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7.1

Eine Tür, die ins Schloss fiel, ein Schlüssel, der herumgedreht wurde, anschließend Schritte, die sich entfernten. Dann war es still. Und dunkel. Wieder einmal. Nikolai ließ den Blick durch seine Zelle schweifen. Lediglich durch die Ritzen und kleinen Löcher in den hölzernen Wänden fielen schmale Streifen Licht, in denen Staubteilchen tanzten.

Ansonsten bot auch dieser Raum nicht viel an visuellen Reizen. Es gab eine Pritsche an der Wand, einen Eimer in der Ecke und Spinnweben an der Decke. Nikolai setzte sich auf sein befehlsmäßiges Bett und betrachtete die gegenüberliegende Wand. Er konnte sich wieder bewegen, seine Glieder hatten aufgehört zu zucken und vermutlich hätte er sogar sprechen können.

Er wartete.

Worauf wusste er nicht. Wie lange? Auch das war ihm schleierhaft. Würden sie ihn bald wieder zum Verhör abholen? Bestimmt. Es ging um eine Offensive, von der sie wahrscheinlich als die ersten, wenn nicht sogar als die einzigen erfahren hatten, weil er zu nachlässig gewesen war, sich der dämlichen Befehle zu entledigen und weil er einfach nicht aus seiner eigenen Haut konnte. Er hatte sich ja unbedingt an Iwan rächen müssen, statt die Klinge einfach wegzuwerfen. Am liebsten hätte er sich selbst geohrfeigt. Hätte er das Ganze einfach auf sich sitzen lassen, hätte er jetzt keine solchen Unannehmlichkeiten. Was sie wohl mit Iwan taten? Töten sie ihn? Sicher, er hatte ihm einen Denkzettel verpassen wollen, aber das wollte er nicht.

Er beschloss, sich auf sein eigentliches Problem zu fokussieren. Es war logisch, dass die Deutschen um jeden Preis mehr Informationen über die Brussilow-Offensive erfahren wollten, immerhin könnte ihr Verlauf kriegsentscheidend sein. Ein Sieg über das Zarenreich würde Deutschland und seinem Verbündeten Österreich-Ungarn die lang ersehnte Gelegenheit bieten, ihre Truppen aus dem Osten abzuziehen und an die Westfront nach Frankreich zu verlegen, wo sie dringend benötigt wurden.

Ungläubig stellte er fest, dass der Lauf der Geschichte in diesem Moment womöglich von ihm abhing, davon, ob und wie viel er preisgab. Er war ehrlich. Hätte er gekonnt, hätte er dem Major sofort alles gesagt, was er wusste. Er wollte hier lebend herauskommen, er hatte noch so viel vor mit seinem Leben und im Prinzip war es ihm egal, wer diesen irrsinnigen Krieg gewann, solange er seine Ruhe hatte. Er überlegte sogar, ob er den Wachmann bitten sollte, ihm etwas zum Schreiben zu bringen, da er sich wieder bewegen konnte, doch irgendetwas ließ ihn zögern.

Er schloss die Augen und mit einem Mal wusste er, was es war. Erstaunlich scharf sah er die Gesichter seiner Einheit vor sich, hauptsächlich junge Männer, die Träume hatten wie er, die nicht sterben wollten, weil sie Ziele hatten, etwas, das sie erreichen wollten. 

Er hatte sich ihnen nie sonderlich verbunden gefühlt, doch in diesem Augenblick erkannte er, dass er ihnen etwas schuldig war, nachdem er sich oft genug ungerecht ihnen gegenüber verhalten und einige von ihnen in den Tod geschickt hatte, nur weil er zu feige gewesen war, die Aufträge selbst auszuführen. Allen voran musste er an Pjotr denken, der nur deshalb gestorben war, weil er sich in seiner Selbstsuch selbst gerettet hatte, ohne Rücksicht auf seine Männer zu nehmen.

Ihm war bewusst, dass er kein guter Mensch war, doch wie sollte er jemals einer werden, wenn er immer nur nach seinem eigenen Vorteil handelte, ohne Rücksicht auf andere zu nehmen?

Dennoch ... Es wäre so einfach, dieser Situation zu entfliehen. War es überhaupt klug, sich das Ziel zu setzen, ein guter Mensch zu werden? Sollte er Folter und möglicherweise den eigenen Tod riskieren, nur damit andere leben konnten? Innerlich lachte Nikolai auf. Was waren das für Gedanken? War das nicht absolut schwachsinnig und unklug von ihm? 

Außerdem war er nicht sicher, ob er sich an alles erinnern konnte, was im Hauptquartier besprochen worden war. Er erinnerte sich daran, dass die Offensive am 4. Juni in Galizien, Bukowina und Wolhynien beginnen sollte, doch nähere Informationen wollten sich nicht in sein Bewusstsein drängen. Er befürchtete, wenn er das wenige, was er wusste, preisgab, würden sie ihm nicht mehr glauben, dass er keine Ahnung von all dem hatte.

Irgendetwas Schreckliches musste geschehen sein, bevor er ins Lazarett gekommen war. Man hatte ihm gesagt, der Bunker wäre eingestürzt, aber konnte das alles gewesen sein? Entstanden deswegen Sprachstörungen, Lähmungen, Panikattacken und Erinnerungslücken? Oder war es vielmehr der tagelange Lärm des Trommelfeuers gewesen? Seine Erlebnisse an der Front allgemein? So oder so, es war schwer vorzustellen, wie all das zusammenhängen sollte.

Es vergingen Sekunden, Minuten, Stunden. Wie viele wusste er bereits nach kürzester Zeit nicht mehr. Seine Taschenuhr hatte ihm einer der Wachsoldaten bei der Gefangennahme gestohlen und das wenige, das er noch besessen hatte, hatte ihm Kompaniefeldwebel Reiser abgenommen, damit er nichts besaß, mit dem er sich hätte beschäftigen können. Als die hereinfallenden Lichtstreifen kürzer wurden und schließlich vollständig verschwanden, versuchte er, zu schlafen. Erfolglos.

So verstrichen nicht nur Sekunden, Minuten und Stunden, sondern ganze Tage. Anfangs zählte er sie noch, da immerhin ein wenig Tageslicht in seine Zelle fiel, schon bald aber gab er auf und er verlor jegliches Zeitgefühl.

Manchmal starrte er eine gefühlte Ewigkeit auf die Tür, in der Hoffnung, sie würde sich öffnen. Leider blieb sie Tag und Nacht verschlossen, außer wenn ihm der Wärter sein Essen brachte. Er durfte nicht mit ihm sprechen, ihn nicht einmal ansehen, wie es schien. 

Seine Sinne bekamen nicht die geringste Abwechslung, von morgens bis abends war er allein mit sich, seinen nie ruhenden Gedanken, seinen Sorgen und den zwei immer gleichen Gegenständen, Pritsche und Eimer. Er fühlte sich, als hätte man ihn in den schwarzen, substanzlosen, schweigenden Weltraum katapultiert, wohlwissend, dass es keine Möglichkeit gab, auf die Erde zurückzukehren, dass er für immer und ewig von der Welt abgeschnitten sein würde, verdammt dazu, sein Leben im Nichts zu verbringen.

Er kannte das. All das war ihm nicht fremd. Er hatte eine ähnliche Situation schon einmal erlebt, in jenem verhängnisvollen Bunker und er erinnerte sich daran, dass es die Hölle auf Erden gewesen war. Trotzdem gab es einen entscheidenden Unterschied: dort war er nicht allein gewesen. Er hatte sein Schicksal mit anderen geteilt, hatte mitbekommen, wie sie miteinander sprachen und stritten. Er hatte mehr gesehen, mehr gehört, mehr getan. Nun hingegen war da einfach gar nichts.

Irgendwann fing er an, die Linien im Holz der Wände zu zählen, bis er ihr Muster in und auswendig kannte, es sich so sehr in sein Hirn einbrannte, dass er es hätte aufmalen können, ohne hinzusehen. In seiner grenzenlosen Langeweile räumte er seine Zelle mehrmals am Tag um, stellte die Pritsche an die andere Wand, den Eimer in eine andere Ecke, bis er jede einmal durchhatte. Anschließend begann das Ganze von vorn, natürlich immer in perfekter Symmetrie und Harmonie angeordnet, soweit es ihm möglich war.

Es kam der Tag, an dem er sich zu fragen begann, ob sie ihn hier drinnen vergessen hatten oder ob sie ihn in Wahrheit gar nicht verhören, sondern ihn zugrunde gehen lassen wollten. Energisch schüttelte er den Kopf. Unmöglich, was ergebe das für einen Sinn?

Erneut schwand das Tageslicht und Nikolai legte sich hin, in der Hoffnung, der Schlaf möge ihn wenigstens für kurze Zeit von seinen Ängsten befreien.

„Sie haben mich im Stich gelassen."

Mit einem vorwurfsvollen Ausdruck in den Augen stand ein junger Soldat vor Nikolai, doch er war nicht wiederzuerkennen. Sein ganzer Körper war blutüberströmt und über seinen Augen trug er eine Binde. Nikolai wich vor ihm zurück, die Augen vor Schreck und Grauen weit aufgerissen.

„Sie haben mich im Stich gelassen", wiederholte der Junge und kam näher.

„Ich weiß."

Betreten senkte Nikolai den Kopf. „Es tut mir leid, Junge."

„Sie mussten Ihr eigenes Leben retten, schon klar."

„Ja. Besser die anderen als ich. Es tut mir leid ..."

Im selben Moment stieß er mit dem Rücken gegen einen Baum. Er konnte nicht weiter. Hektisch sah er sich nach allen Seiten um, auf der Suche nach einem Fluchtweg. Da hatte der Soldat ihn erreicht. Er platzierte seine Hände links und rechts neben seinem Kopf und sperrte ihn ein. Nikolai konnte das Blut des Jungen riechen und erschauderte, weil sich sein Gesicht unmittelbar vor seinem befand.

„Sie sind ein Verräter, Leutnant. Sie haben mich einfach liegengelassen"

„Es tut mir leid", gestand Nikolai zum wiederholten Male „Ich wollte das nicht."

Der junge Soldat stieß einen Laut aus, der an das wütende Schnauben eines Stiers erinnerte. Nikolai drehte den Kopf zur Seite, doch der Junge packte sein Kinn und zwang ihn, in sein blutiges Gesicht zu sehen. Seine Fingernägel waren so spitz, dass sie sich schmerzhaft in seine Haut bohrten. Nikolai schüttelte verzweifelt den Kopf, in der Hoffnung, sich aus dem Griff des Mannes befreien zu können. Es war unmöglich.

„Sie hatten die Verantwortung für uns. Sehen Sie, was Sie angerichtet haben."

Der junge Mann deutete auf den Boden und was Nikolai dort sah, ließ ihn laut aufschreien. Der Mann, der mit aufgeschlitztem Bauch und leblosen Augen in einer Blutlache lag, war er selbst.

„Nein!", stieß Nikolai hervor. „Nein, nein!"

„Das ist Ihre Strafe", eröffnete ihm der Junge. „Sie sollen leiden, wie ich es getan habe, Sie selbstsüchtiges Schwein."

„Nein, bitte, tu das nicht!", schrie er.

Ein grausames Lächeln umspielte den Mund seines Kameraden.

„Ich werde sogar noch Schlimmeres tun, denn gleich schicke ich Sie auf direktem Weg in die Hölle."

Auf einmal hielt der Junge ein Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett in der Hand. Die Klinge blitzte im schwachen Licht bedrohlich auf und näherte sich seinem Hals. Nikolai packte die Hand des Soldaten, um den tödlichen Stoß zu verhindern. Den Jungen schien das nicht einmal im Geringsten zu kümmern. Die Spitze des Bajonetts bohrte sich in seine Kehle und jagte einen unvorstellbaren Schmerz durch seinen Körper. Das letzte, was er sah, war Pjotrs hasserfülltes Gesicht...

Keuchend schreckte er aus dem Schlaf. Verwirrt, orientierungslos und heftig atmend setzte er sich auf.

Er blickte in eisblaue Augen.

Augen, in denen der Tod lauerte.

Beängstigend, bedrohlich, böse.

Erschreckend.

Hektisch sprang Nikolai aus dem Bett. Ein Aufschrei entwich seiner Kehle, als er erkannte, wem diese Augen gehörten. Das schwache Licht, das durch die Gitterstäbe der Tür drang, umkränzte den Mann und ließ seine Konturen erahnen. Groß, dünn, messerscharfe Gesichtszüge. Den Gehstock vor sich, die Hände auf dem Knauf verschränkt und das Gesicht zu Stein erstarrt, stand er vor Nikolai. 

In der Dunkelheit wirkte er wie ein Dämon, der nur darauf wartete, seine Krallen auszufahren und seine spitzen Zähne in Nikolais Fleisch zu rammen. Einen Augenblick lang glaubte er, immer noch in seinem Albtraum gefangen zu sein, so surreal und grauenerregend war das Ganze. Insgeheim wusste er jedoch, dass dieser Mann gerade wirklich vor ihm stand. Fassungslos starrte er den Offizier an und bereitete sich auf einen Kampf vor. War er hier, um ihn zu töten?

„W...w...was..."

Was machen Sie hier?, wollte er fragen, aber wieder einmal entzog sich seine Sprachfähigkeit jedweder Kontrolle.

Der Major ging nicht auf sein Stammeln ein. Stattdessen tippte er sich an die Schirmmütze und verschwand, als wäre nichts gewesen.

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