25. Die nächste Hürde?
Es sind drei Wochen vergangen.
Nathaniel und ich haben jeweils einen Nachmittag an den Wochenenden zusammen verbracht, indem wir einmal ins Kino, einmal in eine Kunstausstellung und einmal Eis essen, trotz des mittlerweile kälteren Wetters, gegangen sind. Melody hat, seit sie ihn und mich auf frischer Tat ertappt hat, kein Wort mehr mit mir gesprochen. Sehr zum Ärgernis meines Freundes, der ihr Verhalten für mehr als kindisch hält und mehr von ihr erwartet hat. Castiel scheint zu ignorieren, dass ich nun mit seinem Feind zusammen bin, zumindest wenn er mit mir spricht. Es scheint alles so wie vorher. Er kommt mir hin und wieder noch immer gefährlich nahe, doch davon hat Nathaniel bisher nichts mitbekommen. Ich möchte auch keine weiteren Ausartungen prophozieren, weswegen ich ihm nichts davon erzählt habe. Rosalia hat sich riesig über die Bekanntmachung unserer Beziehung gefreut. Sie war so in Euphorie, dass sie Nathaniel sogar umarmt hat, der darauf ganz schön geschockt reagiert hat. Alexy hackt jeden Tag nach, ob Nathaniel und ich den nächsten Schritt gegangen sind. So ein ungeduldiger Wicht. Kentin hat, ähnlich wie Melody, in den letzten drei Wochen höchstens fünf Worte mit mir gewechselt. Es macht mich traurig aber er ist so stur, da kann ich nicht viel mehr tun, als ihm Zeit zu geben, das zu verdauen.
"Lisa, du kommst zu spät!", ruft meine Mutter zu mir hoch.
Sie hat recht. Ich bin schon wieder spät dran. Meine Pünktlichkeit lässt ganz schön nach. Schnell schnappe ich meine Tasche, rufe ein letztes "Tschüss, Mama!" und sprinte aus dem Haus in Richtung Schule. Dadurch, dass ich mich verspäte, verpasse ich auch den Bus, mit dem ich eindeutig schneller da wäre. Auf die Weise muss ich bereits Sport am frühen Morgen machen.
Letztendlich kam ich doch noch pünktlich zum Unterricht, wenn auch mit knallrotem Kopf.
Wir haben die Tischreihen so verändert, dass ich nun zwischen Nathaniel, zu meiner Rechten, und Rosalia, zu meiner Linken, sitze und Melody bei Iris geblieben ist.
Mr. Faraize kommt gerade wieder zurück in den Raum, hinter ihm die Direktorin. Er hat uns während seiner Abwesenheit eine Gruppenarbeit als Arbeitsauftrag gegeben, in die Nathaniel und ich noch immer so vertieft waren, dass wir gar nicht bemerkt haben, wie der Rest der Klasse seine Aufmerksamkeit nach vorne richtet.
"Psst, hey, ihr beiden!", zischt Rosalia.
Verdattert schauen wir beide zu ihr und dann zum Lehrerpult, hinter dem die beiden Autoritätspersonen stehen.
"Die Direktorin hat euch etwas zu sagen", verkündet Mr. Faraize.
Sie räuspert sich noch kurz, ehe sie zu sprechen beginnt: "Also, ihr Lieben. Eure Klausuren liegen hinter euch und die ersten Ergebnisse sind bereits ausgehangen. Ihr könnt sie euch nachher anschauen gehen! Im Großen und Ganzen sind eure Leistungen zufriedenstellend. Es gibt nur wenige, die stark abgewichen sind. Macht weiter so!"
Die alte Dame nickt Mr. Faraize noch zu, um ihm zu bestätigen, dass sie nichts mehr zu sagen hat und verlässt den Raum wieder.
"Ach du Scheiße", reagiert Rosalia panisch und sieht uns mit großen Augen an.
Mit einem fragenden Blick sehe ich sie an: "Was ist los?"
"Ich glaube ich habe komplett versagt in allem, besonders in Mathe!"
Ich lege meine Hand auf ihrer ab, um sie zu beruhigen. "Quatsch!"
"Nein, im Ernst! Das wäre katastrophal, weil es sonst echt eng für mich werden könnte mit meinem Abschluss."
"Zerbrich dir da jetzt nicht den Kopf drüber, gleich sehen wir nach und du wirst sehen, dass alles gut ist."
Sie zieht ihre Hand unter meiner Weg, um sich mit dieser verzweifelt über die Stirn zu streichen.
"Kommt, wir machen weiter, damit die Zeit schneller vergeht", schlägt Nathaniel vor.
Rosalia ist kurz noch in ihrer Verzweiflung am versinken, bevor sie dann seinem Vorschlag entgegenkommt und mit uns zusammen weiterarbeitet.
Die Schulglocke klingelt. Rosalia springt sofort auf und packt mich am Arm, um mich auf den Flur zu ziehen. Ganz wackelig, von ihrem Herumgezerre, folge ich ihr.
"W-Warte!"
"Keine Zeit!"
Wir sind die ersten am schwarzen Brett. Panisch sucht sie mit dem Zeigefinger nach ihrem Namen. Viel gespannter darüber, was sie hat, vergesse ich ganz, dass dort auch meine Ergebnisse irgendwo stehen. Langsam versammelt sich auch der Rest der Klasse hinter uns.
"AHHHH!"
Rosalias schriller Schrei lässt alle aufschrecken. Ich will gerade fragen, was los ist, da packt sie mich und hebt mich hoch. "ICH HABE ÜBERALL EINE GLATTE DREI!"
Sie beginnt mich hin und her zu wirbeln, wovon mir ganz schwindelig wird. Ich bin gar nicht dazu im Stande, mich mit ihr zu freuen. Als sie mich wieder runterlässt und davon hüpft, um Leigh anzurufen, torkel ich noch herum. Auf einmal fängt mich jemand, hinter mir, auf. Ich werfe meinen Kopf in den Nacken, um hochzuschauen und zu sehen, wer das ist. Ich habe Nathaniel erwartet. Stattdessen war es Kentin, der mir geholfen hat. Seine smaragdgrünen Augen treffen auf meine schokoladenbraunen.
"D-Danke", stottere ich.
Er lässt mich wieder los, um mich aufrecht hinzustellen. Mit ernsten Gesichtszügen sieht er mich noch einmal an, ehe er sich wieder den Ergebnissen widmet. Ein kleines Seufzen entwischt mir. Es kann doch nicht sein, dass er noch immer eingeschnappt ist? Oder habe ich irgendwas anderes falsch gemacht?
Gerade als ich beginne, über meine vergangenen Gespräche mit ihm nachzudenken und nach Fehlern meinerseits zu suchen, sehe ich Nathaniel auf mich zukommen.
"Rosalia hat sich ja umsonst Sorgen gemacht", lacht er, "wie sieht es bei dir aus?"
"Ich habe noch gar nicht nachgeguckt", gebe ich grinsend zu.
"Worauf wartest du dann noch?"
Er legt seine Hand auf meinen unteren Rücken, um mich zurück zum schwarzen Brett zu schieben. Nur noch Kim, Viola und Lysander sind nach ihren Namen am suchen. Dadurch habe ich nun eine bessere Möglichkeit, als kleiner Mensch, nach meinen Ergebnissen zu schauen.
"Guck mal, hier stehst du", weist mich Nathaniel mit seinem Zeigefinger auf meinen Namen hin. Gespannt lese ich mir alles durch.
"Oh mein Gott", kommt es leise aus mir hervor, "Nathaniel!"
"Ja?"
Mit weit geöffnetem Mund sehe ich an. Es dauert nur wenige Sekunden, da verwandelt sich meine O-förmige Gusche in ein weites Grinsen. Er versucht gerade nachzuschauen, was ich habe, doch da falle ich ihm vor Freude um den Hals. Ein überfordertes aber glückliches Lachen entwischt ihm.
"Awww", höre ich Viola hinter mir sagen. Ein süßes Kichern folgt.
"Verrätst du mir jetzt, was du da schönes gelesen hast?", fragt Nathaniel mit einem Lächeln in seiner Stimme. Ich lasse ihn los, um ihn anzusehen. Voller Begeisterung falte ich die Hände vor meiner Brust zusammen.
"Ich habe in Chemie, Englisch, Geschichte und Französisch eine Eins aber was noch viel wichtiger ist: Ich habe in Mathe noch eine Eins minus geschafft! EINE EINS MINUS!"
Lauthals quietsche ich, da ich es noch immer nicht fassen kann. Mein Freund greift nach meiner Hand. Mein lautes Geräusch erstummt, als er diese an sich ran zieht und mir einen Kuss auf den Handrücken drückt. Sofort beginnt mein Blut vor Aufregung zu kochen.
"Ä-Ä-Äh ..." Merk bekomme ich nicht raus.
Er beginnt zu lachen.
"War-"
"Ich wusste, dass dich das völlig aus dem Konzept bringen würde. Diesen darauf folgenden Gesichtsausdruck konnte ich mir nicht entgehen lassen, bei aller Liebe."
Schweigend sehe ich ihn mit roten Wangen an.
"Ich bin wirklich stolz auf dich!", lobt er mich. Er hält noch immer meine Hand.
"Danke ..."
"Beim nächsten Mal helfe ich dir wieder und deinem guten Abschluss steht nichts mehr im Wege."
Er zwinkert mir zu, als Anspielung auf meinen Berufswunsch. Verlegen lächle ich ihn an. Nun bin ich aber neugierig.
"Wie sind deine Ergebnisse?"
Er lässt meine Hand los, um sich diese schüchtern in den Nacken zu legen. Seine Lippen ziehen sich zusammen. Ich ahne es bereits. Mein Grinsen darauf kann ich mir nicht verkneifen.
"Schon verstanden, Nath. Ich bin auch stolz auf dich!"
Die Sonne geht auf in seinem Gesicht. Er sieht überglücklich darüber aus, als hätte er das noch nie zuvor gesagt bekommen. Ich kann mir sogar vorstellen, dass dem tatsächlich so ist.
"Wooow, ihr seid ja ein Super-Paar!", kichert Viola wieder hinter mir und ich drehe mich zu ihr um. Ganz verlegen darüber stimme ich in ihr Lachen mit ein.
"Bist du denn zufrieden?", erkundigt sich Nathaniel freundlich.
Viola nickt, wobei ihr hell violettes Haar vor und zurück wippt.
"Ich kann mich nicht beschweren", antwortet sie in einem lieblich, kindlichen Ton.
Wir lächeln sie beide an.
Anschließend gehen wir alle gemeinsam zurück in die Klasse, zum nächsten Unterricht.
Zusammen mit Alexy gehe ich raus aus der Schule. Nathaniel muss noch bei der Lehrerkonferenz dabei sein, ehe auch er nachhause aufbrechen kann.
"Hat sich die Lage Zuhause, bei deinem Nathi, mittlerweile entspannt?"
"Ich weiß es selbst nicht genau", gebe ich zu, "er geht Gesprächen, die um seine Eltern gehen, ziemlich aus dem Weg."
"Ganz schön verschlossener Typ."
"Ziemlich aber ich denke, ich muss da einfach ein wenig Geduld haben."
Das sage ich so leicht.
"Das sagst du so leicht."
"Warum kannst du jetzt wieder meine Gedanken lesen?", lache ich.
"Beste-Freunde-Kräfte!"
Wir lachen gemeinsam. Das hält allerdings nicht lange an. Er räuspert sich.
"Aber mal im Ernst, Lisalein, ich an deiner Stelle würde da ein wenig härter nachhaken. Wieso lernst du seine Eltern nicht mal kennen?"
Bei der Vorstellung zieht sich mein Magen zusammen.
"Das wäre zwar wie als würde man Bambi zwei Löwen aussetzen aber du solltest es versuchen. Vielleicht geht es ja gut aus?"
"Ich weiß nicht ..."
"Komm", sagt er aufmunternd und legt einen Arm um mich, damit er mich näher an sich ran ziehen kann, "du bist ein starkes Mädchen. Außerdem bist du ja nicht alleine, Nathaniel wird dich unterstützen!"
"Schon, daran habe ich auch keinen Zweifel ..."
"Schlag ihm das mor- ... Nein! Heute noch vor!"
"D-Denkst du nicht dass du dem ganzen ein wenig zu optimistisch entgegen siehst?"
"Einer muss es ja tun!"
Er wuschelt mir einmal kräftig durch mein Haar. Ich muss lachen, versuche ihn aber wegzustoßen. Vielleicht ist das wirklich keine schlechte Idee ...
Den ganzen Abend habe ich noch darüber nachgedacht. Mittlerweile ist es schon nach Neun Uhr. Ich greife nach meinem Handy. Vielleicht sollte ich Nathaniel diesmal lieber anrufen? ... Nein, ich schreibe ihm.
Ich: Nath?
Es dauert nicht lange, da erhalte ich eine Antwort von ihm.
Nathaniel 💘: Ja? Ist etwas passiert?
Ich: Nein, keine Sorge. Ich habe aber eine wichtige Frage an dich ...
Nathaniel 💘: Frag nur. :)
Ich: Ich würde gerne deine Eltern kennenlernen. Was hältst du davon?
Naja, will ich das wirklich gerne?
Ich denke dabei gerade eher an das, was danach möglich sein könnte, wenn sie mich mögen. Nathaniel und ich könnten mal bei dem jeweils Anderen übernachten oder gemeinsam wegfahren ...
Nathaniel 💘: Du bist dir darüber im Klaren, was du da vorschlägst, oder?
Ich: Natürlich. Ich möchte doch nur, dass sie sich selbst von mir ein Bild machen können. :)
Nathaniel 💘: Ich denke nicht, dass das noch nötig ist. Sie haben bereits eins ...
Nathaniel 💘: Versteh mich nicht falsch. Ich fände es schön, wenn du meine Eltern kennenlernst und sie dich danach mögen ... Aber die Wahrscheinlichkeit, dass genau das eintrifft, ist gering.
Wie kann man nur so voreingenommen sein?! Es macht mich ein wenig wütend ...
Ich: Also kann ich das nicht?
Jetzt will ich sie erst recht kennenlernen und sie von mir überzeugen!
Nathaniel 💘: Wenn du unbedingt willst, werde ich mich darum kümmern ...
Ich: Ich will eine Chance bekommen!
Nathaniel 💘: Gut ...
Ich: Danke :)
Nathaniel 💘: Du bist echt stur ... :)
Das kann man wohl sagen!
Ich lege mein Handy wieder weg, um mir noch schnell die Zähne putzen zu gehen. Im Badezimmer angekommen, schnappe ich mir meine Zahnbürste, um als nächstes eine ordentliche Portion Zahnpasta drauf zu machen, doch mein Spiegelbild ist auf einmal interessanter. Skeptisch betrachte ich meine kleine, etwas knollenartige Nase. Alles andere als perfekt. Ich streiche einmal über meine gefüllten Wangen. An reiner Haut fehlt es mir nicht aber vergleichbar mit einem Hamster könnte ich schon sein. Ich gehe ein wenig näher ran an den Spiegel, um meine Augen genauer anzuschauen. Langweilig schokoladenbraun. Ebenso wie meine Haare. Ich entferne mich wieder von meiner Spiegelung. In Nathaniels Haus wird sicher die reinste Perfektion erwartet. Dem entspreche ich vom Äußeren her schonmal nicht. Schließlich schmiere ich die Zahnpasta auf die Borsten meiner Zahnbürste und beginne in meinem Mund herumzuschrubben.
Nachdem ich fertig bin, lege ich mich ins Bett und mache das Licht aus. Ich werfe noch einen letzten Blick auf mein Handy.
Nathaniel 💘: Komm morgen zum Abendessen zu uns. Wir reden in der Schule nochmal darüber. Gute Nacht! ❤️
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