Freitag - Nacht (3)
Aus dem Augenwinkel sieht Fynn, dass der Mann sich bereit macht, erneut zuzuschlagen.
Und da ergreift er seine Chance. Mit der einen Hand greift er das Messer, während er sich zur Seite rollt, um dem Schlag auszuweichen. Er springt auf und spürt einen stechenden Schmerz in seiner Brust. Am liebsten hätte er sich sofort wieder hingelegt, doch er muss den Überraschungsmoment für sich nutzen.
Er springt auf den Angreifer zu und sticht ihm ohne Nachzudenken das Messer in die Brust. Der Mann stößt Fynn mit einem würgenden Schrei von sich und Fynn taumelt wieder mit dem Messer in der Hand zurück. Er will stehen bleiben und einen weiteren Angriff starten, aber seine Beine haben keine Kraft und sacken zusammen.
Fynn rollt sich auf dem Boden zusammen und hält schützend seine Arme über den Kopf. Er ist bereit für jeden weiteren Schlag, der da kommt. Jeden Tritt, der sein Leben beenden könnte. Und doch passiert nichts.
„Mmmmh..."
Vorsichtig blinzelt Fynn in den Raum. Somni sitzt aufgeregt auf seinem Stuhl und versucht, Fynn etwas mitzuteilen. Doch Fynn kann nicht denken, sein Körper befindet sich im Überlebensmodus.
„Mmmmmmmmmh..."
Fynn dreht sich zur Seite, um nach dem Mann Ausschau zu halten, der sein Mörder werden will, doch er ist nicht mehr da. Verwirrt scannt Fynn den Raum. Da sieht er es. Die Blutlache. Auf dem Boden. Und da liegt er. Mitten in dem Blut.
Fynn versucht, sich aufzurichten. Seine zitternden Arme stützen ihn. Der kleine Mann liegt regungslos am Boden und scheint, nicht mehr zu atmen. Seine Brust ist blutgetränkt und das Blut scheint kein Ende nehmen zu wollen. Selbst der schwarze Mantel hat sich schon voll gesaugt. Hat er ihn getötet? Hat Fynn gerade wirklich jemanden getötet?
Ihm wird wieder schlecht. Er muss sich übergeben. Die Welt dreht sich.
Wieder dringt es leise an sein Ohr: „Mmmmh!"
Fynn erinnert sich wieder an Somni. Es dauert einen kurzen Moment, dann schafft er es aufzustehen. Mit wackeligen Beinen geht er zu Somni und zieht ihm das Klebeband vom Mund.
Ihm fehlt die Kraft, um irgendetwas zu sagen.
Somni hingegen ist voller Begeisterung: „Wow Fynn, das war heldenhaft. Echt beeindruckend. Ich hatte wirklich Angst, ich könnte dich heute verlieren. Dann wären wir alle mit dir verloren gewesen."
Fynn nickt müde, während er Somni von seinen Fesseln befreit.
„Danke. Du glaubst gar nicht, wie unangenehm die waren", sagt Somni und reibt seine blutig aufgeriebenen Handgelenke.
Dann trifft sein besorgter Blick Fynn: „Dir geht's echt nicht gut, oder? Du bist kreidebleich. Setz dich mal hin."
Er bietet Fynn seinen Platz an und dieses Mal folgt Fynn der Aufforderung.
Erschöpft lässt er sich auf den Stuhl sinken.
Somni betrachtet den blutenden Mann, der gerade seine Welt verlassen hat.
„Wie hat er dich überhaupt gefunden?", will er von Fynn wissen.
Fynn zuckt mit den Schultern: „Hat mich im Park abgepasst. Du warst ja nicht da."
Somni hebt entschuldigend die Hände in die Luft: „Ey, ich sitze hier seit zwei Tagen. Der Typ da hat mich gekidnappt, nachdem wir Belials Kugel zerstört haben."
Schwach nickt Fynn. Für Diskussionen hat er keinen Nerv.
„Wir sollten zurück zum Park und dich nach Hause bringen. Du musst dich unbedingt erholen."
Nichts will Fynn lieber, als nach Hause zu gehen.
„Komm, ich stütze dich."
Fynn steht auf und gemeinsam mit Somni verlassen sie das Gebäude. Den glatzköpfigen Mann lassen sie zurück.
Der Weg zurück zum Park zieht sich. Jeder Schritt tut weh. Im Kopf, im Brustkorb, im Magen.
„Ich kann nicht mehr...", stöhnt Fynn und will sich an den Straßenrand setzen.
Doch Somni lässt das nicht zu: „Nur noch ein paar hundert Meter, dann bist du in deinem Bett."
Fynn hält sich die schmerzenden Rippen und schleppt sich weiter die Straße entlang.
„Gehst du dann auch gleich nach Hause?", fragt Fynn mit einem Seitenblick zu Somni.
„Zuerst werde ich zu Chidi gehen und ihm alles erzählen. Er hat sich bestimmt schon Sorgen gemacht, weil wir so lange weg waren."
„Und dann gehst du heim?", fragt Fynn leise.
Somni seufzt kurz: „Ich habe gar kein richtiges Zuhause. Ich lebe in einer Unterkunft mit vielen anderen Kindern und Jugendlichen, die keine Familie mehr haben."
„Du hast keine Familie?", fragt Fynn leicht entsetzt.
„Nein. Vor ein paar Jahren hat Belial schon mal einen Angriff gestartet, der gründlich nach hinten los gegangen ist. Er hat mit einer Armee einen Krieg angefangen. Dabei sind viele Träumianer ums Leben gekommen. Trotzdem konnten wir siegen und alle Soldaten von Belials Armee wurden gefangen genommen. Belial wurde daraufhin verbannt und lebt seitdem isoliert. Nur noch ein paar treue Anhänger halten zu ihm."
Trotz seiner Erschöpfung hört Fynn gebannt zu: „Unglaublich. Ihr hattet einen Krieg..."
Somni nickt: „Ja. Es ist viel Blut geflossen. Ein Jahr, nachdem alle Soldaten verhaftet wurden, ist das Gefängnis durch mysteriöse Umstände abgebrannt und hat nahezu alle Inhaftierten in den Tod gerissen. Belial hatte quasi Glück, dass er nicht inhaftiert, sondern direkt verbannt wurde."
„Dann hat ihm die härtere Strafe das Leben gerettet. Aber jetzt hat er keine Armee mehr."
„Zumindest keine große. Aber wer weiß, was er sich stattdessen ausdenkt."
Sie laufen ein paar Minuten schweigend nebeneinander her.
„Und seit dem hast du keine Eltern mehr?"
„Sie haben es nicht überlebt und ich kam in diese Unterkunft. Aber das ist in Ordnung. Ich habe immer genügend zu Essen, ein Dach über dem Kopf und sogar ein eigenes kleines Zimmer."
Endlich haben sie den Bach erreicht. Somni hilft Fynn, sich ans Ufer zu setzen, um das Wasser in seine Hand zu nehmen.
„Da ist noch was...", Fynn zögert kurz, „ich wollte gestern zu euch, aber Belial hat mich abgepasst."
In Kurzfassung schildert Fynn die Vorkommnisse der letzten Nacht.
„Puh, das wird nicht einfach gegen Belial anzukommen. Der ist besessen von seinem Plan. Aber jetzt gehst du erstmal nach Hause."
Dankbar nickt Fynn, dann nimmt er einen großen Schluck des frischen Wassers.
Vollkommen erledigt landet Fynn daraufhin wieder in seinem Bett.
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