2. Flora
Grob überflog ich einige Artikel, doch bezogen sie sich alle wohl nur auf ein offizielles Statement und klangen beinahe Wortgleich.
Ohne das Statement selbst gelesen zu haben, konnte man es auf Grundlage dieser recht gut rekonstruieren.
Die Armee der Übernatürlichen hatte überraschend einen Schritt auf sie zu gemacht und bisher wusste wohl noch niemand wirklich warum.
Tief durchatmend schloss ich die Augen.
Schlecht wäre es ja nicht wenn es klappt.
Frieden...
Aber war es in meinen Augen sehr unwahrscheinlich. Es sind einfach so viele schreckliche Sachen passiert, über die wahrscheinlich keine Seite einfach so vergessen wird.
Allein die Bilder die man in der Presse gesehen hat und die übel zugerichteten Soldaten.
Das alles waren Sachen, die ich niemals vergessen könnte.
Ich öffnete wieder die Augen und seufzte leise.
Rasch tippte ich eine neutrale Antwort an meine Mutter und öffnete dann eine der unzähligen Sprachlernapps auf meinem Handy.
In meiner Schulzeit hatte ich entdeckt, dass ich recht begabt in Sprachen war und wollte in der Schule möglichst viele lernen, doch hatte der Krieg mir einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Nun gab es aber ja in der Modernen Welt mehr Möglichkeiten. So hatte ich mir neben den zwei Fremdsprachen aus der Schule bisher so gut es ging mit den Apps fünf weitere Sprachen angeeignet und war aktuell mit der nächsten beschäftigt.
Portugiesisch.
Wieder eine europäische Sprache nachdem ich mich zuletzt eher mit dem Asiatischen Sprachraum beschäftigt hatte.
Beim lernen, selbst nach so kurzer Zeit, kam sie mir schon unheimlich bekannt vor. Das ich Spanisch schon aus der Schulzeit beherrschte war sicherlich auch ein Vorteil.
Immerhin waren beide Sprachen recht nah beieinander, auch wenn es trotzdem wesentliche Unterschiede gab.
Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. Bevor ich auch nur etwas sagen konnte, wurde die Tür schon aufgeschlagen.
Erschrocken sah ich den Soldaten an, welcher in der Tür stand.
,,Frau Baiden?"
,,Ja...", antwortete ich zögerlich.
,,Mitkommen!", verlangte dieser daraufhin nur.
Verwirrt sah ich ihn an, stand jedoch auf um ihm zu folgen.
Anweisungen des Militärs waren zu Kriegszeiten immerhin immer und unter allen Umständen zu gehorchen.
Mein Handy auf dem Tisch liegend lassend, verließ ich den Raum und schloss die Tür.
Der Soldat legte ein ziemliches Tempo vor und führte mich geradewegs zum Verwaltungsgebäude.
,,Darf ich Fragen, wozu ich hier her soll?"
Doch der Soldat antwortete nicht und lief weiter zu seinem Ziel, ins Gebäude hinnein und die Treppen herauf.
Ich war bisher nur einmal in diesem Gebäude gewesen, an meinem ersten Tag hier. Jedoch nur im Erdgeschoss in einem Büro. Hier oben kam als normaler Mensch eigentlich gar nicht hin.
Als ich sah, wer am Ende der Treppe stand, war ich ehrlich überrascht.
,,Michael?"
,,Hallo Flora", grinste er mir entgegen. Irgendwie hatte ich ein verdammt ungutes Gefühl. Sollte er nicht eigentlich bei den Friedensverhandlungen sein? Dass er jetzt gerade hier war, konnte doch eigentlich nichts gutes heißen.
Ich erreichte das obere Ende der Treppe. Der Soldat salutierte vor meinem Bruder und verließ uns daraufhin.
,,Komm Flora, wir müssen uns unterhalten", sagte er weiter und dirigierte mich zu einem der Büros hier oben.
Vermutlich wäre es normaler gewesen, wenn wir uns auf dem vorhandenen Sofa gesetzt hätten. Doch waren wir eben keine normale Familie und so setzten wir uns, als wären wir eine Art Geschäftspartner, an dem massiven Schreibtisch gegenüber.
Wir schwiegen uns einen Moment an.
,,Also", sagte ich: ,,Was mache ich hier? Einfach so besuchen wolltest du mich sicherlich nicht."
In meinem Kopf ging ich währenddessen schon so manches Horrorszenario durch, warum er jetzt hier war und mit mir sprechen wollte. Es konnte dabei eigentlich doch nur um unseren gemeinsamen Vater gehen. War er verletzt? Gefangen genommen worden? Oder sogar getötet?
,,Da hast du recht. Ich habe selbstverständlich einen Grund warum ich hier bin. Einen von wesentlicher Bedeutung."
Er schob einen erheblichen Stapel Papiere zu mir.
Ich warf nur einen flüchtigen Blick auf das oben aufliegende Titelblatt.
'Friedensvertrag zwischen den vereinigten begabten Wesen und der Menschheit'
Verwirrt sah ich meinen Halbbruder an.
,,Es gibt schon einen Vertrag?", fragte ich ihn. Ich hatte ehrlich nicht damit gerechnet, dass das so schnell voran geht und eine bereits so ausführliche Einigung vorlag. Die Verhandlungen musste also schon etwas länger gehen, als die Allgemeinheit wusste.
,,Seite 18", sagte Michael aber nur schlicht.
Unsicher sah ich kurz zu ihm und blätterte dann auf die entsprechende Seite.
'Übergabe folgender Zivilisten an die vereinigten begabten Wesen: Flora Baiden', las ich als einzigen Inhalt der Seite, welche Ansonsten leer war.
Mein Herz schien kurz auszusetzen.
Entsetzt sah ich Michael an.
,,W-Was...", brachte ich gerade so hervor, bevor ich wieder auf das vor mir liegende Schriftstück sah, um mich zu versichern, dass mein Name da wirklich stand.
,,Du hast also auch keine Ahnung warum zum Teufel dein Name in diesen Vertrag aufgenommen werden musste? Immerhin haben sich diese Viecher geweigert dich raus zu nehmen."
Ungläubig sah ich ihn erneut an.
,,W-Warum?"
,,Das wüsste ich auch gern."
,,W-was wollen die von mir?"
Michael lehnte sich zurück.
,,Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Für einen Verrat an der Menschheit, was mein Berater meinte, wärst du schlicht und ergreifend nicht clever genug. Die einzige Erklärung, die ich habe ist, dass sie herausbekommen haben, dass du biologisch gesehen ein Familienmitglied von mir bist und sie mich so künftig unter Kontrolle halten wollen. Du wärst also eine Geisel... Solche Mafia Methoden passen gut zu diesen 'Dingern'."
,,Was machen wir jetzt?", fragte ich ihn mit einem flauen Gefühl im Magen.
Mit seinen kalten blauen Augen sah er mich an, wirkte fast schon belustigt.
,,Was glaubst du? Das Leben einer Küchenhilfe für das Ende eines Krieges... Jeder würde diesen Deal eingehen."
Ich formte meine Hände zu Fäusten um das Zittern zu unterdrücken und bemühte mich die aufkommenden Tränen herunter zu schlucken.
Eigentlich sollte ich mich noch nicht mal wundern. Außer meinen Eltern kümmerte sich doch niemand um mich und keiner von den Beiden konnte sich für mich einsetzen.
Mein Vater war ja nur ein einfacher Soldat, der trotz seines Alters noch eingezogen wurde und meine Mutter war einfach nur eine normale Zivilistin, die gerade so über die Runden kam.
Michael griff über den Schreibtisch und nahm den Papierstapel wieder an sich.
,,In einer Stunde ist Abfahrt. Du brauchst nichts mitnehmen und daher auch diesen Raum bis dahin nicht mehr verlassen. Nimm es so Schwesterchen, du rettest verdammt viele Leben, wenn das wirklich was wird mit dem Frieden."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro