13| erbärmlicher Reinfall
„Wie kann man nur so bescheuert sein?!", schrie der schwarzhaarige Mann mit den buschigen Augenbrauen und warf eine Mappe auf den Schreibtisch vor ihm. Er war von seinem Bürostuhl aufgestanden und funkelte die Person wutentbrannt an, die ihm gegenüber saß. Die Luft in dem kleinen Büro schien zu vibrieren, so sauer war er. „Es ist doch nicht so schwer eine verdammte Leiche in einem Fluss zu versenken!", brüllte er weiter, während sein Gegenüber auf dem Stuhl immer kleiner zu werden schien. „Ich dachte, dass ich getroffen hätte", gab er kleinlaut zu und starrte schuldbewusst an die Wand. „Du dachtest?!" Er stützte sich auf dem Tisch ab und lehnte sich nach vorne. „Und da kann man nicht man schnell nachschauen?!" Er bebte förmlich vor Wut. „Ich habe es vergessen." Seine leise Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern. Der schwarzhaarige Mann gab ein fassungsloses Lachen von sich, während er ungläubig den Kopf schüttelte. „Mit was für minderbemittelten Gestalten muss ich mich hier eigentlich abgeben?!" Er schnaubte und ließ sich zurück auf seinen Sitz fallen. „Hast du etwa auch vergessen, wie wichtig unsere Mission ist? Was wir zu verlieren haben? Dass der Boss dich umbringen wird, sollte auch nur irgendetwas das Projekt gefährden?!" Als Antwort schüttelte er nur eingeschüchtert den Kopf. Tiefe Augenringe entstellten sein sonst so frisch wirkendes Gesicht und ließen ihn einige Jahre älter wirken. Die Spuren seiner Tat waren ihm deutlich anzusehen.
„Wir hätten es nicht schlimmer erwischen können. Die dumme Göre ist fest davon überzeugt das Messer gesehen zu haben. Sie ist ihm so ähnlich. Beide stur bis zum Abwinken. Wenn wir Pech haben, ist sie auch noch so ehrgeizig und hartnäckig. Sie glaubt die Geschichte von dem Autofall nicht. Das habe ich gespürt." Er fuhr sich durch das kurze Haar und presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. „Sie hat es schon weiter geplappert. Einer meiner Jungs hat sie beobachtet." Genervt seufzte sein Gegenüber auf.
„Und was können wir jetzt dagegen tun? Wie können wir sie ablenken?", fragte er unsicher und schien über mögliche Lösungen nachzudenken. „Du hast die Scheiße verbockt!" Erneut schüttelte der Mann mit dem Kopf. „Aber da ich dir hohlen Nuss nichts zutraue, habe ich schon etwas in die Wege geleitet." Schmunzelnd lässt er sich gegen die Lehne seines hohen Bürostuhls sinken. Der Mann machte sich nicht die Mühe nachzufragen. Er hatte schon früh genug gelernt keine Fragen zu stellen. Der Schwarzhaarige ließ einen nur wissen, was man wissen sollte – nicht mehr und nicht weniger.
„Und jetzt geh und fälsch' ihre Akte. Es muss alles so unverdächtig wie möglich aussehen. Dem Boss darfst du auch von deinem erbärmlichen Reinfall berichten", befahl er ihm lustlos, drückte ihm die Mappe in die Hand und winkte ihn ungeduldig aus dem Raum. Etwas unsicher folgte der andere Mann der Aufforderung und war wenig später auch schon verschwunden.
Die Mappe fest umklammert, schritt er durch die kahlen Flure des schier endlosen Gebäudekomplexes. Ihm schien es immer noch ein Rätsel, wie man sich hier zurechtfinden sollte. Jeder Flur sah exakt gleich aus. Die weißen Wände und grauen Marmorböden verfolgten ihn bereits im Schlaf, doch dies war das geringste seiner Probleme, das ihn Nachts heimsuchte. Seit der Tat hatte er weder richtig schlafen, noch essen können. Immer wieder flimmerte der blutbeschmierte Körper vor ihm auf.
Jetzt, da er wusste, dass er den Leichnam nicht im Fluss versenkt und dieses Mädchen ihn gefunden hatte, schien es ihm noch schlechter zu gehen. Nicht nur der Gedanke an die Tat selbst, sondern auch an die Konsequenzen suchten ihn nun jede freie Minute heim. Er hatte erwartet, dass die kommende Zeit schwer werden würde, doch die Realität gestaltete sich weitaus schlimmer. Schlimmer, als er sich je hätte vorstellen können.
Doch jetzt war es nun mal zu spät, er konnte es nicht mehr rückgängig machen. Als er den Job vor einigen Monaten angenommen hatte, hätte er sich nicht mal im Traum ausmalen können, was ihn hier erwarten würde. Der Boss selbst schien ein anständiger Mann zu sein – soweit man dies unter den gegebenen Umständen beurteilen konnte. Das größte Problem stellte dieser Rodger dar. Er war schließlich derjenige gewesen, der ihn mit dem Mord beauftragt hatte. Früh schon musste er lernen, dass man seinen Anweisungen unverzüglich Folge zu leisten hat – keine Widerrede erlaubt. Er verhielt sich wie der Chef der ganzen Operation, doch das war er nicht. Das schien ihn nur nicht allzu sehr zu stören.
Als er den Mord begangen hatte, war es ihm keineswegs schwergefallen in seiner Rolle zu bleiben. Er hatte getan, was nötig war, was ihm aufgetragen wurde. Aktuell hingegen begann die Fassade zu bröckeln und es fiel ihm immer schwerer weiterzumachen. Er begann seine Handlungen zu hinterfragen. Er begann sich selbst zu hinterfragen. Was war aus ihm geworden? Wer war er jetzt?
An der nächsten Abbiegung wendete er sich nach rechts in der Hoffnung dem Büro des Chefs näherzukommen. Seine Schritte waren die einzigen Geräusche, die durch die leeren Flure hallten. Er atmete tief durch und versuchte sein schnell pochendes Herz ein wenig zu beruhigen. Der Boss schien zwar ein umgänglicher Mensch zu sein, aber er hatte wirklich Mist gebaut. Er hatte alles in Gefahr gebracht.
Wenn er eins wusste, dann, dass dem Boss nicht wichtiger war, als dieses Projekt. Es stellte seinen kompletten Lebensinhalt dar und er würde alles opfern, um es zu retten. Und nun hatte er es in Gefahr gebracht. Was würde ihn also erwarten?
Als er vor der vermeintlich richtigen Tür zum Stehen kam, herrschte das reinste Gefühlschaos in ihm. Einerseits war er froh, die richtige Tür in diesem Labyrinth gefunden zu haben, andererseits hatte er Angst vor der Reaktion seines Bosses. Er atmete noch einmal tief durch, ehe er anklopfte.
Nur wenige Sekunden später konnte er ein gedämpftes „Herein" vernehmen und drückte die Klinke herunter. Etwas unbeholfen trat er ein und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Die Akte immer noch in der Hand, ging er ein paar Schritte auf den Schreibtisch zu, an dem ein blonder Mann mittleren Alters hinter einem Laptop saß.
„Was bringt dich zu mir?" Er klappte den Laptop zu und schob sich die runde Brille nach oben. In seinen Augen spiegelte sich unverkennbar Mitleid wider. Schließlich war er gegen die ganze Mission gewesen. Doch auch er wusste, dass es jetzt zu spät war. Er hatte es akzeptiert. Nur wusste er noch nicht alles.
„Rodger schickt mich." Er senkte den Blick zu Boden. „Warum denn das?"
Und dann berichtete er von seinem erbärmlichen Reinfall. Er beobachtete, wie sein Boss mehrmals schwer schlucken musste und sich seine Miene zunehmend verfinsterte. Auch er wurde während des Erzählens immer nervöser und sein Herzschlag begann sich zu beschleunigen.
„Es tut mir leid. Es... Es wird nicht wieder vorkommen", versicherte er ihm und schaute sich nervös in dem kleinen Büro um. Der Chef gab ihm keine Antwort, sondern starrte nur stur auf den dunklen Holztisch vor ihm. Der nächste Satz, den er sagte, ging ihm nur sehr schwer über die Lippen.
„Es war Eloise. Eloise Montgomery hat die Leiche gefunden."
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Kapitel 13 ist da und ihr seht die Welt wieder durch die Augen des Mörders. Findet ihr diese Art von Kapiteln gut?
Was sagt ihr? Was für ein Projekt ist da am Laufen und wie wird der Boss wohl mit dem Mörder verfahren?
Was ist euer Eindruck vom Mörder und dem Boss?
Und an all diejenigen, die vermuten haben, dass Rodger etwas mit der ganzen Sache zu tun hat: Herzlichen Glückwunsch, ihr hattet recht.
Wie immer freue ich mich über Feedback, konstruktive Kritik und Anmerkungen.
Lasst ein Sternchen da, wenn es euch gefallen hat.
LG JewelMind
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