Kapitel 4
Die Stille beim Abendessen von Severus' und Cassian wurde nur das gelegentliche Klappern des Bestecks unterbrochen. Cassian wirkte nachdenklich. Er hatte Severus' Warnung verstanden, und obwohl er sie respektierte, nagte etwas in ihm. Er konnte die Worte seines Vaters nicht so einfach hinnehmen, nicht ohne die ganze Geschichte zu kennen. Also entschied er sich, eine Frage zu stellen, die ihm schon seit einiger Zeit durch den Kopf ging – eine Frage, die er bisher nie direkt gestellt hatte. Er legte sein Besteck behutsam zur Seite und sah seinen Vater an.
»Dad«, begann er vorsichtig, »was hast du eigentlich gegen Harry?« Severus hielt inne, seine Gabel schwebte in der Luft, bevor er sie langsam ablegte und Cassian mit einem scharfen, durchdringenden Blick ansah.
»Was meinst du?«, fragte er, seine Stimme kontrolliert, aber mit einer gewissen Schärfe. Cassian zuckte leicht mit den Schultern und fuhr fort.
»Ich meine, ich habe dich oft über ihn schimpfen hören, und ich weiß, dass du irgendeine Geschichte mit seinem Vater hattest. Aber ehrlich gesagt, verstehe ich es nicht ganz, jetzt, wo ich Harry ein bisschen besser kennengelernt habe.« Severus' Augen verengten sich ein wenig, doch er sagte nichts, also fuhr Cassian fort.
»Er scheint nett zu sein«, erklärte er, seine Stimme ruhig und überlegt. »Er ist zurückhaltend, sehr in sich gekehrt, aber auch nicht auf den Kopf gefallen. Er scheint ein hervorragender Quidditch-Spieler zu sein, das habe ich heute gesehen. Und...« Cassian hielt inne, überlegte kurz, ob er es sagen sollte, und entschied sich dann dagegen. »Und er ist alles andere als arrogant.« Severus schwieg eine Weile, seine Miene undurchdringlich. Schließlich seufzte er leise und legte seine Hände zusammen.
»Es ist nicht einfach«, begann er, seine Stimme leiser, als sie zuvor gewesen war. »Meine Geschichte mit Harry Potters Vater, James, ist... kompliziert.« Cassian wartete geduldig, spürte, dass dies nicht einfach für seinen Vater war. Er wusste, dass es Dinge in der Vergangenheit gab, die Severus nur ungern teilte, aber vielleicht war jetzt der Moment gekommen, in dem er zumindest einen Teil dieser Geschichte hören konnte.
»James Potter und ich waren in derselben Jahrgangsstufe in Hogwarts«, fuhr Severus fort, während er einen festen Punkt auf dem Tisch fixierte, als ob es ihm schwerfiel, diese Erinnerungen wieder aufleben zu lassen. »Er war beliebt, gut aussehend, ein hervorragender Quidditch-Spieler – das genaue Gegenteil von mir. Wir waren... Feinde, könnte man sagen. Er und seine Freunde haben mich oft schikaniert. Sie sahen mich als jemanden an, der es nicht wert war, respektiert zu werden.« Cassian spürte das Gewicht der Worte und die Bitterkeit, die darin mitschwang.
»Und Harry?«, fragte Cassian leise. Severus hob langsam den Blick und sah seinem Sohn direkt in die Augen.
»Potter erinnert mich... an ihn«, sagte er schließlich. »In vielerlei Hinsicht ist er seinem Vater sehr ähnlich. Aber da ist auch etwas von seiner Mutter, Lily, in ihm. Sie war eine der wenigen Menschen, die mich je wirklich respektiert hat.« Er hielt kurz inne, bevor er fortfuhr. »Doch jedes Mal, wenn ich Potter ansehe, sehe ich auch James. Und das weckt Erinnerungen... Erinnerungen, die ich lieber vergessen würde.« Cassian nickte langsam, versuchte, die Komplexität der Gefühle seines Vaters zu verstehen.
»Aber Harry selbst... er ist doch nicht James. Er ist sein eigener Mensch.« Severus' Gesicht blieb verschlossen, aber seine Augen verrieten eine gewisse Anspannung.
»Das weiß ich«, sagte er schließlich, »aber es ist schwer, das zu trennen. Pott- ... Harry hat mich oft an Situationen erinnert, die ich nicht wieder durchleben wollte. Und er hat eine Art, in Schwierigkeiten zu geraten, die... beunruhigend ist.« Cassian nickte verständnisvoll. Er konnte sehen, wie tief die Wunden der Vergangenheit in seinem Vater saßen, aber er fühlte auch, dass es wichtig war, Harry als den Menschen zu sehen, der er wirklich war, und nicht nur als das Abbild seines Vaters.
»Harry scheint wirklich in einer schwierigen Lage zu sein«, sagte Cassian nachdenklich. »Ich denke, er versucht nur, mit allem klarzukommen, was ihm passiert ist. Und er ist nicht arrogant oder selbstgefällig. Im Gegenteil, er wirkt eher wie jemand, der eine schwere Last mit sich herumträgt.« Severus schwieg eine Weile, dann nickte er langsam.
»Vielleicht hast du recht«, sagte er leise. »Vielleicht ist es an der Zeit, ihn als das zu sehen, was er wirklich ist, und nicht nur als das Abbild seines Vaters.« Cassian lächelte leicht, froh, dass sein Vater zumindest bereit war, darüber nachzudenken.
»Ich werde trotzdem aufpassen«, versprach er. »Aber ich denke, es ist wichtig, dass wir Harry helfen, wenn er es braucht.« Severus sah seinen Sohn an, und obwohl sein Gesicht ausdruckslos blieb, konnte Cassian in seinen Augen einen Hauch von Stolz sehen. Cassian wusste, dass es noch viele unausgesprochene Dinge zwischen ihnen gab, aber er war froh, dass sein Vater ihm zumindest einen Teil der Wahrheit anvertraut hatte. Und vielleicht, so hoffte er, würde diese Offenheit der Beginn eines besseren Verständnisses zwischen ihnen und Harry Potter sein.
Der Samstagmorgen dämmerte ruhig über Hogwarts, doch in der Großen Halle war es bereits geschäftig. Harry, Ron, Hermine und Ginny saßen gemeinsam beim Frühstück, als Cassian Snape an sie herantrat. Mit einem freundlichen Lächeln und einem kurzen »Guten Morgen« reichte er Harry einen gefalteten Zettel. Ehe jemand mehr sagen konnte, nickte Cassian noch einmal kurz in die Runde und verschwand dann so schnell, wie er gekommen war. Ron sah ihm mit hochgezogenen Augenbrauen nach.
»Was war das denn?«, fragte er, seine Neugierde offensichtlich geweckt. Ginny und Hermine tauschten einen wissenden Blick und grinsten sich an, während Harry den Zettel betrachtete.
»Er hat mir Nachhilfe in Zaubertränken angeboten«, erklärte Harry ruhig und begann, den Zettel aufzufalten. Ron zog eine Augenbraue hoch.
»Wirklich? Und was steht auf dem Zettel?« Harry las die Notiz laut vor.
»Ich würde mich freuen, wenn du heute um 18 Uhr im Zaubertränkeklassenzimmer vorbeikommen könntest. Slughorn ist informiert. - Cassian« Er hielt den Zettel einen Moment lang in der Hand, bevor er ihn zusammenfaltete und zur Seite legte.
»Es scheint, als würde er es ernst meinen«, sagte er nachdenklich. Ron lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ich weiß nicht, Harry. Nachhilfe von Snapes Sohn? Klingt irgendwie... komisch.« Hermine schüttelte den Kopf und warf Ron einen strengen Blick zu.
»Das ist doch Unsinn, Ron. Wenn Cassian Harry helfen will, dann ist das doch etwas Gutes. Und mal ehrlich, Harry könnte die Nachhilfe wirklich gebrauchen.« Sie grinste leicht, was Ron prompt zum Lachen brachte.
»Ja, und du etwa nicht?«, fügte Ginny neckend hinzu und stieß Ron leicht in die Seite. »Ich weiß, dass du dich in den letzten Zaubertrankstunden nur durchgemogelt hast.« Ron schnaubte und winkte ab.
»Auf keinen Fall nehme ich Nachhilfe bei Snape Junior! Nein, danke. Ich komme schon irgendwie zurecht.« Hermine verdrehte die Augen.
»Typisch«, sagte sie und schnitt ihm eine Grimasse. »Du könntest genauso gut ein paar Nachhilfestunden gebrauchen. Dein letzter Trank sah eher aus wie etwas, das man mit einer Schaufel beseitigen müsste.«
»Jaja«, brummte Ron, »aber trotzdem... Nachhilfe von einem Snape? Ich weiß ja nicht.« Ginny legte ihre Hand beruhigend auf Rons Arm.
»Vielleicht ist Cassian gar nicht so wie sein Vater. Und selbst wenn, was ist das Schlimmste, was passieren kann? Harry bekommt bessere Noten in Zaubertränken.«
»Genau«, stimmte Hermine zu. »Und außerdem ist es doch nur Nachhilfe. Es geht nicht um Leben und Tod.« Harry beobachtete das Gespräch mit einem leichten Schmunzeln und fühlte sich, trotz der Skepsis von Ron, zuversichtlich.
»Ich denke, ich werde es einfach mal ausprobieren«, sagte er schließlich. »Cassian scheint es ernst zu meinen, und ich kann jede Hilfe gebrauchen, die ich bekommen kann.« Ron seufzte und hob schließlich die Hände, als würde er sich ergeben.
»Na gut, wenn du meinst, Harry. Aber sei vorsichtig, ja?«
»Werde ich«, versprach Harry. »Aber ich habe ein gutes Gefühl dabei.« Das Frühstück ging weiter, und das Gespräch verlagerte sich zu anderen Themen. Doch in Harrys Gedanken kreiste weiterhin die bevorstehende Nachhilfestunde. Er war neugierig, wie Cassian ihm helfen würde und ob dies vielleicht der Anfang einer ungewöhnlichen, aber vielleicht nützlichen Zusammenarbeit war.
Der Abend war hereingebrochen, und Harry ging mit gemischten Gefühlen durch die stillen Korridore von Hogwarts. Obwohl er Cassian sympathisch fand und wirklich Hilfe in Zaubertränken brauchte, nagte eine gewisse Sorge in ihm. Es war nicht Cassian selbst, der ihn unsicher machte – Cassian hatte sich bis jetzt immer freundlich und offen gezeigt – es war eher die Vorstellung, dass Harry ihn womöglich in eine unangenehme Situation gegenüber seinem Vater bringen könnte. Immerhin war Severus Snape dafür bekannt, Harry alles andere als wohlwollend gegenüberzustehen, und Harry wollte Cassian nicht zwischen zwei Fronten sehen. Die Korridore waren größtenteils leer, nur das entfernte Geräusch von Stimmen und das gelegentliche Murmeln der alten Gemälde begleiteten Harry auf seinem Weg. Als er das Zaubertränkeklassenzimmer erreichte, sah er Cassian bereits vor der Tür warten. Der junge Snape lehnte lässig gegen die Wand, die Arme verschränkt, und als er Harry bemerkte, lächelte er leicht und hob die Hand zum Gruß. Doch es war nicht nur Cassian, der dort wartete. Direkt neben ihm stand Severus Snape höchstpersönlich. Harrys Magen zog sich zusammen. Der Mann stand mit einer verschlossenen Miene da, seine schwarzen Augen fixierten Harry kühl, und es war klar, dass er seine Anwesenheit eher als eine Pflicht denn als eine freundliche Geste betrachtete.
»Guten Abend, Potter«, sagte Snape in einem Tonfall, der keinerlei Freundlichkeit verriet. »Da Slughorn nicht im Schloss ist, wurde ich gebeten, das Klassenzimmer aufzuschließen.« Harry nickte stumm, unsicher, was er sagen sollte. Er spürte Cassians Blick auf sich und wandte sich schließlich an ihn, um die Spannung zu durchbrechen.
»Hey, Cassian«, sagte er so normal wie möglich, »freut mich, dass wir das heute machen können.« Cassian lächelte leicht und trat einen Schritt von der Wand weg.
»Ja, ich freu mich auch.« Sein Ton war entspannt, und Harry konnte nicht anders, als die Ungezwungenheit zu schätzen, die Cassian in die Situation brachte. Snape schloss die schwere Tür des Klassenzimmers auf und warf Harry einen letzten, prüfenden Blick zu.
»Ich erwarte, dass ihr das Klassenzimmer in dem Zustand hinterlasst, in dem ihr es vorgefunden habt«, sagte er scharf, bevor er sich an seinen Sohn wandte.
»Cassian«, fügte er hinzu, seine Stimme etwas weicher, aber dennoch streng, »ich hoffe, du weißt, was es bedeutet, den Unterricht zu übernehmen, als selbst darin verwickelt zu sein.« Cassian erwiderte den Blick seines Vaters mit einem leichten Nicken.
»Mach dir keine Sorgen, Dad«, sagte er ruhig. »Ich weiß, was ich tue.« Snape schien diese Antwort einen Moment lang zu wiegen, dann wandte er sich wortlos ab und verschwand den Korridor entlang, seine Roben wirbelten hinter ihm her. Erst als er außer Sichtweite war, atmete Harry erleichtert aus. Cassian lachte leise.
»Ja, das war ein bisschen ... unangenehm«, gab er zu und warf Harry einen entschuldigenden Blick zu. »Aber keine Sorge, er wird uns nicht weiter stören.« Harry lächelte schief.
»Ich will nur sicherstellen, dass du nicht in eine blöde Situation gerätst. Ich weiß, dass dein Vater mich nicht besonders mag.« Cassian zuckte mit den Schultern.
»Er macht sich einfach Sorgen, aber das hat nichts mit dir zu tun«, sagte er ehrlich. »Er ist immer ein wenig ... intensiv, wenn es um mich geht.« Harry nickte und fühlte sich etwas erleichtert.
»Na dann«, sagte er, als sie zusammen das Klassenzimmer betraten. »Lass uns anfangen.« Die beiden gingen in den großen, vertrauten Raum, der von Regalen mit Trankzutaten umgeben war. Harry setzte sich an einen der vorderen Tische, während Cassian sich neben ihn stellte, die Arme locker verschränkt. Die lockere, freundliche Atmosphäre, die zwischen ihnen herrschte, war eine angenehme Ablenkung von der Anspannung, die Severus Snape hinterlassen hatte.
»Okay«, begann Cassian und warf einen prüfenden Blick auf die Arbeitsfläche, »lass uns sehen, wo genau du Schwierigkeiten hast. Ich bin sicher, wir bekommen das hin.«
»Wie wäre es mit dem Trank der lebenden Toten? Ich hab ihn bei Slughorn mächtig vermasselt«, schlug Harry vor.
»Der Trank der lebenden Toten ist wirklich schwierig«, sagte Cassian, um ihn zu beruhigen. »Mach dir keinen Kopf, wenn es nicht sofort klappt. Jeder braucht eine Weile, um den hinzubekommen.« Harry nickte, aber die Unsicherheit blieb. Er suchte die Zutaten zusammen, schlug sein Buch auf und griff nach der ersten Zutat, zerdrückte sie und warf sie in den Kessel, während er sich bemühte, seine Hände ruhig zu halten. Doch Cassians Nähe ließ ihn sich ungeschickt fühlen, als würde jede Bewegung von einem unsichtbaren Gewicht erschwert. Er wusste nicht genau, warum, aber es war ihm unangenehm, Fehler zu machen, wenn Cassian zusah. Dieser schien das zu bemerken, sagte aber zunächst nichts. Er wollte Harry die Chance geben, selbst herauszufinden, was er falsch machte, doch als er sah, wie der andere zögerte und unsicher weiterarbeitete, beschloss er schließlich, einzugreifen.
»Warte mal«, sagte Cassian und griff nach einer Handvoll Bohnen, die Harry gerade zerschneiden wollte. Stattdessen zerdrückte er sie vorsichtig, sodass der Saft heraustropfte.
»Versuch es so.« Harry hielt inne und sah ihn irritiert an.
»Aber im Buch steht, dass man sie zerschneiden soll«, protestierte er und warf einen skeptischen Blick auf die Zutaten. Cassian lächelte leicht und legte die Bohnen zur Seite.
»Das stimmt«, sagte er, »aber das Brauen von Zaubertränken erfordert oft mehr als nur das Befolgen von Anweisungen. Manchmal ist es eine Frage der Intuition. Wenn es darum geht, den Saft aus den Bohnen zu gewinnen, macht es Sinn, zu überlegen, wie man das am effektivsten tun kann. Du kannst sie zerschneiden und den Saft auf dem Brett lassen, oder du drückst sie direkt aus und hast alles, was du brauchst, sofort im Kessel.« Harry runzelte die Stirn und dachte über Cassians Worte nach. Es war ein Ansatz, der ihm bisher nicht in den Sinn gekommen war – flexibel zu sein und nach den besten Methoden zu suchen, anstatt sich stur an die Anweisungen zu halten.
»Ist dir nie aufgefallen, dass mein Vater seine Rezepte immer an die Tafel schreibt?«, fragte Cassian dann. Harry zuckte mit den Schultern.
»Ja, natürlich. Er schreibt immer auf, was wir tun sollen.«
»Genau«, sagte Cassian, »aber was er aufschreibt, ist nicht immer identisch mit dem, was in den Lehrbüchern steht. Er passt die Anweisungen oft an, je nachdem, wie er denkt, dass es am besten funktioniert. Das bedeutet, dass er nicht nur den Anweisungen im Buch folgt, sondern auch seine eigenen Erfahrungen und sein Wissen einfließen lässt.« Harry dachte darüber nach und musste zugeben, dass er nie wirklich darauf geachtet hatte, wie Snape seine Anweisungen anpasste. Er hatte immer angenommen, dass Snape einfach besser darin war, die Anweisungen auszuführen, nicht, dass er sie möglicherweise optimierte.
»Also sagst du, ich sollte weniger streng nach dem Buch arbeiten und mehr auf das achten, was ich selbst für richtig halte?«, fragte Harry vorsichtig. Cassian nickte.
»Genau. Das bedeutet nicht, dass du die Anweisungen ignorieren sollst, aber du solltest dir auch erlauben, ein bisschen flexibler zu sein. Wenn du das nächste Mal einen Trank braust, versuch, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie die Zutaten miteinander interagieren. Manchmal bringt das bessere Ergebnisse.« Harry betrachtete die Zutaten vor sich und fühlte, wie sich ein neuer Gedanke in seinem Kopf festsetzte. Es war seltsam, aber Cassians Ansatz ergab Sinn. Vielleicht war es genau das, was ihm bisher gefehlt hatte – die Freiheit, sich nicht sklavisch an die Anweisungen zu halten, sondern auch zu experimentieren und zu beobachten, wie die Zutaten auf unterschiedliche Weise reagierten.
»Danke«, sagte Harry schließlich, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. »Das ist wirklich hilfreich.« Cassian erwiderte das Lächeln.
»Kein Problem. Lass es uns nochmal versuchen, und wenn du willst, helfe ich dir dabei, die richtigen Schritte zu finden.« Harry nickte entschlossen und begann erneut, diesmal mit mehr Selbstvertrauen. Cassian blieb an seiner Seite, bereit einzugreifen, aber gleichzeitig darauf bedacht, Harry die nötige Freiheit zu lassen, seine eigenen Erkenntnisse zu gewinnen. Es war eine neue Art des Lernens, eine, die Harry nicht nur das Brauen von Zaubertränken näherbrachte, sondern auch das Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten stärkte. Harry blickte begeistert auf den Trank, der im Kessel vor ihm blubberte. Er konnte es kaum fassen, aber es war ihm tatsächlich gelungen, den Trank der lebenden Toten zu brauen – und das mit nur wenig Hilfe von Cassian. Der Trank hatte die perfekte Farbe, die Konsistenz stimmte, und selbst der Geruch war genau so, wie Slughorn es beschrieben hatte. Ein Triumphgefühl durchflutete Harry, und er strahlte vor Stolz.
»Das hast du wirklich gut gemacht«, sagte Cassian mit einem anerkennenden Lächeln, als er den Trank musterte. »Und ich habe dir nur ein bisschen geholfen. Du hast die meiste Arbeit allein hinbekommen.« Harry grinste breit.
»Danke«, sagte er, noch immer ein wenig erstaunt über seinen Erfolg. »Ich kann dir gar nicht genug danken, Cassian. Ich hätte das nie ohne deine Tipps geschafft.« Cassian schüttelte bescheiden den Kopf.
»Es war mir ein Vergnügen. Du hast das Potenzial, Harry. Du musst nur etwas mehr auf deine Instinkte hören.« Harry nickte nachdenklich, seine Begeisterung über den Erfolg noch immer spürbar.
»Glaubst du, wir könnten das irgendwann nächste Woche noch mal machen? Ich könnte noch an ein paar anderen Tränken arbeiten.«
»Jederzeit«, antwortete Cassian mit einem freundlichen Lächeln. »Lass mich einfach wissen, wann es dir passt.«
»Super«, sagte Harry und stand auf, um seinen Kessel aufzuräumen. »Und natürlich sehen wir uns auch beim Quidditch-Training. Das wird sicher spannend.« Cassian grinste.
»Da kannst du dich drauf verlassen. Ich freue mich schon darauf.« Nachdem sie den Raum aufgeräumt hatten, verabschiedeten sie sich.
»Ich muss noch etwas erledigen«, sagte Cassian, als er sich von Harry verabschiedete. »Wir sehen uns.«
»Bis dann«, erwiderte Harry, als Cassian den Raum verließ.
Cassian ging durch die stillen Korridore, bis er die vertrauten Räume seines Vaters erreichte. Er klopfte an die schwere Holztür und trat ein, als er ein knappes »Herein« hörte. Wie erwartet, saß Severus Snape in seinem Sessel, ein Buch in der Hand, doch er schien auf Cassians Rückkehr gewartet zu haben. Obwohl er sich nichts anmerken ließ, deutete seine leicht angespannte Haltung auf eine unterschwellige Neugier hin.
»Und?«, fragte Severus beiläufig, ohne von seinem Buch aufzusehen. »Wie lief es?« Cassian setzte sich auf einen Stuhl in der Nähe und zuckte leicht mit den Schultern.
»Es lief gut«, antwortete er ehrlich. »Harry hat den Trank der lebenden Toten fast allein hinbekommen. Er hat nur ein bisschen Anleitung gebraucht.« Severus schnaufte leise, legte das Buch beiseite und sah Cassian mit einer Mischung aus Desinteresse und leichtem Missfallen an.
»Nun, es scheint, als hätte Potter doch etwas gelernt«, sagte er trocken. Cassian seufzte. Es war immer das Gleiche. Jede Erzählung über Harry wurde von seinem Vater mit Spott oder kühler Gleichgültigkeit kommentiert.
»Warum versuchst du nicht einmal, Harry mit anderen Augen zu sehen?«, fragte er ruhig, aber bestimmt. »Er ist nicht wie sein Vater. Er ist ... anders.« Severus schwieg, seine schwarzen Augen fixierten einen Punkt im Raum, als würde er über Cassians Worte nachdenken, doch sein Gesicht blieb undurchdringlich. Schließlich zuckte er nur leicht mit den Schultern, ohne eine wirkliche Antwort zu geben. Cassian erkannte, dass er nicht weiterkommen würde. Er hatte es versucht, aber es würde Zeit brauchen, um seinen Vater dazu zu bringen, Harry anders zu betrachten. Vielleicht würde es nie passieren.
»Ich gehe in den Gemeinschaftsraum«, sagte er schließlich, als er aufstand. »Wir sehen uns morgen.« Severus nickte knapp und wandte sich wieder seinem Buch zu.
»Gute Nacht, Cassian.«
»Gute Nacht, Dad«, erwiderte Cassian und verließ die Wohnung seines Vaters. Während er die Korridore hinunterging, fragte er sich, ob sich die Kluft zwischen seinem Vater und Harry jemals überwinden lassen würde. Doch eines war sicher: Er würde es weiterhin versuchen, auf seine eigene Weise. Mit diesen Gedanken im Kopf machte er sich auf den Weg zurück in den Gryffindor-Gemeinschaftsraum.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro