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3.1

Sie brachen früh am nächsten Morgen auf. Den Großteil der Strecke legten sie mit dem Zug zurück, aber das letzte Stückchen mussten sie zu Fuß durch einen Wald laufen. 

Als Nikolai zu Beginn des Krieges nach Galizien versetzt worden war, war er fasziniert von der Schönheit und Vielfalt der Landschaft gewesen. Ihr beherrschendes Merkmal waren die Karpaten, ein Hochgebirgszug. Zahlreiche Flüsse durchzogen das Gebiet wie Adern, wobei sie sich hoch oben in den Bergen zu kristallklaren Seen ausweiteten, während sie im Flachland zusammenschmolzen und wundervolle Fischteiche formten. Es war reich an Bodenschätzen und auf den weitläufigen Feldern hatten sich im Sommer goldene Ähren der Sonne entgegengestreckt und die Bevölkerung mit Unmengen an Korn versorgt. 

Galizien war Teil der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, ein mit dem deutschen Kaiserreich verbündeter Vielvölkerstaat. Anfangs hatten sie dort vor allem gegen die Österreicher gekämpft, aber aufgrund der Unfähigkeit des österreichischen Oberkommandos hatten in manchen Abschnitten immer mehr deutsche Truppen die Kontrolle übernommen.

Mittlerweile war von der einstigen Schönheit der Gegend nichts mehr übrig. Schützengräben hatten sich wie tiefe Wunden in die Landschaft gefressen und zwischen den Frontlinien lag das Niemandsland, eine Wüste aus Schlamm, Tod und Zerstörung. Rings um ihn herum erstreckte sich nur noch ertragloses Ödland, bevölkert von verwesenden Tierkadavern, Leichen und Raben, die sich an beiden labten. Überall hing ein schwerer, bitterer Brandgeruch über dem verwüsteten Gebiet. Verlassene oder zerschossene Siedlungen waren kein seltenes Bild. Unterwegs hatten sie am Wegrand immer wieder die leblosen Körper von Frauen und Kindern gesehen, die ihr Heil in der Flucht gesucht hatten und verhungert waren. Nikolai hatte sie nicht so genau betrachtet, weil er sein gepeinigtes Gewissen nicht auch noch mit solchen Bildern belasten wollte, aber dem Verwesungsgestank nach zu urteilen, den sie verströmt hatten, lagen einige hier schon seit Wochen.

Auch in dem Wald, den sie durchqueren mussten, verfolgte sie der Tod auf Schritt und Tritt. Einmal trat Nikolai auf etwas Hartes, das er für einen Ast hielt, doch als er hinsah, erkannte er, dass es ein abgerissener, vom Frost überzogener Arm war. Mit ihren Gewehren im Anschlag, schlichen Nikolai und seine Eskorte voran und versuchten, so leise wie möglich zu sein. Falls sich hier irgendwo der Feind aufhielt, sollte er nicht auf sie aufmerksam werden.

Die Bajonette, die bei einem Mosin-Nagant immer aufgepflanzt sein mussten, damit sich das Schussbild nicht verschlechterte, hatten sie mit Schlamm eingerieben, um den verräterischen Glanz zu überdecken.

Mit jedem Schritt, den sie sich der Front näherten, krampfte sich Nikolais Magen mehr zusammen. Er wollte nicht zurück. Die ganze Situation war ihm nicht geheuer. Der düstere Wald, in dem die kahlen Äste der Bäume wie Monsterklauen nach ihm griffen, der Geruch von Tannennadeln und Harz, der sich mit dem Gestank des Todes vermischte, die unheimlichen Tierrufe...

Dass er als Offizier die Truppe anführte und ganz vorne gehen musste, gefiel ihm überhaupt nicht. Am liebsten hätte er einen erfahreneren Mann vorgeschickt, aber dann hätte er sich als der Feigling entlarvt, der er war. Pjotr lief direkt hinter ihm, er konnte es an dem gleichmäßigen, eine Spur zögerlichen Schritt seines Burschen erkennen.

Die Bäume standen immer dichter. Tannen begannen allmählich, die Laubbäume abzulösen, wodurch noch weniger Licht hereinfallen konnte. Schwarze Schatten überzogen die Erde wie Pech. Nikolai hatte einen schalen Geschmack im Mund. An der Spitze seiner Eskorte kam er sich vor eine Zielscheibe. Seine Nackenhaare sträubten sich und er fuhr bei jedem kleinen Knacken zusammen.

Schließlich kam ihm eine Idee. Er blieb stehen, drehte sich zu seinen Männern um und winkte einen von ihnen zu sich.

„Korporal, du hast doch so einen guten Orientierungssinn und ich fürchte, meiner hat mich im Stich gelassen."

Das war eine glatte Lüge und mit einer gewissen Peinlichkeit verbunden, wenn er behauptete, er als Vorgesetzter kenne sich nicht mehr aus, aber alles war besser, als sinnlos zu sterben, ohne seine Ziele im Leben erreicht zu haben.

„Wir müssen weiter nach Westen, Euer Gnaden."

„Geh voraus."

„Jawohl, Euer Gnaden."

Der Mann löste sich aus der hinteren Reihe und begab sich nach vorn. Pjotr warf ihm einen seltsamen Blick zu. Nikolai ignorierte ihn. Gut möglich, dass sein Bursche den wahren Grund erahnte, aber das war unwichtig.

Eine ganze Weile irrten sie durch den Wald, während die Sonne immer tiefer stand. Das mulmige Gefühl wollte Nikolai nicht verlassen. Er hoffte inständig, dass sie hier nicht übernachten mussten.

Plötzlich ertönte ein lauter Knall. Der Korporal schrie auf, warf die Arme in die Höhe und brach zusammen.

„In Deckung!", brüllte Nikolai über die Schulter, verschwand im Gebüsch und duckte sich, den Revolver im Anschlag. Er presste sich flach auf den Boden, spürte, wie die Zweige und Tannennadeln ihn stachen und nahm den herben Geruch von Erde wahr.

Einige seiner Männer waren nicht so schnell gewesen. Er sah sie fallen, durchsiebt von Kugeln, während ihr Blut den Waldboden durchtränkte. Gellende Schreie zerrissen die Luft. Das Feuer kam von einer kleinen Anhöhe, die sich nur wenige Meter von ihnen entfernt befand. Er konnte keine gegnerischen Soldaten sehen, nur das Mündungsfeuer ihrer Gewehre, das in der anbrechenden Dunkelheit so hell aufblitzte, dass es in den Augen schmerzte. Wieder ein Feind, den man nicht sehen, sondern nur hören konnte. Nikolai schloss die Augen und biss sich auf die Lippen. Es war so laut, so unerträglich laut.

Der Schweiß brach ihm aus und er sah bereits vor sich, wie die feindlichen Kugeln auch ihn durchlöcherten, stellte sich den Schmerz vor und das anschließende Nichts, das unmittelbar auf den Tod folgen musste. Er war nicht gläubig und somit fest davon überzeugt, dass es kein Leben danach gab. Er hatte nur dieses eine – dieses eine, das er unbedingt retten musste.

Als er die Lider wieder öffnete, entdeckte er Pjotr, der hinter einem Baum Deckung gesucht hatte und von dort aus auf den unsichtbaren Feind schoss. Wenigstens ihn sollte er mit sich zusammen in Sicherheit bringen. Nur wie? Panisch sah sich Nikolai um. Nicht weit von den Büschen entfernt, gab es eine Senke, die sich tiefer in den Wald hineinzog. Wenn er dort entlangkroch, könnte er heil aus der Situation herauskommen. Abermals sah er zu Pjotr hinüber. Er würde nicht nur sich selbst retten, im Gegenteil, in erster Linie würde er dafür sorgen, dass mir nichts geschieht. Ich bin es ihm schuldig, dachte Nikolai. 

Nein. 

Es war zu riskant. Wie sollte er zu seinem Burschen kommen und ihn mit sich nehmen, ohne getroffen zu werden? Unter heftigen Gewissensbissen wandte er sich ab, robbte auf dem Boden entlang und warf sich erleichtert in die Senke. Dort kroch er weiter durch den Dreck, ignorierte seine steif gefrorenen, aufgekratzten Hände und die Schüsse, die noch immer über seinem Kopf hinwegtobten. Er wollte weg, einfach weg! Immer hektischer arbeitete er sich vorwärts, während sich die Kälte des Bodens in seine Glieder fraß und sie zu lähmen drohte. Dennoch hielt er nicht inne und sah sich nicht um, kein einziges Mal.

Als die Schlachtgeräusche leiser wurden und er davon überzeugt war, sich außerhalb der Gefahrenzone zu befinden, rollte er sich schwer atmend auf den Rücken und starrte in die Baumkronen, zwischen denen einzelne Himmelsfetzen aufblitzten. Sie leuchteten in einem dunklen Orange, als stünden sie in Flammen. Nikolai hätte das nicht verwundert. Die ganze Welt wurde vom Feuer des Krieges verzehrt.

Während er versuchte, sich zu beruhigen und die unmittelbare Todesangst allmählich von ihm abfiel, wurde ihm bewusst, was er da gerade getan hatte. Er hatte seine Männer im Stich gelassen, einschließlich Pjotr. Es war nicht das erste Mal gewesen, aber womöglich das schlimmste. Er hatte eine Verantwortung für seinen Burschen gehabt und nun war er vermutlich tot. Und er? Zählte das, was er gerade getan hatte, als Desertion? In dem Fall musste er sogar hoffen, dass niemand außer ihm überlebt hatte, damit es keine Zeugen gab. Die Worte seines ehemaligen Tanzlehrers kamen ihm in den Sinn. In einer selbstsüchtigen Welt kann nur der Selbstsüchtige erfolgreich sein. Merk dir das, Nikolai. Wenn du ein guter Tänzer werden willst, sei rücksichtslos.

Sein jugendliches Ich hatte zu diesem Mann aufgesehen und es ihm unbedingt recht machen wollen. Er hatte es verpasst, seine Eltern mit Stolz zu erfüllen, er hatte es nicht auch noch bei seinem Lehrer vermasseln wollen. Er hatte Erfolg gehabt. Diese Methode hatte immer schon funktioniert, auch an diesem Tag.

Ächzend erhob er sich, überprüfte seine Ausrüstung und setzte sich auf einen umgefallenen Baumstamm. Er wartete so lange, bis er sicher sein konnte, dass die Deutschen verschwunden waren. Anschließend ging er zögerlich zum Ort des Gefechts zurück, wobei er auf jedes kleine Geräusch und jede Bewegung lauschte. Er wusste, dass er ein Risiko einging, aber er musste wissen, ob Pjotr überlebt hatte.

Als er die Stelle erreichte, bot sich ihm ein Bild des Grauens. Die Leichen seiner Männer lagen auf dem Boden verstreut, manche grotesk verrenkt, blutbesudelt und mit weit aufgerissenen Augen, die im Augenblick des Todes erstarrt waren. Andere sahen friedvoll aus, als würden sie nur schlafen. Ihnen allen fehlten Stiefel, Mäntel, Waffen und Proviant.

Der Geruch von Gewehrrauch biss ihm in die Lunge und brachte ihn zum Husten, während er sich vorsichtig aus der Deckung wagte. Keine Schüsse. Der Feind musste abgezogen sein.

Es dauerte nicht lange, bis er Pjotr entdeckte. Sein Bursche lag hinter jenem Baum, hinter dem er Schutz gesucht hatte, auf dem Rücken, die leblosen Augen gen Himmel gerichtet, der Mund geöffnet, als hätte er noch zu einem qualvollen Schrei ansetzen wollen. Seine Brust war blutüberströmt.

Wie von selbst sank Nikolai neben ihm auf die Knie. Seine Kehle wurde eng und erschwerte ihm das Atmen. Es kam ihm vor, als hätte man Steine in seine Brust gefüllt, so sehr zog sie ihn nach unten, doch es war nur sein Herz, das vor Schuldgefühlen derart schwer war, dass es ihm unmöglich erschien, es länger in seinem Körper zu tragen.

Er wollte ihm so vieles sagen, etwa, dass es ihm leid tat, dass er ihn im Stich gelassen hatte, dass er ihn immer wieder wegen Nichtigkeiten angefahren und schlecht behandelt hatte. Doch was er schließlich sagte, war: „Ich habe dich nicht verdient, Pjotr. Du warst so ... gut, so unschuldig, so loyal. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll und entschied mich für den falschen Weg."

Vorsichtig streckte er die Hand aus, legte sie auf die Augen seines Burschen und schloss ihm sanft die Lider. Als er sie wieder wegnahm, wirkte er friedvoll und sein Gesicht noch zarter und engelhafter als zuvor. Wie jung er aussieht, dachte Nikolai.

Trauer und Schuld überwältigten ihn so sehr, dass er sich die Hände vor das Gesicht schlug und die Nägel tief in seine Stirn und seine Wangen grub, bis er die feinen Blutrinnsale spürte, die aus den winzigen Wunden flossen, um den ungeheuren Schmerz in seinem Inneren zu betäuben.

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