Zweiunddreißig
„Wie geht es eigentlich Miss Nadine?" Ich zucke zusammen, als ich kurz darauf die Küche durchquere. Eigentlich wollte ich mir gerade noch einen letzten Kaffee einlassen.
„Mum?", erneut stutze ich. Das zweite Mal an einem Tag. Hat sie vergessen ihre Medikamente zu nehmen?
„Wie geht es ihr?", fragt sie nochmal und setzt sich an den Essenstisch. Zögernd verabschiede ich mich von meinem Kaffee – ich hatte ohnehin genug – und folge ihrem Beispiel. Vielleicht können wir ein ganz normales Gespräch führen. Ich gebe es nicht oft zu, aber ich vermisse sie, vermisse meine Mutter, mit der ich über die Absurditäten des Lebens reden kann. Ich vermisse ihre weise, alte Seele.
„Gut, denke ich." Ich räuspere mich.
„Sie sieht genauso aus wie früher." Einer der Gründe, warum mich Mikael damals zu Miss Nadine brachte, war, dass sie Mum bereits vor mir kannte. Bevor wir hierherzogen war auch meine Mutter bei ihr in Behandlung.
„Das habe ich mir irgendwie gedacht." Schweigend starrt sie an einen Punkt hinter mir in der Wand.
„Ich glaube nicht mal, dass sie überhaupt altert." Miss Nadine wirkt auf mich schon immer wie ein Vampir, unsterblich, festgefroren an diesem Stuhl in ihrem Behandlungszimmer, nicht aus der Ruhe zu bringen, abgeschottet von Licht und Außenwelt. Ernährt sich von den Ängsten und Träumen ihrer Patienten.
„Überlegst du, ob du wieder zu ihr gehen sollst?" In einem muss ich Mikael recht geben und ihm dankbar sein – es könnte keinen besseren Therapeuten für diese Familie geben als Miss Nadine. Sie hat etwas an sich, das ich zwar nicht beschreiben kann, das uns aber allen irgendwie gut tut.
Zu meiner Überraschung, wechselt Mum das Thema. Da liebt anscheinend noch jemand Ablenkungsmanöver.
„Was ist wirklich mit Darren passiert? Ich kann verstehen, dass du vor diesem Jungen nichts sagen wolltest."
„Er heißt Khan, Mum." Bei dem Wort Mum zuckt sie leicht zusammen. Es ärgert mich leicht, dass sie sich nicht mal die Mühe gemacht hat, sich Khans Namen zu merken. Sie hätte wenigstens so tun können als ob. Und warum nimmt sie an, nur weil ich mit Khan hier auftauche, stimmt etwas mit mir und Darren nicht mehr?
„Mit Darren ist nicht viel passiert. Ein wenig Alkohol und ein anderes Mädchen haben die Sache beendet." Es wundert mich, dass ich ehrlich bin. Normalerweise hätte ich ewig herum gedruckst, ehe ich überhaupt damit raus gerückt wäre, dass Darren und ich kein Paar mehr sind. Vielleicht will ich einfach, dass sie es weiß. Vielleicht ist die Sache für mich wirklich abgeschlossen.
Ein winziger Teil von mir glaubt allerdings auch daran, sie könnte unser Gespräch morgen schon wieder vergessen haben. Wie dem auch sei, wenn wir uns das nächste Mal unterhalten, wird es keine Rolle spielen – denke ich.
„Er hat dich betrogen", sagt Mum, überflüssigerweise, mit einer hochgezogenen Augenbraue. Ich verziehe das Gesicht und spüre, wie mir das Herz in die Hose sinkt. Das hört sich so... grausam an. Natürlich ist Darrens Tat grausam, doch so wie meine eigene Mutter es ausspricht, hört es sich ebenfalls an, als wäre ich schuld. Und das bin ich nicht?!
„Offensichtlich", krächze ich. Ein Räuspern, dann ist meine Stimme wieder da.
„War es ein Versehen?" Ich blinzle. Hat sie mir diese Frage gerade wirklich gestellt?
„Keine Ahnung." Er behauptet, ja. Ich glaube ihm nicht, nein.
„Habt ihr denn nicht darüber geredet?", will sie wissen. Allmählich fühlt sich dieses Gespräch an wie ein Verhör. Kaum reden wir einmal miteinander, da lenkt sie das Gespräch in die völlig verkehrte Richtung. Meine Stimme ist wieder fest, als ich ihr antworte.
„Lass mal überlegen... Hm, nein. Nicht wirklich. Ich kaufe ihm nämlich nichts von dem ab, was er zu mir sagt." Unsere Unterhaltungen in den letzten Tagen kann man kaum als solche bezeichnen. Entweder ich bin weggelaufen und Khan hat ihm eine runter gehauen oder ich habe Anne eine Ohrfeige gegeben und bin dann weggelaufen. Das muss Mum ja aber nicht wissen. Was zählt, ist, dass sie versteht, dass Darren mich tief getroffen hat und dass sich das nicht einfach durch Reden wieder in Ordnung bringen lassen wird.
Müsste sie das nicht verstehen? Frauen sind sich doch sonst immer in allem einig, was das betrifft. Betrug ist eine der schlimmsten Sachen, die man seinem Partner antun kann. Niemand, ich wiederhole, niemand, würde dem anderen da verzeihen(okay, abgesehen von einzelnen Ausnahmen, zu denen ich ganz bestimmt nicht gehöre).
„Liebst du ihn noch?", fragt sie. Mir läuft es eiskalt den Rücken runter. Sie hat definitiv ihre Medikamente nicht genommen.
Früher habe ich sehr viel mit ihr über Darren geredet. Hauptsächlich, um sie von ihrem Selbstmitleid abzulenken. Sie weiß mehr als mir lieb ist.
Ich zögere. Liebe ich Darren noch? Habe ich ihn überhaupt richtig geliebt? Bessere Frage, hat er mich je geliebt?
„Ich weiß es nicht", antworte ich ehrlich. In meinem Kopf ergibt nichts, was mit Darren zusammenhängt, mehr Sinn.
Einerseits sind da die ganzen Erinnerungen, die mich mit Sehnsucht und Hoffnung erfüllen. Unser erster Kuss. Wie er mich damals in den Arm nahm. Seine Hände an meiner Taille. Mein erstes Mal. Wir beide, als wir das erste Mal Hand in Hand die Schule betraten. Der Moment, in dem wir wussten, dass aus uns ein Paar werden würde.
Mit viel mehr erfüllt mich allerdings der Gedanke an seine Person, an seinen Humor, an seine Güte, die Dinge, die er für mich tat. Die Dinge, die so laut Liebe riefen, dass es unmöglich gewesen wäre, sie zu übersehen. Und doch gibt es diese anderen Dinge, jüngste Erinnerungen.
Angefangen bei seinem ewigen Komplex mit dem Footballstipendium und der Party, seinem Betrinken – dass er mir nicht Bescheid gab und mich einen ganzen Tag ahnungslos ließ. Seine ewigen Bedürfnisse und dass meine Funktion als Freundin der Funktion einer Ablenkung wich. Ich war immer sehr hilfsbereit, wenn es um seine Spiele ging, unterstützte ihn, das muss man mir lassen. Diese Dinge häuften sich, ließen den oben genannten Ausruf der Liebe förmlich verblassen. Es stimmt, ich weiß nicht, ob ich Darren noch liebe.
„Darren ist ein guter Junge", beteuert sie, scheinbar darüber hinwegsehend, was er getan hat.
„Er hat mich betrogen", ich zwinge mich dazu, leise zu bleiben. Am liebsten würde ich schreien, aber dann laufe ich Gefahr, dass Dad uns hört. Wer weiß, bei den Dingen, die heute mit Mum los sind, würde es mich nicht wundern, wenn er auch noch dazu käme. Unser erstes Familydinner seit... es ist zu lange her, als dass ich mich erinnern könnte. So viel dazu.
„Manchmal machen Menschen Fehler." Sie starrt wieder auf dieses Fleckchen Wand hinter mir. Entnervt fuchtel ich mit der Hand vor ihrem Gesicht herum.
„Menschen machen Fehler, wirklich jetzt? Das ist kein einfacher Fehler, den du mit ein paar Blumen wieder gut machen kannst. Warum verstehst du das nicht?" Ich stehe auf, weil ich ihre Anwesenheit nicht mehr ertrage. Gut, ich vermisse sie und würde ihr unter anderen Umständen am liebsten um den Hals fallen und fragen, was mit ihr geschehen ist, wo die liebende Mutter hin verschwunden ist. Aber das hier, das alles geht zu weit.
„Darren hätte dir eine sichere Zukunft geboten, Stew." Sie zuckt nur die Achseln.
„Ich scheiße auf die sichere Zukunft, wenn er mich nicht liebt." Sie schnalzt mit der Zunge, denkt bestimmt an Miss Nadines Language-Schild.
„Eine sichere Zukunft ist wichtig, Stew." Erneutes Achselzucken, glasige Augen. Ich schüttele den Kopf. Sie hört mir doch gar nicht zu!
„Nicht wenn ich dann so ende wie du." Sobald ich diese Worte ausgesprochen habe, will ich sie zurück nehmen. Mein Magen krampft sich zusammen. Mum presst die Lippen aufeinander, sagt aber nichts mehr. Alles in allem macht sie den Eindruck, als ginge es sie gar nichts an. Als sei sie eine Außenstehende und nicht Teil dieser Familie. Sieht sie denn nicht, dass sie nicht nur die Familie sondern auch sich selbst zerstört?
Bevor ich erneut etwas falsches zu ihr sagen kann, verlasse ich die Küche. Mikael ist nicht da, er wird es mir nicht übel nehmen, wenn ich heute Abend nichts esse. Ich fühle mich jetzt echt nicht nach Essen. Er wird die Leere in meinem Magen und in meinem Geist verstehen, sage ich mir immer und immer wieder. Bis ich es selbst glaube.
♡♡♡
Leute ich hab eben den perfekten Khan in einem von Berlins vielen Bahnhöfen gesehen... he was perfect. Naja im Moment hab ich allerdings auch noch nen anderen, der ziemlich gut Khan darstellt(also in meiner Imagination)...
Macht das noch irgendwer? Random people auswählen, die seinen Charakteren ähneln? lol I sure do.
Und genau aus diesem Grund, damit ich euch davon erzählen kann, bekommt ihr noch ein Kapitelchen haha, hab grad sowieso nichts zu tun außer zu warten deshalb... if you know you know
xxx
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