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4.

Nikolai starrte seit Ewigkeiten auf die gleiche Stelle des Buches, das aufgeschlagen in seinem Schoß lag, ohne ein einziges Wort gelesen zu haben. Er zwang sich dazu, diesen Umstand zu ändern, doch schon nach kurzer Zeit schweiften seine Gedanken wieder ab. Sein Gehirn wollte sich partout nicht mit der „Lehre der militärischen Taktiken" beschäftigen. 

Er begriff ohnehin nur die Hälfe davon. Die meisten Zeilen waren für ihn eine sinnlose Aneinanderreihung von Worten ohne jeden Reiz. Er ärgerte sich über seine Inkompetenz. Wie konnte ein Mensch in einer Disziplin bloß so talentlos sein wie er? Nach den Worten von General Brussilow hatte er alles daran gesetzt, besser zu werden. Es war das erste der Werke, das er versuchte, in sich heineinzuprügeln, eines, das Pjotr ihm besorgt hatte. Da er sich gerade hinter der vordersten Front befand und seit seiner Rückkehr aus dem Hauptquartier nichts Wesentliches geschehen war – sah man von ein paar unbedeutenden Scharmützeln ab - fand er sogar die Zeit dazu. Er musste sich konzentrieren, er durfte nicht schon am Lesen scheitern.

Seine guten Vorsätze halfen nicht. Immer wieder kehrten seine Gedanken zu Pjotr und den Männern seiner Eskorte zurück. Nachdem er sie alle verloren hatte, war er allein weitergezogen, bis er die Stellungen erreicht hatte. Man war dort zwar verwundert gewesen, dass er als einziger zurückgekommen war, doch niemand hatte genauer nachgefragt und sich mit seiner Geschichte zufriedengegeben.

„Wollen Sie sich nicht auch allmählich zur Ruhe begeben, Leutnant?"

„Ich arbeite, Hauptmann, statt meine Zeit mit sinnlosen Dingen wie mit dem Würfelspiel zu verschwenden, so wie Sie es zu tun pflegen", entgegnete Nikolai, ohne seinen Kameraden eines Blickes zu würdigen.

Er wusste, dass es eine höfliche Frage gewesen war, die vermutlich zu einem Gespräch hätte führen sollen, aber der Hauptmann war wie Pjotr: rechtschaffen, ehrenhaft, freundlich und gut.

Er mochte ihn.

Allerdings verdienten Menschen wie Nikolai solche Personen nicht in ihrem Leben. Es würde ihnen schaden, mit jemandem wie ihm befreundet zu sein, sie gar selbst verderben, davon war er überzeugt. Außerdem würden sie nur Erwartungen an ihn stellen, die er nicht erfüllen konnte und er wollte niemanden enttäuschen, das war schon zu oft passiert. Demzufolge war es leichter für ihn und für alle, die mit ihm zu tun hatten, ihn zu verabscheuen.

„Sie sind so furchtbar ernst, dass ich mich frage, ob der Begriff ‚Vergnügen' überhaupt Teil Ihres Wortschatzes ist."

„Ich nähre meinen Wortschatz mit vernünftigen Begriffen, was man von gewissen anderen Personen nicht behaupten kann."

„Sie sind gereizt. Das verstehe ich. Sie haben gute Männer verloren und nicht zu vergessen Ihren Burschen."

Bei der Erwähnung Pjotrs zuckte Nikolai kaum merklich zusammen. „Unsinn, warum sollte mich der Tod eines einfachen Burschen kümmern?"

„Weil man mit ihnen oft mehr Zeit verbringt, als einem lieb ist."

„Nun, Hauptmann, wie gut, dass ich nicht so sentimental bin wie andere hier ..."

„Wollen Sie mich provozieren? Sie sollten vorsichtig sein, ich stehe im Rang immer noch über Ihnen."

Einem anderen wäre der feine Anklang von Verärgerung in der Stimme des Hauptmannes nicht aufgefallen, denn er sprach nach wie vor höflich und beherrscht, aber Nikolai entgingen Details selten.

„Sie mögen im Rang über mir stehen, doch vergessen Sie nicht: Ich war derjenige, dem das Privileg zuteilwurde, mit General Brussilow an einem Tisch zu sitzen, nicht Ihnen."

Der Hauptmann schnaubte verächtlich. „Ja, weil Sie ein Speichellecker sind."

„Sie irren sich. Ich bin schlichtweg gut. Das wollen Sie sich nur nicht eingestehen."

Beinahe hätte Nikolai sich selbst ausgelacht. Wie glattzüngig er schon wieder gelogen hatte. Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie sich der Hauptmann über die Stirn rieb, als spräche er mit einem uneinsichtigen Kind. „Lassen wir es gut sein, mit Ihnen kann man keine vernünftigen Konversationen führen. Angenehme Nachtruhe, wünsche ich."

Die Worte versetzten Nikolai einen Stich ins Herz. Sie rissen eine Wunde in seinem Innern, die nicht schlimm sein mochte, doch je öfter er dergleichen hörte, desto größer und schmerzhafter wurde sie. General Brussilow hatte sie ebenfalls um ein Vielfaches vergrößert.

Du bist nicht gut genug.

Es war dieser Satz, der ihm seit seiner frühesten Kindheit ein treuer Begleiter war. Er wich ihm nie von der Seite und er wusste genau, dass er allein schuld daran war.

Ein ohrenbetäubender Knall riss die Luft entzwei. Der Boden erbebte und die Wände zitterten, als würde ein Ungeheuer daran rütteln. Die Gläser, die auf dem Tisch in der Offiziersunterkunft standen, klirrten. Nikolais gesamter Körper verkrampfte sich, von seinen Gesichtszügen bis zu den Zehen. Sein Herzschlag pochte dumpf in seinen Ohren und seine Kehle schnürte sich zu, sodass er keine Luft mehr bekam. Vor seinen Augen tanzten Sternchen. Von einem Augenblick auf den anderen war er in kalten Schweiß gebadet, der ihm aus allen Poren trat.

Ein weiterer Knall.

Noch einer.

Und noch einer.

Ein schrilles Pfeifen. Wieder ein Knall.

Pfeifen, knallen, pfeifen, knallen. Bald waren die einzelnen Geräusche nicht mehr voneinander zu unterscheiden, sondern verschmolzen zu einem dröhnenden Donnern, das sich anhörte, als wäre es der Vorbote des Weltuntergangs.

„Trommelfeuer!", rief einer der Offiziere. „Alles in den Bunker, sofort!"

Bitte nicht. Bitte, bitte nicht.

Das war alles, was Nikolai denken konnte. Erst als ihn der Hauptmann von eben am Arm packte und in die Höhe zerrte, wurde er gewahr, dass er vor Schock wie festgeklebt auf seinem Stuhl gesessen hatte. Halb gelähmt vor Furcht stolperte er den anderen hinterher, hinab in die Kälte und die Dunkelheit des Bunkers. Major Baranow, der Kompanieführer, brüllte Befehle, die Nikolai nur am Rande seines Bewusstseins wahrnahm. 

Trommelfeuer. Für Nikolai gab es nichts Schlimmeres, nicht einmal der direkte Sturm auf den Feind. Zitternd sank er auf die untere Etage eines der vielen Stockbetten, die den mit Holzbalken und – pfählen gestützten Raum nahezu vollständig einnahmen. Er klammerte sich an dem Bettgestell fest, als wäre es seine einzige Rettung, wollte schlucken, doch sein Mund war ausgetrocknet, kein Tropfen Speichel schien sich mehr darin zu befinden. 

Wie lange würden sie hier ausharren müssen, still, ohnmächtig, machtlos, gefangen im Mittelpunkt der Hölle, in der man die Hitze des Fegefeuers spüren und die Schreie der Verdammten hören konnte? Ein paar Stunden? Ein paar Tage? 

Die Ungewissheit quälte ihn. Bei einem Angriff war man dem Feind zwar ebenso hilflos ausgeliefert, aber zumindest konnte man aktiv handeln. Hier nicht. Hier war man zur Passivität verdammt, die an den Nerven rüttelte und zerrte, bis sie rissen und man nahe dran war, den Verstand zu verlieren. Nikolai schnappte nach Luft. Er hatte das mehr als einmal erlebt. Am Rande einer Panik, hätte er am liebsten laut geschrien und verzweifelt um sich geschlagen, bis ihn jemand weckte und ihm sagte, er habe nur schlecht geträumt. Es war kein Traum. Es war die bittere Realität.

Die wenigen Petroleumlampen warfen flackernde Schatten an die Wände aus festgeklopfter Erde, die wie ein unheimlicher Tanz wirkten. Von dem heftigen Beschuss geriet er immer wieder außer Takt. Nikolai zuckte jedes Mal zusammen, wenn das geschah. Die anderen Offiziere gaben keinen Laut von sich. Ein gelegentliches Husten oder Niesen war alles. Ein paar lagen auf ihren Betten, starrten die Decke an und scheiterten an dem Versuch, einzuschlafen. Andere, die ihre Bemühungen aufgegeben hatten, hatten sich an dem kleinen Holztisch, der die Mitte des Raumes einnahm, zusammengesetzt und spielten eine halbherzige Partie Karten, ausnahmsweise einmal stumm. Niemand wirkte konzentriert. Während einige darauf warteten, an die Reihe zu kommen, fixierten sie einen Punkt im Nichts.

Nikolai hatte sich auf dem Strohsack, der ihm als Matratze diente, zusammengerollt und sich eng in die dünne Decke eingewickelt. Er fand ebenfalls keinen Schlaf. Das ganze Gestell knarrte und wackelte unter dem Artilleriebeschuss, als würde jemand mit aller Kraft daran rütteln. Immer wieder rieselten Staub und Dreck von der Decke. 

Über ihm lag der Major, der sich seit Stunden unruhig hin und her wälzte, wie kaum zu überhören war. Dabei stieß er unablässig ächzende Geräusche aus. Mit bebenden Fingern fischte Nikolai nach seiner Taschenuhr. Er brauchte ein paar Anläufe, bis es ihm gelang, sie hervorzuholen und aufzuklappen. 

2:22 Uhr. Wenigstens eine schöne Zahl. Leider konnte sie heute keine Ordnung heucheln. Das Feuer hielt seit fünfeinhalb Stunden an und der Lärm war kaum auszuhalten. Vom Theater kannte Nikolai riesige Bleche, mit denen man in Aufführungen Donner erzeugen konnte. Nahm man sehr viele davon und schlug auf alle gleichzeitig mit ganzer Wucht ein, dann fühlte es sich an, als würde der Körper in tausend Teile gerissen werden. 

Mit dem Trommelfeuer verhielt es sich ähnlich. Es war das fürchterlichste Geräusch, das Nikolai je in seinem Leben gehört hatte. Es kam ihm vor, als befinde er sich direkt an der Front, so nah wirkte die feindliche Artillerie. Er presste die Hände auf die Ohren, doch es brachte nichts. Es gab keine Möglichkeit, der Lautstärke zu entfliehen. Nikolai biss sich auf die Lippen, bis er Blut schmeckte. Die Haut an seinen zu Fäusten geballten Händen spannte sich weiß über Sehnen und Knöchel.

Major Baranow schlug gegen das Bett und brüllte: „Diese verdammten Krautfresser!"

Polternd stieg er die Leiter hinab, stemmte die dicken Hände in die Hüften und sah sich ratlos um. Sein rundliches Gesicht war vor Sorge und Furcht verzerrt, das grau melierte, blonde Haar zerzaust. Seine altmodischen Koteletten wirkten ungepflegt und viel zu buschig. Der Blick des Majors fiel auf Nikolai. Sein Vorgesetzter zog etwas Helles aus seiner Tasche hervor, das sich als Taschentuch entpuppte und schleuderte es ihm ins Gesicht. „Hier, wischen Sie sich gefälligst das Blut vom Maul. Sie haben sich die verfluchten Lippen aufgebissen."

Nikolai nahm den nach Schweiß und Tabak stinkenden Stoff von seinem Gesicht und blinzelte verwirrt. Sowohl von der Wortwahl als auch vom Verhalten des Mannes war er zu überrascht, um empört sein zu können. Er hatte das Kommando über die Kompanie etwa gleichzeitig mit Nikolais Rückkehr aus dem Hauptquartier übernommen, sodass er mit den Gepflogenheiten dieses Offiziers noch nicht vertraut war.

„Machen Sie schon!"

Wie mechanisch tat Nikolai, wie ihm geheißen. Er war längst nicht mehr fähig, einen eigenständigen Gedanken zu fassen. Vermutlich hätte man ihm in dieser Situation alles befehlen können. Unschlüssig hielt er das blutbefleckte Taschentuch in der Hand und fragte sich, ob er es dem Major zurückgeben sollte. 

Der Ältere nahm ihm die Entscheidung ab. Schon riss er es ihm aus der Hand und ließ es wieder in seiner nachlässig zugeknöpften Uniform verschwinden. Seine nächsten Opfer waren die Offiziere beim Kartenspiel. „Wollen Sie die ganze Nacht mit diesem Unfug verschwenden? Machen Sie sich nützlich und gehen Sie auf Rattenjagd!"

„Rattenjagd?", spie ein Unterleutnant verächtlich hervor und rümpfte pikiert die Nase. „Ich bitte Sie, das ist wohl kaum eine Aufgabe für einen Edelmann."

Das Gesicht des Majors lief feuerrot an. „Sie widersprechen mir?"

Die Stimme des Kompanieführers hatte etwas derart Bedrohliches an sich, dass der Unterleutnant erbleichte und den Befehl ohne weitere Widerworte ausführte.

„Also ich bin dafür, dass wir nächstes Mal, wenn wir uns in diesem Drecksloch verkriechen müssen, einen einfachen Soldaten mitnehmen, der solche für uns entwürdigenden Aufgaben übernimmt", hörte Nikolai einen anderen flüstern. 

Er verstand das Problem nicht. Sollten sie doch froh sein, dass sie etwas zu tun hatten. Er selbst beteiligte sich an der Jagd, ohne einen ausdrücklichen Befehl erhalten zu haben. Er war froh über jede Beschäftigung, die ihn zumindest kurzzeitig ablenkte. Tatsächlich erlegten sie innerhalb kürzester Zeit fünf von den Biestern. Nikolai erschauderte bei dem Gedanken, eines dieser Tiere könnte ihm Nase und Ohren abbeißen. Somit gab es einen weiteren Grund, warum er nicht schlafen wollte. 

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