2 - Herzogtum Gru... - wo???
So eine Geschichte, wo es nicht um historisch belegte Ereignisse sondern um die Entwicklungen von ein paar erdachten Menschen geht, kann man natürlich überall spielen lassen. Ich hätte mir irgendeine Ecke Deutschlands aussuchen können, in der ich mich auskenne. Tja – wie bereits erwähnt bin ich auf einer Karte über die Reformation über das Herzogtum Grubenhagen gestolpert. Als ich feststellte, dass es gar nicht so einfach ist, die Infos darüber zusammenzubekommen, war das Kind schon in den Brunnen gefallen. Denn wie immer: ich habe das ganze Ding geträumt. Und zwar so konkret, dass ich am nächsten Morgen beim Frühstück den kompletten Verlauf, alle Verwicklungen, alle wichtigen Namen, ... schön sinnvoll runtererzählen konnte.
O-Ton Tochterkind:"Wie kann man in einer Nacht soviel träumen? Und wie kann man das alles am nächsten Morgen noch wissen???"
Wie – keine Ahnung. Dass – ich bin das wandelnde Beispiel ...
Ich hab also fröhlich angefangen, die Personen zu skizzieren, das Dorf aufzumalen, die ersten Kapitel zu schreiben, die Entfernungen meiner Chronologie anzupassen, ... Und die ganze Zeit standen bei den Ortsnamen, die in das Lehen gehören, immer XXXX. Auch die Bösewichte hatten ganz lange ein XXXX. Für die Leute im Dorf war es sogar so, dass ein paar Figuren von Anfang an feststanden und sofort einen Namen hatten. Aber allen anderen habe ich immer erst dann einen Namen gegeben, wenn ich wieder jemand Neues für die Handlung brauchte. Dann habe ich mir die Skizze vom Dorf geschnappt und in das nächste leere Kästchen (= Hof) einen Namen reingeschrieben.
Nach ein paar Wochen eifrigen Schreibens verließ mich etwas die Motivation. Ich konnte mir selbst das Ganze nicht so richtig vorstellen. Also habe ich zum X-ten Mal die ergoogelten alten Karten und diesmal auch Google-Maps geschnappt und verzweifelt versucht, die bereits beschriebenen örtlichen Gegebenheiten irgendwo auf der Karte zu finden. Irgendwann bin ich dann fast an diesem "watt denn nu?" verhungert, bis ich mit Erin und Ria von Creativity_Square gequatscht hab. Und dann hab ich plötzlich bei google-Maps tatsächlich an der (damaligen) Grenze nach Süden genau die Konstellation von Dörfern gefunden, die ich brauchte, den Grenzwald, das Flüsschen – alles da. Tatsächlich genau da, wo ich es hingeträumt hatte!
Dazu ein Schloss, das zwar eigentlich weiter westlich und jenseits dieser Grenze liegt, aber da hab ich dann das Schloss Gieboldehusen einfach etwas weiter nordöstlich an die Stelle von Pöhlde gebeamt. Auf einmal hatten alle Orte Namen, und die Namen einiger Personen kamen sofort hinterher. Von dem Moment an hat es wieder geflutscht. Ich konnte mir das alles gut vorstellen und drauflos schreiben.
.............................................................
Die Welfen
Aber das Land Grubenhagen selbst? Mann, was ein Durcheinander. Zeitweilig hab ich echt die Krise gekriegt. Ich hatte als allererstes diese Karte aus einem Buch über die Reformation:
Und weil sie so schön plakativ ist, ist mir halt auf der Suche nach einem Herzogtum das Herzogtum Grubenhagen ins Auge gesprungen. Wie man hier allerdings sieht, ist (bei dem roten Strich weiter links) Salzderhelden nicht eingetragen.
Und dann hab ich gegoogelt. Und gegoogelt. Und gegoogelt. Ich hab nämlich ganz lange nur nach Grubenhagen gesucht und nicht kapiert, dass ich nach den Welfen suchen muss.
Als nächstes war ich kolossal irritiert über Karten wie diese:
Warum um Himmels Willen ist das Herzogtum in zwei Teile geteilt? Warum gibt es mittendrin entlang der Leine ein langes Stück Braunschweig? Warum liegt das Stammschloss der Herzöge in dem Minizipfel bei Einbeck und nicht auf dem größeren Gebiet des Landes? Allmählich rückten damit die Braunschweiger in mein Blickfeld. Und ich habe begriffen: die Erberei damals war - zumindest in diesem Teil des Reiches - anders, als wir denken. Nicht nur der Älteste sondern alle männlichen Nachkommen bekamen das Erbe zu gleichen Teilen, was zur Folge hatte, dass diese Länder dauernd irgendwie geteilt und dabei immer kleiner wurden. Hier sieht es schon wieder anders aus:
Und erst jetzt bin ich auf die Welfen gekommen. Eines der ältesten Adelsgeschlechter in Europa, teilweise heftige Konkurrenten der Staufer und mit riesigen Gebieten in Bayern, Schwaben und Sachsen (damals Teile des heutigen Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg). Bayern und Schwaben war irgendwann weg. Das nördliche Reichslehen nannte sich Braunschweig-Lüneburg und wurde aus Reichssicht immer als EIN Lehen betrachtet.
Innerhalb dieses Reichslehens wurde fröhlich geteilt. Die ganzen Miniländer der Welfen hießen einfach immer nach dem jeweiligen Fürstensitz. Die nannten sich auch alle einfach Herzog. Bis zu fünf Braunschweig-Lüneburgs gab es gleichzeitig, manchmal nur zwei. Die hießen dann Blankenburg und Göttingen und Calenberg - und eben Grubenhagen. Wenn eine Linie der Welfen ausstarb, erbte einfach die nächste alles, was dadurch plötzlich übrig war. Je nachdem, wer verwandschaftlich am nächsten dran war, wer wen geheiratet hatte, ...
Mein Grubenhagen war also auch so ein Häppchen, ein Doppelhäppchen, durch Erbteilung entstanden, darum auch so zerhackt. Als die Grubenhagener 1597 ausstarben, ging das einfach alles zurück an Braunschweig. Oder an Lüneburg? Egal. Dem Kaiser wars egal, Hauptsache, er hatte einen, mit dem er reden konnte, und das war der echte Braunschweiger. Und den Welfen war es offensichtlich auch recht, denn das Spielchen haben sie friedlich betrieben bis 1806, als Napoleon anfing, Europa aufzurollen.
Nachdem ich das alles herausgefunden hatte, bin ich einfach bei dem geblieben, was ich ja schon in ettlichen Kapiteln beschrieben hatte. Aber dann ...
..................................................................
Julianischer Kalender und Gregorianischer Kalender
Wusst ichs doch, dass ich wieder in irgendwelche komplizierten Fallen stolpern würde. Ich habe mir einen Kalender von 1570/71 runter geladen, dann ganz simpel nach dem Ostertermin für das Jahr 1571 gegoogelt – und bin gelandet bei So.15.4.1571 – der an anderer Stelle aber ein Freitag war. Hä? Ganz große Nummer ...
Es hat ein bisschen gedauert, bis ich rausgefunden habe, dass erst im Oktober 1582 – also nach meiner Geschichte - der heute noch gültige Gregorianische Kalender eingeführt worden war, weil beim alten Julius Cäsar-Modell durch die anders berechneten Schaltjahre so „ein bisschen was" verloren gegangen ist. Genauer: Papst Gregor hat die Schaltjahresberechnung überholt und dann nach dem 4.10.1582 gleich den 15.10.1582 folgen lassen, um das Durcheinander auszugleichen. Ich habe nach Umrechnungstabellen gesucht, weil der von mir gefundene Kalender offenbar gregorianisch war, obwohl der 1571 noch gar nicht gegolten hat. Nichts zu machen – ich werde nicht erst Mathematik studieren, um das berechnen zu können. Eine ganze Weile später habe ich dann einen Kalender gefunden, wo alle Angaben stimmen, sprich: noch nach dem Julianischen Kalender berechnet sind.
Und den habe ich mir dann für einige Jahre richtig ausgedruckt, damit ich meine Ereignisse chronologisch festlegen konnte. Geburtstage, Schwangerschaften und Tode, wer, was , wann, wo ... Und schon ging es los mit planen, reinschripseln, hin und herschieben, ...
Geburtstage:
Vorgeschichte: Hier ist Jakob noch vor Annas Ankunft in Lütgenhusen geboren. Das habe ich später geändert.
Dann das Jahr 1570 mit dem Novembersturm:
Und das Jahr 1571 mit all den Verwicklungen und Hin und Hers. Allerdings habe ich gegen Ende aufgehört, die Ereignisse wie die zwei Hochzeiten hier einzutragen.
Ich frag mich immer, wie die AutorInnen hier das machen, die ihre Stories vorher NICHT planen. ICH könnte das jedenfalls nicht. Ich würde irre werden, mir dauernd in den älteren Kapiteln einen Wolf suchen, immerzu etwas schon Geschriebenes umändern und ständig Widersprüchlichkeiten einbauen.
..................................................
18.6.2020
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro