Kapitel 20
Regensburg 2
Da klingelte das Handy. Ihre Eltern! Geburtstag! Da musste sie rangehen.
Zu ihrer Überraschung war schon wieder ihr Vater dran.
„Hey! Du wirst ja noch zum Telefon-Junkie!" zog sie ihn auf.
Er lachte. „Ja, deine Mutter war der Meinung, wir dürften euch nicht stören! Aber so weit kommt es noch, dass mir ein anderer Mann erst meine Tochter klaut, und ich ihr dann nicht einmal zum Geburtstag gratulieren darf! Also, Kleine, die allerherzlichsten Glückwünsche! Ich hoffe, wir holen die Feier nach, sonst trage ich die 2000 Geschenke wieder zurück!"
Sarah hatte auf Lautsprecher geschaltet. Chris lachte leise. Jetzt wusste er auch, woher die Süße ihren Wortwitz hatte! Er machte ein Zeichen, dass die Eltern doch kommen könnten.
Sie gab die Einladung gleich weiter. „Also, wenn ihr etwas zu essen mitbringt, könnt ihr vorbeischauen!"
„In einer halben Stunde sind wir da!" sagte ihr Vater und legte auf.
Sarah begann zu lachen. „Was ist denn mit dem los? Der ist ja aufgekratzter als ich es bin!"
„Vielleicht freut er sich über männliche Verstärkung in der Familie!" vermutete Chris.
„Das wird es sein!"
Sie zogen sich um, besser getrennt voneinander.
„Aber einen Anzug habe ich nicht dabei!" rief er ihr aus dem Gästezimmer zu.
„Oh! Nicht? Dann muss ich sie wieder ausladen! Das geht gar nicht! Meine Eltern legen sehr viel Wert auf angemessene Kleidung!"
Aber sie musste kichern. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie die beiden zuletzt in etwas anderem als Jeans gesehen hatte.
Wahrscheinlich bei der Beerdigung ihrer Großmutter vor Jahren.
Chris war erleichtert, dass sie auch ganz leger gekleidet war. „Du hast mich gefoppt! Gestehe, du foppendes Biest!"
„Warte, bis du sie siehst!" antwortete sie nur.
Er hielt etwas in der Hand. „Dreh dich mal um!" bat er und schloss eine Kette um ihren Hals. „Du hast etwas vergessen bei mir!" flüsterte er.
Sie fasste nach dem Anhänger. „Mein Herz!" hauchte sie. „Beide Herzen!"
Er nahm sie fest in die Arme. „Dafür hast du meines mitgenommen!"
„Und jetzt sind alle Herzen wieder am richtigen Platz, oder?" fragte sie.
„Ja, Zeit ist es geworden! Viel länger hätte ich nicht überlebt!"
In diesem innigen Augenblick läutete es.
„Lasst euch nicht stören! Wir haben den Schlüssel dabei!" hörte sie ihren Vater rufen. Wieder schüttelte sie den Kopf. Der war echt gut drauf heute!
So konnten sie sich in aller Ruhe die Glückstränen von den Wangen küssen, und dann noch die Salzspuren von den Lippen. Das dauerte schon seine Zeit!
Als sie schließlich nach unten kamen, hatten es sich die Eltern schon im Wohnzimmer bequem gemacht, das Essen stand auf dem Esstisch. Daneben türmte sich ein Berg von Geschenken.
Sie fielen Sarah um den Hals, küssten sie ab, beglückwünschten sie.
Sarah dreht sich zu Chris um, der etwas abseits stehen geblieben war, die Eltern überrascht angesehen hatte.
Beide sehr gutaussehend, in edle Jeans und Shirts gekleidet.
Der Vater groß, schlank, durchtrainiert.
Die Mutter ein Ebenbild Sarahs, nur ein wenig älter.
Sie hielten sich schon wieder im Arm wie Frischverliebte.
„Und das, meine herzallerliebsten Eltern, ist er also: Der unvergleichliche Chris Sandmann!" Und zu Chris sagte sie: „Ich muss heute ein bisschen aufpassen! Mama ist schwer verliebt in dich!"
„Sie ist ein freches Biest!" merkte ihre Mutter an. „Aber wir lieben sie so, wie sie ist!"
„Hallo, ich bin Birgit, und der Mann an meiner Seite ist Tom! Bleiben wir doch gleich dabei und beim du!"
„Gern!" antwortete er, nahm sie in den Arm, küsste sie auf die Wangen. Als er sie losgelassen hatte, fasste sie sich theatralisch ans Herz. „O Gott!"
Dann sah sie ihn schmachtend an. „Haben wir uns schon begrüßt! Ich bin Birgit!" Lachend wiederholte er die Zeremonie.
Na, bei diesen Eltern war das Ergebnis Sarah nun wirklich keine Überraschung mehr! dachte er.
Tom klopfte Chris auf die Schulter „Hallo! Beide Frauen musst du mir nicht klauen! Du wirst mit ihr genug zu tun haben!" Sein Kopf deutete auf seine Tochter, auf die er sehr stolz war.
Er hätte es zwar gerne gesehen, wenn sie sich den Naturwissenschaften zugewandt hätte, aber nach ihrem ersten Buch war ihm schon klar, dass das eine unheimliche Verschwendung von Talent gewesen wäre.
„Ich weiß!" antwortete Chris, der aus dem Lachen nicht mehr herauskam.
Sarah hatte sich einstweilen mit ihren Geschenken befasst. Sie war es gewohnt, dass es immer Mengen davon gab. Das ganze Jahr über achteten die Eltern darauf, was sie so alles erwähnte, was ihr gefiel. Dann zog die Mutter gleich los und besorgte es.
In diesem Jahr war es eine Smart-Uhr, ein neuer Toaster, ein paar hübsche Nachthemden, Bücher, CDs, drei paar Schuhe, die sie in einem Katalog bewundert hatte, Ohrringe, ein Bettelarmband, ein neues Diktiergerät und eine Digitalkamera.
„Puh!" rief Sarah aus. Und zu Chris sagte sie. „Die spinnen, die Eltern!"
Lachend und überglücklich machten sich alle über das Essen her, das ihre Mutter am Vortag gemacht hatte, in der Hoffnung, dass der Tochter Besuch recht wäre.
„Super!" lobte Chris. „Lasagne! Meine Leibspeise!"
Tom lachte. „Mein Augenstern hat eine Stunde im Netz gesurft, um das rauszukriegen!"
Sarah sah beleidigt drein. „Da schau her! Ich habe Geburtstag, und er kriegt sein Lieblingsessen! Meinst wohl, Liebe geht durch den Magen!"
Chris legte tröstend seine Hand auf ihre. „Armes, vernachlässigtes Mädchen! Was ist denn deine Lieblingsspeise?"
„Lasagne!" prustete sie los.
Birgit lachte mit ihr mit. „Sag ich doch: Ein freches Biest!"
„Von wem sie das wohl hat?" stellte Tom zur Diskussion.
Es wurde das lustigste Abendessen, das Chris je hatte genießen dürfen.
„Ihr müsste uns einmal in Hamburg besuchen! Meine Familie wird euch lieben!" stieß er zwischen zwei Lachanfällen hervor.
„Wann?" fragte Birgit, und Tom verdrehte die Augen. Sein spontanes Mädchen! Immer noch für jeden Blödsinn zu haben.
Chris war jetzt doch etwas überfahren. Hilfesuchend sah er seine Süße an.
„Na, so in fünf Jahren?" schlug sie vor. „Dann kann ich euch wieder einmal ertragen!"
„Gut! Termin notiert!" erklärte Birgit ungerührt. „Vorher wäre es eh knapp geworden!"
Um zehn verabschiedeten sie die Eltern. „Wir feiern immer noch zu zweit den Glückstag, als unser Sonnenschein zur Welt gekommen ist. Mein Mann war wohl einer der ersten Väter, die bei der Geburt dabei waren!" erklärte ihre Mutter.
Tom küsste sie mit Tränen in den Augen. „Und diesen Tag werde ich auch nie vergessen! Deshalb ist es mir ja auch immer so wichtig, dass ich sie sehe am Geburtstag!"
Als sich die Türe hinter ihnen geschlossen hatte, nahm Chris Sarah in den Arm.
„Na, du hast aber auch die Eltern bekommen, die du verdient hast! Und sie die Tochter!"
Er ließ sich aufs Sofa fallen. „Gut, da brauche ich nicht mehr ins Fitnesscenter! Meine Bauchmuskeln sind genug trainiert. Mit meinen Armmuskeln kriegen wir das auch in Griff, wie ich vermute!" Er küsste sie leidenschaftlich.
Sie hatten sich zwar nicht wirklich zurückhalten müssen, die Eltern klebten auch den ganzen Abend zusammen.
Aber so ganz frei waren sie dann doch nicht, vor allem er vor den Schwiegereltern
Als er wieder zu Atem gekommen war, musste er sie ein wenig ausfragen.
„Sie war sehr jung, deine Mutter als sie dich bekommen hat, oder?"
Sarah grinste. „18! Kurz vor dem Abi. Er war ihr Physiklehrer. Er ist dann von der Schule geflogen, was aber sein Glück war. Kohle hatten seine Eltern genug, sie haben Mama und mich sehr liebevoll aufgenommen. Daddy hat seinen Doktor gemacht, ist in die Forschung und Lehre gegangen und ein recht anerkannter Physiker geworden."
Er schüttelte den Kopf. Bei dieser Familiengeschichte war es auch kein Wunder, dass sie Schriftstellerin geworden ist.
„Und deine Mutter?"
Sie zuckte mit den Schultern. „War leidenschaftliche Mutter und Ehefrau, ein Fulltimejob. Dann noch geliebte Schwiegertochter, aber verstoßene Tochter. Als ich in die Schule kam, hat sie sich in die Stiftung der Schwiegereltern eingebracht, wurde bald Schatzmeisterin, weil sie echt ein Köpfchen hat für Zahlen."
Chris schüttelte wieder den Kopf. Das war ja ein gelebter Roman!
„Womit haben deine Großeltern ihr Geld gemacht?" Er wusste, dass sie ihn nicht für neugierig hielt, er interessierte sich nur für alles, was sie betraf.
„Die von Steinhausen-Bank sagt dir was?"
Er schlug sich vor den Kopf. „Ja! Klar! Die Sozialbank!" Er hatte im letzten Jahr einen Bericht im Fernsehen gesehen.
Die Bank in vierter Generation, deren vorletzte Besitzer ein ganz bestimmtes System eingeführt hatten. Das mussten dann ihre Großeltern gewesen sein.
Leute mit geringem Einkommen zahlten einen viel niedrigeren Zins, der teilweise gegen Null ging, Firmen und Reiche, die spekulieren wollten, einen höheren.
Für Sparguthaben von Kindern gab es bis zu einem gewissen Betrag hohe Zinsen, ebenso wie für Langzeitsparpläne zur Altersvorsorge.
Das System schien allen Gesetzen des Marktes zu widersprechen, funktionierte aber so gut, dass eine Stiftung gegründet worden war, die sich um benachteiligte Jugendliche in der Stadt kümmerte.
„Und wer leitet die Bank jetzt?"
„Meine Tante Agatha! Ui, der muss ich dich mal vorstellen!" Sarah musste lachen. Sie baute sich vor ihm auf, zwickte die Augen zusammen, durchbohrte ihn damit streng.
„Junger Mann, Sie sehen ja ganz ansprechend aus. In welcher Branche sind Sie denn tätig?
Aha, in der Musikbranche. Sie leiten also einen Musikverlag? Haben Sie schon mal an Investitionen in die Zukunft gedacht? Das ist ausgesprochen wichtig! Ich arbeite Ihnen mal einen Finanzierungsplan aus.
Ach! Sie machen Musik! Ein weltberühmter Geiger oder Pianist? Da müssen Sie unbedingt an eine Altersvorsorge denken. Ich kann Ihnen gerne einmal ein Angebot zukommen lassen.
Ach! Gitarre - und Sie singen! Und Sie leben mit meiner Nichte zusammen? Na ja! Die verdient ja mit ihren Büchern ganz ordentlich. Da müssen Sie sich keine Sorge machen. Aber geben Sie nicht das ganze Taschengeld aus, das sie Ihnen gibt. Wir können da was deichseln, dass es als Konto eines Minderjährigen läuft, dann kann ich Ihnen acht Prozent Zinsen bieten."
Chris rollte lachend über das Sofa. Er wusste nicht, ob er diesen Tag überleben würde! Sie war zum Brüllen komisch!
Sie war... sie war.... sie war sein Leben!
Plötzlich hörte er auf zu lachen, Tränen schossen in seine Augen. Er sprang auf, presste sie an sich, klammerte sich an sie.
„Mein Gott, Sarah! Und ich hätte dich beinahe verloren!" stöhnte er und ließ die Tränen laufen.
„Ja! Tante Agatha nicht kennen zu lernen, wäre echt ein harter Verlust gewesen!" scherzte sie, aber ihre Stimme klang auch belegt.
Er lachte und heulte und heulte und lachte.
„Was hättest du gemacht, wenn ich gestern nicht rangegangen wäre?" fragte sie leise.
„Ich wäre runtergefahren, ich hatte das schon vorgehabt! Ich wollte dich nach dem Besuch bei meinem Vater einfach nach Hause holen. Der Anruf war nur noch Gewohnheitssache."
„Und wenn ich nicht aufgemacht hätte?"
„Hätte ich vor deinem Haus kampiert!"
„Und wenn ich wirklich nichts mehr von dir hätte wissen wollen?" Ihre Stimme war fast nicht mehr zu hören.
„Wäre ich gestorben!" Und er schwindelte sie nicht an. Er hätte eine dauerhafte Trennung nicht überlebt, das war sicher.
„Puh! Was für dumme Gedanken!" Sie schüttelte sich.
„Heute ist halt Vergangenheitsbewältigungstag!" stellte er fest. „Morgen ist dann Zukunftstag."
„Oder Gegenwartstag?" schlug sie vor.
„Noch besser!" Er streichelte ihr Gesicht. „Du bist so verdammt hübsch! Da ist es ja kein Wunder, dass ich durchdrehe!"
„Drehst du denn durch?"
„Und wie!"
„Und was machst du, wenn du durchdrehst?" Sie schmiegte sich eng an ihn.
„Wenn du dich so an mich drückst, nicht mehr sehr viel!" warnte er sie. Er hob sie auf seine Hüften, stieg mit ihr nach oben. Sanft legte er sie aufs Bett, sah sie eine Weile nur an. Alles an ihr war perfekt. Und sie war angezogen! Vollständig! Und war trotzdem so erregend schön, dass sein Herz fast stehen blieb.
„Du hast eindeutig zu viel an! Wie wäre es mit einem Strip?" schlug er vor.
„Ich habe.. "Sie sah auf die Uhr. „noch eine Viertelstunde Geburtstag! Wie wäre es mit einem Strip von dir?"
„Okay!" Und er erfüllte ihren Wunsch, als hätte er sein Leben lang nichts andere gemacht!
„Puh!" stöhnte sie. „Das machen wir jetzt öfter!"
„Einmal im Jahr!" gestand er zu. „Und jetzt du!"
Er hauchte „Je t'aime" von Jane Birkin. Sie zog sich langsam aus. Er brachte die letzten Töne und Worte etwas durcheinander.
Dann zog er sie auf sich, streichelte ihren Rücken, bis sie nicht mehr ertragen konnte und sich auf ihn setzte, ihn in sich aufnahm.
„Ja! Reite mich, Süße! Das kannst du perfekt! Wie alles!" Seine Stimme war nur noch ein abgehacktes Flüstern.
Sie explodierten in einem rasenden Rausch.
Irgendwann überlebe ich diese Lust nicht! dachte er.
Dann war es genug an Emotionen für beide. Sie schliefen engumschlungen ein.
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