Lons Brust aus und er lässt sich tatsächlich Richtung Tür schieben. „Mach dir aber keine Sorgen. Es wäre toll, wenn du in nächster Zeit ein paar Einkäufe für mich erledigen könntest. Urlaub werde ich wohl auch nehmen. Oh, und, wenn du irgendwelche Gestalten siehst, die ... so aussehen, wie er, gibst du mir dann bitte bescheid?" Ich will ihm die Tür vor der Nase zuschlagen, aber sein Fuß blockiert sie. Wäre ja auch zu einfach gewesen.

„Ich gehe nicht weg, bevor du mir nicht erzählt hast, was los ist." So ernst und ruhig habe ich Lon selten erlebt. „Du siehst aus wie eine Irre, Zelene."

Na vielen Dank. Ich fühle mich auch so.
„Ich weiß wie schräg das alles aussieht. Aber ich kann dir nicht mehr sagen. Bitte Lon, vertrau mir." Ich suche seinen Blick, aber der ist fest auf etwas hinter mir gerichtet.

„Wenn du sie in Schwierigkeiten bringst, hast du noch mehr Probleme, klar, Reptil?"

„Ich versuche immer, sie aus Schwierigkeiten herauszuhalten", entgegnet Tir. „Sie zieht sie nur an wie ein Magnet. Aber sie hier einsperren kann ich auch nicht. Das würde sie unglücklich machen."

Sie sehen sich ein paar Sekunden an, dann nickt Lon und wendet sich wieder mir zu. „Ich soll dir vertrauen, ja?", hakt er leise nach. „Er hat recht. Ich kenne dich viel zu gut, um darauf vertrauen zu können, dass du dich von Schwierigkeiten fernhältst. Zelene ... Du kannst mir alles sagen, das weißt du, oder? Aber es ist deine Entscheidung."

Natürlich höre ich den bitteren Ton in seiner Stimme, sehe in seinen Augen, wie resigniert er ist. Aber meinen Mund kriege ich trotzdem nicht auf, sehe ihn nur an, bis er sich übers Gesicht fährt und geschlagen gibt. Ich schließe erst die Tür, als er schon lange in dem Tunnelgewirr verschwunden ist.

Das war's. Das war genau das Krümelchen Erde, das gefehlt hat, um die Trägerbalken bersten und den Stollen einstürzen zu lassen.
Ich gleite an der Flurwand herunter und lasse los, diese Fassade der unerschütterlichen Abenteurerin, die immer genau weiß, was sie tut und alle beschützt, die ihr am Herzen liegen. Tränen rinnen mir die Wangen hinab und das Geräusch, das ich ausstoße, wäre mir an jedem anderen Tag peinlich.

„Zelene?"

Ich wische mir übers Gesicht, schniefe, lache, weil es doch nichts bringt, schüttele den Kopf. „Tut mir leid", bringe ich schließlich hervor. „Das hier und dass ich offenbar so eine Scheißfreundin bin und jedem das Leben versaue."

Tir setzt sich neben mich. Von ihm geht immer eine abnormale Wärme aus, die etwas Tröstendes an sich hat. „Nicht jedem. Nur mir."

Meine Hände verdecken mein Gesicht. „Ich nutze dich nicht aus, Tir. Ich will niemanden ausnutzen. Es tut mir leid. Ich ... Es ..."

Dieses Mal lasse ich es zu, dass er seine Hände auf meine Wangen legt. Er beugt sich nach vorne, bis seine Stirn meine berührt und unsere Nasenspitzen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt sind. Für einen Moment setzt mein Gehirn aus und ich bin noch überforderter als sowieso schon. Seine Augen sind geschlossen, also schließe ich meine auch.

„Ich weiß", murmelt er. „Ich kenne dich doch, Zelene. Und ich verzeihe dir."
So wie er es sagt, klingt es, als würde er mir alles verzeihen – was war, was ist und was sein wird. „Ich bin froh, dass ich dich damals kennengelernt habe. Ich bereue es nicht. Niemals."

Irgendwann beruhige ich mich wieder und öffne die Augen. So nah war ich Tir selten. Nein, eigentlich nie. Wir haben immer einen professionellen Abstand gewahrt. Wir. Er. Ich schlucke, viel zu laut in meinen Ohren. Hoffentlich habe ich keinen Mundgeruch. Ich muss wegen meiner eigenen Dummheit lächeln.

Tir schlägt die Augen auf und scheint sich ebenfalls über diese seltsame Nähe im Klaren zu werden. Das Blau in seinem Gesicht verrät ihn.

„Jungfrau", spotte ich leise und entferne mich lachend von ihm. Ich finde, ich habe das sehr gut gerettet.

Seine Erwiderung ist anders als sonst, er lächelt sogar irgendwie, auch wenn es traurig aussieht. „Ich warte eben auf die Richtige."

„Ich glaube ganz fest, dass du sie finden wirst." Bekräftigend nickend erhebe ich mich und tätschele ihm das weiche Haar. „Das größere Problem wird eher sein, sie von dir zu überzeugen."

„Ja. Dessen bin ich mir schon lange bewusst." Dieses komische Lächeln wird eine Spur breiter und trauriger.

Ich hole zwei Wasserflaschen aus der Abstellkammer und schlurfe zu Tir zurück, der sich nicht bewegt hat. Erneut lasse ich mich zu Boden gleiten, lehne mich an ihn.

Tir. Wann immer ich mir eine Zukunft ausgemalt habe, in der ich alles zurücklasse, war ich doch weiterhin an Tirs Seite. Um ihm beim Bewachen der Grenzen zu helfen. Vielleicht ist es ein bisschen anders, als ich annahm. Anfangs gab es für mich nichts besseres, als das Weltenwandeln, das Entdecken neuer Planeten, Tiere, Pflanzen, Menschen. Mittlerweile gibt es für mich nichts besseres, als das Weltenwandeln an Tirs Seite.

Was für ein dummer Gedanke.

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