Kapitel 8
Ein paar Tage später betrat Cassian das Zaubertränkeklassenzimmer, wo Harry bereits an einem der Tische saß und sich in seine Notizen vertiefte. Er sah auf, als Cassian hereinkam, und grinste leicht.
»Hey, Cass«, sagte er locker. »Bereit für eine weitere Stunde Nachhilfe?« Cassian nickte und setzte sich neben Harry, seine Gedanken waren jedoch nicht ganz bei den Tränken. Er war noch immer etwas überwältigt von der Aufregung des Vortags – seinem Geburtstag. Es war das erste Mal seit Jahren, dass er wirklich das Gefühl gehabt hatte, dass es für jemanden von Bedeutung war. Er hatte nie großen Wert auf solche Anlässe gelegt, doch diesmal war es anders gewesen, den diesmal war sein Vater dagewesen und Cassian nicht weit weg in Beauxbatons.
»Ach, übrigens«, begann Harry, während er in seine Tasche griff, »ich hab da was für dich.« Er zog ein kleines, sorgfältig verpacktes Paket heraus und schob es Cassian mit einem breiten Grinsen hinüber. Dieser blinzelte verwundert und sah Harry an.
»Ein Geschenk? Für mich?«
»Natürlich«, sagte Harry und zuckte mit den Schultern, als wäre es das Normalste der Welt. »Andrew hat ja gestern laut genug im Gemeinschaftsraum für dich gesungen. Ich glaube, es war unmöglich, nicht zu wissen, dass du Geburtstag hattest.« Cassian lachte leise und schüttelte den Kopf.
»Ja, das war... ein bisschen peinlich«, gab er zu. »Aber ich habe nicht erwartet, dass du mir etwas mitbringst.« Harry zuckte erneut mit den Schultern und lächelte.
»Es ist nicht viel, aber ich dachte, es könnte dir gefallen.« Cassian nahm das kleine, rechteckige Päckchen entgegen und begann es vorsichtig auszupacken. Unter dem Papier kam eine schmale, kunstvoll geschnitzte Schatulle zum Vorschein. Sie war aus dunklem Holz gefertigt, mit feinen, filigranen Mustern auf dem Deckel. Er öffnete sie vorsichtig, und sein Atem stockte für einen Moment, als er sah, was darin lag: Ein wunderschöner, silberner Federkiel, an dessen Spitze ein kleiner schwarzer Edelstein funkelte. Cassian sah Harry an, verblüfft.
»Der ist wunderschön«, sagte er. Harry nickte leicht und lehnte sich zurück.
»Es ist mehr als nur ein Federkiel«, erklärte er. »Ich habe mit Hermine darüber gesprochen – es ist verzaubert. Damit kannst du... wie soll ich sagen... deine Gedanken festhalten, auch wenn du sie noch nicht vollständig formuliert hast. Es hilft dir, deine Ideen klarer zu fassen. Ich dachte, du würdest das nützlich finden.« Cassian sah den Federkiel an, und ein kleines Lächeln schlich sich auf sein Gesicht.
»Harry, das ist... unglaublich«, sagte er leise, als er den Kiel in die Hand nahm und das Gewicht spürte. »Ich... weiß gar nicht, was ich sagen soll. Es ist perfekt.«
»Du musst nichts sagen«, antwortete Harry, etwas verlegen über das Lob. »Ich dachte nur, es könnte dir gefallen. Du bist doch immer so viel am Schreiben und Nachdenken.« Cassian drehte den Federkiel in den Händen und bewunderte die feine Handwerkskunst. Er fühlte, dass dieses Geschenk mehr als nur ein nützliches Werkzeug war – es war etwas Persönliches, ein Zeichen dafür, dass Harry ihn wirklich verstanden hatte.
»Es bedeutet mir viel«, sagte er ehrlich und sah Harry in die Augen. »Danke, wirklich.« Harry lächelte leicht, und für einen Moment schien eine stille Übereinkunft zwischen ihnen zu herrschen – eine, die nichts mit Zaubertränken oder Quidditch zu tun hatte, sondern mit einer wachsenden Freundschaft und etwas mehr, das sich zwischen ihnen entwickelte. Cassian legte den Federkiel behutsam in die Schatulle zurück und schloss sie, als ob er ein wertvolles Geheimnis bewahren würde.
»Ich werde ihn gut nutzen«, versprach er leise und sah Harry dankbar an.
»Ich bin sicher, dass du das tust«, erwiderte Harry, ehe er lächelnd hinzufügte: »Aber jetzt lass uns sehen, ob du mir auch mit diesem Heiltrank helfen kannst.«
Während Cassian und Harry gemeinsam über den dampfenden Kessel gebeugt arbeiteten, herrschte eine konzentrierte Stille im Raum. Der Duft der verschiedenen Zutaten füllte die Luft, und Cassian ließ routiniert seine Hände über die verschiedenen Fläschchen und Dosen gleiten. Ohne groß darüber nachzudenken, sprach er beiläufig: »Wusstest du eigentlich, dass meine Mutter eine gute Freundin deiner Mutter war?« Harrys Hand, die gerade dabei war, eine Zutat abzuwiegen, erstarrte mitten in der Bewegung. Er blinzelte und sah Cassian an, als könnte er nicht glauben, was er gerade gehört hatte.
»Was?«, fragte er, seine Stimme leise und zögernd. Cassian bemerkte Harrys Schock und hielt ebenfalls inne, drehte sich etwas zu ihm um.
»Ja«, sagte er ruhig, als ob es das Selbstverständlichste der Welt wäre. »Meine Mutter war Mary McDonald. Sie war mit Lily Evans, also deiner Mutter, befreundet. Ich hab das auch erst vor kurzem erfahren. Ich habe meinen Vater endlich nach meiner Mutter gefragt, weil ich so wenig über sie wusste.« Harry schwieg, während er diese Informationen verarbeitete.
»Mary McDonald...« murmelte er schließlich. Es war seltsam, so viel über seine Eltern zu hören, von denen er eigentlich kaum etwas wusste. Seine Brust zog sich zusammen, als ihm wieder bewusst wurde, wie wenig er tatsächlich von seiner Vergangenheit, von seiner Familie kannte. Cassian, der Harrys plötzliche Stille bemerkte, zögerte.
»Ich... habe ihn gefragt, wie sie zueinanderstanden. Und er hat mir erzählt, dass sie in Hogwarts befreundet waren. Aber auch, dass es einen Vorfall gab... meine Mutter wurde von einem Slytherin, Mulciber, angegriffen. Das hat ihre Freundschaft belastet, weil mein Vater damals... na ja, er hat es runtergespielt, vor deiner Mutter. Das hat sie sehr verletzt.« Harry hörte aufmerksam zu, obwohl er immer noch ein wenig sprachlos war. Cassians ruhige, ernste Stimme ließ ihn erkennen, dass das für Cassian auch neu war – und ebenso schwer zu verdauen.
»Später«, fuhr Cassian fort, »haben meine Mutter und mein Vater sich wieder getroffen, nach ihrem Abschluss. Ihr ging es damals ziemlich schlecht. Mein Vater hat ihr geholfen, aber es war keine Liebe. Sie... haben miteinander geschlafen, und dabei wurde ich gezeugt. Das ist so ziemlich alles, was ich über sie weiß.« Er sah Harry nachdenklich an. »Es ist komisch, dass ich so lange fast nichts von ihr wusste.« Harry starrte auf die Zutaten vor sich und fühlte, wie eine merkwürdige Mischung aus Neid und Bedauern in ihm aufstieg.
»Ich... weiß eigentlich fast gar nichts über meine Eltern«, sagte er leise, fast widerwillig. »Außer, dass ich angeblich die Augen meiner Mutter habe. Und ehrlich gesagt...«, er seufzte tief, bevor er mit einem leichten Anflug von Frustration hinzufügte: »Das höre ich ständig, und es nervt mich inzwischen.« Cassian sah ihn neugierig an, aber sagte nichts, ließ Harry einfach weitersprechen.
»Sirius... mein Pate... hat nie wirklich über meine Eltern gesprochen«, fuhr Harry fort, seine Stimme traurig und brüchig. »Es schien ihm immer zu weh zu tun. Und jetzt, wo er nicht mehr da ist...«, er hielt inne und schluckte schwer. »Es gibt so viele Dinge, die ich über sie wissen möchte, aber ich bekomme einfach keine Antworten. Remus ist da nicht anders. Es ist, als wäre ihre Vergangenheit ein Buch, zu dem mir die Seiten fehlen.« Cassian nickte langsam. Er konnte verstehen, wie es Harry gehen musste.
»Es ist schwer, wenn man das Gefühl hat, dass die Menschen, die man liebt, für immer unerreichbar bleiben«, sagte er leise. »Ich kenne das auch. Meine Mutter... sie war nie wirklich für mich da. Aber manchmal frage ich mich, was für ein Mensch sie wirklich war, bevor alles schiefging.« Harry sah auf, seine grünen Augen trüb vor Nachdenklichkeit.
»Ich wünschte, ich könnte mehr über meine Eltern erfahren. Wer sie wirklich waren. Nicht nur die Geschichten, die alle wiederholen. Ich möchte wissen, was sie gefühlt haben, wie sie waren... als Menschen. Nicht als... Helden oder Figuren in einer Geschichte.« Cassian nickte verständnisvoll.
»Ich verstehe, was du meinst. Vielleicht gibt es jemanden, der dir doch mehr erzählen kann. Vielleicht musst du nur die richtigen Fragen stellen.« Harry seufzte erneut und zuckte dann leicht mit den Schultern.
»Vielleicht. Aber irgendwie... fühlt es sich manchmal so an, als ob ich sie nie wirklich kennen werde.« Er ließ den Blick auf den Trank in ihrem Kessel sinken und starrte auf die leise blubbernde Flüssigkeit. »Aber ich denke, damit muss ich leben.« Cassian spürte, wie tief diese Gedanken in Harry verwurzelt waren. Er hatte immer gewusst, dass Harry eine schwere Vergangenheit hatte, aber erst jetzt begann er zu verstehen, wie sehr ihn die Unsicherheiten über seine Eltern belasteten.
»Es ist nie zu spät, mehr herauszufinden«, sagte Cassian leise. »Weißt du, vielleicht solltest du mit meinem Vater reden. Er und deine Mutter waren ja gute Freunde... vielleicht könnte er dir etwas über sie erzählen, das du noch nicht weißt.« Harry hielt mitten in seiner Bewegung inne und sah Cassian mit einem bitteren Lächeln an.
»Snape? Mir etwas über meine Mutter erzählen?«, er lachte leise, und in dem Lachen lag mehr Frustration als Humor. »Er hasst mich, Cass. Glaub mir, Snape wird mir nie etwas über sie erzählen.« Cassian spürte den Schmerz und die Bitterkeit in Harrys Worten, aber er ließ sich nicht so leicht abwimmeln.
»Ich weiß, dass er sich oft so verhält«, sagte er vorsichtig, »aber... mein Vater ist nicht so kalt, wie er oft tut. Er hat mir selbst einiges über deine Mutter erzählt. Ich glaube, dass er sie sehr geschätzt hat.« Er sah Harry eindringlich an. »Er ist stur, das stimmt. Aber am Ende tut er oft das Richtige, auch wenn es ihm schwerfällt.« Harry blickte Cassian mit einem gemischten Ausdruck an.
»Glaubst du wirklich, er würde mit mir darüber reden?«, fragte er skeptisch. »Er... er sieht mich doch nur als eine Kopie meines Vaters. Er hat es mir oft genug zu verstehen gegeben.« Cassian seufzte und lehnte sich leicht zurück.
»Ich weiß, dass mein Vater dich anders sieht, weil er immer an James Potter denkt, wenn er dich ansieht. Aber... ich denke, es gibt eine Seite von ihm, die erkennt, dass du nicht dein Vater bist. Wenn du ihn wirklich fragst – und vielleicht auf die richtige Weise – könnte er dir mehr erzählen. Ich glaube, es würde ihm auch guttun, sich das von der Seele zu reden.« Harry senkte den Blick und starrte auf den Trank vor ihnen, der leise blubberte. Er schien die Worte in sich aufzunehmen, wog sie ab, während die Minuten verstrichen. Schließlich seufzte er tief und zuckte leicht mit den Schultern.
»Vielleicht hast du recht«, sagte er zögerlich. »Aber... ich brauche Zeit. Es ist nicht leicht, Snape um so etwas zu bitten. Die Vorstellung, dass er mir helfen könnte...«, er stockte, und ein leichtes Grinsen zog über sein Gesicht, bevor es wieder verschwand. »Es ist schwer, das zu glauben.« Cassian lächelte verständnisvoll.
»Ich verstehe das. Und du musst es nicht sofort tun. Aber überleg es dir. Manchmal sind die Menschen nicht so, wie wir sie uns vorstellen. Vielleicht überrascht er dich.« Harry nickte langsam, aber er schien immer noch tief in Gedanken versunken zu sein. Die Vorstellung, Severus Snape um Hilfe zu bitten, war für ihn eine große Hürde, und Cassian konnte das nachvollziehen. Doch er hoffte, dass Harry eines Tages den Mut finden würde, diesen Schritt zu gehen.
»Danke«, sagte Harry schließlich leise, und in seiner Stimme lag mehr Dankbarkeit, als Cassian erwartet hatte. »Für den Rat. Und für... alles.«
»Jederzeit«, erwiderte Cassian mit einem warmen Lächeln.
Die Wochen vergingen wie im Flug. Cassian und Harry verbrachten immer mehr Zeit miteinander – sei es bei der Nachhilfe oder beim Quidditch-Training. Doch auch abseits dieser Verpflichtungen suchten sie zunehmend die Gesellschaft des anderen, als ob eine unausgesprochene Vertrautheit sie verband. Es war nicht mehr nur die gemeinsame Arbeit, die sie zusammenführte, sondern die pure Freude an der Nähe des jeweils anderen. Kurz vor den Weihnachtsferien war Harry erneut mit Cassian zur Nachhilfe verabredet. Er stieg gerade die Treppe in den Gryffindor-Gemeinschaftsraum hinunter, als er auf Hermine, Ron und Ginny traf, die sich in einer der gemütlichen Nischen unterhielten. Hermine las, Ginny hatte sich halb auf der Couch ausgestreckt, und Ron hielt einen Schokofrosch in der Hand, den er gerade mürrisch auspackte.
»Wieder zu Cassian?«, fragte er, als Harry an ihnen vorbeigehen wollte. Er warf seinem Freund einen leicht enttäuschten Blick zu. »Ich meine, er ist echt okay, aber ... fühl mich irgendwie vernachlässigt. Du weißt schon, als bester Freund.« Hermine und Ginny tauschten einen schnellen, wissenden Blick und grinsten sich an, als hätten sie längst bemerkt, was Ron noch nicht erfasst hatte. Harry hielt inne und sah seinen Freund entschuldigend an.
»Tut mir leid, Ron«, sagte er und zuckte leicht mit den Schultern. »Aber ich brauche wirklich die Nachhilfe. Ich hab bei Slughorn immer noch das Gefühl, nicht wirklich mitzukommen.« Ron schnaubte leicht, doch er schien Harrys Erklärung zu akzeptieren.
»Schon gut. Aber irgendwann musst du dir auch mal wieder Zeit für uns nehmen. Immer nur Zaubertränke mit Cassian – kein Wunder, dass du dich kaum noch für andere Dinge interessierst.« Ginny schüttelte den Kopf und grinste.
»Ach, Ron. Ich glaube, es geht nicht nur um Zaubertränke.« Harry warf Ginny einen scharfen Blick zu, der aber nur dafür sorgte, dass ihr Grinsen noch breiter wurde. Hermine lachte leise und blickte Harry über den Rand ihres Buches hinweg an.
»Komm schon, Harry«, neckte Ginny, »du und Cassian verbringt wirklich viel Zeit zusammen. Das fällt schon auf.« Harry fühlte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss.
»Es ist nur Nachhilfe«, erwiderte er hastig, aber er spürte selbst, dass das nicht mehr die ganze Wahrheit war. Er genoss Cassians Gesellschaft, weit mehr, als er sich eingestehen wollte. Es war eine seltsame Vertrautheit zwischen ihnen entstanden, die sich schwer in Worte fassen ließ. Ron schüttelte den Kopf, als würde er das Thema wechseln wollen.
»Aber mal im Ernst, Harry. Komm doch an Weihnachten zu uns. Mum fragt schon ständig nach dir. Du bist immer willkommen, das weißt du doch.« Harry zögerte. Die Einladung von Ron und seiner Familie bedeutete ihm viel, doch in diesem Jahr fühlte es sich anders an. Er brauchte die Zeit, um nachzudenken, um allein mit seinen Gedanken zu sein. Und außerdem... Cassian würde auch in Hogwarts bleiben.
»Danke, Ron«, sagte er langsam, »aber ich glaube, ich bleibe hier. In der Schule.« Ginny setzte sich auf und sah ihn besorgt an.
»Harry, du solltest nicht die ganze Zeit allein sein. Es tut dir nicht gut, wenn du zu viel grübelst. Das wissen wir doch alle.« Harry lächelte schwach.
»Ich komme klar, Gin. Keine Sorge.« Ginny und Hermine tauschten erneut einen Blick, aber diesmal schienen sie weniger amüsiert und eher besorgt. Doch Harry ließ sich nicht beirren. Er verabschiedete sich hastig und machte sich auf den Weg zu Cassian, bevor die Unterhaltung noch tiefer ging, als ihm lieb war. Als er die Portraittür hinter sich schloss, fühlte er sich jedoch schwerer als zuvor. Ginny hatte recht – er grübelte zu viel. Weihnachten würde kommen, und mit ihm die schmerzhaften Erinnerungen an seine Eltern und an Sirius. Doch irgendwie... wusste er, dass er diese Zeit in Hogwarts überstehen musste. Vielleicht, nur vielleicht, würde Cassian ihm dabei helfen, diese Tage ein wenig erträglicher zu machen.
Kaum war Harry aus dem Gemeinschaftsraum verschwunden, brachen Ginny und Hermine in schallendes Gelächter aus. Sie konnten sich kaum zurückhalten, während Ron sie nur irritiert ansah, als ob sie plötzlich eine Sprache sprachen, die er nicht verstand.
»Was ist denn los mit euch?«, fragte Ron verwirrt und schaute von einer zur anderen. Ginny schüttelte noch immer lachend den Kopf.
»Oh, Ron, du merkst echt gar nichts, oder?« Sie versuchte, sich zu beruhigen, aber das Grinsen auf ihrem Gesicht verriet, dass sie noch nicht fertig war. Hermine lachte leiser, aber nicht minder amüsiert.
»Wovon redest du?«, fragte Ron, jetzt noch verwirrter. Ginny lehnte sich vor und musterte ihren Bruder, als würde sie überlegen, wie sie es ihm am besten beibringen konnte.
»Ron... merkst du nicht, dass da was zwischen Harry und Cassian läuft?« Sie hob eine Augenbraue, als ob es das Offensichtlichste der Welt wäre. Ron runzelte die Stirn, sichtlich irritiert.
»Was meinst du, ‚was läuft'? Die beiden machen doch nur Nachhilfe. Cassian hilft Harry mit Zaubertränken.« Ginny verdrehte die Augen und Hermine grinste nur.
»Ron«, begann Ginny geduldig, »Harry und Cassian verbringen ständig Zeit miteinander. Es geht nicht mehr nur um Zaubertränke. Die beiden verstehen sich echt gut... auf eine Weise, die mehr als nur Freundschaft sein könnte.« Ron sah sie einen Moment lang verblüfft an, dann zuckte er leicht mit den Schultern.
»Also... du meinst, dass Harry...?«
»Dass er schwul sein könnte«, vollendete Hermine seinen Satz, während sie ihn mit einem wissenden Lächeln ansah. Ron dachte kurz nach und zog schließlich die Augenbrauen hoch, als ob ihm gerade ein Licht aufgegangen wäre.
»Ehrlich gesagt... überrascht mich das nicht mal so sehr«, sagte er nachdenklich. »Ich meine, er und Ginny haben sich ja auch irgendwann getrennt, weil sie meinten, sie wären eher Freunde.« Er sah seine Schwester an und fügte leise hinzu: »Der hat es dir doch damals bestimmt anvertraut, oder?« Ginny nickte langsam, ihr Gesicht wurde für einen Moment ernster.
»Ja, Harry hat mir damals gesagt, dass er glaubt, er könnte schwul sein. Er war sich nicht sicher, aber er wollte ehrlich mit mir sein. Deswegen haben wir uns getrennt. Am Ende ist aber nicht nur dass, wir funktionieren eben besser als Freunde.« Sie lächelte schwach. Ron nickte nachdenklich.
»Hm... okay, das ergibt Sinn. Aber Cassian? Snape Junior? Das hätte ich echt nicht gedacht.« Er kratzte sich am Kopf, als ob er immer noch versuchte, das alles zu begreifen. Hermine grinste, sichtlich froh, dass Ron endlich den Faden gefunden hatte.
»Manchmal sieht man die Dinge erst, wenn sie einem direkt vor die Nase gehalten werden.«
»Na ja«, fügte Ginny hinzu, »vielleicht entwickelt sich da wirklich etwas. Aber das müssen die beiden schon selbst herausfinden.« Ron nickte zustimmend.
»Ja, klar. Ich will da nicht reinfunken. Solange Harry glücklich ist, ist alles in Ordnung.« Hermine und Ginny tauschten ein anerkennendes Lächeln. Es war beruhigend zu sehen, dass Ron, trotz seiner manchmal langsamen Auffassungsgabe, Harrys mögliche Gefühle verstand und akzeptierte.
Währenddessen in dem abgelegenen Büro hoch oben im Schloss saß Severus Snape bei Dumbledore, den Kopf leicht nach vorne geneigt, als er aufmerksam den Worten des Schulleiters lauschte. Draußen schlug der Wind gegen die Fenster des Turms, doch drinnen herrschte eine bedrückende Stille, die nur von Dumbledores ruhiger Stimme durchbrochen wurde.
»Sieben Horkruxe«, sagte Dumbledore, als er Snape mit ernstem Blick anstarrte. »Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Voldemort, in seiner unersättlichen Gier nach Unsterblichkeit, nicht nur einen, sondern sieben Horkruxe erschaffen hat.« Snape blinzelte, und für einen Moment konnte er die Worte nicht ganz verarbeiten. Sieben? Es war ein unfassbarer Gedanke. Schon das Erschaffen eines einzigen Horkruxes war ein Akt dunkler Magie von unerhörter Grausamkeit, doch sieben - das war unvorstellbar.
»Sieben?«, wiederholte er, und in seiner Stimme lag eine Mischung aus Ungläubigkeit und Entsetzen. »Sie glauben, dass der Dunkle Lord sieben Teile seiner Seele aufgeteilt hat?« Dumbledore nickte langsam, seine Augen durchdringend und voller Schwere.
»Es ist die einzige Erklärung, Severus. Sieben ist die mächtigste Zahl in der Magie, und Voldemort hat nie etwas dem Zufall überlassen. Wenn er seine Seele wirklich in sieben Teile gespalten hat, ist er noch gefährlicher, als wir es je angenommen haben.« Snape lehnte sich zurück und presste die Lippen zusammen, während er versuchte, die Konsequenzen zu erfassen.
»Wissen Sie, wo diese Horkruxe sein könnten?«, fragte er schließlich, seine Stimme kühl, aber angespannt. Dumbledore hielt inne, als ob er überlegte, wie viel er offenbaren sollte. Dann hob er langsam seine linke Hand und streckte sie aus. Sie war schwarz und verdorrt, als ob die Haut verbrannt und von einem Fluch gezeichnet worden war. Snape hatte die Verletzung schon zuvor bemerkt, aber nun wurde ihm klar, dass es mehr war als nur eine einfache Wunde.
»Der Ring«, sagte Dumbledore leise und blickte auf seine Hand. »Ein Erbstück der Familie Gaunt. Tom Riddle trug diesen Ring als Junge, und es war einer seiner Horkruxe.« Er hob den Blick und sah Snape fest in die Augen. »Ich habe ihn zerstört... aber der Fluch, der darauf lag, war mächtig. Ich war zu unvorsichtig, und nun bleibt mir nicht mehr viel Zeit.« Snape starrte auf Dumbledores Hand, das verbrannte Fleisch, das die tödliche Macht des Fluchs verriet. Er spürte, wie sich seine Brust zusammenzog, als die Erkenntnis ihn traf.
»Wie lange?«, fragte er knapp, seine Stimme rau vor unterdrückter Sorge. Dumbledore lächelte schwach, ein Lächeln, das nichts von der üblichen Wärme hatte.
»Ein Jahr, vielleicht weniger. Aber wir haben wichtigere Dinge zu tun, als uns über meine Sterblichkeit Gedanken zu machen.« Snape wollte protestieren, wollte Dumbledore sagen, dass sie alles tun würden, um ihn zu retten, doch der ernste Blick des Schulleiters ließ ihn verstummen.
»Die Horkruxe müssen gefunden und zerstört werden«, sagte Dumbledore mit Nachdruck. »Das ist unsere Priorität. Ohne sie kann Voldemort nicht besiegt werden.« Snape nickte langsam, aber sein Blick wanderte immer wieder zu Dumbledores verfluchter Hand. Die düstere Realität dessen, was auf sie zukam, lag wie eine dunkle Wolke über ihm.
»Und was ist mit dem Jungen?«, fragte Snape schließlich, seine Gedanken plötzlich zu Harry Potter wandernd. »Er wird eine entscheidende Rolle spielen. Aber wie soll er das tun, wenn wir ihm nichts von den Horkruxen erzählen?« Dumbledore seufzte leise und legte seine Hände auf den Tisch.
»Harry wird es zur rechten Zeit erfahren, Severus. Aber noch nicht. Er ist noch nicht bereit.« Snape verzog das Gesicht leicht, unzufrieden mit dieser Antwort.
»Und wenn es zu spät ist?« Dumbledore sah ihn ernst an.
»Es ist meine Aufgabe, sicherzustellen, dass das nicht passiert.« Die Stille, die auf Dumbledores Worte folgte, war drückend, während Snape innerlich mit den Informationen rang, die ihm gerade offenbart worden waren. Sieben Horkruxe, Dumbledores tödliche Verletzung, und die unausweichliche Wahrheit, dass Harry Potter in den Mittelpunkt dieses gewaltigen Kampfes rücken würde.
»Wir dürfen keine Zeit verlieren«, sagte Snape schließlich, seine Stimme hart und entschlossen. »Ich werde tun, was nötig ist, um Ihnen zu helfen. Aber wir müssen schneller handeln.« Dumbledore nickte, ein Funken von Erleichterung in seinen blauen Augen.
»Danke, Severus. Ich vertraue darauf, dass du in dieser entscheidenden Stunde an unserer Seite stehen wirst.« Snape erhob sich, sein schwarzer Umhang wehte leicht, als er sich zum Gehen wandte. In seinem Inneren brodelte die Angst und das Wissen, dass sie gegen die Zeit kämpften.
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