Regensburg 6
Ihr Vater hatte Geburtstag, Chris lernte bei dieser Gelegenheit Oliver und die vier Kinder kennen, für die der Ausdruck Monster wirklich geschmeichelt war. Sie waren laut, ungezogen und seltsamer Weise furchtbar hässlich!
„Da könnte einem der Kinderwunsch ganz schnell vergehen!" stöhnte Chris bei der Heimfahrt. Sie sah kurz von der Straße weg zu ihm hinüber, was ihn etwas verwunderte, dieser fragende Blick!
„Ja, klar will ich Kinder! Du nicht?"
„Ich habe noch nie darüber nachgedacht!" gestand sie.
„Na, dann wird es aber höchste Zeit! Du weiß, dass deine biologische Uhr tickt!" Er hielt die Hände schützend vor den Kopf. Das gab Prügel, er wusste es genau!
Aber seltsamer Weise blieb die Strafe aus. Sie grinste nur vor sich hin. Das war schön, dass er Kinder wollte! Das war fucking geil! Nicht heute oder morgen, aber so einen hübschen Sohn wie sein Vater, das wäre es!
„Einen Penny für deinen Gedanken!" bot er ihr an.
„Pf! Für einen Penny erfährst du gar nichts!"
„Klar! Ich erhöhe auf einen Euro!"
„Geizkragen!"
„1000 Euro?"
„Besser!" Sie hielt die Hand auf.
Chris lachte. „So viel habe ich jetzt gar nicht dabei! Bekomme ich Kredit?"
„Da muss ich erst mal Tante Agatha fragen, ob du kreditwürdig bist!"
„Zurück zu diesen Monstern? Dann halt lieber am Bankautomaten an!"
Sie fuhr tatsächlich in die nächste Seitenstraße, hielt vor einer Sparkasse. Chris stieg aus, hob brav das Geld ab, überreichte es ihr.
Sie steckte es ein. „Also, ich habe gedacht, dass es gar nicht so schlecht wäre, ein Kind mit dir zu haben!"
Ihm blieb der Mund offen stehen, dann riss er sie in die Arme, knallte mit seinen langen Beinen gegen das Armaturenbrett, aber er spürte keinen Schmerz.
„Na, wenn diese Aussage keine 1000 Euro wert ist!"
Er ließ sich atemlos in seinen Sitz zurückfallen. „Mannomann! Jetzt hat sie mich geflasht, die Süße!" Er wischte sich übers Gesicht. „Also los! Gib Gas! Wir müssen üben!"
Sie lachten beide, bis sie zu Hause waren. „Geld für den Kinderwagen habe ich ja jetzt!" flachste sie.
Er sah sie liebevoll an. Mann, war sie ein Brett!
Im Bett redeten sie über dieses Kind, das irgendwann einmal ihres sein würde. Nicht in diesem Jahr, sicher auch nicht im nächsten, denn zuerst wollten sie ihr Leben zu zweit und ihre Liebe genießen.
„So ein zierliches blondes Töchterchen wäre schon der Hit!" schwärmte er.
„Oder ein großer, kräftiger Sohn, so hübsch wie sein Vater!" konterte sie.
Plötzlich runzelte sich seine Stirn. „Und wenn es nun ein 1,60 kleiner Sohn oder eine knapp 1,90 große Tochter wird?" fragte er.
„Dann tauschen wir es um! Ich glaube, da hat man auch 14 Tage Rückgaberecht!"
„A ja! Das ist praktisch!" Er dachte nach. „Aber nur 14 Tage? Ich wäre für zwei Jahre Gewährleistungspflicht! Stell dir vor, die Tochter wird eine Quasselstrippe wie ihre Mutter!"
Jetzt kam der Knuff! „Es gab mal einen gewissen Chris Sandmann, der sehr froh war, dass ich mit ihm gesprochen habe!"
„Lang, lang ist's her!" Er grinste sie an. „Und jetzt halt die Klappe! Wir haben ein umfangreiches Übungsprogramm zu absolvieren!"
Sie bezweifelte zwar die Notwendigkeit desselben, aber immer musste man Männern auch nicht widersprechen, vor allem im Bett!
Am nächsten Tag rief Andreas an. „Na, immer noch im siebten Himmel?" fragte er.
„Nö! Mindestens im 70sten!"
„Gut! Oder vielmehr schlecht! Denn du solltest langsam herunterkommen auf die Erde. Die Plattenfirma will ein Video zu „Es ist nicht vorbei!" Das geht voll ab, Platz fünf hat es schon in den Charts!"
„Oha! Na, da wird es Zeit für ein Video! Wir kommen morgen, du kannst die Termine blocken!"
Dann erklärte er Sarah, dass sie zurück mussten.
Die fing, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, an zu packen. Das faszinierte ihn wieder einmal. Wie damals, als er ihr den Vorschlag gemacht hatte, ihn auf der Tournee zu begleiten.
Kurz nachgedacht – Koffer gepackt!
Leider war sie bei dem Entschluss, ihn zu verlassen, genauso spontan gewesen!
„Kannst du mir einen Koffer leihen?" fragte er. Er war nur mit wenig Gepäck gekommen, hatte sich bei ihren Streifzügen durch die Stadt einige Sachen gekauft.
„Im Schrank im Gästezimmer!" rief sie ihm zu.
Er stand in dem Zimmer, in dem sie ihm damals Asyl gewährt hatte, sah das Bett, in dem er beschlossen hatte, den wunderschönen Engel zu heiraten, in dem er sie das erste Mal eine Nacht lang im Arm hatte halten dürfen.
Nach vier, fünf Stunden war er schon so nüchtern gewesen, dass er das durchaus genießen konnte.
O ja! Er hatte es sehr genossen!
Grinsend suchte er nach dem Koffer, ging ins Schlafzimmer und packte. Dann rief er schnell Carina an, bat sie, wenn auch unwillig, zu lüften und einzukaufen.
Früher war es ein ganz entspanntes Arrangement zwischen ihnen gewesen, aber in den zwei Monaten ohne Sarah war sie ihm etwas sehr auf die Pelle gerückt!
Aber sie konnte die Kohle gut brauchen, er bezahlte ihr monatlich einen Fix-Betrag, weil er sie auch oft sehr kurzfristig bitten musste, etwas zu erledigen.
Und da schlug eben seine soziale Ader durch.
Am Morgen fuhren sie zwei Stunden später als geplant los, weil sie Prioritäten setzen mussten.
Küssen und ein wenig mehr war immer wichtiger als Pünktlichkeit.
Sarah überlegte kurz, ob sie mit ihrem Auto selbst fahren sollte, dann wäre sie unabhängiger in Hamburg.
Chris sah sie verständnislos an. „Wir hängen doch eh den ganzen Tag zusammen! Wozu brauchst du da dein eigenes Auto?"
„Und wenn du im Studio bist?"
„Ja, erstens gehst du da mit, und wenn nicht, nimmst du halt mein Auto! Eine Frau, die in Syrien mit dem LKW quer durchs Land gefahren ist, wird doch mit einem SUV durch Hamburg kommen!"
Ihr Jahr in Syrien machte ihn einerseits atemlos vor nachträglicher Angst um sie, andererseits aber durchaus auch fassungslos stolz auf sein taffes Mädchen. 20 war sie da gewesen, schon eine erfolgreiche Autorin und Studentin der Germanistik, als sie es sich in den Kopf gesetzt hatte, ein Jahr in die Flüchtlingshilfe zu gehen.
Ihre Eltern hatten ihr erklärt, dass es ihnen zwar große Angst machte, dass sie aber auch verstehen konnten, wenn sie den Weg gehen musste, den sie als den ihren ansah.
Dann zog das Mädchen aus schwerreichem Haus los, hauste in Ruinen, aß Raupen und Würmer, wenn es welche gab, verband Wunden, rettete Kinder aus Trümmern, unterrichtete sie, wenn sie lange genug an einem Ort bleiben konnte.
Bei diesem Aufenthalt entstand eine Fotoreportage, die für den Pulitzerpreis nominiert gewesen war. Am Ende hatte natürlich ein amerikanischer Bewerber gewonnen, aber so eine Nominierung war schon auch der Hammer. Er hatte erst vor kurzem davon erfahren, als er die zahlreichen gerahmten Urkunden im Arbeitszimmer näher angesehen hatte.
Warum liebte diese Frau ihn? dachte er kurz. Sie hätte jeden haben können. Abends fragte er sie danach.
„Du bist der erste gutaussehend Mann, dessen Macken ich ertragen kann!" hatte sie ihm lachend hingeknallt.
„Was habe ich denn für Macken!" wies er weit von sich.
Sie lachte. „Du....du...du....!" Dann hatte sie ihn verblüfft angesehen. „Du hast echt keine Macken!"
„Dann bin ich entweder nicht gutaussehend, oder du musst deine Theorie revidieren!" hatte er geantwortet.
„Also, ersterem widerspreche ich energisch! Und das andere ist ja mittlerweile egal!"
Nie hatte ihn ein Satz glücklicher gemacht!
Nun saßen sie also in seiner Luxuskarre, für die er sich nur manchmal etwas schämte und fuhren in ihr zweites gemeinsames Zuhause.
„Und du bist echt in den Charts auf 5?" Das war für eine deutschsprachige Ballade schon etwas Besonderes.
„Yep! In Österreich auf 4 und der Schweiz auch. In Dänemark auf 6!"
Sie mochte sein Selbstbewusstsein. Er wusste, er war gut, und es war sein Song! Er hatte ihn geschrieben! Er hatte allen Grund, stolz auf sich zu sein.
„Und – Paul Miller hat angefragt, ob er das Lied in Englisch aufnehmen könnte!" Diese Info hatte er sich noch aufgespart.
„Wow!" Sie war platt. „Aber der ist so hässlich!" entfuhr es ihr.
Chris lachte. „Aber er kann gut singen und hat einen Riesenlauf zur Zeit!"
„Was ihn nicht hübscher macht! Aber er ist eh schwul, da kann es mir ja egal sein, wie er aussieht!" stellte sie zufrieden fest.
„Bist du homophob?" zog er sie auf.
„Nö! Gar nicht! Ich bin höchstliberal!" wehrte sie ab. „Bei dir hätte es mich allerdings sehr gestört!"
Er hielt sich den Bauch vor Lachen. „Na, da brauchst du dir keinerlei Sorgen zu machen! Ich bin sehr hetero!"
Die Fahrt verging wie im Flug. Sie zogen sich auf, lieferten sich Gefechte vom Feinsten.
Sie machten einen Stop, um sich die Bäuche mit ungesundem Fastfood vollzuschlagen, sie lachten, sie tankten, sie küssten sich und sie fummelten ein wenig.
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