| 1 | Der Traum von einem besseren Leben
Ein junger Mann saß am Abgrund eines Hügels. Mit den Beinen nach unten hängend, beobachtete er den Sonnenuntergang, der den Wald mit rot-braunen Blättern zu dieser herbstlichen Dämmerung am besten zur Geltung brachte. Vor ihm erstreckte sich ein kleiner See, in dem sich die einzelnen Bäume, die am anderen Ufer verteilt standen, und die Sonne spiegelten. Seine Freundin befand sich einige Meter von ihm entfernt, saß im bunten Laub, wo sie die Baumkronen beobachtete. Ihr Blick schweifte über den Waldboden, danach schloss sie ihre Augen, wobei sich ihre Sicht auf das farbenfrohe Umfeld verdunkelte. Marc, so hieß der Junge, dachte über sein bisheriges Leben nach. Was er bis jetzt erlebt hatte und was er noch zu erleben vermag. Seine Gedanken konzentrierten sich aber auch auf die Gegenwart, denn er konnte sich kaum an seine Vergangenheit erinnern. Warum das so war, konnte er sich nicht wirklich erklären.
Hope, so nannte sich Marcs Freundin, erhob sich sanft vom Laub und ging auf ihren Freund zu. Sie umarmte ihn von hinten, während sie ihre Wange an seine schmiegte. Sanft berührten ihre Lippen seinen Oberkopf, der mit braunen Haaren bedeckt war. Als sie ihm ihre Hand reichte, um ihm Aufstehen zu helfen, blickte er ihr tief in die Augen. Diese Gelegenheit nutzte sie und nahm ihm seine Brille ab, die sie in ihre Jackentasche steckte. Er legte seine Hände auf ihre Wangen und küsste sie zärtlich auf den Mund. Der Wind wehte sanft durch ihre Haare, sodass der Duft von Pfirsich in der Luft lag.
Es fing an zu dämmern und die beiden beschlossen nach Hause zu gehen. Der Wald, von dem sie gekommen waren, wirkte bereits sehr düster und gespenstisch. Trotz der wenigen Sonnenstrahlen, die sich noch bemühten die Welt in einem farbenfrohen Lichtermeer zu erleuchten, und der Laternen, die zu dieser späten Abendstunde automatisch angeschaltet wurden, war es schwer für sie den Weg aus dem Wald wieder herauszufinden. Bis sie an eine Stelle kamen, an der Lichterketten über die Baumkronen gespannt wurden und am Boden kleine Laternchen in den Boden gesteckt waren. Der Weg hatte etwas Romantisches, was Marc dazu verleitete die Hand seiner Freundin erst zu berühren, dann in seine zu schließen. In ihm machte sich ein wunderschönes Gefühl breit. Seine Hände kribbelten, seine Atmung wurde flacher und sein Herzschlag schien bis ins Unendliche anzusteigen. Das ist es wohl, was er verspürte. Das ist es, was er Liebe nannte.
Seine funkelnden Augen blickten in ihre, während sie in der Mitte des Weges zum Stehen kamen. Sie sah ihn abwartend an, wobei sie ihm ihre zweite Hand entgegenstreckte und er sie in seine schloss. Für einen langen, gefühlvollen Moment verharrten sie in dieser Position, ohne ein Wort zu wechseln. Eigentlich war bis jetzt nie ein wirkliches Wort in ihrer Beziehung gefallen. Sie verstanden sich, ohne etwas sagen zu müssen. Jeder Wunsch, jeder Gedanke war von den stummen Lippen abzulesen. Marc legte nun seine Hände um ihre Taille, wobei er sie in einen leidenschaftlichen Kuss drückte. Doch dann passierte etwas, das er nicht mal in seinen Träumen erwartet hatte. Etwas, das er wohl vergessen hatte. Vor langer Zeit war das üblich, aber nicht in der Gegenwart, denn sie sprach zu ihm.
„Schatz, es tut mir so leid", sagte die Stimme, die er vorher noch nie gehört hatte und doch aus dem Mund der ihm vertrautesten Person kam, die er kannte. In dem Fall war wirklich nur Hope in seinem Leben. Er antwortete nicht.
„Ich hätte dich schon früher besuchen sollen", redete die fremde Stimme weiter, „Ich hätte diesen Streit während der Autofahrt niemals beginnen sollen."
Seine Gedanken waren verblasst. Er konnte sich an nichts desgleichen erinnern. Was genau passierte gerade? Sie klang sehr verzweifelt, aber der Gesichtsausdruck passte irgendwie nicht zu der Stimme.
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