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25. Kapitel, in dem es Bumm macht.
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Haddock kreischt. "Trevor!" Er rennt in das Getümmel aus Detectives, Harley, Noah, Blissa und einer Menge zweckentfremdeter Gegenstände. Ich sehe meine kleine Schwester mit einem Monatskalender von 1997 auf die Kommissarin einschlagen.
Ich drehe mich um. Zeit zu verschwinden. Wieder werde ich durch den Geräuschpegel davon abgehalten. Ein dumpfer Aufprall, ein schmerzerfülltes Stöhnen, ein Platschen. Ich sehe Blut spritzen und Noah im Teich untergehen. Er ist zwar nicht sehr tief und der Müll nimmt schon den meisten Platz dort ein, trotzdem ist ihr Kopf unter Wasser. Und sie kommt nicht wieder hoch. Luftblasen steigen an die Oberfläche.
"Ach verdammt", murmele ich.
Was tust du, wenn irgendein Officer deine Schwester anschießt? Eine Augenbraue heben und deinen eigenen Arsch retten? Denn das ist es, was Psychopathen tun.
Trevors Stimme hallt in meinen Ohren wider. Also stoße ich das Gartentor fluchend wieder auf und renne zum Wasser. Ich ziehe Noah an den Schultern aus dem mittlerweile rötlich braun schimmernden Teich und hebe sie hoch. Innerlich verfluche ich meine Unsportlichkeit, denn eigentlich ist sie nicht sehr schwer. Trotzdem breche ich fast zusammen.
Ich schleppe sie also mehr schlecht als recht zum Schuppen. Keuchend lasse ich sie auf den Boden gleiten. Unschlüssig knie ich neben ihr. "Ey..." Ich schlage leicht auf ihre Wange, wie ich es in meiner ersten und einzigen Sitzung des Erste-Hilfe-Kurses gelernt habe. "Noah?" Sie bleibt stumm.
"Shit", murmele ich und versuche mich daran zu erinnern, wie genau die stabile Seitenlage noch mal funktioniert. Ich sehe an mir herab. Wieder sind meine Hände blutverschmiert, doch diesmal fühlt es sich nicht im Geringsten gut an. "Noah!", sage ich noch einmal zaghaft und schüttele sie vorsichtig.
Harley kommt auf mich zugerannt. Ich spüre, dass meine Augen feucht werden. Eine Sensation, wenn man es so will. Ich glaube ich habe das letzte Mal geweint, als ich drei war.
"Scheiße, Noah! Verdammt nochmal! Wach auf!" Wütend ramme ich meine Faust in die Erde. Harley hockt sich keuchend neben mich. "Was haben wir uns nur gedacht?", fragt sie mit einem Blick auf meine blutige kleine Schwester. Mir sitzt ein riesiger Kloß im Hals.
"Ich stelle mich", sage ich. Harley nickt. "Ich nehm die Hälfte der Schuld, dann..." Sie kann nicht fertig sprechen, denn der DI stürzt auf uns zu, seine Pistole auf mein Gesicht gerichtet. Ich lasse meine Tränen laufen.
Es ist vorbei.
Harley hebt langsam die Arme. Ich tue es ihr gleich. Blissa steht fassungslos hinter ihm, aber Harley schüttelt den Kopf. "Sir, das alles ist unsere Schuld. Verschonen Sie die Anderen okay? Sie können nichts dafür." Der Mann dreht sich kurz zu Blissa. Dann lächelt er. "Halleluja."
***
Harley und ich sitzen mit Handschellen im Auto. Inzwischen habe ich angefangen, richtig zu flennen. Beschämt sehe ich aus dem Fenster. Es ist eiskalt, ich verschmiere die ganze Rückbank mit Blut. Harley setzt immer wieder an, etwas zu sagen.
"Noah wird nicht sterben", presst sie schließlich hervor.
"Nicht einfach so", sage ich zittrig. "Sie wird meinetwegen sterben." Ich sehe Harley an. Sie zuckt leicht. Heute trägt sie das künstliche Auge nicht. Stattdessen bedeckt eine Augenklappe das nichts. Dahinter kann ich den Anfang einer schlecht verheilten Narbe ausmachen.
"Du bist der Junge, der sein ganzes Leben im luxuriösen London verbracht hat, der mit dem Feuer spielt, als wäre es ein Fußball, der kleine Schnösel ohne Gefühle." Sie zögert. "Du kommst nicht in den Knast, für das, was du getan hast."
"Nein?, frage ich verunsichert. Ich fühle mich wie ein kleines Kind. Schon wieder.
Harley schüttelt den Kopf. "Du kommst in eine Psychiatrie." Ich schlucke einen weiteren Schwall Tränen runter. "Ich bin in Prag geboren."
"Was?" Harley wirkt verwirrt. "Also...zumindest die ersten drei Wochen meines Lebens habe ich nicht in London verbracht", flüstere ich.
"Und immer musst du widersprechen." Sie lächelte sanft in sich hinein.
Sirenen nähern sich. Ich kann den DI mit seiner Kollegin quatschen hören. Blissa schreit nach ihrer Schwester. Der Detective lacht nur und schiebt sie zur Seite. "Hör zu Kleine, beruhig dich, was immer sie mit dir gemacht hat, alles wird sich aufklären." Ich schnaube.
Was wohl aus Gizmo wird? Plötzlich knallt eine der Autotüren zu. Ich schrecke auf und sehe Blissa am Steuer. Sie dreht den Zündschlüssel und der Motor heult auf. Natürlich hat Rufford seinen Schlüssel stecken lassen. Er bleibt ein Idiot.
"Blissa, was zur Hölle!", schreit Harley aufgebracht.
"Ich will ja nichts sagen, aber die Straßen sind glatt und du hast keinen Führerschein...", fange ich an, da tritt sie auf's Gaspedal und brettert los. Mit quietschenden Reifen lenkt sie um die Kurve auf den Wald zu. Meine Augen weiten sich, denn ich bin garantiert nicht bereit unter diesen Umständen zu sterben. Im Rückspiegel sehe ich den DI hinter seinem Fahrzeug herlaufen.
"Wenn du jetzt einen Unfall baust, dann werden Harley und Ich uns mit dem Gesicht abfangen müssen! Und ich werde mein Kapital nicht für deine Scheiße hier opfern!", brülle ich werde jedoch gekonnt ignoriert.
Blissa ist nicht unbedingt eine sanfte Autofahrerin. Harley und ich werden auf dem Rücksitz hin und her geschleudert. Dabei können wir uns Dank der Handschellen nur bedingt abstützen, zumal die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden sind. "Blissa, verdammte Scheiße halt an!", brüllt Harley.
"Du gehst nicht in den Knast!", schreit die zurück. "Vorher sterbe ich!"
"Nicht nur du!", kreische ich, als wie aus dem Nichts ein Kleinlaster vor uns auftaucht. Hektisch wendet Blissa ab. Ein gewaltiger Stoß durchfährt das Auto. Mir wird schlecht. "Fuck!" rufe ich noch, als das Fahrzeug sich abrupt überschlägt. Glas klirrt. Ein unheimlich intensiver Schmerz durchzieht meine Brust und mein Gesicht.
Harley hängt auf dem Sitz. Ihr Fenster ist nicht kaputtgegangen, hat aber einen ordentlichen Knacks abbekommen, als sie mit ihrem Kopf dagegnknallte. Die Frontscheibe, oder viel mehr die Überreste der Frontscheibe sind so voller Blut, dass man nicht mehr rausschauen kann. Ein eisiger Wind zieht durch das Fahrzeug.
"Blissa...Blissa ist Bluter!", stöhnt Harley. Dann ist sie weg.
Alles ist weg. Die Welt dreht sich. Das Geräusch einiger Sirenen brennt sich in meinen Gehörgang. Schreie aus weiter Ferne. Schwärze.
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