Kapitel 1
Generationen sind vergangen, seitdem das Gebiet den Schatten überlassen wurde. Es war in den frühen Schülerjahren von Echofeder, als die ewige Dunkelheit begann, alles zu verschlingen, was sich ihr in den Weg stellte. Der Wald, einst ein Ort des Lebens und der Harmonie, war nun ein verfallenes Reich, umgeben von unheilvollem Schweigen.
Die ehemaligen zwei Clans, die einst dieses Gebiet bevölkerten, sind nicht mehr als ferne Erinnerungen an vergangene Zeiten. Die Wächter, die über das Gleichgewicht wachten, sind längst in die Legenden der Kinderstuben verbannt, und der SternenClan hat uns den Rücken gekehrt. Es war, als hätte der Wald der Finsternis selbst die Welt betreten und die ewige Dunkelheit heraufbeschworen, die alles in eine erdrückende Finsternis hüllte.
Chaos, Schatten und ewige Unruhe herrschen nun über das Land. Jeder kämpft für sich allein, und die alten Gesetze sind längst vergessen. Es gilt nur noch ein einziges Gesetz: Überleben oder sterben.
Echofeder streifte durch den Wald, der einst so lebendig war, nun aber von einem unheimlichen, leblosen Glanz überzogen ist. Die Bäume wirkten wie tot, doch schien eine düstere Lebendigkeit in ihnen zu schlummern. Der Kater ließ ein tiefes Seufzen hören, während er durch den verwüsteten Wald zog, auf der Suche nach Beute. Früher, in besseren Zeiten, wäre er wahrscheinlich ein loyaler Krieger des TannenClans gewesen, stolz auf seine Zugehörigkeit und bereit, seinen Clan zu verteidigen.
Doch diese Zeiten waren vorbei. Der Wald war jetzt ein Ort der Gefahren und der Einsamkeit, wo jede Bewegung misstrauisch beobachtet wurde und jede Entscheidung Leben oder Tod bedeuten konnte. Die Schatten schienen ihn zu verfolgen, während er durch das Dickicht streifte, und die Stille des Waldes war nur von dem gelegentlichen Rascheln toter Blätter unterbrochen.
Echofeder erinnerte sich an die Geschichten der Alten, die von einer Zeit erzählten, als die Clans in Harmonie lebten und die Wächter über das Land wachten. Doch diese Geschichten schienen jetzt so weit entfernt, wie der SternenClan selbst. In der Dunkelheit und Verzweiflung dieses neuen Zeitalters klammerten sich nur wenige Katzen noch an die Hoffnung auf eine Rückkehr zu den alten Zeiten.
Während Echofeder weiter durch den Wald schritt, hielt er inne, als er das schwache Rascheln eines Beutetiers hörte. Sein Magen knurrte vor Hunger, und er machte sich bereit, seine Jagdfähigkeiten einzusetzen. Doch selbst in diesem Moment der Jagd war ein Teil seines Geistes immer noch bei den Erinnerungen an die verlorenen Clans und die Wächter, die einst über das Gleichgewicht gewacht hatten.
Echofeder setzte seine Krallen in den Boden und verbarg seine Beute schnell unter einem Haufen Laub. Wachsam ließ er sich unter einem der Laubbäume nieder, seine Augen suchten die Umgebung ab. Die Zeit des Blattfalls war gekommen, und die Bäume leuchteten in allen Schattierungen von Rot, Gold und Orange, ein letzter Hauch von Leben in einem sonst so düsteren Wald.
Gerade als er sich über seine Beute hermachen wollte, hörte er ein Rascheln in der Nähe. Es klang anders als das Geräusch eines Beutetiers – schwerer, unregelmäßiger. Sein Fell sträubte sich, als ihm der Geruch einer anderen Katze entgegenschlug. Echofeder spannte instinktiv seine Muskeln an, bereit, sich zu verteidigen oder anzugreifen, falls nötig.
Aus dem Dickicht trat eine Gestalt, die sich vorsichtig näherte. Ihre Augen leuchteten im schwachen Licht, als sie Echofeder ansah. Er musterte die Fremde misstrauisch und verengte seine bernsteinfarbenen Augen.
„Name?" fragte er düster, seine Stimme kaum mehr als ein Knurren. Er ließ die Kätzin nicht aus den Augen, jeder Muskel in seinem Körper angespannt und bereit.
Die Kätzin hielt inne, ihre Haltung ruhig und unbeeindruckt. „Flammenschwinge", antwortete sie mit fester Stimme. Ihr rot-orangenes Fell schimmerte im Licht des Blattfalls, und ihre Augen, so hell wie Flammen, fixierten ihn mit einem unergründlichen Blick.
Echofeder entspannte sich ein wenig, aber sein Misstrauen blieb. „Was machst du hier?" fragte er scharf. In diesen Zeiten konnte man niemandem trauen, und jeder Fremde könnte eine Bedrohung darstellen.
Flammenschwinge neigte leicht den Kopf und trat einen Schritt näher. „Ich suche nach Antworten... und vielleicht nach Verbündeten", sagte sie, ihre Stimme ruhig und bestimmt. „Es gibt Gerüchte über die Rückkehr der Wächter. Und über denjenigen, der sie zusammenführen könnte."
Echofeder spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Die Rückkehr der Wächter? Das war eine Hoffnung, die er längst aufgegeben hatte. Aber konnte er dieser Fremden trauen? Und was bedeuteten diese Gerüchte für eine Welt, die von Dunkelheit und Chaos verschlungen war?
Er musterte Flammenschwinge erneut, suchte in ihren Augen nach Anzeichen von Verrat oder Lüge. Doch alles, was er fand, war Entschlossenheit und etwas, das wie Hoffnung aussah.
„Und was erwartest du von mir?" fragte er schließlich, seine Stimme leise und vorsichtig. Er wusste, dass jede Entscheidung, die er jetzt traf, weitreichende Konsequenzen haben könnte – nicht nur für ihn, sondern vielleicht für die gesamte Katzenwelt.
Flammenschwinge hielt seinem Blick stand. „Gemeinsam sind wir stärker", sagte sie schlicht. „Wir können nicht länger allein kämpfen. Es ist Zeit, dass wir uns zusammenschließen und das zurückholen, was wir verloren haben."
Echofeder nickte langsam, nachdenklich. Vielleicht, dachte er, war es tatsächlich an der Zeit, das alte Misstrauen abzulegen und auf eine neue Zukunft hinzuarbeiten – eine, in der es wieder Hoffnung geben könnte.
„Warum sollte ich dir trauen?" knurrte Echofeder scharf zurück. Seine Augen verengten sich, während er Flammenschwinge skeptisch musterte. Die Kätzin hielt seinem Blick stand, ihre gelben Augen funkelten im Licht des fallenden Laubs.
„Das gleiche könnte ich dich auch fragen. Du warst einst ein Mitglied des TannenClans, nicht wahr?" fragte sie ruhig, ohne einen Hauch von Provokation in ihrer Stimme.
Echofeder spürte, wie die Worte ihn trafen, und es machte sofort Klick in seinem Kopf. Eine SchlangenClan-Katze, erkannte er. Der SchlangenClan war berüchtigt für seine Hinterlistigkeit und seine Meisterschaft im Täuschen. Ihre Katzen hatten den Namen des Clans zu Recht getragen, und niemand verkörperte diese Eigenschaften besser als der ehemalige Anführer, Distelstern. Der Gedanke daran ließ Echofeder instinktiv misstrauisch werden.
„Eine SchlangenClan-Katze", sagte er, seine Stimme voller Misstrauen. „Euer Clan hat sich nie gescheut, jede List anzuwenden, um zu bekommen, was er wollte. Warum sollte ich dir glauben, dass du nicht die gleiche Hinterlist in dir trägst?"
Flammenschwinge zuckte nicht zurück, sondern sah ihn ruhig an. „Die Zeiten haben sich geändert", sagte sie leise. „Die alten Clans existieren nicht mehr. Wir alle sind jetzt nur noch Katzen, die ums Überleben kämpfen. Was auch immer in der Vergangenheit geschehen ist, liegt hinter uns. Es geht nicht darum, was wir waren, sondern darum, was wir jetzt tun können."
Echofeder konnte das Gewicht ihrer Worte spüren. Die alte Feindschaft zwischen den Clans schien in dieser neuen, dunklen Welt kaum mehr als eine ferne Erinnerung zu sein, doch die Narben der Vergangenheit waren tief. Er wollte antworten, doch Flammenschwinge sprach weiter.
„Ich verlange nicht, dass du mir sofort vertraust", fuhr sie fort. „Aber ich glaube, dass wir uns gegenseitig helfen können. Wir sind beide allein, und allein werden wir nicht überleben. Lass uns versuchen, einander zu vertrauen, zumindest ein wenig. Es könnte unsere einzige Chance sein, diese Dunkelheit zu überstehen."
Echofeder war hin- und hergerissen. Ein Teil von ihm wollte den Worten dieser Fremden Glauben schenken, aber ein anderer Teil warnte ihn vor den möglichen Gefahren. In einer Welt, in der Vertrauen rar geworden war, fühlte es sich an wie ein gewaltiger Sprung ins Ungewisse. Doch vielleicht, nur vielleicht, war dieser Sprung notwendig, um eine Chance auf eine bessere Zukunft zu haben.
Nach einem langen Moment des Schweigens nickte Echofeder schließlich, wenn auch widerwillig. „In Ordnung", sagte er leise. „Aber wir gehen vorsichtig vor. Ein falscher Schritt, und..." Er ließ den Satz unvollendet, doch die Drohung war klar.
Flammenschwinge neigte den Kopf in einem stummen Einverständnis. „Das ist alles, worum ich bitte", antwortete sie. „Lasst uns gemeinsam einen Weg aus dieser Dunkelheit finden."
Echofeder beobachtete die Kätzin, wie sie sich zum Gehen wandte, und fragte sich, ob dies der Anfang von etwas Neuem war – oder nur eine weitere Illusion in einer Welt voller Schatten und Unsicherheit.
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