23
„Du kleines Arschloch", knurrte ich am nächsten Morgen, als ich aufstand und mich für die Arbeit fertig machen wollte, aber feststellen durfte, dass der Köter vor meine Türe gepinkelt hatte. Was für eine nette Geste. Gerne hätte ich es ihm gleich getan, aber er hatte kein Körbchen und würde auch keines bekommen.
Natürlich hatte ich ihn nicht in meinem Zimmer schlafen lassen. Darum saß er jetzt auf der Couch und blinzelte mich unschuldig an, als wüsste er nicht, was er getan hatte.
Missmutig machte ich mich daran, die sauer riechende Pfütze aufzuwischen.
„Dein Frühstück kannst du vergessen."
Er legte den Kopf schräg, sprang von der Couch und hoppelte auf mich zu. Zweimal verlor er den Halt. Er wollte mir spielerisch ins Knie beißen, aber ich schob ihn von mir, stand auf und stopfte die durchweichten Tücher in den Mülleimer. Sein Geschäft hatte einen dunklen Fleck auf dem Holzboden hinterlassen.
Ich stieß den Atem aus, stemmte die Hände in die Hüfte und sah auf den kleinen Mistkerl hinab.
„Wehe, du benimmst dich nicht, wenn wir heute zu mir nach Hause fahren. Ich hab zwei kleine Geschwister, die mit dir kuscheln werden wollen. Wenn du sie beißt, kassierst du eine, und wenn du ins Haus pinkelst, kassier ich eine, also halt dich zurück."
Als mir auffiel, dass ich gerade mit einem Hund redete, schüttelte ich den Kopf und ging ins Badezimmer, um mir erst mal eine ordentliche Portion kaltes Wasser ins Gesicht zu klatschen. Die gestrigen Ereignisse setzten mir offensichtlich zu. Das Handtuch, mit dem ich mir das Gesicht trocknete, müffelte schon ein wenig, deshalb landete es direkt im Wäschekorb.
Ein Blick in den Spiegel genügte, um zu wissen, dass ich so nicht auf die Straße gehen konnte. Er war voll mit eingetrockneten Wasser- und Zahnpastaspritzern und an der unteren linken Ecke war das Glas gebrochen. Das war wahrscheinlich der Grund, warum meine Reflektion heute so unfassbar scheiße aussah. Oder es war einfach wieder Zeit für einen Frisörbesuch, damit man meine Ohren wieder sehen konnte. Aber für jetzt musste es reichen, dass ich meine Haare so nach hinten gelte, dass ich weder wie ein reicher Schnösel aus den Dreißigern aussah, noch wie mein kleiner Bruder, wenn er vom Sport kam.
Schnell putzte ich mir noch die Zähne, dann nahm ich den Hund an die Leine, schulterte meinen Rucksack und verließ die Wohnung.
Ich warf wie immer einen Blick in den Briefkasten, aber es war kein Brief darin und langsam machte sich in mir der Verdacht breit, dass ich auch nie wieder etwas von dem Psycho hören würde. Stattdessen traf ich auf Juliana, die eben in engen Sportleggins und einem kurzen Top die Stiegen herunter kam. Mein Blick ruhte deshalb eine Sekunde länger als sonst auf ihrem Körper. Ihr Hund hoppelte neben ihr herunter und rannte sofort zu meinem, um ihn zu begrüßen.
Juliana blieb am Fuße der Treppe stehen, zog sich den Pferdeschwanz fester und sah erst irritiert auf den Krüppelhund, dann auf mich.
„Deiner?"
„Nur temporär." Sie nickte langsam, als wollte sie mir das nicht so recht abkaufen. „Er hat schon meine Wohnung eingeweiht und vor meine Türe gepinkelt."
„Kann ich ihm nicht verübeln."
„Ich auch nicht", ich nickte zustimmend. Nachdem das Aufeinandertreffen in ihrer Wohnung so miserabel geendet hatte, hatte sie mir bestimmt auch vor die Türe pinkeln wollen. Und jetzt hatte ich dieses absurde Bild im Kopf, das nicht mehr verschwinden wollte.
Die beiden Hunde sprangen umher und rollten sich auf dem kalten Steinboden herum. „Ich habe ihn Loaf genannt."
Ich grinste sie herausfordernd an, aber sie blickte nur kalt zurück.
„Du hast den Hund Loaf genannt?"
„Ich steh auf Hackbraten."
Sie kniff kopfschüttelnd die Augen zusammen. In diesem Augenblick empfand sie nur Abscheu für mich. „Du bist wirklich grausam, weißt du das?"
„Findest du?"
„Du nicht?"
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und ich lehnte mich gegen die Briefkästen.
„Warum stört es dich, wenn ich den Hund Loaf nenne?"
Ungläubig lachte sie auf und ließ auf ihre Antwort warten. „Muss ich dir das noch sagen?"
„Bitte tu das." Ich war gespannt, ob sie wirklich ausdrücken konnte, was sie daran störte. Die meisten Leute fanden nicht die richtigen Worte, um ihre Gefühle oder Gedanken zu vermitteln. Im ersten Moment sah es auch so aus, als würde Juliana, einfach nach ihrem Hund rufen und mich sauer im Hausflur stehen lassen. Doch dann sah sie mir direkt in die Augen und begann langsam und gefasst zu sprechen.
„Der Hund der Person, die ich geliebt habe, und die bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, hieß Loaf. Dass ein Arschloch wie du diese Geschichte verwendet, um mich zu provozieren -oder was auch immer du damit bezweckst- und seinen eigenen Hund Loaf nennt, ist absolut widerlich. Und ich hoffe, der Hund zielt das nächste Mal besser und pinkelt in deine Schuhe."
Ich spürte das Grinsen nur allzu deutlich, wie es sich langsam auf meinem Gesicht ausbreitete. Ihr Versuch, mich zu beleidigen, war kläglich gescheitert. Wo war die sarkastische Juliana hin?
„Warum sind deine Haare eigentlich blau?"
„Mir hat ein Schlumpf draufgewichst", antwortete sie scharf, ohne zu zögern.
Da ist sie ja wieder!
Sie zog die Augenbrauen zusammen und sah mich abwartend an, aber so gerne ich auch zurückgefeuert hätte, mir fiel keine schlagfertige Antwort ein. Also grinste ich sie einfach weiterhin an und behielt sie fest im Blick, um sie nervös zu machen. Es klappte auch. Es klappte bei den meisten Menschen. Aber es funktionierte nur, wenn man ein Ego hatte, das größer war als man selbst.
Als die Stille zwischen uns kurz davor war, für sie unerträglich zu werden, stieß ich mich von der Wand ab.
„Hey, was hältst du davon, wenn wir mal zusammen mit unseren Hunden spazieren gehen?"
Sie zog ungläubig die Augenbrauen hoch. „Was?" Dann begann sie zu lachen. Es war nur nicht unbedingt ein glückliches Lachen. Ich schätze, sie wusste einfach nicht, wie sie sonst reagieren sollte. Es war eine Übersprungshandlung. Sie strich sich die imaginären Haarsträhnen hinters Ohr und verschränkte dann sofort wieder die Arme vor der Brust. „Du hast Nerven."
„War das ein Nein?"
„Hast du etwas Anderes erwartet?"
Nein, ganz und gar nicht. Aber ich wusste trotzdem, dass wir eine Verabredung haben würden, wenn diese Unterhaltung vorbei sein würde.
„Es geht mir selbstverständlich nur darum, dass die Hunde miteinander spielen können. Sie sind Geschwister und miteinander aufgewachsen."
Sie nickte. „Natürlich. Weil du ja so ein Tierfreund bist."
„Hey, ich hätte Loaf auch einschläfern lassen können."
„Warum hast du es nicht getan?" Sie sah mich herausfordernd an.
„Weil ich eine Ausrede gebraucht habe, um mit dir auszugehen. Und du hast auch eine Entschuldigung, mit mir -einem unsensiblen, arroganten Mistkerl- auszugehen, den du trotz allem interessant findest."
„Du denkst, ich finde dich interessant?"
„Hast du schon immer. Auch damals, als wir noch auf den Seerosen lebten."
Jetzt lachte sie. Ein richtiges Lachen. Sie warf einen Blick auf ihren Hund, aber die beiden waren noch eifrig am Spielen und bellten einander an. Juliana sah wieder auf. „Du willst mit mir in einem Park ausgehen?"
Ich blickte an die Decke und atmete theatralisch ein. „Gut, wenn du unbedingt möchtest, können wir auch ein Abendessen draus machen."
Sie leckte sich amüsiert über die Lippen und sah mich kopfschüttelnd an. Dieses Lächeln sah absolut sexy aus. „Du bist charmelos, weißt du das?"
Wieder grinste ich sie an und wartete auf eine Antwort, die bestimmt schon feststand.
„Na schön", sagte sie schließlich. „Von mir aus. Ein Abendessen. Aber nur, wenn ich die Freiheit habe, aufzustehen und rauszustürmen, sobald du etwas Dummes von dir gibst."
„Klingt fair", lachte ich.
„Wann und wo?"
„Sonntag. Ich hol dich um sieben ab, und wir gehen in ein Restaurant."
„Wie dominant."
„Du hast ja keine Ahnung."
Sie hob warnend den Finger, aber ihr spielerische Blick verriet sie. „Spar dir die Sauerrein, es ist nur ein Abendessen."
Das werden wir sehen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro