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Ich konnte schlecht schon wieder die Arbeit schwänzen, um mich vor Alainas altem Haus auf die Lauer zu legen. Also wartete ich auf dem Samstag. Alaina war nun schon seit einer Woche verschwunden und immer noch hatte niemand etwas von ihr gehört.
Ich nahm Loaf mit und streifte schon am frühen Samstagmorgen mit einem Orangensaft und einem vegetarischen Frühstückssandwich in der Hand durch die Straßen, in denen sie früher gewohnt hatte. Es waren keine sonderlich großen Häuser, aber sie hatten alle einen kleinen Garten und als ich das zartgelb gestrichene Haus mit den weißen Fensterläden erblickte, in dem sie jahrelang gewohnt hatte, blieb ich stehen. Direkt gegenüber war eine Busstation. Der Garten war nicht so schön hergerichtet, wie er es hätte sein können. Der Rasen war nicht gemäht und die Hecken hatten mehr braune als grüne Blätter. Im Vergleich zu den anderen Häusern sah es beinahe heruntergekommen aus. Aber ein Auto stand in der Einfahrt, also war das Haus tatsächlich wieder bewohnt. Es hätte mich auch überrascht, wenn dieses Haus über ein Jahr lang leer gestanden hätte.
Ich sah mich um und überlegte, wo ich mich hier in dieser Straße niederlassen konnte, ohne zu viel Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Schließlich setzte ich mich in das Bushäuschen und schrieb Rey, dass ich auf der Lauer lag.
Und dann wartete ich. Es war ein schöner Samstagmorgen, irgendjemand würde bestimmt das Haus verlassen, oder? Zum Einkaufen oder wegen einer Verabredung mit Freunden.
Detektivarbeit war langweilig. Das beschloss ich nach einer Stunde Rumsitzen. Loaf sah das bestimmt ähnlich, denn bei jedem Bus, der an uns vorbeifuhr, wollte sie einsteigen und schnaufte, als ich sie zurückhielt. Nach dem fünften Bus hob sie nicht einmal mehr das Köpfchen.
Aber nach zwei Stunden tat sich endlich etwas und ich musste mich zusammenreißen, um mich nicht aufgeregt aufzusetzen, ich wollte schließlich keine Aufmerksamkeit auf mich ziehen.
Ein Mann trat aus dem Haus. Vielleicht Mitte zwanzig. Braune Haare, Vollbart und Brille, mehr konnte ich nicht erkennen. Er sah nicht aus wie ein Stalker. Er trug ein kariertes Hemd und eine schwarze Hose.
Aber etwas hatte er an sich, das mich misstrauisch machte. Er ging auf sein Auto zu, aber er sah nicht glücklich aus. Er sah verunsichert aus. Der Mann sah sich um und beobachtete auch mich einen Augenblick lang. Auf mich wirkte es beinahe so, als würde er erwarten, dass gleich jemand auf ihn zukommen und ihn verhaften würde.
Gut, das war schon ein ziemlich spezielles Auftreten, aber dass er sich nicht wohl in seiner Haut fühlte, das konnte ich sehen.
Ich wartete, bis er eingestiegen war, seinen schwarzen Volvo aus der Einfahrt lenkte und davon fuhr, bevor ich aufstand und mit Loaf über die Straße ging. Ich wollte einen Blick durch die Fenster werfen. Vielleicht würde ich ja etwas erkennen.
Ich öffnete das niedrige, hölzerne Gartentor und ließ Loaf als erste auf das Grundstück. Zwar waren in den umliegenden Gärten gerade keine Nachbarn zu sehen, aber ich fand, dass es am Unauffälligsten war, wenn ich mich wie ein Freund des Hausbesitzers verhielt, der vorbeischauen und nachsehen wollte, ob jemand da war. Nur für den Fall, dass mich doch ein neugieriger Nachbar durch seine Fensterscheibe beobachtete.
Also trat ich vor die Haustüre und legte meinen Zeigefinger über die Klingel, ohne tatsächlich zu klingeln. Dabei konnte ich gleich einen Blick auf das Namensschild an dem Briefkasten neben der Türe werfen.
Wren Johnson.
Hm. Das klang auch nicht sehr nach einem Stalker, aber was wusste ich schon? Was war wohl ein typischer Name für Stalker?
Simon Parker, flüsterte eine spöttische Stimme in meinem Kopf.
Ich warf einen Blick durch das quadratische Fenster, das in der Türe eingelassen war. Ich konnte den kleinen Vorraum sehen und dahinter Teile des Wohnzimmers, aber mehr auch nicht, also ging ich einmal um die Ecke des Hauses und warf dort einen Blick in die niedrigen Fenster, musste aber schnell feststellen, dass die Vorhänge alle vorgezogen waren. Blickdichte Vorhänge.
Ich umrundete das ganze Haus und fand ein Fenster, das nicht abgedunkelt war und in die Küche führte. Dieser Raum schien mir sehr leer zu sein. Ich sah nur einen kleinen aufklappbaren Tisch, zwei Stühle und eine Kaffeemaschine. Entweder waren alle Töpfe, Pfannen und Gläser feinsäuberlich weggeräumt, oder dieser Wren war seltsam und besaß nicht viele Küchenutensilien.
Gut, um fair zu sein, ich liebte den Lieferservice auch, denn alles, was man nach dem Aufessen waschen musste, war die Gabel. Ich suchte noch nach einem Kellerfenster, aber so etwas gab es nicht und da keine Leiter im Garten herumstand und ich nicht auf den Baum klettern wollte (das hätte wohl doch etwas zu viel Aufmerksamkeit erregt), konnte ich in das obere Stockwerkt auch keinen Blick hineinwerfen.
„Ich glaub, das führt zu nichts", meinte ich seufzend zu Loaf und beschloss, wieder nach Hause zu gehen.
Doch dieses seltsame Gefühl, dass Wren Johnson etwas zu verbergen hatte, konnte ich nicht abschütteln.
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